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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 07.06.2021, RV/5200001/2017

Kein Absehen von der Nacherhebung von Einfuhrabgaben aus Vertrauensschutzgründen

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf.***, vertreten durch ***V.***, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Zollamtes ***ZA*** (nunmehr Zollamt Österreich) vom , Zahl: ***000***, betreffend die nachträgliche buchmäßige Erfassung und Mitteilung von Einfuhrabgaben sowie die Festsetzung einer Abgabenerhöhung zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Das Zollamt ***ZA1*** führte bei der beschwerdeführenden Gesellschaft bürgerlichen Rechts (Bf.) eine Betriebsprüfung über die Richtigkeit der erklärten Zollwerte und die Einhaltung von zolltariflichen Bestimmungen sowie von Antidumpingmaßnahmen anlässlich der Überführung von Waren in den zollrechtlich freien Verkehr durch.

Mit dem angefochtenen Bescheid des Zollamtes ***ZA*** vom wurden der Bf. nachträglich buchmäßig erfasste Einfuhrabgabenbeträge (249,44 Euro an Zoll und 16.306,39 Euro an Antidumpingzoll) für Zollanmeldungen im Zeitraum vom bis gemäß Art. 221 Zollkodex (ZK) mitgeteilt und eine Abgabenerhöhung im Ausmaß von 793,14 Euro vorgeschrieben.

Dies im Wesentlichen mit der Begründung, eine durch das Zollamt ***ZA1*** durchgeführte Betriebsprüfung habe ergeben, dass bei den in einer Anlage zur Niederschrift vom , Zahl: ***1111***, angeführten Warenanmeldungen die Abfertigung zum zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr der Gemeinschaft mit unrichtigen Warenwerten, unrichtigen Ursprungslandangaben, unrichtiger Einreihung in die Kombinierte Nomenklatur sowie unrichtigen Hinzurechnungen zum Zollwert erfolgt sei. Die jeweils zutreffenden Unregelmäßigkeiten je Warenanmeldung seien in der genannten Anlage zur Niederschrift jeweils genau angegeben und der Bf. schon mitgeteilt worden.
Die kraft Gesetzes in richtiger Höhe entstandene Einfuhrzollschuld sei mit einem geringeren als dem gesetzlich geschuldeten Betrag buchmäßig erfasst worden und daher gemäß Art. 220 ZK nachzuerheben.
Wenn eine Zollschuld gemäß Art. 220 ZK nachzuerheben sei, dann sei gemäß § 108 Abs. 1 ZollR-DG eine Abgabenerhöhung zu entrichten, die dem Betrag entspreche, der für den Zeitraum zwischen der Fälligkeit der ursprünglich buchmäßig erfassten Zollschuld und der buchmäßigen Erfassung der nachzuerhebenden Zollschuld an Säumniszinsen angefallen wäre.

Dagegen richtet sich die Beschwerde vom , in der die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird, weil "kein Recht auf nachträgliche buchmäßige Erfassung gemäß Artikel 220 Abs. 2 Buchstabe b Zollkodex wegen aktiven Irrtums der Zollbehörde bestehe".
In sachverhaltsmäßiger Hinsicht wird in der Beschwerdebegründung Folgendes vorgebracht:
"Die ***Bf.***, in weiterer Folge Beschwerdeführerin (Bfin.) genannt, betreibt in ***Adr.***, einen Handel mit Fahrrädern und Fahrradzubehör. Das Unternehmen wurde 2011 von ***AB*** und ***CD*** gegründet. Die Fahrradkomponenten werden unter der Marke ****** vertrieben und nach Kundenwunsch individuell zusammengestellt. Ursprünglich wurden die Fahrradkomponenten, bestehend aus Fahrradrahmen, Fahrradlenkern, Fahrradgabeln und Sattelstützen, die aus dem Material Carbon hergestellt und lackiert sind, in Taiwan zugekauft. Im Laufe des Jahres 2012 wurde wegen Lieferproblemen ein Hersteller in der VR China gefunden, der die Fahrradkomponenten in der geforderten Qualität und in der vorgegebenen Zeit produzieren und nach Europa liefern konnte.
Der Zulieferbetrieb, die Firma
***X.-Ltd***, Xiamen, mit Vertriebsbüro in Hongkong lieferte die geforderten geringen Mengen in der Regel per Post mittels EMS, die Zustellung der verzollten Pakete erfolgte hier in Österreich durch die ***P.-AG***.
Bei Bestellung von Fahrradkomponenten war die Bfin. verpflichtet, 30 % des Kaufpreises im Voraus zu bezahlen, die Restzahlung erfolgte in der Regel nach erfolgter Lieferung.
Durch den Postversand war
***X.-Ltd*** gezwungen, für jedes einzelne Packstück eine Zollfaktura und eine Zollinhaltserklärung CN 22/23 auszustellen. In all den Rechnungen hat der Lieferant Hinweise auf die KN Unterposition getätigt.
Um bei Zustellung der Warensendungen die Barzahlungen hintanzuhalten, wurde bei der
***P.-AG*** ein Zollstundungskonto eingerichtet.
Die Pakete wurden der Bfin. mit Verzollungsnachweis angeliefert. Für die Warenübernahme
zuständig war die Lebensgefährtin des Gesellschafters ***AB***, die am Firmensitz ***Adr.***, einen 4 Personenhaushalt mit zwei Kleinstkindern führt. Frau ***EF***, die Lebensgefährtin von Herrn ***AB***, übernahm vom Paketzusteller der ***P.-AG*** die Paketsendungen und verwahrte sie im Büroraum der Bfin., der sich im Wohnhaus der ***EF*** und des ***AB*** befindet.
Herr
***AB*** und Herr ***CD*** sind hauptberuflich als Techniker in einem Hochtechnologieunternehmen im Raum Salzburg beschäftigt. Beide Gesellschafter üben selbst den Radsport aus. ***AB*** ist aktives Teammitglied des Radteams ***Ort1***, das Unternehmen ****** fungiert als Co-Sponsor."

Zur Begründung der Beschwerde wurde Nachstehendes vorgebracht:
"Die Bfin. hat sich mit der Einfuhr und der Zollabfertigung von Fahrradkomponenten nur insoweit beschäftigt, als sie wusste, dass Drittlandserzeugnisse in den zollrechtlich freien Verkehr zu überführen und Eingangsabgaben zu bezahlen sind. Da auch für Fahrradkomponenten aus Taiwan i.d.R. Zölle von 4,7 % und EUSt von 20 % zu bezahlen waren, hegten die beiden Gesellschafter keinen Verdacht, dass hier, hervorgerufen durch die Antidumpingmaßnahmen der EG erhebliche Abgabenunterschiede bestehen könnten.
Hätte die Bfin. davon Kenntnis erlangt, dass AD Zölle erhoben werden, die bei einer maximalen monatlichen Einfuhrmenge von 300 Stück eines bestimmten Fahrradteils gemäß Artikel 14 Buchstabe c der VO (EG) 88/97 vom AD Zoll unter der Voraussetzung befreit sind, dass hierfür eine Bewilligung zur besonderen Verwendung ohne Auflagenverpflichtungen vorliegt, so hätte die Bfin. diesen Antrag selbstverständlich spätestens nach der ersten Einfuhr beim Zollamt
***ZA*** eingebracht.
In Artikel 14 Buchstabe c der VO (EG) Nr. 88/97 vom - im Übrigen eine sehr komplexe Verordnung der Kommission, die auch von den Zollbediensteten der Zollämter
***ZA1*** und ***ZA*** erst durch Kommentierung des zuständigen Referenten im Bundesministerium für Finanzen, ***Mag.-W.***, verstanden wurde, ist die Einfuhr zwar an die Bewilligung besondere Verwendung geknüpft, Verarbeitungsauflagen bestehen jedoch nicht - ist vorgesehen:
[....]
c) monatlich weniger als 300 Stück eines bestimmten wesentlichen Fahrradteils von einer Partei zum zollrechtlich freien Verkehr angemeldet oder an sie geliefert werden. Die Anzahl der von einer Partei angemeldeten oder an sie gelieferten Teile wird anhand der Anzahl der Teile errechnet, die von allen Parteien angemeldet oder an sie geliefert werden, die mit dieser Partei geschäftlich verbunden sind oder Ausgleichsvereinbarungen getroffen haben;
[....]
Der Bfin. wurden Zollanmeldungen der
***P.-AG*** vorgelegt, deren Warenbeschreibungen im Feld 31 großteils mit "andere" angegeben waren. Auch war i.d.R. eine Taricposition angegeben, die mit 8714 begann.
Die Bfin. erlangte nach Rücksprache mit den Zollbehörden davon Kenntnis, dass die als Postverzollungen bezeichneten Einfuhrprozesse von Bediensteten des Zollamtes
***ZA2*** vorgenommen werden, weshalb die Bfin. darauf vertrauen durfte, dass die Angaben in den Zollanmeldungen, insbesondere aber die Abgabenberechnungen gesetzeskonform umgesetzt wurden.
Alle ab dem Jahr 2012 durchgeführten Einfuhren wurden von Bediensteten des Zollamtes
***ZA2***, Zollstelle Post vorgenommen, das Vertrauen in die Richtigkeit der Angaben war so groß, dass selbst spätere von KEP Dienstleistern durchgeführte, offenbar auch falsch angemeldete Warenimporte von der Bfin. als richtig eingestuft werden mussten.
Die Einfuhrgegenstände wurden von den Bediensteten des Zollamtes
***ZA2***, Zollstelle Post, auch besichtigt, teilweise wurden zusätzliche Zahlungsbelege angefordert, um die Überführung in das Zollverfahren vornehmen zu können."

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Zollamt die Beschwerde als unbegründet ab.

