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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 15.06.2021, RV/5100026/2021

Nachgewiesene Aufwendungen (ua. Fahrtkosten) im Zusammenhang mit einer Behinderung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch den Richter Mag. Günter Narat über die Beschwerde vom des Beschwerdeführers ***Bf1***, ***Bf1-Adr*** gegen den Bescheid des Finanzamtes Freistadt Rohrbach Urfahr (nunmehr Finanzamt Österreich) vom hinsichtlich Einkommensteuer 2019 vom zu Recht:

I)
Der Einkommensteuerbescheid 2019 wird abgeändert. Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der Einkommensteuer sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil dieses Spruches.

II)
Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist gem. Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Mit der am beim Finanzamt eingereichten Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung für 2019 machte der Beschwerdeführer (in weiterer Folge kurz BF) einen Betrag von € 2.493,44 ohne Selbstbehalt unter der Kennzahl für unregelmäßig anfallende Ausgaben für Hilfsmittel wie zum Beispiel Rollstuhl, Hörgerät, Blindenhilfsmittel oder Kosten der Heilbehandlung wie ärztliche Kosten, Medikamente geltend.

Vom Finanzamt wurde im Einkommensteuerbescheid 2019 vom nur der Freibetrag wegen eigener Behinderung in Höhe von € 599,00 anerkannt. Die geltend gemachten Ausgaben für behinderungsbedingte Mehraufwendungen in Höhe von € 2.493,44 ohne Selbstbehalt wurden vom Finanzamt nicht anerkannt, da die entsprechenden Nachweise trotz Vorhalt nicht vorgelegt worden seien.

Mit der Beschwerde vom gegen den Einkommensteuerbescheid 2019 wurde vom BF wiederum die Anerkennung der geltend gemachten Ausgaben beantragt.

Nach einem Ergänzungsersuchen des Finanzamtes vom wurden vom BF mit Vorhaltsbeantwortung vom entsprechende Unterlagen an das Finanzamt übermittelt.

Mit der Beschwerdevorentscheidung vom wurde vom Finanzamt von den beantragten Aufwendungen in Höhe von € 2.493,44 ein Betrag von € 594,50 anerkannt. Die übrigen Kosten in Höhe von € 1.898,94 wurden nicht anerkannt, da die entsprechenden Nachweise nicht vorgelegt worden seien.

Mit Schreiben vom wurde vom BF ein Vorlageantrag betreffend den Einkommensteuerbescheid 2019 beim Finanzamt eingebracht, worin vom BF ausgeführt wurde, dass alle Unterlagen am Finanzamt abgegeben worden seien. Aus der Beilage ÖGK gehe hervor, dass die Heilbehandlungen sowohl ärztlich verschrieben als auch die Kosten teilweise von der SV erstattet worden seien. Die Medikamentenkosten würden € 387,90 betragen. Der Einkommensteuerbescheid 2019 möge daher (zusätzlich € 217,90) diesen Betrag berücksichtigen.

Seitens des Finanzamtes wurde die Beschwerde am dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Mit Beschluss des Bundesfinanzgerichtes vom wurde der BF aufgefordert, diverse Fragen hinsichtlich der als außergewöhnliche Belastung ohne Selbstbehalt geltend gemachten Kosten zu beantworten und die entsprechenden Unterlagen bzw. eine Aufstellung hinsichtlich der angefallenen Fahrtkosten vorzulegen.

Mit dem am beim Bundesfinanzgericht eingelangten Schreiben wurde das angeführte Ergänzungsersuchen vom BF beantwortet. Die vom BF geltend gemachte Kosten der Heilbehandlung (außergewöhnliche Belastung ohne Selbstbehalt) wurden nunmehr auf einen Betrag von € 1.974,56 eingeschränkt.

Mit Beschluss des Bundesfinanzgerichtes vom wurde diese Vorhaltsbeantwortung des BF dem Finanzamt Österreich zur Kenntnisnahme übermittelt und Gelegenheit gegeben, eine entsprechende Stellungnahme zum Vorbringen des BF abzugeben.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Die Entscheidung des Bundesfinanzgerichts basiert auf folgendem Sachverhalt, der in den Akten der Abgabenbehörde sowie des Gerichtes abgebildet und soweit nicht gesondert angeführt unbestritten ist.

Der BF ist seit dem Jahr 1995 zu 70 % erwerbsgemindert und leidet an einer Lumbalgie.

