Einreihung von aufblasbaren Schwimmliegen aus Kunststoff in den Zolltarif
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf.***, vertreten durch ***V.***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Zollamtes ***ZA*** (nunmehr Zollamt Österreich) vom , Zahl: ***000***, betreffend die Nacherhebung von Einfuhrabgaben zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang
Die Beschwerdeführerin (Bf.) beantragte am beim Zollamt ***ZA*** durch eine Spedition als direkten Vertreter im Informatikverfahren die Überführung u.a. von Waren mit der Bezeichnung "***WL***" und "***RL***" in den zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr (Code 4000 zum Feld 37 des Einheitspapiers) und gab als Warenbezeichnung (Feld 31 des Einheitspapiers) "***WL***" bzw "***RL***" an. Im Feld 33 des Einheitspapiers wurde als Warennummer für die "***WL***" "9401 8000 00" und für die "***RL***" "3926 9092 90" angeführt.
Die Anmeldung MRN ***17AT*** weist zum Feld D/J unter dem Code "P211" den Beschauvermerk "Warenkontrolle - Einschaltung der ZVZ oder TUA Cont.Nr. TCLU 421845-2 beschaut, in einem Krt. ohne Nr. Art. Nr. ***Art001*** ***WL***, in einem Krt. ohne Nr. Art. Nr. ***Art002*** ***RL***, Schwimmliege aus Kunststoff, festgestellt. TUA-Untersuchung erfolgt nach Rücksprache mit Anmelder auf der Grundlage einer Produktbeschreibung." auf.
Nach erfolgter Warenkontrolle wurden die Waren in den freien Verkehr überlassen und der Bf. die buchmäßige Erfassung der Eingangsabgaben mitgeteilt.
Mit Bescheid vom teilte das Zollamt der Bf. gemäß Art. 102 Abs. 3 UZK mit, dass ein Einfuhrabgabenbetrag in der Höhe von 60,83 Euro nachträglich buchmäßig erfasst und nacherhoben werde.
Die Warenuntersuchung bei der Technischen Untersuchungsanstalt der Bundesfinanzverwaltung habe für das Produkt "***WL*** ***Art001***" die Einreihung in die Tarifposition 3926 9092 90 ergeben, was einen Zollsatz von 6,5 % des Wertes nach sich ziehe. Beim Produkt "***RL*** ***Art002***" sei laut Untersuchungsbefund 719/2017 keine anderslautende Einreihung vorgenommen worden. Näheres sei den beigefügten ETOS-Erledigungen zu entnehmen.
Dagegen richtet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde vom .
Dies im Wesentlichen mit der Begründung, dass das Zollamt in seiner Entscheidung auf die beiden unverbindlichen ETOS Entscheidungen 718/2017 und 719/2017 verweise, weitere Argumente für die Nacherhebung aber fehlen würden.
Die Bf. erkenne in beiden Erzeugnissen aufblasbare Sitze (***WL*** und ***RL***), die Sitzmöbel aus Kunststoff der Position 9401800000 darstellen würden. Zur Verdeutlichung dieser Ausführungen seien der Beschwerde zwei im Unternehmen der Bf. hergestellte Fotografien angeschlossen. Um den gesamten Umfang der Erzeugnisse erkennen zu können, werde dem Zollamt eine Darstellung nochmals in elektronischer Form zur Verfügung gestellt. Beide Lounges seien dazu geeignet, auf den Boden gestellt zu werden. Sie könnten somit als Sitzmöbel verwendet werden.
Sowohl die ***WL*** als auch die ***RL*** seien mit Aufblasventilen versehen.