Mit Eingabe vom wurde die Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht beantragt. Darin heißt es (auszugsweise):
"…
I. Sachverhalt
A) Die Bfin. ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die Gesellschafter sind
***AB*** und ***CD***, zwei bei der Firma ***A.***, in Vollzeit beschäftigte Elektrotechniker, die ihr Hobby (beide Gesellschafter sind Radsportler) zum Lebenstraum machen und an interessierte Radsportler Fahrräder der Eigenmarke "******" verkaufen wollten. Aus Verantwortung zu ihren Familien - ***AB*** ist vor knapp einem Jahr mit der Errichtung eines Eigenheimes fertig geworden, ***CD*** steckt noch mitten drinnen, beide sind junge Familienväter - sollte die ***Bf.*** nebenberuflich bei reduziertem finanziellen Risiko entwickelt werden.
B) Beide Gesellschafter waren als Elektrotechniker geschäftlich häufig in Fernost, hier insbesondere in Taiwan und in der Volksrepublik China unterwegs, wo sie zuerst in Taiwan, später in der Volksrepublik China auch Produzenten fanden, die diese Fahrradkomponenten unter dem Markenbegriff "
******" herzustellen in der Lage waren.
C) Die Firma
***X.-Ltd***, mit Sitz in Xiamen und Guangzhou / VR China betreibt in Hongkong einen Handelsbetrieb. Von diesem Handelsbetrieb erfolgte der Paketversand ab Hongkong per EMS in das Zollgebiet der EU.
D) Für Fahrradkomponenten aus Taiwan - auch hier wurden die Pakete großteils als EMS Sendungen nach
***Ort1*** befördert-wurde jeweils ein Eingangszoll von 4,7 % bezahlt. Dennoch hat sich ***AB*** damals fernmündlich mit dem Zollamt ***ZA*** in Verbindung gesetzt um sich nach den Einfuhrzöllen dieser Fahrradkomponenten aus China zu erkundigen. Herr ***AB*** hat damals mit Herrn ***Y.*** telefoniert, der ihm den Zollsatz von 4,7 % nannte und der ihn vermutlich auch auf die Homepage http://ec.europa.eu/taxation customs/dds2/taric/taric consultation.isp? Lang=de hingewiesen hat.
E) Da auch die vom Postzollamt angegebenen Warennummern in der elektronischen Abfrage zum Ergebnis 4,7 % geführt haben und schlussendlich die Abgabenvorschreibungen immer auf der Basis von 4,7 % Zoll zugrunde gelegen haben, hatte die Bfin. keine Zweifel an der Richtigkeit der erhobenen Eingangsabgaben.
F) Eine sachliche Prüfung von Zollanmeldungen (richtige Warennummer, richtige Warenbeschreibung, richtiges Ursprungsland, Versenderangaben, Zollwertermittlung) erfolgte nicht, weil die Bfin. keine Ahnung von einer formell richtig erstellten Zollanmeldung hatte und darauf vertrauen musste, dass die
***P.-AG*** als auditieres Unternehmen im Staatseigentum wohl materiell- und formalrechtlich richtige Zollanmeldungen erstellen würde. Hinzu kommt, dass ***AB*** vom Verzollungspostamt im Laufe seiner Importtätigkeiten mehrmals schriftlich aufgefordert wurde, Nachweise und Belege vorzulegen, die die Richtigkeit der den Postpakten beigefügten Unterlagen belegen und eine sachlich richtige Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr ermöglichen sollte.
G) Im Zuge der Dokumentenübermittlung wurde Herrn
***AB*** auch zur Kenntnis gebracht, dass die Zollanmeldungen der ***P.-AG*** von Bediensteten des Zollamtes ***ZA2*** vorgenommen würden, was ihn zusätzlich darauf vertrauen ließ, dass die Zollanmeldungen und die zollamtlichen Mitteilungen allesamt rechtskonform wären.

IV. Begründung

Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist die Bfin auf das weitere Vorbringen der belangten Behörde und führt dazu aus:
Faktum ist, dass die Bfin. lediglich Einfluss auf die Versandart, nicht aber auf das Ausfüllen der Postpaketkarten hatte, Faktum ist aber auch, wie sich zwischenzeitlich gezeigt hat, dass der Lieferant, in erster Linie
***X.-Ltd*** die richtigen Positions-KN angegeben hat und dass es in Hongkong gar keine Fahrradproduktion gibt.
Die Bfin. musste im Wissen, dass die Zollanmeldungen im streitgegenständlichen Zeitraum allesamt per EMS über die
***P.-AG***, ein heute noch zum großen Teil im Staatseigentum befindlichen Unternehmen eingelangt und die Zollanmeldungen von Zollbeamten der österreichischen Zollverwaltung erstellt wurden, darauf vertrauen, dass die Zollanmeldungen korrekt sind.
Der Hinweis bei den Versenderangaben "Johnny", die Warenbeschreibung (wie die Bfin. heute weiß) im Postverkehr noch heute mit "andere" angegeben, würde theoretisch und auch praktisch zu einer Reklamationslawine führen, wird doch in 90 % der Verzollungsfälle als Warenbeschreibung "-andere" angegeben.
Auch in Fällen, in denen das Ursprungsland China, den das Paket begleitenden Papieren zu entnehmen war, wurde HK, teilweise sogar US als Ursprungsland in der Zollanmeldung aufgenommen. Heute wissen wir, dass die Angaben "falsch" sind, heute fragen wir uns, wer denn einem Wirtschaftsbeteiligten den Aufwand für laufende Anträge auf nachträgliche Prüfung einer Zollanmeldung, einen Antrag auf nachträgliche buchmäßige Erfassung bzw. einen Antrag auf Erstattung ersetzt? Die Zollbehörde?
Es ist dies kein Ausnahmefall, es ist die Regel, dass Zollanmeldungen, die uns vom Verzollungspostamt
***ZA2*** zur Verfügung gestellt werden "falsch" sind. Wie wäre es sonst möglich, dass die Bfin., aufgrund des streitgegenständlichen Ereignisses von der Existenz bedroht, den Lieferanten Auflagen gemacht hat, die die richtigen Positions-KN, getrennt ausgewiesen die Portospesen (shipping fee) und in einem gesonderten Hinweis
"NOTE: Zur besonderen Verwendung laut Bescheid des Zollamts
***ZA*** (****), ***AT1*** vom , gültig bis ; shipping: Xiamen city, China - ***Ort1*** Austria - DAP" zum Inhalt haben, und alle Zollanmeldungen des Jahres 2016, hier CRN ***16AT1*** laut Beilage I; falsch sind.
Zwischenergebnis:
Wie vom Gemeinschafts- (Unions-)-gesetzgeber in Artikel 220 Abs. 2 ZK vorgesehen, muss der Irrtum von der Zollbehörde begangen worden sein. Nur dann, nämlich nur soweit die Angaben in der Zollanmeldung tatsächlich geprüft wurden und das Ergebnis dieser Prüfung der Abgabenfestsetzung zugrunde gelegt wurde, soll ein Irrtum gegeben sein. In allen streitgegenständlichen Fällen wurden die Angaben in der Zollanmeldung sogar von der Zollbehörde gemacht.
Der Irrtum beruht somit zweifelsohne auf von der Zollbehörde "schluderig" erstellten Zollanmeldungen, war sie es doch, die unrichtige Angaben gemacht und nicht darauf geachtet hat, dass die Positions-KN in den die Pakete begleitenden Rechnungen und auch auf den Postpaketkarten angegeben waren und war sie es auch, die die Warenbeschau am Verzollungspostamt durchgeführt hat.

Fehlende Erfahrung und Gutgläubigkeit des Wirtschaftsbeteiligten:

***AB***, Gesellschafter der ***Bf.*** hat sich vor Start der Importlieferungen aus der VR China mit dem Zollamt ***ZA*** in Verbindung gesetzt, dabei aber keine Erkenntnisse erlangt, dass die Einfuhrgegenstände von Antidumpingmaßnahmen behaftet wären.
Er und sein Geschäftspartner
***CD*** wurden erstmalig und auch nur deshalb, weil erstmals eine Bestellung mit einem höheren Frachtvolumen versendet wurde, von der Importsachbearbeiterin der Firma ***A-GmbH&CoKG***, Frau ***RP*** im April 2015 mit der Antidumpingzollthematik konfrontiert. Frau ***RP*** war als erster Importsachbearbeiterin bewusst, dass die Einfuhrgegenstände von Antidumpingmaßnahmen betroffen wären und forderte Herrn ***AB*** auf, entweder eine "Bewilligung" vorzulegen, widrigenfalls Antidumpingzoll erhoben werden müsste.
Im Zuge der damaligen Kommunikation ließ die Bfin. die Importsachbearbeiterin von der
***A-GmbH&CoKG*** wissen, dass es keinen Bescheid gäbe und die Erzeugnisse hauptsächlich von der Post, später von ***K*** und ***N*** befördert wurden und niemals Antidumping Zoll erhoben worden wäre.
Bei einer Ende April 2015 über Anregung von Frau
***RP*** von ***A-GmbH&CoKG*** erfolgten Kontaktaufnahme bei der Zentralen Auskunftsstelle Zoll beim Zollamt ***ZA3*** erfuhr die Bfin. erstmalig, dass für die Einfuhr von Erzeugnissen der Positionen 8714911021, 8714911023 oder 8714911029 etc. mit Ursprungsland China eine entsprechende Bewilligung erforderlich wäre. Herr ***RK*** erklärte der Bfin. gegenüber, dass ohne diese Bewilligung die Einreihung der Fahrradrahmen, -lenker [...] in diese Positionen nicht zulässig wäre.

Wozu bedarf es der Bewilligung, welche Auflagen sind zu erfüllen und wie kommt die Bfin. zu dieser Bewilligung:

Unmittelbar nach diesem Kenntnisstand stellte sich für die Bfin. die Frage, wozu es dieser Bewilligung bedarf, welche Auflagen zu erfüllen wären und wer diese Bewilligung erteilen würde. Mit der Frage Antidumping bzw. Bewilligung ja oder nein, wurde die ***V.*** konfrontiert, die folgende Fragen beantworten und sich bei Notwendigkeit um die "Bewilligung" kümmern sollte:
Ist es richtig, das Fahrradteile (Lenker, Gabeln, Rahmen [..]) mit Farbe versehen, eloxiert, poliert, und/oder lackiert mit Ursprungsland Volksrepublik China von Antidumping Maßnahmen (48,5 %) umfasst sind?
Wenn ja, ist es richtig, dass bei einer monatlichen Einfuhrmenge bis zu 300 Stück einer Komponente der Antidumping Zoll nicht bezahlt werden müsste?
Welche Voraussetzungen sind zu erfüllen, die Erzeugnisse in die HSPos. 8714911021, 8417913021 oder 8714991010 [...] einreihen zu dürfen?
Die
***V.*** musste die Kernaussagen von Frau ***RP*** bestätigen, hatte die Antidumping VO (EG) 88)97 zu prüfen um schlussendlich zum Ergebnis zu gelangen, dass die Einreihung in die vorgenannten HSPos. grundsätzlich möglich ist und zwar gemäß Artikel 14c dieser Verordnung, wenn die monatlichen Einfuhrmengen von beispielsweise 300 Stück Fahrradrahmen, 300 Stück Fahrradgabeln, 300 Stück Fahrradlenkern [...] nicht überschritten wird und von der zuständigen Zollbehörde eine Bewilligung einer Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr zur besonderen Verwendung ohne Verarbeitungsauflagen vorliegen würde.