Der BF hatte im Jahr 2019 Kosten der Heilbehandlung im Zusammenhang mit der Behinderung in Höhe von € 1.804,00, die sich folgendermaßen zusammensetzen:

S Heilmassagen (abzüglich € 26,00 Ersatz ÖGK) € 568,50

Apotheke Rezeptgebühren € 140,30

Fahrtkosten € 1.095,20

Die Fahrtkosten in Höhe von € 1.095,20 setzen sich folgendermaßen zusammen:

Dr. B in LG:

40 km x 0,42 = € 16,80

Orthopädie F in ON:

3 x 2 Fahrten a 23,8 km = 142,8 km x 0,42 = € 60,00

Dr. M in R:

27 Hinfahrten a 44,6 km laut Routenplaner = 1.204,20 km x 0,42 = 505,80

27 Rückfahrten a 45,2 km laut Routenplaner = 1.220,40 km x 0,42 = 512,60

Beweiswürdigung

Gem. § 167 Abs 2 BAO haben die Abgabenbehörde und das Bundesfinanzgericht unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. In Befolgung dieser Grundsätze ist der oben dargestellte Sachverhalt deshalb wie folgt zu würdigen.

Dass der BF seit dem Jahr 1995 zu 70 % erwerbgemindert ist und an einer Lumbalgie leidet, ist einerseits der vom Finanzamt übermittelten Bescheinigung des Gesundheitsamtes der Stadt L vom und andererseits den vom BF übermittelten ärztlichen Bestätigungen zu entnehmen.

Dass die angefallenen Kosten für Heilmassagen S und die Fahrtkosten zu den Orthopäden Dr. B bzw. Dr. M sowie zur Orthopädie F Kosten der Heilbehandlung im Zusammenhang mit einer Behinderung darstellen ergibt sich zweifelsfrei aus den übermittelten ärztlichen Bescheinigungen und dem glaubwürdigen Vorbringen des BF.

Als Nachweis des Ausmaßes der mit Heilbehandlungen im Zusammenhang stehenden Fahrtkosten legte der BF im Laufe des Verfahrens vor dem Bundesfinanzgericht eine im Nachhinein verfasste Aufstellung vor. Aus der Zusammenschau mit den vorgelegten ärztlichen Bestätigungen lässt sich für das Bundesfinanzgericht schlüssig nachvollziehen, dass die angeführten Fahrten im Zusammenhang mit der Heilbehandlung stehende Fahrten sind.

Eine Berichtigung der vom BF ermittelten Fahrtkosten war insofern vorzunehmen, als vom Bundesfinanzgericht die kürzeste (und auch schnellste) Route für die Ermittlung der zurückgelegten Kilometer herangezogen wurde.

Zu den Rezeptgebühren wird festgehalten, dass es für das Bundesfinanzgericht durchaus glaubhaft erscheint, dass die dem BF verordneten Medikamente angesichts der vorliegenden 70 %igen Erwerbsminderung und der damit einhergehenden massiven Beeinträchtigungen des BF ebenfalls im Zusammenhang mit der Behinderung stehende Medikamente sind.

Vor diesem Hintergrund können die unter Punkt 2 getroffenen Sachverhaltsfeststellungen gemäß § 167 Abs 2 BAO als erwiesen angenommen werden.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I.

Zunächst ist festzuhalten, dass das Finanzamt Österreich gem. § 323b Abs 1 BAO an die Stelle des die angefochtenen Bescheide erlassenden Finanzamtes Freistadt Rohrbach Urfahr getreten ist.

Außer in den Fällen des § 278 BAO hat das Verwaltungsgericht immer in der Sache selbst zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen (§ 279 Abs 1 BAO).

§ 34 Abs 1 EStG 1988 lautet:

"Bei der Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs. 2) eines unbeschränkt Steuerpflichtigen sind nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muss folgende Voraussetzungen erfüllen:

1. Sie muss außergewöhnlich sein (Abs 2).

2. Sie muss zwangsläufig erwachsen (Abs 3).

3. Sie muss die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs 4).

Die Belastung darf weder Betriebsausgaben, Werbungskosten noch Sonderausgaben sein."

§ 34 Abs 6 EStG 1988 sieht vor, dass folgende Aufwendungen ohne Berücksichtigung des Selbstbehaltes abgezogen werden können:

• Aufwendungen zur Beseitigung von Katastrophenschäden, insbesondere Hochwasser-, Erdrutsch-, Vermurungs- und Lawinenschäden im Ausmaß der erforderlichen Ersatzbeschaffungskosten;

• Kosten einer auswärtigen Berufsausbildung nach Abs 8 leg. cit.;

• Aufwendungen für die Kinderbetreuung im Sinne des Abs 9 leg. cit.;

• Mehraufwendungen des Steuerpflichtigen für Personen, für die gemäß § 8 Abs 4 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 erhöhte Familienbeihilfe gewährt wird, soweit sie die Summe der pflegebedingten Geldleistungen (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindengeld oder Blindenzulage) übersteigen;

• Aufwendungen im Sinne des § 35 ESG 1988, die an Stelle der Pauschbeträge geltend gemacht werden (§ 35 Abs 5 EStG 1988);

• Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung, wenn die Voraussetzungen des § 35 Abs 1 EStG 1988 vorliegen, soweit sie die Summe pflegebedingter Geldleistungen (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindengeld oder Blindenzulage) übersteigen.