Gemäß den Allgemeinen Vorschriften AV 1, AV 6, der Anmerkung 2 Absatz 1 zum Kapitel 94 ("Die in den Positionen 9401 bis 9403 erfassten Waren müssten dazu bestimmt sein, auf den Boden gestellt zu werden") der ErlKN 94 (HS) Rn 01.0, Rn 02.0, Rn 06.0, Rn 07.0 und Rn 14.1 sowie der ErlKN 9401 (HS) Rn 01.0 und Rn 02.1 sollten diese beiden Erzeugnisse deshalb in die Position 9401800000 einzureihen sein.
Die Bf. verweise auch auf die rechtsverbindliche Zolltarifauskunft DE22640/15-1 vom mit dem Ergebnis 9401800000.
Das Zollamt wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet ab.
Die Bf. beantragte in der Folge mit Eingabe vom die Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht.
Die Begründung des Vorlageantrags entspricht im Wesentlichen der Beschwerdebegründung. Darüber hinaus ergänzte die Bf., dass eine weiterführende Begründung nachgereicht werde. Aufgrund eines noch fehlenden Analyseergebnisses eines vom Hersteller in Auftrag gegebenen Gutachtens sei mit einer Nachreichung nicht vor Anfang des Jahres 2018 zu rechnen. Sobald die diesbezüglichen Ausführungen vorliegen würden, werde die Bf. diese dem Bundesfinanzgericht nachreichen.
Eine Vorlage der in Aussicht gestellten Unterlagen ist bislang jedoch unterblieben.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Sachverhalt
Bei den verfahrensgegenständlichen Waren mit der Bezeichnung "***RL***" und "***WL***" handelt es sich um aufblasbare Schwimmliegen aus Kunststoff.
Beweiswürdigung
Der angeführte Sachverhalt ergibt sich aus den vom Zollamt vorgelegten Verwaltungsakten sowie aus den Angaben und Vorbringen der beschwerdeführenden Partei.
Rechtliche Beurteilung
Zu Spruchpunkt I.
Gemäß Art. 56 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Festlegung des Zollkodex der Union, ABl. L 269 vom , (Unionszollkodex - UZK) stützen sich die zu entrichtenden Einfuhr- und Ausfuhrabgaben auf den Gemeinsamen Zolltarif.
Gemäß Art. 56 Abs. 2 UZK umfasst der gemeinsame Zolltarif u.a. die Kombinierte Nomenklatur nach der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 (Buchstabe a).
Durch die zehnstellige Codierung des auf der Grundlage des Art. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 in Form einer Online-Zolltarifdatenbank geführte "Taric" (Tarif Intégré des Communautés Européennes) kann für eine Ware aus einem festgelegten Ursprungsland der Zollsatz, die Warenbeschreibung und Handelsbeschränkungen abgefragt werden.
Die Kombinierte Nomenklatur (KN) beruht auf dem am in Brüssel geschlossenen Internationalen Übereinkommen, mit dem das Harmonisierte System zur Bezeichnung und Codierung der Waren (HS) eingeführt wurde. Sie übernimmt die Positionen und sechsstelligen Unterpositionen des HS, nur die siebente und die achte Stelle bilden spezielle Unterteilungen der KN.
Nach Art. 12 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 veröffentlicht die Europäische Kommission jährlich in Form einer Verordnung die vollständige Fassung der KN zusammen mit den Zollsätzen, wie sie sich aus den vom Rat der Europäischen Union oder von der Kommission beschlossenen Maßnahmen ergeben. Diese Verordnung gilt jeweils ab 1. Januar des folgenden Jahres (vgl. ).
Die Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates vom über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den gemeinsamen Zolltarif, ABl. L 256 vom , in der im Beschwerdefall maßgeblichen Fassung der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1821/2016 der Kommission vom , ABl. L 294 vom , (im Folgenden: KN-Verordnung) enthält in ihrem Anhang I (Kombinierte Nomenklatur), Teil II (Zolltarif) den Abschnitt VII (Kunststoffe und Waren daraus; Kautschuk und Waren daraus) und den Abschnitt XX (Verschiedene Waren).