Antragstellung und weiterfolgende Maßnahmen:

Im Namen der Bfin. stellte die ***V.*** am beim Zollamt ***ZA*** den Antrag auf Erteilung einer Bewilligung einer Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr zu besonderen Verwendung und begehrte die rückwirkende Erteilung der Bewilligung im gesetzlich möglichen Höchstrahmen von 1 Jahr. Mit Schriftsatz vom übermittelte die Bfin. an die Zollämter ***ZA2***, ***ZA*** und ***ZA1*** eine Sachverhaltsdarstellung, zeigte den Sachverhalt an und stellte fest, dass die Verfehlungen auf unrichtigen Angaben des Postzollamtes zurückzuführen waren.

Einleitung einer zollbehördlichen Nachschau im Unternehmen:

Die Erteilung der Bewilligung der besonderen Verwendung wurde von einer zollbehördlichen Nachschau abhängig gemacht. Über Anordnung des Zollamtes ***ZA***, der belangten Behörde, wurde unter der Aktenzahl ***1111*** eine zollbehördliche Nachschau am Firmensitz des Unternehmens angeordnet. Während im Betriebsprüfungsbericht, hier 3.4.3, die Ursprungslandzuweisung der drittländischen Lieferanten vom Prüfungsorgan "Für den Zeitraum bis wurden die Zollanmeldungen mit den Wareneingangsrechnungen der drittländischen Lieferanten
***Fa1***, Taiwan (hier fehlen die Angaben der Stadt - somit wäre auch die Niederschrift falsch ? - Anmerkung des Verfassers)
***Fa2***, Guangzhou, China,
***Fa3***, Xiamen, China,
***X.-Ltd***, Xiamen, China,
überprüft"
sehr leicht möglich war, schien dies bei der Paketabfertigung undenkbar zu sein. Wie bereits a.a.O. hingewiesen, gab es hier nur die Ursprungsland-Alternativen HK und US.
Wie vom Prüfungsorgan (vgl. 3.7) selbst festgestellt, handelte es sich im Laufe der Jahre 2012 - 2015 um äußerst geringe Einfuhrmengen.


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Waren-
bezeichnung
HSPos
Jahres-
menge 2012
Jahres-menge 2013
Jahres-menge 2014
Jahres-menge 2015
Rahmen
8714911021
23
30
74
2
Gabeln
8714913021
23
30
74
2
Lenker
8714991010
19
37
52
24
Laufradsätze
8714999011
0
2
0
14

Eine Überschreitung der monatlichen Höchstmenge von jeweils 300 Stück ist daher eindeutig nicht gegeben.

Stellungnahme des Unternehmens zur Niederschrift vom , Zahl ***1111***:

Zum aufgenommenen Sachverhalt in Teilziffer 3 dieser Niederschrift gibt das Unternehmen Einwendungen bzw. Stellungnahmen wie folgt ab:

[…]

Zu 2.6
Kontrollen wurden als nicht notwendig erachtet, musste das geprüfte Unternehmen, dass sich mit dem Vertrieb von Fahrradkomponenten beschäftigt, ja darauf vertrauen, dass Bedienstete des Zollamtes
***ZA2*** die Rechtsvorschriften kennen und Abgabenermittlungen richtig vornehmen.

[…]

Zu 3.5 Einreihung in die Kombinierte Nomenklatur
Obwohl von den Lieferanten die richtigen KN Codes in den, die Sendungen begleitenden Rechnungen vermerkt waren, wurde diese für die Überführung zum zollrechtlich freien Verkehr außer Acht gelassen. Die Verantwortung hierfür ist eindeutig bei der
***P.-AG*** und nicht beim geprüften Unternehmen gelegen. Zudem wurden die falschen Einreihungskriterien von der Zollbehörde (sie ist ja für die richtigen Zollanmeldungen verantwortlich) geduldet. Das geprüfte Unternehmen musste darauf vertrauen, dass die Zollbehörde die Rechtsvorschriften richtig anwendet und die Abgabenvorschreibungen korrekt wären.

[…]

Zu 6.
Das geprüfte Unternehmen merkt an, dass aus ihrer Sicht eindeutig und unzweifelhaft ein aktiver Irrtum der Zollbehörde vorliegt, die eine Nacherhebung von Antidumpingzoll ausschließt und weist ferner darauf hin, dass eine Zollschuld nach Artikel 202 ZK (vorschriftswidriges Verbringen - Einfuhrschmuggel) zu keiner der aufgelisteten Sendungen vorliegt.

Bei der Betriebsprüfung am hat der Vertreter des geprüften Unternehmens nochmals ausdrücklich darauf hingewiesen, dass hier unzweifelhaft ein aktiver Irrtum der Zollbehörde vorliege, was zur Konsequenz hätte, dass eine nachträgliche buchmäßige Erfassung gemäß Artikel 220 Abs. 2 Zollkodex gänzlich zu unterbleiben hätte.

Erteilung der Bewilligung der Überführung In den freien Verkehr zur besonderen Verwendung:

Die Komplexität der Rechtsmaterie führte zu mehrmaligen Rücksprachen und zu einem Rechtsbehelfsverfahren i.Z.m. der ursprünglich rechtswidrig erlassenen Entscheidung des Zollamtes ***ZA***, Zahl: ***2222***.
Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist die Bfin. auf den Antrag vom , aber auch auf die schriftliche Stellungnahme vom .

Weitere Vorbringen:

Im Zusammenhang mit weiteren Vorbringen verweisen wir auf die Beschwerde vom , die Stellungnahmen vom 16. und und die Vorhaltbeantwortung vom .
Den Antrag auf Erstattung aus Billigkeitsgründen gemäß Artikel 239 ZK vom hält die Bfin. aufrecht und verweist in diesem Zusammenhang auf die folgenden Ausführungen vom ,13.45 Uhr als E-Mail an die belangte Behörde:

All die Punkte führen zu folgendem

Fazit:

Die Einfuhr von AD behafteten Gütern bedeutet eine erhebliche Anforderung an Zoll und Wirtschaft. Besonders schwierig stellt sich die Situation i.Z.m. der Antidumping Verordnung VO (EG) 88/97 dar. Hier den Willen des Gesetzgebers zu erkennen ist, wie die unzähligen Rückfragen der Zollbehörde bei der Vertreterin der Bfin. beweisen, auch für Zollbedienstete mit langjähriger Erfahrung äußerst schwierig.
Wie bereits in Punkt I A ausführlich erörtert und wie auch die Mengenangaben in der Niederschrift deutlich machen, ging es hier immer um Kleinstmengenimporte von zwei Unternehmern, die aus ihrem Hobby, den Radsport zu fördern und Markenräder für Hobbysportler zu vertreiben, einen Geschäftszweig aufbauen wollten.

Obwohl die Bfin. zukunftsorientiert alles getan hat, um gesetzeskonforme Einfuhren zu gewährleisten, wurden im Jahr 2016, wiederum von Zollbediensteten des Zollamtes ***ZA2*** Post, falsche Zollanmeldungen erstellt.
Im Wissen um die Komplexität richtiger Zollanmeldungen hat die Bfin., diesmal allerdings mit umfassenden Kenntnissen, im Zusammenhang mit der Zollanmeldungen CRN
***16AT1*** einen Antrag auf nachträgliche Prüfung gemäß Artikel 78 Abs. 1 ZK,
CRN
***16AT1*** einen Antrag auf nachträgliche Prüfung gemäß Artikel 78 Abs. 1 ZK und CRN ***16AT2*** einen Antrag auf Erstattung gemäß Artikel 236 ZK eingebracht."

Mit der fristgerechten Einbringung des Vorlageantrages gilt die Bescheidbeschwerde wiederum als unerledigt (§ 264 Abs. 3 BAO).

Mit Vorlagebericht vom legte das Zollamt die Bescheidbeschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.

Das Bundesfinanzgericht brachte den Verfahrensparteien mit Schreiben vom die Sachverhaltsannahmen sowie die Ergebnisse der Beweisaufnahme zur Kenntnis und gab ihnen die Gelegenheit, dazu bereits vor Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung vor dem Senat Stellung zu nehmen.

