Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 21.04.2021, RV/4100719/2019

Option zur unbeschränkten Steuerpflicht bei Vorliegen der genannten Voraussetzungen

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die RichterinRi
in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***,
über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes St. Veit Wolfsberg (nunmehr Finanzamt Österreich) vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2017, Steuernummer ***BF1StNr1***,
zu Recht erkannt:

1.) Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

2.) Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

A) Verfahrensgang

1.) Der in Polen ansässige Beschwerdeführer (im Folgenden kurz Bf.) beantragte mit am beim Finanzamt eingelangter Erklärung für das Jahr 2017 eine Arbeitnehmerveranlagung unter Berücksichtigung u.a. eines Pendlerpauschales, von Familienheimfahrten und Kosten für doppelte Haushaltsführung sowie eines Kinderabsetzbetrages durchzuführen.

2.) Mit Ergänzungsvorhalt vom ersuchte das Finanzamt wie folgt:

3.) Mit Bescheid vom entsprach das Finanzamt dem Antrag unter Hinweis darauf, dass die gesetzlichen Voraussetzungen zur Option in die unbeschränkte Steuerpflicht gemäß § 1 Abs. 4 EStG 1988 nicht gegeben seien, nicht.

4.) Am langte beim Finanzamt ein mit datierter und als Beschwerde gewerteter Schriftsatz mit folgenden Ausführungen ein:

Beigefügt waren u. a. Arbeitsbescheinigungen der österreichischen Arbeitgeber.

5.) In Folge wies das Finanzamt die Beschwerde mittels Beschwerdevorentscheidung vom mit inhaltlich gleicher Begründung wie im Erstbescheid ab.

6.) Im am beim Finanzamt am bzw. eingelangten Vorlageantrag vom begehrte der Bf. nochmals die Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung unter Hinweis darauf, dass, wenn das Einkommen in Österreich EUR 11.000,00 nicht überschreite, man die ganze Steuer zurückbekomme.
Er arbeite auch in Deutschland und lege die diesbezügliche Bescheinigung bei.

7.) Mit nochmaligem Bedenkenvorhalt vom ersuchte das Finanzamt um Nachweis der deutschen Lohnsteuer bzw. um die Vorlage des deutschen Einkommensteuerbescheides.

8.) Gemeinsam mit dem Schreiben vom übermittelte der Bf. den entsprechenden deutschen Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2017.

9.) Im - auch dem Bf. zugegangenen - Vorlagebericht beantragte das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet abzuweisen, das die gesetzlichen Voraussetzungen des § 1 Abs. 4 EStG 1988 nicht gegeben seien.

B) Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

I.) Sachverhalt

1.) Der Familienwohnsitz des Bf. befindet sich in Polen, wo sich die dort einer Beschäftigung nachgehende Ehefrau und die beiden Kinder aufhalten, welche dort laut vorgelegten Bestätigungen die Schule besuchen. Der Mittelpunkt der Lebensinteressen des Bf. liegt daher in Polen.

2.) Laut Bescheid des (deutschen) Finanzamtes AB vom für das Jahr 2017 über die Festsetzung von Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag betrug das in der Bundesrepublik Deutschland zu versteuernde Einkommen EUR 16.028,00, woraus eine deutsche Einkommensteuer iHv EUR 1.058 resultierte, ein Solidaritätszuschlag war nicht zu entrichten.

3.) Den abgerufenen Meldungen der österreichischen Arbeitgeber zufolge, bezog der Bf. (lohnsteuerpflichtige) Arbeitslöhne für die Zeit vom
bis von der Firma "AA" iHv EUR 3.625,36
sowie vom
bis von der BB iHv EUR 6.168,14.

Die lohnsteuerpflichtigen österreichischen Einkünfte aus nicht selbständiger Arbeit betrugen somit in Summe EUR 9.793,50.
Auf den vorgelegten "Verdienstnachweisen" der Firma "AA" scheint ebenso wie auf der "Dienstzettelmitteilung" der BB die polnische Adresse des Bf. auf.
Demzufolge war der Bf. im Jahr 2017 rund 5 Monate mit einer 10 tätigen Unterbrechung in Österreich nicht selbständig tätig.


4.) Der Anteil der österreichischen Einkünfte iHv EUR 9.793,50 an den gesamten im Jahr 2017 erzielten Einkünften iHv EUR 25.821,50 beträgt demnach 38,63%.
Damit unterliegen also 38,63 % der gesamten Einkünfte des Jahres 2017 der österreichischen Einkommensteuer.

5.) Einer Abfrage im zentralen Melderegister vom zufolge verfügte der Bf. vom bis und vom bis an der Adresse ADr2, ORT, über einen Wohnsitz in Österreich. Andere bzw. frühere Wohnsitze in Österreich scheinen in diesem nicht auf.

6.) Im anschließenden Jahr 2018 nahm der Bf. seine nicht selbständige Tätigkeit in Österreich mit bis , also für zwei Monate mit kleinen Unterbrechungen auf (laut abgefragten Lohnzetteldaten).

