Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 28.08.2020, RV/7101189/2014

Selbständige Handelsvertreter, kein Dienstverhältnis

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Manuela Fischer in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Accurata Steuerberatungs GmbH & CoKG, Rechte Kremszeile 62, 3500 Krems/Donau, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Waldviertel vom betreffend

Haftung Lohnsteuer für die Jahre 2008, 2009 und 2010 sowie
Festsetzung Dienstgeberbeitrag 2009 und 2010 (DB),
Festsetzung Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 2008, 2009 und 2010 (DZ),
Festsetzung des Säumniszuschlages für den DB 2008, 2009 und 2010,
Steuernummer ***BF1StNr1***
zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.

  • Die angefochtenen Bescheide betreffend Haftung Lohnsteuer für die Jahre 2008, 2009 und 2010 bleiben unverändert.
    Die Lohnsteuer beträgt für
    2008 - Euro 1.412,52;
    2009 - Euro 944,28;
    2010 - Euro 1.215,24.

  • Die angefochtenen Bescheide betreffend Festsetzung Dienstgeberbeitrag sowie Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag und Säumniszuschläge für die Jahre 2008, 2009 und 2010 werden abgeändert.

  • Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgaben sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

Entscheidungsgründe

Bei der Beschwerdeführerin (Bf.) wurde im Jahr 2012 eine Außenprüfung (konkret eine GPLA-Prüfung) u.a. für die Abgaben Lohnsteuer, Dienstgeberbeitrag (DB) und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag (DZ) für die Jahre 2008 - 2010 durchgeführt.

Dem Bericht über die Außenprüfung (AP) vom waren für die genannten Zeiträume und Abgaben die folgenden Feststellungen zu entnehmen:
1) Verrechnung des vollen anstatt des halben Sachbezuges aufgrund unvollständiger und fehlender Unterlagen zur Privatnutzung eines Kraftfahrzeuges der Bf. durch einen Arbeitnehmer
sowie
2) Beurteilung der Tätigkeit von vier Handelsvertretern der Bf. Im Prüfungszeitraum:
Dazu wurde auf die Rechtsansicht der Kasse verwiesen, wonach keine selbständige Tätigkeit vorliege.
Es lägen jeweils Dienstverhältnisse zur Bf. gem. § 4 Abs. 2 ASVG vor.
Dies ergebe sich aus den Dienstverträgen und Befragungen von zwei Handelsvertretern. Weitere Angaben zum Sachverhalt fanden sich weder im Bericht der AP, noch in der Niederschrift über die Schlussbesprechung bzw. im Prüfbericht der Gebietskrankenkasse.

Aus den Feststellungen resultierten die folgenden Nachforderungen (Euro):

Zu 1)
2008: Lohnsteuer - 1.412,52; DB - 155,68; DZ - 14,53
2009: Lohnsteuer - 944,28; DB - 98,32; DZ - 8,96
2010: Lohnsteuer - 1.215,24; DB - 126,54; DZ - 11,25

Zu 2)
2008: DB - 8.771,87; DZ - 818,71
2009: DB - 8.897,76; DZ - 810,68
2010: DB - 9.673,87; DZ - 859,89.
Säumniszuschläge für DB - 2008 - 178,55; 2009 - 179,92; 2010 - 196,01.

Die Abgabenbehörde erließ mit Datum die entsprechenden Haftungs- und Abgabenbescheide für die Jahre 2008 - 2010.

Gegen diese Haftungs- und Abgabenbescheide vom betreffend Lohnsteuer und Festsetzung des DB und DZ sowie des Säumniszuschlages zum DB für die Jahre 2008, 2009 und 2010 wurde mit Schreiben vom Berufung (nunmehr Beschwerde) erhoben.

Das Rechtsmittel richtete sich inhaltlich nur gegen die Feststellungen zu Punkt 2), d.h. gegen die Qualifizierung der vier selbständig tätigen Handelsvertreter als Dienstnehmer der Bf.

