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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 25.05.2021, RV/5100710/2018

Aufwendungen für "Essen auf Rädern": außergewöhnliche Belastung?

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***1*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Sadleder Friedrich Buchprüfungs- und Steuerberatungs-KG, Linzer Straße 62a, 4502 St.Marien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Linz vom , Steuernummer ***BF1StNr1***, betreffend Einkommensteuer 2016, zu Recht erkannt:

Entscheidungsgründe

Bisheriger Verfahrensgang

Einkommensteuererklärung 2016

Mit ihrer am elektronisch eingebrachten Einkommensteuererklärung 2016 machte die Beschwerdeführerin (in der Folge kurz: Bf.) außergewöhnliche Belastungen für die eigene Behinderung in Höhe von insgesamt 4.432,40 € (Kennzahl 476) geltend. In diesem Betrag sind u.a. auch Kosten für den Bezug von Essen auf Rädern (50% von 1.427,53: 713,77 €) enthalten.

Der Grad der Behinderung wurde mit 100 % angegeben.

Vorhalteverfahren

Nach einer Aufforderung der belangten Behörde legte die Bf. Belege für die geltend gemachten außergewöhnlichen Belastungen vor und zwar eine Bestätigung des Gemeindeamtes vom über den im Jahr 2016 erfolgten Bezug von Essen auf Rädern für die "Ehegatten ***2***" und die Bezahlung des dafür in Rechnung gestellten Betrages von 1.427,53 € sowie eine Bestätigung vom über die Inanspruchnahme mobiler Dienste (8.800,21 €).

Einkommensteuerbescheid 2016 vom

Mit dem am ergangenen Einkommensteuerbescheid 2016 wurden die Aufwendungen für Essen auf Rädern (713,77 €) mit der Begründung nicht anerkannt, dass nicht abzugsfähige Aufwendungen gemäß § 20 EStG 1988 vorliegen würden.

Beschwerde vom

In der dagegen erhobenen Beschwerde wurde zur Begründung auf die Einstufung der Bf. in die Pflegestufe 3 und die damit verbundenen körperlichen Beeinträchtigungen verwiesen. Die eigene Zubereitung der Verpflegung stoße auf nicht mehr lösbare Grenzen, weshalb die Zustellung von Mahlzeiten in Anspruch genommen worden sei. In der Steuererklärung seien nur 50% der Kosten angesetzt worden, welche den Mehraufwand darstellen würden. Der Betrag von 713,77 € sei daher als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen.

Ergänzender Schriftsatz vom

Dem ergänzenden Schriftsatz der Bf. vom war eine Bestätigung des Hausarztes vom beigelegt, wonach die Bf. nicht mehr in der Lage sei zu kochen und deshalb "Essen auf Rädern" beziehe.

Beschwerdevorentscheidung vom

Die belangte Behörde folgte dem Begehren der Bf. nicht und wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet ab. Kosten für die eigene Verpflegung seien typische Kosten der Lebensführung. Es sei keineswegs außergewöhnlich, Mahlzeiten außerhalb des Hauses in Gaststätten einzunehmen. Die Nachreichung der ärztlichen Betätigung über die Zwangsläufigkeit des Bezuges von "Essen auf Rädern" vermag an der Tatsache, dass es solchen Aufwendungen an Außergewöhnlichkeit mangelt, nichts zu ändern.

Vorlageantrag vom

Daraufhin stellte die Bf. mit Schriftsatz vom einen Vorlageantrag, in dem sie im Wesentlichen ihre bisher geltend gemachten Einwendungen aufrecht hielt. Die belangte Behörde habe nicht ausreichend begründet, weshalb die Gesamtkosten die üblichen Haushaltskosten abdecken würden.

Vorlagebericht vom

Mit Vorlagebericht vom legte die belangte Behörde die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor und beantragte deren Abweisung.

Beschluss vom

Die im Beschluss vom aufgeworfenen Fragen wurden von der Bf. mit Antwortschreiben vom wie folgt beantwortet:

• Um eine Teilung der Kosten für die Inanspruchnahme von "Essen auf Rädern" in eine Zustellungs- und in eine Speisenkomponente wird ersucht.

Die Bf. legte eine von der Gemeinde vorgenommene Trennung in Zustellungs- und Speisenkomponente vor.

• Benötigte die beschwerdeführende Partei im Jahr 2016 eine spezielle Ernährung bzw entstanden dadurch Mehraufwendungen wegen Krankendiätverpflegung?