7.) Angesprochene Aufstellungen über im Jahr 2017 getätigten Familienheimfahrten sowie Nachweise über Einsatzorte bzw. Wohnverhältnisse in Österreich bzw. Nachweise über Wohnungskosten in Österreich brachte der Bf. nicht bei.
Wann bzw. welche inländische Wohnung/Schlafmöglichkeit an welchem Einsatzort wie lange benutzt wurde, blieb unbeantwortet.
Daraus ergibt sich, dass im Streitjahr ein Ort, an welchem sich der Bf. unter erkennbaren Umständen aufhielt, dass er an diesem Ort nicht nur vorübergehend verweilte, nicht feststellbar ist bzw. war.

II.) Beweiswürdigung

Der dargelegte Sachverhalt stützt sich auf die im Akt einliegenden Abfragen und auf die vom Bf. beigebrachten Unterlagen, deren inhaltliche Richtigkeit auch vom Finanzamt nicht in Zweifel gezogen wurde.
So ergibt sich aus dem übermittelten deutschen Einkommensteuerbescheid die Höhe der in der Bundesrepublik Deutschland erzielten Einkünfte, welche somit als unstrittig zu qualifizieren sind. Insbesondere aus den abgefragten österreichischen Lohnzetteldaten sind die dem Bf. in den angeführten Zeiträumen in Österreich zugeflossenen Einkünfte ersichtlich.
Es stehen somit sowohl die deutschen als auch die österreichischen Einkünfte betragsmäßig außer Zweifel.
Des Weiteren fußt der zugrunde gelegte Sachverhalt auf - auch seitens des Bundesfinanzgerichtes getätigten - Abfragen im elektronischen Steuerakt des Bf. sowie auf der vom Finanzamt übermittelten Abfrage im Zentralen Melderegister.
Dass der Bf. in Österreich im Jahr 2017 über keinen im zentralen Melderegister erfassten Wohnsitz verfügte, folgt aus der angeführten Abfrage und ist in den vorgelegten bzw. vorliegenden Dokumenten die polnische Adresse des Bf. ausgewiesen.
Aus diesen Umständen, sowie insbesondere mangels Aufklärung der inländischen Wohnverhältnisse sind keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass der Bf. sich im Streitzeitraum an einen Ort in Österreich unter Umständen aufgehalten hat, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in Österreich nicht nur vorübergehend verweilt. Dafür spricht auch der Umstand, dass der Bf. im Folgejahr 2018 lediglich zwei Monate in Österreich tätig war.

C) Rechtliche Beurteilung


I.) zu Spruchpunkt 1.)

1.) Rechtsgrundlagen

a) § 1 EStG 1988 bestimmt:

"(1) Einkommensteuerpflichtig sind nur natürliche Personen.

(2) Unbeschränkt steuerpflichtig sind jene natürlichen Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Die unbeschränkte Steuerpflicht erstreckt sich auf alle in- und ausländischen Einkünfte.

(3) Beschränkt steuerpflichtig sind jene natürlichen Personen, die im Inland weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Die beschränkte Steuerpflicht erstreckt sich nur auf die im § 98 aufgezählten Einkünfte.

(4) Auf Antrag werden auch Staatsangehörige von Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder eines Staates, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum anzuwenden ist, als unbeschränkt steuerpflichtig behandelt, die im Inland weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, soweit sie inländische Einkünfte im Sinne des § 98 haben. Dies gilt nur, wenn ihre Einkünfte im Kalenderjahr mindestens zu 90% der österreichischen Einkommensteuer unterliegen oder wenn die nicht der österreichischen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte nicht mehr als 11 000 Euro betragen. Inländische Einkünfte, die nach einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung nur der Höhe nach beschränkt besteuert werden dürfen, gelten in diesem Zusammenhang als nicht der österreichischen Einkommensteuer unterliegend. Die Höhe der nicht der österreichischen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte ist durch eine Bescheinigung der zuständigen ausländischen Abgabenbehörde nachzuweisen. Der Antrag kann bis zum Eintritt der Rechtskraft des Bescheides gestellt werden.


b) In der Verordnung betreffend inländische Zweitwohnsitze zu § 1 des Einkommensteuergesetzes 1988 (VO BGBl II 528/2003) wurde verordnet:

§ 1.(1) Bei Abgabepflichtigen, deren Mittelpunkt der Lebensinteressen sich länger als fünf Kalenderjahre im Ausland befindet, begründet eine inländische Wohnung nur in jenen Jahren einen Wohnsitz im Sinne des § 1 des Einkommensteuergesetzes 1988, in denen diese Wohnung allein oder gemeinsam mit anderen inländischen Wohnungen an mehr als 70 Tagen benutzt wird.
(2) Absatz 1 ist nur anzuwenden, wenn ein Verzeichnis geführt wird, aus dem die Tage der inländischen Wohnungsbenutzung ersichtlich sind.
§ 2
. Die Wirkungen des § 1 treten bei Auswärtsverlagerungen des Mittelpunktes der Lebensinteressen erstmals im folgenden Kalenderjahr und bei Einwärtsverlagerungen letztmals im vorhergehenden Kalenderjahr ein.
§ 3.
….