Die Feststellungen der AP, die Privatnutzung des Kfz betreffend, und die daraus resultierende Vorschreibung der lohnabhängigen Abgaben für die Jahre 2008 - 2010 wurden nicht angefochten.

Im Schriftsatz wurde festgehalten, dass eine Begründung der Bescheide im Detail fehle (im Prüfbericht sei keine inhaltliche Begründung enthalten gewesen) und dass die Qualifizierung der Handelsvertreter als unselbständig Beschäftigte zu Unrecht erfolgt sei. Die Kriterien für das Vorliegen von Werkverträgen würden überwiegen. Nähere Ausführungen könnten seitens der Bf. erst gemacht werden, wenn eine Bescheidbegründung vorliege. Gegen die Feststellungen der Gebietskrankenkasse werde ein Einspruch vorbereitet.

Mit dem Rechtsmittel wurde die Aufhebung der Bescheide im die vier Handelsvertreter betreffenden Feststellungen beantragt.

Mit Berufungsvorentscheidung (BVE) der Abgabenbehörde vom wurde das Rechtsmittel als unbegründet abgewiesen.
Die Abgabenbehörde verwies auf die gemeinsame Prüfung aller lohnabhängigen Abgaben und hielt fest, dass die Gebietskrankenkasse zum Ergebnis gelangt sei, dass die vier, für die Bf. tätigen, Handelsvertreter (***1***, ***2***, ***3*** und ***4***) nicht als Selbständige, sondern als echte Dienstnehmer zu qualifizieren seien.
Die vier Vertreter seien im prüfungsgegenständlichen Zeitraum für die Planung und den Verkauf von Wärmepumpenanlagen sowie Kundenberatung und Betreuung verantwortlich gewesen. Die Behörde verwies auf die schriftlichen Verträge und die darin enthaltenen Bestimmungen sowie die Pflichten der Handelsvertreter.
Die Vertreter arbeiteten ausschließlich auf Provisionsbasis und hätten keinen Anspruch auf Auslagenersatz. Es werden ihnen Verkaufsunterlagen und ein Laptop zur Verfügung gestellt. Für ein eventuell genutztes Fahrzeug des Unternehmens sei ein Entgelt zu leisten. Die Vertreter verwenden Visitenkarten mit dem Logo und der Adresse des Unternehmens. Sie seien an keine Terminvorgaben und Arbeitszeiten gebunden. Die Vertreter verfügten im Prüfungszeitraum über einen Gewerbeschein, der sie zur Ausübung der selbständigen Tätigkeit berechtigte.
Die Herren ***4*** und ***2*** seien während der AP über ihre Tätigkeit niederschriftlich befragt worden. Diese hätten u.a. angegeben, dass sie über eigene Büromittel verfügten und z.B. für ein genutztes Fahrzeug Euro 0,30 pro Kilometer bezahlt werde. Monatlich finde eine verpflichtende Besprechung mit Kollegen und der Geschäftsleitung statt, bei der diverse Abläufe und aktuelle Aufträge besprochen würden. Es werde mit dem Unternehmen zusammengearbeitet und auch an Messen der Bf. teilgenommen.
Die Behörde zitierte in der BVE die maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen und verwies auf die für ein Dienstverhältnis gem. § 47 Abs. 2 EStG 1988 zu beachtenden Kriterien, nämlich die Weisungsgebundenheit des Arbeitnehmers und dessen Eingliederung in den geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers. Bei Abgrenzungsfragen sei auch das Vorliegen eines Unternehmerrisikos des Leistenden in Betracht zu ziehen.
Für die Beurteilung, ob ein steuerliches Dienstverhältnis bestehe, sei vom tatsächlichen wirtschaftlichen Gehalt der Vereinbarungen auszugehen.
Hinsichtlich des Merkmals der Weisungsbindung kam die Behörde zum Schluss, dass diese bei den Handelsvertretern gegeben sei. Sie seien aufgrund des Gebietsschutzes in ihrer Tätigkeit örtlich eingeschränkt und unterlägen einer Konkurrenzklausel. Es bestünde für sie kein allgemeines Vertretungsrecht, sodass die persönliche Arbeitspflicht nicht ausgeschlossen sei. Obwohl durch die Vertretertätigkeit keine Bindung an einen fixen Dienstort gegeben sei, sei hier von einer Eingliederung in den geschäftlichen Organismus der Bf. auszugehen. Die Vertreter seien seit Jahren für die Bf. tätig; sie würden mindestens einmal im Monat an Besprechungen teilnehmen; verwendeten Visitenkarten und Werbe- und Informationsmaterial des Unternehmens; Aufträge würden vom Prokuristen der Bf. überprüft und genehmigt.
Nach Ansicht der Behörde seien somit die Vertreter im Sinne des § 47 Abs. 2 EStG in einem Dienstverhältnis tätig, da die Merkmale der persönlichen und wirtschaftlichen Abhängigkeit überwiegen. Auf das Vorliegen eines etwaigen Unternehmerrisikos nahm die Abgabenbehörde keinen Bezug.