Eine Diätverpflegung sei auf Grund einer Gallenentnahme notwendig gewesen.

• Erfolgte die Zustellung der Mahlzeiten im beschwerdegegenständlichen Jahr laufend oder nur fallweise?

Die Zustellung der Mahlzeiten sei im beschwerdegegenständlichen Jahr regelmäßig erfolgt.

• Laut der vorliegenden Bestätigung des Gemeindeamtes ***3*** vom bezog sich der Betrag von 1.427,53 € auf zwei Personen, nämlich die beschwerdeführende Partei und deren Ehegatte. Im Lichte dieser Tatsache erscheinen die Ausführungen in der Beschwerde nicht verständlich, dass mit der Halbierung dieses Betrages nur die Mehrkosten berücksichtigt worden sind. Um Klärung wird gebeten.

Nach Rücksprache mit der Gemeinde könne letztlich nicht gesagt werden, wer tatsächlich das Essen bezogen habe. Es sei lediglich an den Haushalt geliefert worden. Die im Jahr 2017 ausgestellte Bestätigung sei auch in diesem Lichte zu sehen und wurde an den Haushalt ***2*** gerichtet. Die weiteren Bestätigungen seien dann auch richtigerweise allein auf die Bf. ausgestellt worden. Nur die Bf. habe dieses Essen benötigt, da durch die Pflegestufe 3 eine entsprechende Erschwernis hinsichtlich des Kochens vorhanden gewesen sei.

• Gibt es einen land- und forstwirtschaftlichen Übergabevertrag mit einer Regelung betreffend die Verpflegung der Übergeber?

Einen solchen habe es nicht gegeben.

• Um Vorlage eines Nachweises bezüglich der 100%igen Behinderung wird ersucht.

Diesbezüglich werde auf das Pflegegeld verwiesen, da dadurch feststehe, dass die Bf. ab Mai 2015 in der Pflegestufe 3 eingestuft sei.

• Wie ermittelt sich konkret die Höhe der in der Steuererklärung geltend gemachten außergewöhnlichen Belastung?

Vorgelegt wurden Unterlagen betreffend Essen auf Rädern (1.427,53 € für zwei Personen, 50%: 713,77 €) und die Inanspruchnahme des Mobilen Dienstes (8.800,21 €). Auf Letzterer wurde händisch die Höhe des erhaltenen Pflegegeldes vermerkt, nämlich 5.421,60 €. Daraus ergibt sich eine Summe (abzüglich Pflegegeld) von 4.092,38 €. Geltend gemacht wurde hingegen ein Betrag von 4.432,40 € (Differenz: 340,02 €). Um Klärung wird ersucht.

Die Differenz betreffe die bezahlten Apothekerrechnungen von 340,02 €.

Vorhalteverfahren

Mit Mail vom ersuchte die Richterin, noch weitere Fragen zu beantworten:

• Die Zustellung der Mahlzeiten erfolgte im Jahr 2016 nur an 143 Tagen und somit nicht täglich. Weshalb wurde nur an diesen Tagen die zugestellte Verpflegung in Anspruch genommen und wie erfolgte die Zubereitung der Mahlzeiten an den restlichen Tagen?

• Wie erfolgte die Verpflegung des im gemeinsamen Haushalt lebenden Gatten der Beschwerdeführerin?

• In der Vorhaltebeantwortung vom wird die Notwendigkeit einer Diätverpflegung angesprochen. Um Vorlage einer amtsärztlichen Bestätigung (für 2016) wird ersucht.

• Im Beschluss vom wurde um Vorlage eines Nachweises bezüglich der 100%igen Behinderung ersucht, was jedoch nicht erfolgt ist. Ein Verweis auf die Einstufung in die Pflegestufe 3 ersetzt die Vorlage dieses Nachweises nicht. Sie werden daher nochmals aufgefordert, eine Abschrift der amtlichen Bescheinigung zu übermitteln.

Am wurden diese Fragen per Mail wie folgt beantwortet:

"Leider habe ich von der Fam. ***2*** keine Bestätigungen trotz Urgenz erhalten. Laut Telefonat mit der Tochter kann zur Anfrage Folgendes mitgeteilt werden:

• Die Verpflegung wurde nicht ganzjährig in Anspruch genommen, da Fr. ***2*** mit der Kost nicht wirklich zufrieden war. An den übrigen Tagen wurden die Mahlzeiten von der Tochter organisiert bzw. von der Tochter zubereitet.