Die Bf. äußerte sich daraufhin dazu sinngemäß wie folgt (Stellungnahme vom , auszugsweise):
Die beiden Gesellschafter der Bf. hätten heuer das Gewerbe beendet. Die Bezirkshauptmannschaft habe mit den an die Gesellschafter gerichteten Schreiben vom den Anträgen auf Beendigung der Gewerbeberechtigung entsprochen.
Grund für die Beendigung sei einerseits der zurückliegende Schaden von rund 17.500,00 Euro gewesen und andererseits der sehr hohe Verwaltungsaufwand der nachträglichen Prüfungen und oftmaligen Reklamationen der Zollanmeldungen. Trotz Vorliegens einer Bewilligung zur besonderen Verwendung gemäß Artikel 14 Buchstabe c der VO (EG) Nr. 88/97 sei es immer wieder zu Verzögerungen bei der Überlassung zum zollrechtlich freien Verkehr gekommen, die Komponenten seien wegen unterschiedlicher Rechtsauffassungen von Zollämtern verspätet ausgeliefert worden und es seien zusätzliche Kosten für die vorübergehende Zwischenlagerung verrechnet worden. Bei nahezu allen Verfahren seien Reklamationen notwendig gewesen, die sich als höchst zeitaufwändig erwiesen hätten. Anders als professionelle Importeure von Zweirädern, die in erster Linie den Großhandel oder eine Zweiradfertigung betreiben würden, hätten die ehemaligen Gesellschafter der Bf. ihr Hobby zum Zweit- und in der Folge zum Hauptberuf machen wollen.
Selbst die Zollbehörden, damals das Zollamt ***ZA*** und das Zollamt ***ZA1*** hätten Artikel 14 Buchstabe c der VO (EG) Nr. 88/97 falsch interpretiert. Es habe damals einer zusätzlichen Klarstellung des Bundesministeriums für Finanzen bedurft. Obwohl von der Bf. am beantragt, sei die ursprüngliche Bewilligung der besonderen Verwendung erst am erteilt worden. Es habe damals eine Fülle an Unregelmäßigkeiten gegeben und es habe einer Bescheidbeschwerde bedurft, da die Entscheidung des Zollamtes ***ZA*** umstrittene Auflagen zum Inhalt gehabt habe, die zwar vom Zollamt ***ZA*** als unproblematisch eingestuft worden seien, nicht aber vom Zollamt. Die Bf. habe daher in der Beschwerde den Antrag gestellt, die vorgesehenen Auflagenverpflichtungen der besonderen Verwendung zu beseitigen. Die einzige Auflage, um die vom 02. Juli bis zum heftig diskutiert worden sei, sei die Aufzeichnungspflicht betreffend die monatlichen Mengenbeschränkungen gewesen. Vor der Einbringung der Beschwerde hätten sowohl fernmündliche und persönliche Erörterungen als auch ein reger Mail-Verkehr stattgefunden.
Erst nachdem ein heftiger Meinungsaustausch stattgefunden habe und das BMF die Rechtslage im Zusammenhang mit der Auflagenverpflichtung klargestellt habe, habe die Betriebsprüfung eine Niederschrift verfasst. In der Niederschrift sei dann so getan worden, als wären all die hart erarbeiteten Kriterien, hier insbesondere die der Nutzung der Bewilligung der besonderen Verwendung, immer klar gewesen und hätten es die beiden Eigentümer selbst zu verantworten gehabt, dass es zur Abgabennacherhebung gemäß Art. 220 ZK gekommen sei. Diese "Überrumpelungstaktik" der Betriebsprüfung sei im Punkt 3.4.4. "Sendungen ohne Verzollungsnachweis" besonders deutlich geworden.
Was die Betriebsprüfung und auch die Abgabenbehörde erster Instanz gerne übersehen hätten, sei die Tatsache, dass die Initiative, den Sachverhalt offenzulegen, von der Bf. ausgegangen sei. Sie sei es gewesen, die nach Aufklärung ihres Vertreters den Wunsch geäußert habe, alle zurückliegenden Umstände, die zu vermeintlichen Abgabenverkürzungen geführt hätten, offenzulegen. Auf Wunsch der Bf. sei am an die Zollämter ***ZA***, ***ZA1*** und ***ZA2*** je eine Sachverhaltsdarstellung übermittelt worden.
Ob einer der Gesellschafter der Bf. die zollrechtlichen Bestimmungen gelesen habe oder nicht, mag dahingestellt sein, Faktum sei, dass selbst wenn sie diese Vorschriften gelesen und im Zolltarif navigiert hätten, sie kaum auf ein schlüssiges Ergebnis über die Höhe der Abgabensätze gestoßen wären.
Wie der Sachverhalt beweise, seien es langjährig tätige, bestens ausgebildete Zollbedienstete als auch Speditionsbedienstete mit Schwerpunktkenntnis Zoll gewesen, die im Laufe der Jahre, hier immerhin von 2012 - 2015, falsche Zollanmeldungen erstellt hätten und nicht rechtskonforme Auskünfte erteilt hätten. Freilich könne das Argument, die Zollbediensteten hätten annehmen müssen, dass die Fahrräder in Hongkong und nicht in der VR China hergestellt worden seien, herangezogen werden, um deren Sorglosigkeit in Abrede zu stellen. Es müsse jedoch in Erinnerung gerufen werden, dass es insbesondere geschulten Zollorganen kaum entgangen sein dürfte, dass das seit 1843 als britische Kronkolonie proklamierte Hongkong am an die VR China zurückgegeben worden und von der Regierung der VR China zur chinesische Sonderverwaltungszone ausgerufen worden sei.
Ein kurzer Blick ins Internet im Jahr 2015 hätte genügt, um zu erkennen, dass ***X.-Ltd*** (https://www.********) ein seit 2010 registriertes Unternehmen mit Fabrikationsstandort in Xiamen/VR China sei. Chinesische Produktionsbetriebe hätten häufig ein Vertriebsbüro in der Sonderverwaltungszone, von der auch teilweise der Warenversand (Kleinsendungen) in das Drittland organisiert werde.
Wesentlich erscheine der Bf. auch die Feststellung, dass die Zollbehörde wiederholt Urkunden und Dokumente angefordert und auch die Fahrradkomponenten beschaut habe. Die Fahrradteile hätten sich immer in Kartonagen der ***X.-Ltd*** mit der Aufschrift "Made in China" befunden.
Die Minimalmengen würden deutlich machen, dass zwei junge Leute sukzessive ihr Hobby zum Beruf hätten machen wollten. Die Importmengen während des geprüften Zeitraums hätten es den beiden Gesellschaftern der Bf. nicht ermöglicht, selbst bei großartiger Handelspanne, die es zu keinem Zeitpunkt gegeben habe, durch Einkünfte aus dem Gewerbebetrieb ihren Lebensunterhalt zu finanzieren.

Mit Eingabe vom zog die Bf. ihre Anträge auf Entscheidung durch den Senat und Durchführung einer mündlichen Verhandlung zurück.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Bei der Beschwerdeführerin (Bf.) handelt es sich um eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die einen Handel mit Fahrrädern und Fahrradkomponenten betreibt. Die beiden Gesellschafter der Bf. waren häufig geschäftlich in Taiwan und in der Volksrepublik China unterwegs, wo sie zuerst in Taiwan und später in der Volksrepublik China Produzenten für die Herstellung der benötigten Fahrradkomponenten fanden. Die Fahrradteile wurden zunächst von Herstellern in Taiwan bezogen, ab 2012 dann auch vom Zulieferer ***X.-Ltd***, Xiamen, China, mit Vertriebsbüro in Hongkong. Der Versand der Waren in das Zollgebiet der Europäischen Union erfolgte regelmäßig im Postverkehr ab Hongkong.

Im Zeitraum von bis wurden für die Bf. als Warenempfängerin mit insgesamt 39 Anmeldungen die Überführung verschiedener Fahrradteile mit Ursprung in der Volksrepublik China in den zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr beantragt, darunter auch "wesentliche Fahrradteile" im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 71/97 des Rates vom zur Ausweitung des mit der Verordnung (EWG) Nr. 2474/93 auf Fahrräder mit Ursprung in der Volksrepublik China eingeführten endgültigen Antidumpingzolls auf Einfuhren bestimmter Fahrradteile aus der Volksrepublik China.

Zur Zeit dieser 39 Einfuhren hatten die Gesellschafter der Bf. die einschlägigen zollrechtlichen Bestimmungen betreffend die Erhebung eines Antidumpingzolls für Einfuhren bestimmter Fahrradteile aus China weder gelesen noch in anderer Weise zur Kenntnis genommen. Mit der Erledigung der Einfuhrformalitäten beauftragte die Bf. in 33 Fällen die ***P.-AG*** und in sechs Fällen drei verschiedene Speditionsunternehmen.

Die die Postsendungen begleitenden Unterlagen wie Zollinhaltserklärungen, Paketkarten und Handelsrechnungen enthielten zwar Bezugnahmen auf Hongkong, aber keine Hinweise, dass der Ausführer in China ansässig ist oder der Warenursprung in China liegt. Die Handelsrechnungen, teilweise auch die Paketkarten oder Zollinhaltserklärungen enthielten zwar achtstellige KN-Codes, jedoch keine Ursprungsangaben und hinsichtlich des Verkäufers in der Regel lediglich die Bezeichnung "***X.-Ltd***" ohne Angabe einer Anschrift.
In vier der hier gegenständlichen (im Zeitraum von bis vorgenommenen) 33 Antidumpingzollnachforderungen (betreffend die Anmeldungen CRN ***12AT1*** vom , ***13AT1*** vom , ***13AT2*** vom , ***13AT3*** vom ) lagen jedoch in den Abfertigungsunterlagen (Handelsrechnungen, Zollinhaltserklärungen, Paketkarten) entsprechende Hinweise vor, dass es sich beim Ausführer um ein in China ansässiges Unternehmen handelte.
Bei der Erstellung der Zollanmeldungen (Datenerfassung für die Abgabenberechnung und für statistische Zwecke durch Zollbeamte im Dialogverfahren) wurden in der Folge die Versenderbezeichnungen aus den die Postsendungen begleitenden Unterlagen übernommen und in Feld 34 ("Urspr.L.Code") der Anmeldungen in 29 Fällen "HK" angegeben und in vier Fällen "CN".

Die Waren wurden unter Anwendung eines Zollsatzes von 4,7 % ohne Festsetzung eines Antidumpingzolls überlassen.

Die Bf. verfügte über keine Bewilligung für die besondere Verwendung im Sinne von Art. 14 Buchst. c der Verordnung (EG) Nr. 88/97 und erkundigte sich erst im April 2015 bei der Zollbehörde über die Voraussetzungen der Inanspruchnahme des Verfahrens der Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr zur besonderen Verwendung.

Für Fahrradkomponenten aus Taiwan war von der Bf. bisher ein Eingangszoll von 4,7% entrichtet worden. Ein Gesellschafter der Bf. hat sich vor den "China-Importen" fernmündlich mit dem Zollamt in Verbindung gesetzt, um sich nach den Einfuhrzöllen dieser Fahrradkomponenten aus China zu erkundigen. Dabei sei ihm ein Zollsatz von 4,7 % genannt worden und er sei auch auf die Taric-Datenbank der Europäischen Kommission (Homepage http://ec.europa.eu/taxation customs/dds2/taric/taric consultation.isp? Lang=de) hingewiesen worden. Da auch die vom Zollamt angegebenen Warennummern in der elektronischen Abfrage zum Ergebnis 4,7 % geführt haben und die bisherigen Abgabenvorschreibungen immer mit einem Einfuhrzoll von 4,7 Prozent erfolgten, hatte die Bf. keine Zweifel an der Richtigkeit der erhobenen Einfuhrabgaben.

Die Bf. nahm keine inhaltliche Prüfung der Zollanmeldungen (richtige Warennummer, richtige Warenbeschreibung, richtiges Ursprungsland, Versenderangaben, Zollwertermittlung) vor, weil sie von der Erstellung formal richtiger Zollanmeldung keine Kenntnis hatte und darauf vertraute, dass die ***P.-AG*** als Anmelderin inhaltlich und formal richtige Zollanmeldungen erstellt.

Anlässlich einer bei der Bf. durchgeführten Betriebsprüfung (§ 25 ZollR-DG, § 147 Abs. 1 BAO) für den Zeitraum 2012 bis 2015 gelangte der Prüfer u.a. zu folgenden Feststellungen (Niederschrift vom , Zahl: ***1111***):

"…

2.5 Allgemeine Firmeninformationen

Das Unternehmen wurde 2012 gegründet und die Gesellschafter ***AB*** und ***CD*** verkaufen Komponenten und Fahrräder für den Straßensportbereich an Endabnehmer. Diese Fahrräder werden unter der Marke "******" individuell nach Kundenwunsch zusammengestellt. Rahmen, Lenker, Gabeln und Sattelstützen werden überwiegend aus dem Material Carbon hergestellt. Ursprünglich wurden 2012 die Komponenten von Herstellern in Taiwan bezogen, ab Ende 2012 wurde dann vom Zulieferer ***X.-Ltd***, Xiamen, China mit Vertriebsbüro in Hongkong bezogen. Die Bestellungen müssen vorab mit ca. 30% angezahlt werden. Die Lieferungen erfolgen wegen der geringen Mengen meist mit EMS oder Paketschnelldiensten, bei größeren Warenmengen auch mit Seefracht. Den einzelnen Lieferungen sind Zollrechnungen beigegeben, die eigentlichen Handelsrechnungen werden unabhängig davon erstellt und übermittelt. Die Verzollungen wurden überwiegend über EMS-Sendung durch die Postverzollung durchgeführt, weiters über den Paketschnelldienst ***N*** und die Spedition ***SP***.
Das Unternehmen ist auf Grund seiner Umsatzgröße nicht buchführungspflichtig und daher werden die steuerlichen Aufzeichnungen in Form einer Einnahmen-Ausgabenrechnung (§ 4 Abs. 3 EStG) mit dem Softwareprogramm *** geführt. Im Geschäftsjahr 2014 wurden Einnahmen von EUR 58.603,10 erzielt.