Mit Schreiben vom stellte die Bf. einen Vorlageantrag.
Darin wurde auf die umfangreichen Stellungnahmen zur selbständigen Tätigkeit der Handelsvertreter verwiesen, die im Rahmen des Prüfungsverfahrens seitens der Bf. abgegeben wurden, und darauf, dass das Verfahren aus sozialversicherungsrechtlicher Sicht vor dem Bundesverwaltungsgericht noch nicht abgeschlossen sei.
Es wurde der im Zuge der GPLA-Prüfung außer Streit stehende Sachverhalt, unabhängig von dessen Würdigung durch die Behörde, dargestellt:
"Es handelt sich um vier Handelsvertreter, die sich von den angestellten im Dienstverhältnis tätigen Handelsvertretern anderer Firmen der Unternehmensgruppe wesentlich unterscheiden (Urlaubsrecht, Fixum, Arbeitsmittel).
Alle Handelsvertreter verwenden eigene Arbeitsmittel. Wenn Arbeitsmittel des Unternehmens verwendet werden, muss dafür ausnahmslos bezahlt werden. Im Unternehmen steht ein leerer Schreibtisch, ohne EDV oder sonstige Ausstattung, also kein Büro wie in der BVE angegeben, für sämtliche Handelsvertreter der Unternehmensgruppe zur Verfügung, wenn kurzfristig ein Büroplatz erforderlich ist. Alle Handelsvertreter haben ihr Büro am jeweiligen Wohnort.
Alle Handelsvertreter bekommen kein Fixum, sondern ausschließlich ein umsatzbezogenes Entgelt. Es gibt Monate, in denen die Handelsvertreter kein Entgelt erhalten.
Alle Handelsvertreter unterliegen einem fachlich auf Wärmepumpen beschränkten Konkurrenzverbot. Die Stärkung der Marke erfordert auch den gemeinsamen Auftritt (Visitenkarten). Ein Handelsvertreter arbeitet außerdem selbständig als Installateur. Dieser Umstand zeigt, dass weitere selbständige Tätigkeit im Bereich "Wasser- und Wärmeinstallation" erlaubt und möglich ist.
Alle Handelsvertreter können sich de facto nicht von fremden Personen vertreten lassen, weil dies die hohe fachliche Anforderung nicht zulässt. Allerdings können sie sich laufend durch die drei anderen selbständigen, fachlich eingearbeiteten Handelsvertreter nach eigenem Ermessen vertreten lassen. Das passiert auch in Ausnahmefällen.
Alle Handelsvertreter nehmen freiwillig an regelmäßigen Produktinformationen im Unternehmen teil. Diese finden einmal im Monat statt. Die Regelung im schriftlichen Vertrag (aus dem Jahr 1999) ist insofern hinfällig, weil tatsächlich anders gelebt.
Alle vier Handelsvertreter arbeiten in bestimmten zugewiesenen Gebieten.
Alle Handelsvertreter unterliegen keiner persönlichen Kontrolle durch das Unternehmen, insbesondere gibt es keine "umfangreiche Weisungs- und Informationspflichten" gegenüber dem Unternehmen.
Alle Handelsvertreter unterliegen fachlichen Vorgaben betreffend die Wärmepumpen des Unternehmens und arbeiten insofern mit den Mitarbeitern des Unternehmens zusammen (Techniker etc).
Alle Handelsvertreter unterliegen keiner Urlaubs- oder sonstigen Zeitplanung im Unternehmen. Sie sind zu keiner Anwesenheitszeit verpflichtet und unterliegen keiner Arbeitspflicht.
Alle vier Handelsvertreter können Angebote des Unternehmens sanktionslos ablehnen. Sie haben keine Umsatzvorgaben des Unternehmens.
Alle Handelsvertreter besitzen einen eigenen Gewerbeschein und haben ihre Unternehmen von Beginn an ordnungsgemäß der SVA und dem Finanzamt gemeldet.
"