• Der im Haushalt lebende Gatte hat sich soweit wie möglich selbst verpflegt bzw. wurde von der Tochter mitverköstigt.

• Eine Behinderungsbestätigung kann nicht vorgelegt werden, da eine derartige Einstufung trotz der Behinderung (Pflegegeldstufe 3) bis dato nicht beantragt wurde."

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Streitpunkt

Im Beschwerdefall steht in Streit, ob die im Jahr 2016 angefallenen Kosten für den Bezug von "Essen auf Rädern" als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen sind oder nicht.

Sachverhalt

Die Bf. bezog im beschwerdegegenständlichen Jahr neben Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit als Pensionistin (16.377,36 €) auch Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft (7.214,48 €). Im Jahr 2016 betrug daher der Gesamtbetrag der Einkünfte rund 23.600 €.

Die Bf. ist gemeinsam mit ihrem Ehegatten Eigentümerin einiger Liegenschaften, samt Gebäuden, landwirtschaftlichen Grundflächen und Wäldern.

Die Bf. erhielt im streitgegenständlichen Jahr Pflegegeld der Pflegestufe 3. Eine Pflegebedürftigkeit ist somit gegeben. Eine amtliche Bescheinigung über den Grad der Behinderung (§ 35 Abs 2 EStG 1988) liegt ebenso wenig vor, wie eine ärztliche Bestätigung für die Notwendigkeit einer Diätverpflegung.

Die Bf. wohnte im Jahr 2016 gemeinsam mit ihrem Ehegatten zu Hause und bezog an 143 Tagen Essen auf Rädern. An den anderen Tagen wurden die Mahlzeiten von der Tochter organisiert bzw zubereitet, weil die Bf. mit der zugestellten Kost nicht zufrieden war. Der Ehegatte verpflegte sich soweit wie möglich selbst bzw wurde von der Tochter mitverköstigt. Für den Bezug von Essen auf Rädern stellte das Gemeindeamt einen Betrag in Höhe von 1.427,53 € in Rechnung. Davon entfielen

  • 71,50 € auf die Miete für das Geschirr,

  • 996,71 € auf das Essen und

  • 328,90 € auf die Zustellung.

In Summe ergibt das einen Betrag von 1.397,11 € (ungeklärte Differenz zum Rechnungsbetrag von 30,42 €). Von der Hälfte des in Rechnung gestellten Betrages (713,77 €) machte die Bf. eine außergewöhnliche Belastung geltend.

Laut einer Abfrage im Zentralen Melderegister waren im Jahr 2016 an der Adresse ***Bf-Adr*** auch der Sohn und die Tochter mit Hauptwohnsitz gemeldet.

Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus den elektronisch vorgelegten Aktenteilen, den Ergebnissen des verwaltungsgerichtlichen Ermittlungsverfahrens sowie aus Abfragen im Abgabeninformationssystem des Bundes und im Grundbuch.

Die in der Steuererklärung behauptete Behinderung von 100% konnte nicht nachgewiesen werden. Eine Einstufung in die Pflegestufe 3 ist dafür nicht ausreichend. Für die vorgebrachte Notwendigkeit einer Diätverpflegung fehlen Nachweise. Eine diesbezügliche ärztliche Bestätigung konnte nicht vorgelegt werden.

Der Bezug von Pflegegeld bedeutet, dass auf Grund einer körperlichen, geistigen oder psychischen Behinderung ein gewisser Pflegebedarf besteht und damit pflegebedingte Mehraufwendungen pauschaliert abgegolten werden. Die Einstufung in die Pflegestufe 3 bedeutet, dass der Pflegbedarf durchschnittlich mehr als 120 Stunden monatlich beträgt, sagt aber nichts darüber aus, ob eine selbständige Verpflegung noch vollumfänglich möglich gewesen wäre oder nicht. Auch die Inanspruchnahme der Mobilen Dienste stellt keinen Nachweis für das unbedingte Erfordernis einer Essenszustellung dar. Nach Angaben der Bf. hat sich ihr im gemeinsamen Haushalt lebender Gatte zum Teil selbst verpflegt. Gründe, warum dieser nicht auch eine Mahlzeit für die Bf. mitgekocht hat, wurden nicht vorgebracht. Die ärztliche Bestätigung, wonach die Bf. nicht mehr in der Lage sei, selbst zu kochen, wurde im Februar 2018 ausgestellt und bezieht sich somit nicht auf das beschwerdegegenständliche Jahr.