2.6 Kontrolleinrichtungen des Unternehmens

Kontrollen hinsichtlich der Vollständigkeit und Richtigkeit von Verzollungen wurden im Unternehmen bisher nicht durchgeführt.

3 Sachverhalt

3.1 Prüfungsgegenstand und Prüfungszeitraum

Gegenstand und Anlassfall war die vom Unternehmen an die Zollämter ***ZA***, ***ZA1*** und ***ZA2*** eingebrachte Sachverhaltsdarstellung (Selbstanzeige) vom . Darin werden Unregelmäßigkeiten in der Erhebung von Antidumpingzöllen für den Zeitraum 2013 bis 2015 angeführt.
Um eine einheitliche zollrechtliche Würdigung sicher zu stellen, wurde ein Prüfungsauftrag für die Bereiche Zollwert, Tarifierung, Antidumping und besondere Verwendung an die Betriebsprüfung des Zollamtes ***ZA1*** erteilt.
Es wurden Wareneinfuhren für den Zeitraum vom bis geprüft.

3.4 Wertzollrechtliche Feststellungen

3.4.3 Überprüfung von Warenanmeldungen

Für den Zeitraum bis wurden die Zollanmeldungen mit den Wareneingangsrechnungen der drittländischen Lieferanten

  • ***Fa1***, Taiwan

  • ***Fa2***, Guangzhou, China

  • ***Fa3***, Xiamen, China

  • ***X.-Ltd***, Xiamen, China

überprüft. Die Warenanmeldungen wurden vollständig hinsichtlich angemeldeter Warenwerte, der Hinzurechnungen sowie der sonstigen zollrechtlichen Bestimmungen überprüft.
Die festgestellten Unregelmäßigkeiten in wertzollrechtlicher Hinsicht wurden in der Anlage zur Niederschrift in den jeweiligen Rubriken näher dargestellt und beschrieben.

3.4.5 Frachtkosten

Vom geprüften Unternehmen werden Warenlieferungen aus China und Taiwan mit Preisstellung "ab Werk" bezogen. Die jeweiligen Frachtkosten für EMS bzw. ***N*** Sendungen werden von den Versendern in den gesonderten Handelsfakturen jeweils in der Rubrik "shipping cost" gesondert in Rechnung gestellt.
Die erklärten Frachtkosten (Hinzurechnungen zum Zollwert) wurden geprüft und die festgestellten Unregelmäßigkeiten bei den Anmeldungen wurden in der Anlage zur Niederschrift in den jeweiligen Rubriken näher dargestellt und beschrieben.

3.4.6 Sonstige zollwertrelevante Kosten und Zahlungen

Von den Lieferanten werden Kosten für die Lackierung (painting fee), Einrichtungskosten (decal fee) und Kosten für den Zahlungsverkehr (banking fee) in gesonderten Positionen in Rechnung gestellt. Diese Kosten sind gemäß Artikel 32 Zollkodex dem Zollwert der jeweils eingeführten Waren hinzuzurechnen.
Die diesbezüglich festgestellten Unregelmäßigkeiten wurden in der Anlage zur Niederschrift in den jeweiligen Rubriken näher dargestellt und beschrieben.

3.5 Einreihung in die Kombinierte Nomenklatur

Es wurde die tarifliche Einreihung der Waren anhand der Rechnungsangaben, Warenbeschreibungen und Abbildungen sowie von Informationen der Gesellschafter bei allen im Prüfzeitraum vorliegenden Warenanmeldungen geprüft.
Die festgestellten Unregelmäßigkeiten in zolltariflicher Hinsicht wurden in der Anlage zur Niederschrift in den jeweiligen Rubriken näher dargestellt und beschrieben.

3.6 Überprüfung von Antidumpingmaßnahmen

Mit Verordnung (EG) Nr. 71/97 des Rates wurde für gewisse Fahrradteile mit Ursprung in der Volksrepublik China ein endgültiger Antidumpingzoll eingeführt. Das geprüfte Unternehmen importiert derartige Fahrradteile des Anhang III dieser Verordnung, wie Fahrradrahmen, Fahrradgabeln, Freilaufzahnkränze, Bremsen, Kurbelgarnituren, Lenker, Kettenschaltungen und vollständige Räder mit Ursprungsland China.
Im Hinblick auf die vom geprüften Unternehmen eingebrachte Sachverhaltsdarstellung an die Zollämter wurden sämtliche Warenanmeldungen im Prüfzeitraum bezüglich richtiger Angabe des jeweiligen Ursprungslandes, der zutreffenden Unterpositionen der Nomenklatur im Zusammenhang mit Befreiungen vom Antidumpingzoll sowie der richtigen Anwendung der Antidumpingzusatzcodes geprüft. Insbesondere ist dem Unternehmen für diesen Zeitraum keine formelle Bewilligung für die besondere Verwendung (Voraussetzung für die Inanspruchnahme einer Antidumpingzollbefreiung) vorgelegen.
Die diesbezüglich festgestellten Unregelmäßigkeiten bei der Anmeldung von durch Antidumpingzoll betroffenen Fahrradteilen wurden in der Anlage zur Niederschrift in den jeweiligen Rubriken näher dargestellt und beschrieben.

3.7 Besondere Verwendung

Mit Verordnung (EG) Nr. 88/97 der Kommission vom , zuletzt geändert durch Verordnung (EU) Nr. 512/2013 vom wurde die Befreiung der Einfuhren bestimmter Fahrradteile mit Ursprung in China vom ausgeweiteten Antidumpingzoll ermöglicht. Gemäß Artikel 14 dieser Verordnung werden Einfuhren von monatlich weniger als 300 Stück je Partei vom Antidumpingzoll befreit. Diese Befreiung gilt vorbehaltlich der Kontrolle der besonderen Verwendung gemäß Artikel 291 bis 304 der Verordnung (EWG) Nr. 2454/93 der Kommission. Dem zu Folge muss für die Inanspruchnahme der Antidumpingzollbefreiung eine vom zuständigen Zollamt ausgestellte formelle Bewilligung vorliegen.
Vom geprüften Unternehmen wurde am ein diesbezüglicher Antrag gestellt. Mit Bescheid vom des Zollamtes ***ZA***, Bewilligungsnummer; ***AT00*** - ***AT1*** wurde die Bewilligung zur besonderen Verwendung mit einer Geltungsdauer von bis (Pkt 6) erteilt. Im Punkt 7 der Bewilligung ist die Warenbezeichnung, der KN-Code sowie Menge und Ursprung der Waren angeführt. Die Bewilligung dient ausschließlich der mengenmäßigen Überwachung der eingeführten Fahrradteile (monatlich weniger als 300 Stück), eine bestimmungsgemäße Verwendung der Teile ist hingegen nicht zu überprüfen.
Für sämtliche Warenanmeldungen von Fahrradteilen mit Ursprungsland China ab wurde die erteilte Bewilligung berücksichtigt und entsprechend in der Anlage zur Niederschrift in den jeweiligen Rubriken näher dargestellt und beschrieben.
Die vom geprüften Unternehmen insgesamt eingeführten Mengen an Fahrradkomponenten wurden für den Prüfzeitraum ermittelt und stellen sich wie folgt dar:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
2012
2013
2014
2015
Rahmensets
Rahmen 8714911021
Gabel 8714913021
Sattelstütze kein AD
23
30
74
2
Lenker 8714991010
19
37
52
24
Laufradsätze 8714999011
(Felge, Speichen, Naben, Freilauf)
0
2
0
14

Eine Überschreitung der monatlichen Höchstmenge von jeweils 300 Stück ist daher eindeutig nicht gegeben.
Hinsichtlich der laufenden Überwachung der eingeführten Mengen wurde vom Unternehmen ein Warenwirtschaftssystem (Programmname: *******) aufgestellt, welches im Rahmen des zu führenden Wareneingangsbuches (BAO) durch Verweis auf die jeweilige Anmeldungsnummer auch jederzeit die eingeführten Stückzahlen an Fahrradteilen dokumentieren kann.

5 Schlussfolgerung des Prüfers

In Folge der festgestellten Unregelmäßigkeiten in Teilziffer 3.4. bis Teilziffer 3.6. dieser Niederschrift wird das Zollamt ***ZA*** eine Abgabennachforderung durchführen.
Nachdem das Unternehmen zum vollen Vorsteuerabzug nach den umsatzsteuerrechtlichen Vorschriften berechtigt ist, unterbleibt gemäß § 72a ZollR-DG die nachträgliche buchmäßige Erfassung der Einfuhrumsatzsteuer für jene Zollanmeldungen, bei denen diese bereits festgesetzt wurde.
Die prüfungsgegenständliche Sachverhaltsdarstellung wird jedoch der zuständigen Strafsachenstelle (Zollfahndung) zur weiteren finanzstrafrechtlichen Würdigung zugeleitet.
Dem geprüften Unternehmen wird angeraten, ein System der nachträglichen Kontrolle von Zollanmeldungen hinsichtlich Vollständigkeit sowie Richtigkeit der Zollwerte zu etablieren.
Dadurch können die festgestellten Unregelmäßigkeiten zeitnah erkannt und berichtigt werden.

…"

Am beantragte die Bf. eine Bewilligung gemäß Art. 292 Abs. 2 ZK-DVO. Diese wurde ihr mit Bescheid vom mit einer Geltungsdauer vom bis , sohin mit der nach Art. 294 Abs. 3 ZK-DVO längstmöglichen Rückwirkung von einem Jahr gewährt. Dementsprechend wurde für die Einfuhren in der Zeit nach dem von der Nacherhebung abgesehen.

Gemäß § 82 Abs. 3 lit. a FinStrG sah das Zollamt ***ZA1*** als Finanzstrafbehörde von der Einleitung und Durchführung eines Finanzstrafverfahrens ab, da ein grob fahrlässiges Verhalten der beteiligten Personen nicht nachweisbar war (Aktenvermerk vom , GZ. ***3333***).