In Abschnitt VII enthält das Kapitel 39 ("Kunststoffe und Waren daraus") die Position 3926 ("Andere Waren aus Kunststoffen und Waren aus anderen Stoffen der Positionen 3901 bis 3914"), wobei für den Taric-Code 3926 9092 00 (andere, aus Folien hergestellt) ein Drittlandszollsatz von 6,5 % vorgesehen ist.
In Abschnitt XX enthält das Kapitel 94 ("Möbel; Medizinisch-chirurgische Möbel; Bettausstattungen und ähnliche Waren; Beleuchtungskörper, anderweitig weder genannt noch inbegriffen; Reklameleuchten, Leuchtschilder, Beleuchtete Namensschilder und dergleichen; Vorgefertigte Gebäude") die Position 9401 ("Sitzmöbel (ausgenommen solche der Position 9402), auch wenn sie in Liegen umgewandelt werden können, und Teile davon"), wobei für den Taric-Code 9401 8000 00 (andere Sitzmöbel) die Zollfreiheit vorgesehen ist.
Die Anmerkung 1. a) zu Kapitel 94 lautet:
"1. "Zu Kapitel 94 gehören nicht:
a) aufblasbare Matratzen, Kopfkissen oder Kissen; Matratzen, Kopfkissen oder Kissen für Wasserfüllung, des Kapitels 39, 40 oder 63;"
Die Anmerkung 2. zu Kapitel 94 lautet (auszugsweise):
"2. Die in den Positionen 9401 bis 9403 erfassten Waren (ausgenommen Teile) müssen dazu bestimmt sein, auf den Boden gestellt zu werden.
Es bleiben jedoch in diesen Positionen, selbst wenn sie aufgehängt, an der Wand befestigt oder aufeinander gestellt werden: …"
Die KN-Verordnung enthält in ihrem Anhang I (Kombinierte Nomenklatur), Teil I (Einführende Vorschriften) Titel I (Allgemeine Vorschriften) "Allgemeine Vorschriften für die Auslegung der Kombinierten Nomenklatur" (AV).
Demnach sind die Überschriften der Abschnitte, Kapitel und Teilkapitel nur Hinweise. Maßgebend für die Einreihung sind der Wortlaut der Positionen und der Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln und - soweit in den Positionen oder in den Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln nichts anderes bestimmt ist - die nachstehenden Allgemeinen Vorschriften (AV 1).
Maßgebend für die Einreihung von Waren in die Unterpositionen einer Position sind der Wortlaut dieser Unterpositionen, die Anmerkungen zu den Unterpositionen und - sinngemäß - die vorstehenden Allgemeinen Vorschriften. Einander vergleichbar sind dabei nur Unterpositionen der gleichen Gliederungsstufe. Soweit nichts anderes bestimmt ist, gelten bei Anwendung dieser Allgemeinen Vorschrift auch die Anmerkungen zu den Abschnitten und Kapiteln (AV 6).
Die belangte Behörde hat die in Rede stehenden Waren nicht in die Position 9401, sondern in den näher bezeichneten Taric-Code aus der Position 3926 eingereiht. Sie hat sich dabei auf den Wortlaut der Positionen 3926 und 9401 gestützt und die Anmerkungen 1 zu Kapitel 39 sowie 1 a zu Kapitel 94 angewandt.
Die Bf. steht hingegen auf dem Standpunkt, dass die gegenständlichen Waren in die Position 9401 einzureihen seien, weil es sich bei den Erzeugnissen um aufblasbare Sitze und sohin um Sitzmöbel aus Kunststoff handle und die Ware mit der Bezeichnung "***WL***" auch geeignet sei, im Sinne der Anmerkung 2 zu Kapitel 94 auf den Boden gestellt zu werden.
Nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH ist das entscheidende Kriterium für die zolltarifliche Einreihung von Waren zur Gewährleistung der Rechtssicherheit und der leichten Nachprüfbarkeit allgemein in deren objektiven Merkmalen und Eigenschaften zu suchen, wie sie im Wortlaut der KN-Position und der Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln festgelegt sind (vgl. etwa , Vision Research Europe, Rn. 22 und die dort angeführte Rechtsprechung). Maßgebend ist dabei jener Zustand, in dem die Waren zur Zollabfertigung gestellt werden (vgl. etwa , Panasonic Italia u. a., Rn. 36).
Die Erläuterungen zum HS (das vom Rat für die Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Zollwesens (nunmehr: Weltzollorganisation - WZO) ausgearbeitete und durch das internationale Übereinkommen vom eingeführte Harmonisierte System zur Bezeichnung und Codierung der Waren) sind zwar nicht verbindlich, stellen jedoch wichtige Hilfsmittel dar, um eine einheitliche Anwendung des Gemeinsamen Zolltarifs zu gewährleisten, und sind als solche wertvolle Quellen für die Auslegung des Tarifs. Gleiches gilt für die Erläuterungen der Europäischen Kommission zur Kombinierten Nomenklatur (vgl. etwa , Medtronic GmbH, Rn 37).
In den Erläuterungen zur Kombinierten Nomenklatur zu Kapitel 94 heißt es:
"Für die Zwecke dieses Kapitels umfasst der Ausdruck "Möbel" Waren, die im Allgemeinen dazu bestimmt sind, in Privatwohnungen oder Gärten usw. zu verbleiben. Siehe auch die Definition des Ausdrucks "Möbel" in den HS-Erläuterungen zu Kapitel 94, Allgemeines, Absatz 2, Buchstabe A.
Folglich sind aufblasbare Waren (wie aufblasbare Sitze, aufblasbare Liegesessel usw.), die im Allgemeinen dazu bestimmt sind, an verschiedene Orte (z. B. Campingplätze, Strand usw.) mitgenommen und dort vorübergehend verwendet zu werden, keine Möbel im Sinne des Kapitels 94, sondern je nach ihrer stofflichen Beschaffenheit Campingausrüstungen der Position 6306 oder Waren des Kapitels 39 oder 40.
Aufgrund ihrer objektiven Merkmale wie ihres geringen Gewichts sind diese aufblasbaren Waren leicht zu transportieren sowie einfach und schnell aufzustellen und wieder einzupacken.
Beispiele für einige dieser aufblasbaren Waren:
…"
Auch bei den im Beschwerdefall verfahrensgegenständlichen Erzeugnissen handelt es sich unbestritten um aufblasbare Waren aus Kunststoff, die leicht zu transportieren, einfach und schnell zu verwenden und wieder einzupacken sind. Nach den vorstehend zitierten Erläuterungen zur Kombinierten Nomenklatur zu Kapitel 94 sind solche Waren aufgrund ihrer stofflichen Beschaffenheit in das Kapitel 39 einzureihen, weil sie nicht vom Begriff "Möbel" des Kapitels 94 umfasst sind.
Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die Schwimmliegen auch auf den Boden gestellt werden können.
Da die Beschwerde somit nicht aufgezeigt hat, dass das Zollamt die Waren zu Unrecht in den Taric-Code 3926 9092 90 eingereiht hätte, war diese daher als unbegründet abzuweisen.
Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt nicht vor. Die mit dem vorliegenden Erkenntnis zu lösenden Rechtsfragen sind durch die im Erkenntnis zitierte Rechtsprechung geklärt bzw. ergeben sich aus dem Wortlaut der anzuwendenden einschlägigen Bestimmungen.
Linz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Zoll |
betroffene Normen | Art. 56 Abs. 1 UZK, VO 952/2013, ABl. Nr. L 269 vom S. 1 Art. 56 Abs. 2 UZK, VO 952/2013, ABl. Nr. L 269 vom S. 1 KN-VO, VO 2658/87, ABl. Nr. L 256 vom S. 1 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2021:RV.5200017.2017 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at