Zur Frage, ob das im Jahr 2016 bezogene Essen für beide Ehegatten oder nur für die Bf. bestimmt war, konnten weder der steuerliche Vertreter noch die Gemeinde konkrete Angaben machen. In Hinblick auf die Höhe des Einzelpreises (9,77 € pro Essen, inklusive Zustellung und Geschirrmiete), vor allem im Vergleich mit den nachfolgenden Jahren, erscheint es jedoch naheliegend, dass immer nur eine Portion geliefert wurde.

Gesetzliche Grundlagen

Gemäß § 34 Abs 1 Z 1 bis 3 EStG 1988 muss eine Belastung, um als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt zu werden, außergewöhnlich sein, zwangsläufig erwachsen und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen.

Nach Absatz 2 dieser Bestimmung ist die Belastung außergewöhnlich, soweit sie höher ist als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse erwächst.

Nach Absatz 3 erwächst die Belastung dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.

Nach § 34 Abs 6 EStG 1988 können u.a. folgende Aufwendungen ohne Berücksichtigung des Selbstbehaltes als außergewöhnliche Belastung abgezogen werden: Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung, wenn die Voraussetzungen des § 35 Abs 1 vorliegen, soweit sie die Summe pflegebedingter Geldleistungen (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindengeld oder Blindenzulage) übersteigen.

Hat der Steuerpflichtige außergewöhnliche Belastungen u.a. durch eine eigene körperliche oder geistige Behinderung und erhält er keine pflegebedingte Geldleistung (Pflegegeld, Pflegezulage), so steht ihm nach § 35 Abs 1 EStG 1988 jeweils ein Freibetrag (Abs 3) zu.

Anstelle des Freibetrages können nach § 35 Abs 5 EStG 1988 auch die tatsächlichen Kosten aus dem Titel der Behinderung geltend gemacht werden (§ 34 Abs 6).

Wenn § 34 Abs 6 EStG 1988 an die "Voraussetzungen des § 35 Abs. 1" anknüpft, so bezieht sich dies schon im Hinblick darauf, dass § 34 Abs 6 EStG 1988 eine Berücksichtigung von Mehraufwendungen nur bei Übersteigen der pflegebedingten Geldleistungen vorsieht, nicht auch auf die in § 35 Abs 1 EStG 1988 genannte Voraussetzung, dass keine pflegebedingten Geldleistungen bezogen werden ().

Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes

Eine Belastung ist außergewöhnlich, soweit sie - bezogen auf das Kalenderjahr - höher ist als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommens- und Vermögensverhältnisse erwächst (eine "überwiegende Mehrzahl" ist nicht erforderlich). Auf die Außergewöhnlichkeit des - den Aufwand auslösenden - Ereignisses kommt es hingegen nicht an (). Außergewöhnlich können nur Aufwendungen sein, die der Art und dem Grunde nach außerhalb des Üblichen liegen (BFH , III R 12/92); sie dürfen nicht "gewöhnlich" sein, dh unter gleichen Umständen alle Steuerpflichtigen treffen ().

Die Zwangsläufigkeit ist stets nach den Umständen des Einzelfalls () und nicht in wirtschaftlicher oder gar in typisierender Betrachtungsweise zu beurteilen. Der Steuerpflichtige darf sich dem Aufwand aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen können (). Tatsächliche Gründe sind in der Person des Steuerpflichtigen gelegene Gründe, die ihn unmittelbar selbst betreffen oder treffen, wie zB Krankheit (). Das Merkmal der Zwangsläufigkeit muss auch der Höhe nach gegeben sein (). Inwieweit eine Aufwendung notwendig und angemessen ist, ist nicht nach den subjektiven Vorstellungen des Steuerpflichtigen, sondern nach den objektiven Umständen zu entscheiden ().

Mit der Frage, unter welchen Umständen eine Verpflegung durch "Essen auf Rädern" als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen ist, hat sich der Verwaltungsgerichtshof in seinem zur GZ. Ra 2017/13/0040 ergangenen Erkenntnis vom auseinandergesetzt und ausgesprochen, dass es von den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des (pflegebedürftigen) Steuerpflichtigen abhängt, ob seine Aufwendungen für "Essen auf Rädern" als außergewöhnlich im Sinne des § 34 EStG 1988 anzuerkennen sind.