Beweiswürdigung

Der angeführte Sachverhalt ergibt sich aus den vom Zollamt vorgelegten Verwaltungsakten sowie aus den Angaben und Vorbringen der beschwerdeführenden Partei. Ausgehend von den Ermittlungsergebnissen sieht das Bundesfinanzgericht den maßgeblichen Sachverhalt als ausreichend geklärt an. Es liegen in sachverhaltsmäßiger Hinsicht keine begründeten Zweifel vor, die durch weitere Ermittlungen zu verfolgen wären, zumal auch die Verfahrensparteien keine solchen begründeten Zweifel darlegten, dass weitere Erhebungen erforderlich und zweckmäßig erscheinen.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I.

3.1.1. Rechtslage und rechtliche Erwägungen

Gemäß Art. 20 Abs. 1 der im Beschwerdefall noch anzuwendenden Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften, ABl. L 302 vom , (im Folgenden: Zollkodex - ZK) stützen sich die bei Entstehen einer Zollschuld gesetzlich geschuldeten Abgaben auf den Zolltarif der Europäischen Gemeinschaften.

Die Kombinierte Nomenklatur (KN) beruht auf dem am in Brüssel geschlossenen Internationalen Übereinkommen, mit dem das Harmonisierte System zur Bezeichnung und Codierung der Waren (HS) eingeführt wurde. Sie übernimmt die Positionen und sechsstelligen Unterpositionen des HS, nur die siebente und die achte Stelle bilden spezielle Unterteilungen der KN.

Nach Art. 12 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates in der durch die Verordnung (EG) Nr. 254/2000 des Rates vom geänderten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 2658/87) veröffentlicht die Europäische Kommission jährlich in Form einer Verordnung die vollständige Fassung der KN zusammen mit den Zollsätzen, wie sie sich aus den vom Rat der Europäischen Union oder von der Kommission beschlossenen Maßnahmen ergeben. Diese Verordnung gilt jeweils ab 1. Januar des folgenden Jahres (vgl. ).

Gemäß Art. 20 Abs. 3 ZK umfasst der gemeinsame Zolltarif u.a. die Kombinierte Nomenklatur nach der Verordnung(EWG) Nr. 2658/87 (Buchstabe a) und die sonstigen in anderen Gemeinschaftsregelungen vorgesehenen zolltariflichen Maßnahmen (Buchstabe g), wie etwa Antidumpingzölle.

Durch die zehnstellige Codierung des auf der Grundlage des Art. 2 der Verordnung Nr. 2658/87 in Form einer Online-Zolltarifdatenbank geführten "Taric" (Tarif Intégré des Communautés Européennes) kann für eine Ware aus einem festgelegten Ursprungsland der Zollsatz, die Warenbeschreibung und Handelsbeschränkungen abgefragt werden.

Nach Art. 21 Abs. 1 ZK ist die zolltarifliche Abgabenbegünstigung, die für bestimmte Waren aufgrund ihrer Art oder ihrer besonderen Verwendung gewährt werden kann, von Voraussetzungen abhängig, die nach dem Ausschussverfahren festgelegt werden. Ist eine Bewilligung erforderlich, so gelten die Artikel 86 und 87.

Mit der Verordnung (EWG) Nr. 2474/93 des Rates vom zur Einführung eines endgültigen Antidumpingzolls auf die Einfuhren von Fahrrädern mit Ursprung in der Volksrepublik China und zur endgültigen Vereinnahmung des vorläufigen Antidumpingzolls (ABl. L 228, S. 1) wurde ein Antidumpingzoll eingeführt.

Dieser Antidumpingzoll wurde mit der Verordnung (EG) Nr. 71/97 des Rates vom zur Ausweitung des mit der Verordnung (EWG) Nr. 2474/93 auf Fahrräder mit Ursprung in der Volksrepublik China eingeführten endgültigen Antidumpingzolls auf die Einfuhren bestimmter Fahrradteile aus der Volksrepublik China und zur Erhebung des ausgeweiteten Zolls auf derartige gemäß der Verordnung (EG) Nr. 703/96 zollamtlich erfasste Einfuhren (ABl. L 16, S. 55) auf bestimmte Fahrradteile ausgeweitet.

Die Verordnung (EG) Nr. 88/97 der Kommission vom betreffend die Genehmigung der Befreiung der Einfuhren bestimmter Fahrradteile mit Ursprung in der Volksrepublik China von dem mit der Verordnung (EWG) Nr. 2474/93 eingeführten und mit der Verordnung (EG) Nr. 71/97 des Rates ausgeweiteten Antidumpingzoll (ABlEG Nr. L 17, S. 17) gibt den interessierten Parteien genaue Erläuterungen zur Funktionsweise des Systems der Befreiung vom Antidumpingzoll.

Art. 14 ("Zollbefreiung vorbehaltlich der Kontrolle der besonderen Verwendung") der Verordnung (EG) Nr. 88/97 idF der Verordnung (EU) 512/2013 der Kommission vom bestimmt:

"Werden ab dem Datum des Inkrafttretens der Referenzverordnung die Einfuhren wesentlicher Fahrradteile von einer anderen Person als einer befreiten Partei zum zollrechtlich freien Verkehr angemeldet, so werden sie vom ausgeweiteten Zoll befreit, sofern sie im Einklang mit der Taric-Struktur in Anhang III und vorbehaltlich der sinngemäß geltenden Bedingungen gemäß Artikel 82 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 und den Artikeln 291 bis 304 der Verordnung (EWG) Nr. 2454/93 angemeldet werden und sofern

a) die wesentlichen Fahrradteile an eine gemäß Artikel 7 oder 12 befreite Partei geliefert werden oder

b) die wesentlichen Fahrradteile an einen anderen Inhaber einer Bewilligung im Sinne des Artikels 291 der der Verordnung (EWG) Nr. 2454/93 geliefert werden oder

c) monatlich weniger als 300 Stück eines bestimmten wesentlichen Fahrradteils von einer Partei zum zollrechtlich freien Verkehr angemeldet oder an sie geliefert werden. Die Anzahl der von einer Partei angemeldeten oder an sie gelieferten Teile wird anhand der Anzahl der Teile errechnet, die von allen Parteien angemeldet oder an sie geliefert werden, die mit dieser Partei geschäftlich verbunden sind oder Ausgleichsvereinbarungen getroffen haben."

Art. 292 Abs. 1 und 2 der im Beschwerdefall noch anzuwendenden Verordnung (EWG) Nr. 2454/93 der Kommission vom mit Durchführungsvorschriften zu der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften, ABlEG Nr. L 253 vom , S. 1, (Zollkodex-Durchführungsverordnung - ZK-DVO) lauten:

"(1) Die Gewährung einer zolltariflichen Abgabenbegünstigung gemäß Artikel 21 Zollkodex ist von einer schriftlichen Bewilligung abhängig, sofern vorgesehen ist, dass die Waren der zollamtlichen Überwachung im Rahmen der besonderen Verwendung unterliegen.

Wenn Waren, die aufgrund ihrer besonderen Verwendung zu einem ermäßigten Einfuhrabgabensatz oder abgabenfrei in den zollrechtlich freien Verkehr übergeführt werden und das geltende Rechtvorsieht, dass sie gemäß Artikel 82 des Zollkodex unter zollamtlicher Überwachung bleiben, ist eine schriftliche Bewilligung zum Zweck der zollamtlichen Überwachung der besonderen Verwendung erforderlich.

(2) Die Bewilligung ist schriftlich nach dem Mustergemäß Anhang 67 zu beantragen. Die Zollbehörden können zulassen, dass ein Antrag auf Erneuerung oder Änderung der Bewilligung in einfacher Schriftform gestellt wird."

Art. 294 ZK-DVO lautet:

"(1) Zollbehörden können rückwirkende Bewilligungen erteilen.
Unbeschadet der Absätze 2 und 3 wird die rückwirkende Bewilligung ab dem Datum der Vorlage des Antrags auf Bewilligung wirksam.

(2) Wird die Erneuerung einer für denselben Vorgang und dieselben Waren bereits erteilten Bewilligung beantragt, so kann eine Bewilligung mit Rückwirkung bis zu dem Zeitpunkt, an dem die vorausgegangene Bewilligung unwirksam wurde, erteilt werden.

(3) Die Rückwirkung einer Bewilligung kann sich in Ausnahmefällen auch noch auf einen weiteren Zeitraum, längstens aber ein Jahr vor dem Zeitpunkt der Antragstellung, erstrecken, sofern eine wirtschaftliche Notwendigkeit nachgewiesen wird und

a) der Antrag in keiner Weise mit betrügerischen Absichten oder offensichtlicher Fahrlässigkeit zusammenhängt,

b) auf der Grundlage der Buchhaltung des Antragstellers alle für das Zollverfahren geltenden Voraussetzungen als erfüllt gelten können und gegebenenfalls, um eine Vertauschung zu verhindern, die Nämlichkeit der Waren für den betreffenden Zeitraumfestgestellt werden kann, sowie die zollamtliche Prüfung des Zollverfahrensmöglich ist,

c) allen erforderlichen Förmlichkeiten zur Regelung der neuen rechtlichen Verhältnisse Rechnung getragen werden kann, einschließlich, soweit erforderlich, der Ungültigkeitserklärung der Zollanmeldung"

Art. 82 Abs. 1 ZK lautet:

"Waren, die aufgrund ihrer Verwendung zu besonderen Zwecken zu einem ermäßigten Einfuhrabgabensatz oder abgabenfrei in den zollrechtlich freien Verkehr übergeführt werden, bleiben unter zollamtlicher Überwachung. Die zollamtliche Überwachung endet, wenn die für die Gewährung des ermäßigten Abgabensatzes oder der Abgabenfreiheit festgelegten Voraussetzungen nicht mehr anwendbar sind, wenn die Waren ausgeführt oder vernichtet bzw. zerstört worden sind oder wenn die Verwendung der Waren zu anderen Zwecken, als sie für die Anwendung des ermäßigten Einfuhrabgabensatzes oder der Abgabenfreiheit vorgeschrieben sind, gegen Entrichtung der fälligen Abgaben bewilligt wird."

Gemäß Art. 201 Abs. 1 Buchstabe a ZK entsteht eine Einfuhrzollschuld, wenn eine einfuhrabgabepflichtige Ware in den zollrechtlich freien Verkehr übergeführt wird.

Gemäß Art. 217 ZK ist jeder einer Zollschuld entsprechende Einfuhrabgabenbetrag unmittelbar bei Vorliegen der erforderlichen Angaben von den Zollbehörden zu berechnen und in die Bücher oder in sonstige stattdessen verwendete Unterlagen einzutragen (buchmäßige Erfassung). Art. 218 und 219 ZK sehen Fristen vor, innerhalb derer die buchmäßige Erfassung zu erfolgen hat.