Der Bundesminister für Finanzen kann gemäß § 34 Abs 6 letzter Satz EStG 1988 im Verordnungswege festlegen, in welchen Fällen und in welcher Höhe Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung ohne Anrechnung auf einen Freibetrag nach § 35 Abs 3 EStG 1988 und ohne Anrechnung auf eine pflegebedingte Geldleistung zu berücksichtigen sind.

Die diesbezügliche Verordnung des Bundesministers für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen (BGBl 1996/303 idF BGBl II 2010/430) bestimmt - soweit für den Beschwerdefall von Bedeutung - Folgendes:

"§ 4. Nicht regelmäßig anfallende Aufwendungen für Hilfsmittel (zB Rollstuhl, Hörgerät, Blindenhilfsmittel) sowie Kosten der Heilbehandlung sind im nachgewiesenen Ausmaß zu berücksichtigen."

Aufwendungen für bestimmte Hilfsmittel sowie Kosten der Heilbehandlung sind also nach der zitierten Verordnung im nachgewiesenen Ausmaß zu berücksichtigen, sofern sie mit der Behinderung in Zusammenhang stehen.

Kosten der Heilbehandlung sind Kosten für den Arzt, das Spital, ärztlich verordnete Kuren, Therapien, Medikamente, sofern sie mit der Behinderung in Zusammenhang stehen () und auch dabei anfallende Fahrt- bzw Transportkosten im tatsächlichen Ausmaß bzw. in Höhe des amtlichen Kilometergelds bei Verwendung des (familien)eigenen Kraftfahrzeuges (; Jakom, EStG 2020, § 35, Rz 27, Manz, § 35, Rz 69f). Die im Zusammenhang mit einer Heilbehandlung stehenden Fahrtkosten stellen eine zusätzliche außergewöhnliche Belastung dar und können somit im nachgewiesenen Ausmaß auch neben dem Kfz-Freibetrag für Körperbehinderte gemäß § 3 Abs. 1 VO Außergewöhnliche Belastungen als außergewöhnliche Belastungen geltend gemacht werden (vgl. , -K/08).

Der Begriff des nachgewiesenen Ausmaßes wird in der Verordnung nicht näher definiert. Nach § 138 BAO haben die Abgabepflichtigen auf Verlangen der Abgabenbehörde in Erfüllung ihrer Offenlegungspflicht (§ 119 BAO) zur Beseitigung von Zweifeln den Inhalt ihrer Anbringen zu erläutern und zu ergänzen sowie dessen Richtigkeit zu beweisen. Kann ihnen ein Beweis nach den Umständen nichtzugemutet werden, so genügt die Glaubhaftmachung. § 138 Abs. 1 BAO hat die Feststellung solcher Verhältnisse im Auge, die für die Abgabenbehörde nur unter Mithilfe des Abgabenpflichtigen aufklärbar sind, denen der Abgabenpflichtige hinsichtlich der Beweisführung somit nähersteht als die Behörde. Es handelt sich um Tatsachen, für die die Behörde keine zweckdienliche Nachprüfmöglichkeit hat, für deren Beweisbarkeit der Abgabenpflichtige aber vorsorgend wirken kann ().

§ 4 VO Außergewöhnliche Belastungen normiert somit für die Anerkennung der im Zusammenhang mit Heilbehandlungen angefallenen Fahrkosten als außergewöhnliche Belastungen eine Beweispflicht hinsichtlich des Ausmaßes.

Den vom Bundesfinanzgericht getroffenen Feststellungen zufolge sind dem BF im Zusammenhang mit seiner Behinderung Kosten der Heilbehandlung in Höhe von € 1.804,00 entstanden.

Hinsichtlich der geltend gemachten Kosten für Schreibutensilien, Kopien, Eingaben, etc. in Höhe von € 40,00 ist festzuhalten, dass diese Ausgaben keine Kosten der Heilbehandlung darstellen.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Das Verwaltungsgericht hat im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen (§ 25a Abs. 1 VwGG).

Gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes ist eine Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere, weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird (Art. 133 Abs. 4 B-VG).

Soweit im Beschwerdefall Rechtsfragen zu lösen sind, ergeben sich diese aus dem Gesetz bzw. der Verordnung des Bundesministers für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen (BGBl 1996/303 idF BGBl II 2010/430) bzw. folgt das Bundesfinanzgericht der einheitlichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, weshalb gemäß § 25a Abs1 VwGG spruchgemäß zu entscheiden ist.

Beilage: 1 Berechnungsblatt

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.5100026.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at