Zu berücksichtigen ist aber auch die Dauer, für welche der Steuerpflichtige auf eine solche Form der Verpflegung angewiesen ist. Die nicht nur fallweise oder vorübergehende, sondern behinderungsbedingt laufende Verpflegung mittels fremd hergestellter und nach Hause zugestellter Hauptmahlzeiten, wird in Bezug auf ihre den Einkommens- und Vermögensverhältnissen entsprechende Gewöhnlichkeit anders zu beurteilen sein als die bloß gelegentliche Inanspruchnahme solcher Dienste. Dieser quantitative Aspekt spiegelt sich im Verweis des Erkenntnisses vom (Ro 2015/15/0009) auf die Ausführungen im Erkenntnis vom (2013/15/0254), wenn dort auf die Eventualität einer über das "normale" Maß hinausgehenden Inanspruchnahme eingegangen wird.

Dabei ist zwischen den Kosten der Speisen (abzüglich Haushaltsersparnis) und den Kosten der Zustellung zu unterscheiden. Es ist nämlich denkbar, dass zwar der Aufwand für die laufende Einnahme fremd zubereiteter Mahlzeiten, aber nicht mehr der weitere Aufwand für deren tägliche Zustellung nach Hause den zugrunde zu legenden Einkommens- und Vermögensverhältnissen entspricht.

Der Verwaltungsgerichtshof hob die Entscheidung auf, weil das Bundesfinanzgericht diesen Fragen zu Unrecht keine Beachtung geschenkt hat und es verabsäumt hat, sich auf der Grundlage geeigneter Feststellungen insbesondere zur Höhe der - zwingend - angefallenen Kosten mit dem Verhältnis der behinderungsbedingt entstandenen Verpflegungskosten zum Verpflegungsmehraufwand der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommens- und Vermögensverhältnisse auseinanderzusetzen.

In seinem Erkenntnis vom (Ro 2015/15/0009) hielt das Höchstgericht zur Thematik "Essen auf Rädern" fest, dass grundsätzlich nur der durch die Behinderung bedingte Mehraufwand als außergewöhnliche Belastung begünstigungsfähig sei, somit jener Aufwand, der über die typischen Kosten der Lebensführung hinausgehe. Kosten für die eigene Verpflegung seien typische Kosten der Lebensführung. Derartige Aufwendungen werden durch die tarifliche Steuerfreistellung des pauschalen Existenzminimums in § 33 Abs 1 EStG 1988 berücksichtigt. Es sei auch keineswegs außergewöhnlich, Mahlzeiten außerhalb des Hauses in Gaststätten einzunehmen, so dass weder die Kosten für die Mahlzeit, sondern auch jene für die Zustellung nicht als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen waren.

Auch in Bezug auf eine Haushaltshilfe verwies der Verwaltungsgerichtshof (, 2013/15/0254) auf die Einkommens- und Vermögenssituation eines Steuerpflichtigen, bei der die Beschäftigung einer Haushaltshilfe ohnehin üblich sei. Gehe hingegen die durch Krankheit oder Pflegebedürftigkeit bedingte Betreuung über eine normale Haushaltshilfe hinaus, könnte insoweit eine außergewöhnliche Belastung vorliegen.

Erwägungen

Bezogen auf den Beschwerdefall bedeutet diese Rechtsprechung, dass bei Aufwendungen für "Essen auf Rädern" stets eine Teilung in jene für die laufende Einnahme fremd zubereiteter Mahlzeiten (abzüglich Haushaltsersparnis) und in jene für die tägliche Zustellung nach Hause vorzunehmen ist. Beide Teile können unabhängig voneinander das Kriterium der Außergewöhnlichkeit erfüllen bzw nicht erfüllen. Als wesentlich erachtet der Verwaltungsgerichtshof dabei die Einkommens- und Vermögenssituation des Steuerpflichtigen.

Zur Einkommens- und Vermögenssituation

Dem zitierten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom lag ein Sachverhalt zugrunde, wonach die alleinstehende behinderte 92ig jährige Revisionswerberin im Jahr 2014 ausschließlich Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit aus Pensionszahlungen in Höhe von rund 19.700 € bezog und sonst über kein nennenswertes Vermögen verfügte. Sie wohnte im dritten Stock eines Mehrparteienhauses ohne Aufzug. Die Bestellung von Essen war die einzige Möglichkeit gewesen, die Unterbringung in einer Pflegeeinrichtung zu vermeiden.