Ist der einer Zollschuld entsprechende Abgabenbetrag nicht nach den Art. 218 und 219 ZK buchmäßig erfasst oder mit einem geringeren als dem gesetzlich geschuldeten Betrag buchmäßig erfasst worden, so hat gemäß Art. 220 Abs. 1 ZK die buchmäßige Erfassung des zu erhebenden Betrages oder des nachzuerhebenden Restbetrages innerhalb von zwei Tagen nach dem Tag zu erfolgen, an dem die Zollbehörden diesen Umstand feststellen und in der Lage sind, den gesetzlich geschuldeten Betrag zu berechnen sowie den Zollschuldner zu bestimmen (nachträgliche buchmäßige Erfassung).

Art. 220 Abs. 2 Buchst. b ZK lautet:

"(2) Außer in den Fällen gemäß Art. 217 Abs. 1 Unterabsätze 2 und 3 erfolgt keine nachträgliche buchmäßige Erfassung, wenn

a) …

b) der gesetzlich geschuldete Abgabenbetrag aufgrund eines Irrtums der Zollbehörden nicht buchmäßig erfasst worden ist, sofern dieser Irrtum vom Zollschuldner vernünftigerweise nicht erkannt werden konnte und dieser gutgläubig gehandelt und alle geltenden Vorschriften über die Zollanmeldung eingehalten hat. Wird der Präferenzstatus einer Ware ..."

Nach Art. 4 Nr. 1 ZK ist "Person" im Sinne des Zollkodex
- eine natürliche Person
- eine juristische Person
- eine Personenvereinigung ohne eigene Rechtspersönlichkeit, die aber im Rechtsverkehr wirksam auftreten kann, wenn diese Möglichkeit im geltenden Recht vorgesehen ist.

In Ergänzung zu Art. 4 Nr. 1 ZK bestimmt § 36 Zollrechts-Durchführungsgesetz (ZollR-DG, BGBl. Nr. 659/1994 in der bis geltenden Fassung), dass Personenvereinigungen ohne eigene Rechtspersönlichkeit im Zollverfahren durch gemeinsame Abgabe einer Anmeldung oder eines sonstigen Antrags im betreffenden Verfahren gemeinsam als Partei auftreten können; kommt es in diesem Verfahren zum Entstehen einer Zollschuld, so sind sie hinsichtlich dieser Schuld Gesamtschuldner. Sie haben einen gemeinsamen Zustellungsbevollmächtigten namhaft zu machen und ausreichende gemeinsame Aufzeichnungen über die den Gegenstand des Verfahrens bildenden Vorgänge zu führen.

Mit der zuletzt angeführten Bestimmung wurde die Möglichkeit geschaffen, dass Personenvereinigungen (von natürlichen und/oder juristischen Personen) ohne eigene Rechtspersönlichkeit im Zollverfahren durch gemeinsame Abgabe einer Anmeldung oder eines sonstigen Antrags im betreffenden Verfahren gemeinsam als Partei auftreten können. Bei einer weiten Auslegung des Begriffs "Zollverfahren" in § 36 ZollR-DG erscheint es daher nicht als rechtswidrig, dass die Bf. als Gesellschaft bürgerlichen Rechts im bisherigen Verfahren als eigenes von ihren Gesellschaftern unabhängiges Rechtssubjekt angesprochen und ihr auch im Rechtsbehelfsverfahren Parteistellung eingeräumt worden ist.

Nach der Bestimmung des Art. 220 Abs. 2 Buchst. b ZK haben die zuständigen Zollbehörden von einer Nacherhebung von Eingangsabgaben abzusehen, wenn drei Voraussetzungen nebeneinander erfüllt sind. Die ursprüngliche Nichterhebung der Abgaben muss auf einen Irrtum der zuständigen Behörden zurückzuführen sein, der Abgabenschuldner muss gutgläubig gehandelt haben, das heißt bei vernünftiger Betrachtungsweise außerstande gewesen sein, den Irrtum der zuständigen Behörden zu erkennen, und er muss alle geltenden Bestimmungen betreffend die Zollerklärung beachtet haben (vgl. etwa in ständiger Rechtsprechung das P, Wünsche Handelsgesellschaft mbH & Co KG, Rn 55).
Sind diese Voraussetzungen erfüllt, hat der Abgabenschuldner einen Anspruch darauf, dass von einer Nacherhebung abgesehen wird. Dagegen ist der Antrag auf Absehen von einer Nacherhebung bereits dann nicht begründet, wenn eine der drei Voraussetzungen fehlt (vgl. zu all dem etwa , mwN).

Das bedeutet für den vorliegenden Beschwerdefall, dass - entgegen der im Vorlageantrag vertretenen Ansicht der Bf. - das Vorliegen eines aktiven Irrtums der Zollbehörde allein noch nicht dazu führt, dass eine nachträgliche buchmäßige Erfassung zu unterbleiben hat, wenn nicht auch die übrigen Voraussetzungen des Art. 220 Abs. 2 Buchst. b ZK (fehlende Erkennbarkeit des Irrtums sowie die Einhaltung aller Vorschriften über die Zollanmeldung) vorliegen.

Das Zollamt hat im angefochtenen Bescheid und in der Beschwerdevorentscheidung die Anwendbarkeit der Vertrauensschutzregelung des Art. 220 ZK im Wesentlichen mit dem Fehlen der Gutgläubigkeit der Bf. verneint, weil diese den Irrtum der Zollbehörde hätten erkennen können.

Die Bf. beruft sich auf die fehlende Erfahrung und die Gutgläubigkeit und bringt dazu im Vorlageantrag im Wesentlichen vor, dass beide Gesellschafter der Bf. häufig geschäftlich in Fernost, hier insbesondere in Taiwan und in der Volksrepublik China unterwegs gewesen seien, wo sie zuerst in Taiwan, später in der Volksrepublik China auch Produzenten für die Herstellung der Fahrradkomponenten gefunden hätten. Die in der Volksrepublik China ansässige ***X.-Ltd*** habe in Hongkong einen Handelsbetrieb unterhalten, von dem aus der Paketversand in das Zollgebiet der EU erfolgt sei.
Für Fahrradkomponenten aus Taiwan sei ein Eingangszoll von 4,7% bezahlt worden. Ein Gesellschafter der Bf. habe sich damals fernmündlich mit dem Zollamt in Verbindung gesetzt, um sich nach den Einfuhrzöllen dieser Fahrradkomponenten aus China zu erkundigen. Dabei sei ihm ein Zollsatz von 4,7 % genannt worden und er sei auch auf die Homepage http://ec.europa.eu/taxation customs/dds2/taric/taric consultation.isp? Lang=de hingewiesen worden. Da auch die vom Zollamt angegebenen Warennummern in der elektronischen Abfrage zum Ergebnis 4,7 % geführt hätten und die Abgabenvorschreibungen immer auf der Basis von 4,7 % Zoll erfolgt seien, habe die Bf. keine Zweifel an der Richtigkeit der erhobenen Eingangsabgaben gehabt.
Eine sachliche Prüfung der Zollanmeldungen (richtige Warennummer, richtige Warenbeschreibung, richtiges Ursprungsland, Versenderangaben, Zollwertermittlung) sei nicht erfolgt, weil die Bf. keine Ahnung von einer formell richtig erstellten Zollanmeldung gehabt habe und darauf vertraut habe, dass die ***P.-AG*** als Anmelderin materiell- und formalrechtlich richtige Zollanmeldungen erstellen würde. Auch sei die Bf. vom Verzollungspostamt im Laufe der Importtätigkeiten mehrmals schriftlich aufgefordert worden, Nachweise und Belege vorzulegen, welche die Richtigkeit der den Postpakten beigefügten Unterlagen hätten belegen sollen und eine sachlich richtige Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr hätten ermöglichen sollen. Im Zuge der Dokumentenübermittlung sei einem Gesellschafter der Bf. auch zur Kenntnis gebracht worden, dass die Zollanmeldungen der ***P.-AG*** von Bediensteten des Zollamtes ***ZA2*** vorgenommen worden seien, was ihn zusätzlich darauf vertrauen habe lassen, dass die Zollanmeldungen und die zollamtlichen Mitteilungen rechtskonform gewesen seien.
Die Bf. sei erst im April 2015, im Zuge einer Bestellung mit einem höheren Frachtvolumen, von einer Importsachbearbeiterin eines beauftragten Logistikunternehmens mit der "Antidumpingzollthematik" konfrontiert worden. Bei eine im April 2015 erfolgten Kontaktaufnahme mit der Zentralen Auskunftsstelle der Zollverwaltung habe die Bf. erfahren, dass für die Einfuhr von Erzeugnissen der Positionen 8714911021, 8714911023, 8714911029 usw. mit Ursprungsland China eine entsprechende Bewilligung erforderlich gewesen wäre.

Bei der Frage, ob die Bf. den Irrtum der Zollbehörde hätte erkennen können, sind alle Umstände des Einzelfalls unter Berücksichtigung insbesondere der Art des Irrtums, der Berufserfahrung des betroffenen Wirtschaftsteilnehmers und der Sorgfalt, mit der er gehandelt hat, zu beurteilen (vgl. z.B. , mit Hinweis auf , Hewlett Packard France).

Zwar sind die in der Beschwerde und im Vorlageantrag angeführten Verfehlungen der Zollbehörde bei der Frage des Vorliegens eines aktiven Irrtums zu berücksichtigen, Sorgfaltspflichtverletzungen anlässlich der Überführungen der Waren in den freien Verkehr auf Seite der Zollbehörde entschuldigen aber Sorgfaltspflichtverletzungen der Wirtschaftsteilnehmer nicht ().

Der rechtliche Rahmen des Zollverfahrens der Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr zur besonderen Verwendung im Hinblick auf die Vielzahl der zu beachtenden unionsrechtlichen und nationalen Vorschriften als komplex zu beurteilen.
Der Umstand, dass auf Einfuhren bestimmter Fahrradteile aus der Volksrepublik China ein Antidumpingzoll zu entrichten ist, wäre aber aus Abfragen der von der Kommission im Internet zur Verfügung gestellten Datenbanken ersichtlich gewesen und stellt im Übrigen aufgrund der klaren und eindeutigen Gesetzeslage auch keine komplexe Rechtslage dar, die durch eine Befassung mit den einschlägigen Vorschriften (Lektüre der Amtsblätter) nicht zu lösen gewesen wäre.
Auf eine Komplexität jener Vorschriften, deren Nichterfüllung die Zollschuld im konkreten Beschwerdefall begründete, kann sich die Bf. somit nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes verschuldensmindernd nicht berufen.