c) § 26 Bundesabgabenordnung (BAO) normiert:

(1) Einen Wohnsitz im Sinn der Abgabenvorschriften hat jemand dort, wo er eine Wohnung innehat unter Umständen, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird.
(2) Den gewöhnlichen Aufenthalt im Sinn der Abgabenvorschriften hat jemand dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Land nicht nur vorübergehend verweilt. Wenn Abgabenvorschriften die unbeschränkte Abgabepflicht an den gewöhnlichen Aufenthalt knüpfen, tritt diese jedoch stets dann ein, wenn der Aufenthalt im Inland länger als sechs Monate dauert. In diesem Fall erstreckt sich die Abgabepflicht auch auf die ersten sechs Monate. Das Bundesministerium für Finanzen ist ermächtigt, von der Anwendung dieser Bestimmung bei Personen abzusehen, deren Aufenthalt im Inland nicht mehr als ein Jahr beträgt, wenn diese im Inland weder ein Gewerbe betreiben noch einen anderen Beruf ausüben.
(3) …..

2.) Rechtlich folgt:

Aufgrund der vorliegenden Aktenlage, insbesondere auf Basis des Ergebnisses der Abfrage im zentralen Melderegister und des Umstandes, dass in den vorgelegten bzw. vorliegenden Arbeitsdokumenten die polnische Adresse des Bf. ausgewiesen ist, ist davon auszugehen, dass der Bf. im Streitzeitraum in Österreich über keinen Wohnsitz iSd § 26 BAO verfügte. Aus diesem Grund findet auch die an das Vorhandensein einer über einen längeren Zeitraum vorhandenen inländischen Wohnung anknüpfende Verordnung betreffend inländische Zweitwohnsitze zu § 1 des Einkommensteuergesetzes 1988 keine Anwendung.

Da insbesondere mangels Aufklärung der inländischen Wohnverhältnisse keine Anhaltspunkte dafür erkennbar sind, dass der Bf. sich an einen Ort in Österreich unter Umständen aufgehalten hat, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in Österreich nicht nur vorübergehend verweilt und weil aus den den Bf. betreffenden Lohnzetteldaten des Jahres 2017 entnehmbar ist, dass der Bf. in Österreich Einkünfte aus nicht selbständiger Arbeit für einen nicht über sechs Monate hinausgehenden Zeitraum erzielte, ist im Streitjahr nicht vom Vorliegen eines gewöhnlichen Aufenthaltsortes iSd § 26 Abs. 2 BAO auszugehen.

Demnach unterliegt der Bf. mit seinen Einkünften aus nicht selbständiger Arbeit gemäß § 98 EStG der beschränkten Steuerpflicht nach § 1 Abs. 3 EStG 1988.

Werden gemäß § 1 Abs. 4 EStG 1988 auf Antrag auch Staatsangehörige von Mitgliedstaaten der Europäischen Union als unbeschränkt steuerpflichtig behandelt, die im Inland weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, soweit sie inländische Einkünfte im Sinne des § 98 haben, so gilt dies nur, wenn ihre Einkünfte im Kalenderjahr mindestens zu 90% der österreichischen Einkommensteuer unterliegen oder wenn die nicht der österreichischen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte nicht mehr als 11 000 Euro betragen.

Diese Vorgaben sind streitgegenständlich nicht erfüllt:
Es stehen den österreichischen Einkünften iHv EUR 9.793,50 die mittels deutschem Einkommensteuerbescheid bescheinigten in der Bundesrepublik Deutschland erzielten Einkünfte iHv EUR 16.028,00 gegenüber, sodass der Anteil der österreichischen Einkünfte an den gesamten im Jahr 2017 erzielten Einkünften (iHv EUR 25.821,50) demnach 38,63% beträgt. Unterliegen aber "nur" 38,63 % der gesamten Einkünfte des Jahres 2017 der österreichischen Einkommensteuer, wird der in § 1 Abs. 4 EStG1988 genannte Voraussetzungen nicht Rechnung getragen und ist diesfalls eine Option in die unbeschränkte Steuerpflicht nicht vorgesehen.

Der Antrag des Bf. nach § 1 Abs. 4 EStG 1988 als unbeschränkt steuerpflichtig behandelt zu werden, ist daher seitens des Finanzamtes zu Recht abgewiesen worden.

Auf Basis dieser Ausführungen war spruchgemäß zu entscheiden und die Beschwerde abzuweisen.

II.) Zu Spruchpunkt 2. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die Versagung der Option in die unbeschränkte Steuerpflicht nach § 1 Abs. 4 EStG 1988 ergibt sich als (Rechts-)Folge mangels Vorliegens der in der genannten Gesetzesstelle normierten Voraussetzungen. Eine uneinheitliche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt nicht vor.

Klagenfurt am Wörthersee, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 1 Abs. 4 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 26 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Schlagworte
Voraussetzungen zur Option
Option
unbeschränkte Steuerpflicht
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.4100719.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at