Im Beschwerdefall belaufen sich die Einkünfte in Summe auf rund 23.600 € und sind somit höher als im höchstgerichtlichen Verfahren. Darüber hinaus ist die Bf. gemeinsam mit ihrem Ehegatten Eigentümerin einiger Liegenschaften, samt Gebäuden, landwirtschaftlicher Grundflächen und Wäldern.

Zu den fremd zubereiteten Mahlzeiten

Kosten für die eigene Verpflegung sind typische Kosten der Lebensführung und zwar unabhängig davon, ob sie selbst zubereitet werden oder von anderen. Derartige Aufwendungen werden durch die tarifliche Steuerfreistellung des pauschalen Existenzminimums in § 33 Abs 1 EStG 1988 berücksichtigt. Als Maßstab der Außergewöhnlichkeit von Verpflegungsmehraufwendungen normiert das Gesetz die Höhe der Belastung im Vergleich zur Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommens- und Vermögensverhältnisse.

Die Einnahme von zu bezahlender Mittagsverpflegung ist auch bei Pensionisten, welche sich zwar grundsätzlich noch selbst verpflegen könnten, aber aus Bequemlichkeitsgründen dennoch von extern ein Essen beordern, nicht unüblich. Im gegenständlichen Fall fielen Kosten von rund 7 € pro Mahlzeit an (996,71 € / 143 Tage). In der Höhe des Preises der "gekauften" Mahlzeit ist keine Außergewöhnlichkeit zu erkennen, da einer Vielzahl von Steuerpflichtigen gleicher Einkommens- und Vermögensverhältnisse für die Zubereitung ihrer Mahlzeit ein ähnlich hoher Betrag zur Verfügung steht. Dass es sich dabei um eine besondere Krankendiätverpflegung gehandelt hat, konnte nicht nachgewiesen werden.

Nach Ansicht des erkennenden Gerichts sind daher die Ausgaben für eine Mahlzeit in Höhe von 7 € als üblich und nicht über das Maß einer Außergewöhnlichkeit hinausgehend anzusehen.

Zur Zustellungskomponente

Ob es außergewöhnlich ist, sich Mahlzeiten zustellen zu lassen, hängt von der Einkommens- und Vermögenssituation des Steuerpflichtigen ab. Ist es daher nicht unüblich, sich regelmäßig oder in gewissen Abständen Mahlzeiten liefern zu lassen, liegt im Vergleich zu anderen Steuerpflichtigen gleicher Einkommens- und Vermögensverhältnisse, keine Außergewöhnlichkeit vor.

Der Verwaltungsgerichtshof (Ra 2017/13/0040) wies in diesem Zusammenhang auch auf den zu berücksichtigenden quantitativenAspekt hin. So ist eine fallweise oder vorübergehende Verpflegung mittels fremd hergestellter und nach Hause zugestellter Mahlzeiten, in Bezug auf die Einkommens- und Vermögensverhältnisse entsprechende Gewöhnlichkeit anders zu beurteilen, als eine behinderungsbedingte laufende Verpflegung.

Die Bf. lebte im beschwerdegegenständlichen Jahr nicht alleine, sondern mit ihrem Gatten. An deren Wohnadresse waren auch der Sohn und die Tochter mit Hauptwohnsitz gemeldet. Die Mahlzeiten wurden im Jahr 2016 an insgesamt 143 Tagen und somit nicht laufend geliefert. An den anderen Tagen wurden die Bf. und ihr Gatte von der Tochter versorgt. An den Tagen, an denen die Mahlzeiten nicht von der Tochter bereitgestellt und der Bf. Essen geliefert wurde, versorgte sich der Ehegatte selbst. Gründe, warum dieser nicht auch für seine Gattin das Essen zubereitet hat, wurden nicht vorgebracht. Die gegenständlichen Einkommens- und Vermögensverhältnisse in Verbindung mit der familiären Situation lassen die fallweise Zustellung der Mahlzeiten nicht als außergewöhnlich erscheinen. Dass ohne eine Zustellung der Mahlzeiten eine Unterbringung in einer Pflegeeinrichtung erforderlich gewesen wäre, wurde nicht eingewendet. Die Zustellung der Mahlzeiten ist somit nicht als außergewöhnlich anzusehen.

Zur Frage der Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Frage, ob Ausgaben für "Essen auf Rädern" eine außergewöhnliche Belastung darstellen können, hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom bereits beantwortet. Im gegenständlichen Fall waren daher nur mehr Fragen des Sachverhaltes zu beurteilen.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.5100710.2018

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at