Die Bf. sieht sich selbst als unerfahrene Wirtschaftsteilnehmerin an. Andererseits hat sie über einen längeren Zeitraum (von mehr als zwei Jahren) die hier in Rede stehenden Fahrradkomponenten aus China importiert und bereits zuvor Importe aus Taiwan getätigt. Auf eine mangelnde Erfahrung im Bereich des Zollverfahrens der Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr zur besonderen Verwendung kann sich die Bf. zwar verschuldensmindernd berufen, nicht aber auf eine völlige Unerfahrenheit mit dem Import der in Rede stehenden Fahrradkomponenten. An gewerblich im grenzüberschreitenden Warenverkehr tätige Wirtschaftsteilnehmer sind höhere Ansprüche zu stellen. Bei gewerbsmäßigen Einführern ist in aller Regel davon auszugehen, dass sie genau wissen, welche Eigenschaften die eingeführten Waren auch im Hinblick auf zollrechtliche Regelungen wie Antidumpingzölle haben. Sie verfügen auch dann über eine gewisse Erfahrung, wenn sie nur gelegentlich Ein- und Ausfuhrgeschäfte durchführen (Witte, Zollkodex6, Art. 220 Rz 30).
Der Umfang der Beteiligung am Wirtschaftsleben ist im Übrigen nur eines jener Kriterien, das nach der Rechtsprechung des EuGH in die Bewertung einzubeziehen ist.

Ersucht ein Zollschuldner die für ihn zuständige Zollstelle um eine telefonische Auskunft, insbesondere zum Zollsatz, ist diese Auskunft in der Regel unverbindlich, denn die bei einem Telefongespräch naturgemäß während des Gesprächs selbst erfolgende und damit regelmäßig schnelle Prüfung des vorgetragenen Sachverhaltes, die sich zudem nur auf die der Zollstelle zur Verfügung gestellten Unterlagen beschränken wird, kann nicht mit derselben Sorgfalt gegeben werden wie eine nach eingehender Prüfung auch durch die Zollstelle selbst erteilte Auskunft. Daher kann eine telefonische Auskunft grundsätzlich keinen Vertrauensschutz begründen (Witte, Zollkodex6, Art. 220 Rz 37 mit Hinweisen auf die Rspr. u.a. ).

Mit Ausnahme der Einholung einer unverbindlichen telefonischen Auskunft sind bis April 2015 keine weiteren Schritte der Bf. zur Klärung der in Rede stehenden Rechtslage aktenkundig.

Aus dem Vorbringen, ein Gesellschafter der Bf. habe sich beim Zollamt fernmündlich nach den Einfuhrzöllen der Fahrradkomponenten aus China erkundigt, wobei ihm ein Zollsatz von 4,7 % mitgeteilt worden sei und er auch auf die Taric-Datenbank der Europäischen Kommission hingewiesen worden sei, geht nicht hervor, ob und inwieweit dabei auch Antidumpingzölle angesprochen worden sind. Offen bleibt auch, ob eine Datenbankabfrage durch den Gesellschafter erfolgt ist. Im Rahmen einer solchen Abfrage wäre nämlich zu erkennen gewesen, dass bei der Einfuhr bestimmter Fahrradkomponenten ein Antidumpingzoll zu erheben ist, wie sich aus der nachfolgenden beispielhaften Abfrage des Bundesfinanzgerichtes mit dem Referenzdatum für Fahrradrahmen der Warennummer 8714 9110 19 mit Ursprung China ergibt (https://ec.europa.eu/taxation_customs/online-services-and-databases-customs_de):

Ein gewerblicher Zollschuldner, der Importgeschäfte tätigt, ist verpflichtet, sich durch Lektüre der einschlägigen Amtsblätter der EU Gewissheit über das auf seine Geschäfte anwendbare Unionsrecht zu verschaffen. Die Erfüllung dieser Pflicht wird dadurch, dass das Amtsblatt weitgehend kostenfrei im Internet zugänglich ist, deutlich erleichtert (Witte, Zollkodex6, Art. 220 Rz 33 mit Hinweisen auf die Rspr. des EuGH).

Ein Abgabenschuldner, der sichergehen möchte, keine Zölle nachzahlen zu müssen, hat daher die einschlägigen Vorschriften und Bekanntmachungen zu studieren. Die betreffenden Gemeinschafts- bzw. Unionsvorschriften sind von ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt an das einschlägige positive Recht, auf dessen Unkenntnis sich niemand berufen kann (wiederum , mit Hinweis auf Erwin Behn Verpackungsbedarf GmbH, Rs C-80/89).

Der Bf. und ihren Gesellschaftern war es daher vor diesem rechtlichen Hintergrund zuzumuten, vor den entsprechenden Einfuhren sich selbst intensiv mit den Rechtsgrundlagen auseinanderzusetzen und danach die entsprechenden Dispositionen zu treffen. Da sie sich allein auf eine fernmündliche Auskunft der Zollbehörde verlassen haben, ist ihnen vorzuwerfen, sich nicht rechtzeitig mit der gebotenen Sorgfalt mit der Thematik der Antidumpingzollerhebung auseinandergesetzt zu haben.

Eine von der Bf. zu vertretende Unzulänglichkeit besteht auch darin, dass sie in einem Zeitraum von zweieinhalb Jahren (September 2012 bis April 2015) keine inhaltliche Prüfung der Zollanmeldungen vornahm, weil sie - so das Vorbringen im Vorlageantrag - "keine Ahnung" von einer formell richtig erstellten Zollanmeldung gehabt habe und darauf vertraut habe, dass die ***P.-AG*** als Anmelderin materiell- und formalrechtlich richtige Zollanmeldungen erstellt habe.

Auch wenn der Bf. eine Unerfahrenheit mit der Erstellung von Zollanmeldungen zuzugestehen ist, wäre ihr hier ein Mindestmaß an Kontrollmaßnahmen zuzumuten gewesen. Bei der vorhandenen Kenntnis über den chinesischen Warenursprung hätte bereits eine oberflächliche Durchsicht der Zollanmeldungen ergeben, dass in einer Vielzahl von Fällen im Feld 2 des Einheitspapiers unrichtige Angaben zum "Versender/Ausführer" und insbesondere im Feld 34 ("Urspr.L.Code") mit der Erklärung "HK" unrichtige Angaben zum Ursprungsland enthalten sind.

In diesem Zusammenhang ist auch von Bedeutung, dass bei der Erstellung der Zollanmeldungen die unrichtigen Angaben zum Versender aus den die Postsendungen begleitenden Unterlagen wie Zollinhaltserklärungen oder Paketkarten übernommen wurden. Diese Unterlagen enthielten zwar Bezugnahmen auf Hongkong, aber keine Hinweise auf einen Ausführer oder einen Warenursprung in China. Auch die Handelsrechnungen enthielten keine Ursprungsangaben und hinsichtlich des Verkäufers vielfach lediglich die Bezeichnung "***X.-Ltd***" ohne Angabe einer Anschrift.
Lediglich in vier der hier gegenständlichen bis vorgenommenen 33 Antidumpingzoll-Nachforderungen (betreffend die Anmeldungen CRN ***12AT1*** vom , ***13AT1*** vom , ***13AT2*** vom , ***13AT3*** vom ) lagen in den Abfertigungsunterlagen Hinweise auf den in China ansässigen Ausführer vor.

Auch diese Umstände hätten die Bf., die zum Warenursprung weitergehende Kenntnisse als die Zollbehörde hatte, zu einer eingehenderen Prüfung der Zollanmeldungen veranlassen müssen. Dass durch die Annahme unrichtiger Zollanmeldungen eine mehrjährige fehlerhafte Abfertigungspraxis der Zollbehörde vorgelegen wäre, kann vor dem Hintergrund mangelhafter Zollunterlagen hingegen nicht ohne weiteres angenommen werden.

Zusammenfassend ist es daher nicht als rechtswidrig zu erkennen, wenn die belangte Behörde die Anwendbarkeit der Vertrauensschutzregelung des Art. 220 ZK im Wesentlichen mit dem Fehlen der Gutgläubigkeit der Bf. verneinte, weil diese den Irrtum der Zollbehörde hätten erkennen können.

Aus den dargelegten Erwägungen musste daher in Anwendung der von der EuGH-Rechtsprechung aufgestellten Beurteilungskriterien zu den Voraussetzungen für ein Absehen von der Nacherhebung des Zollbetrages nach Artikel 220 Abs. 2 Buchstabe b ZK der Beschwerde der Erfolg versagt werden.

§ 108 Abs. 1 Zollrechts-Durchführungsgesetz (ZollR-DG) idF BGBl I Nr. 180/2004 lautet:
"Entsteht außer den Fällen des Abs. 2 eine Zollschuld nach den Artikeln 202 bis 205 oder 210 oder 211 ZK oder ist eine Zollschuld gemäß Artikel 220 ZK nachzuerheben, dann ist eine Abgabenerhöhung zu entrichten, die dem Betrag entspricht, der für den Zeitraum zwischen dem Entstehen der Zollschuld und dem der buchmäßigen Erfassung, bei Nacherhebung gemäß Art. 220 ZK zwischen der Fälligkeit der ursprünglich buchmäßig erfassten Zollschuld und der buchmäßigen Erfassung der nachzuerhebenden Zollschuld, an Säumniszinsen angefallen wäre. Dies gilt nicht, wenn und soweit die Zollbehörde selbst ein überwiegendes Verschulden an der Entstehung der Zollschuld oder an der Nacherhebung oder am entstandenen Nebenanspruch trifft. § 80 Abs. 1 ist sinngemäß anwendbar. Die Verpflichtung zur Entrichtung der Verwaltungsabgaben nach § 105 bleibt unberührt."

§ 98 Abs. 1 und 3 ZollR-DG lautet:
"(1) An Nebenansprüchen sind im Verfahren der Zollbehörden zu erheben
...
3. Abgabenerhöhungen nach Maßgabe des § 108
...
(3) Die Nebenansprüche sind nach den für die Einfuhr- und Ausfuhrabgaben geltenden Bestimmungen zu erheben. ..."

Weder in der Beschwerde noch im Vorlageantrag wird behauptet, dass die Abgabenerhöhung unrichtig festgesetzt worden wäre.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Da das Erkenntnis nicht von der zitierten Rechtsprechung des EuGH und des VwGH abweicht und keine über den Einzelfall hinausgehenden grundsätzlichen Rechtsfragen angesprochen werden, ist eine (ordentliche) Revision nicht zulässig.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Zoll
betroffene Normen
Art. 21 Abs. 1 ZK, VO 2913/92, ABl. Nr. L 302 vom S. 1
Art. 82 Abs. 1 ZK, VO 2913/92, ABl. Nr. L 302 vom S. 1
Art. 20 ZK, VO 2913/92, ABl. Nr. L 302 vom S. 1
Art. 220 Abs. 2 Buchstabe b ZK, VO 2913/92, ABl. Nr. L 302 vom S. 1
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.5200001.2017

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at