Die Bf. hielt fest, dass die Abgabenbehörde in ihrer Würdigung den Sachverhalt verkenne. Es könne aufgrund der Beurteilung beider wesentlicher Kriterien für das Vorliegen eines Dienstverhältnisses gem. § 47 Abs. 2 EStG keine klare Abgrenzung zur selbständigen Tätigkeit getroffen werden.
Nach Ansicht der Bf. spreche die Auslegung der Kriterien für eine selbständige Tätigkeit. Im konkreten Fall hätten daher weitere Kriterien, wie Unternehmerrisiko, Gewerbeschein etc. im Sinne einer "Überwiegensprüfung" herangezogen werden müssen.

Die Bf. führte aus, dass hinsichtlich einer möglichen Weisungsbindung auf ein persönliches Weisungsrecht, nicht jedoch auf ein fachliches Weisungsrecht, abzustellen sei. Im gegenständlichen Fall lägen nur sachliche Weisungsrechte vor, d.h. im Hinblick auf Preisgestaltung, Tätigkeitsgebiet, Informationsaustausch mit der Verkaufs- und Geschäftsleitung der Bf. Das Konkurrenzverbot sei im Sinne des Markenschutzes zu verstehen und stelle eine übliche Praxis bei Handelsvertretern dar. Zum Vertretungsrecht sei darauf zu verweisen, dass aufgrund der notwendigen hohen spezifischen fachlichen Qualifikation eine Vertretung durch Unternehmensfremde nicht denkbar sei. Wenn es zu Vertretungen komme, so finde dies unter den Handelsvertretern statt. Dies werde durch die Vertreter selbst organisiert ohne die Bf. zu informieren und werde durch gezielte Planung (z.B. bei Urlaub) möglichst gering gehalten.
Die Handelsvertreter hatten zudem jederzeit die Möglichkeit eine Anfrage nicht zu bearbeiten bzw. abzulehnen; sie unterlägen keinem Annahmezwang bzw. einer Annahmepflicht.
Die für eine persönliche Weisungsbindung nötigen Kriterien, wie verpflichtende Arbeitszeit, Arbeitspausen, betriebliche Kontrolle durch den Arbeitgeber lägen nicht vor, sodass keine Weisungsbindung gegeben sei.
Hinsichtlich des Erfordernisses der Eingliederung in den geschäftlichen Organismus sei festzuhalten, dass diesem Kriterien bei nahezu ausschließlicher Tätigkeit außerhalb des Betriebssitzes, wie auch die Behörde angeführt habe, keine entscheidende Bedeutung zukomme.
Die Handelsvertreter seien seit mehreren Jahren für die Bf. tätig. Dies spreche aber ebenso wenig für ein Dienstverhältnis, wie der Umstand, dass Werbematerial für die vertretene Marke verwendet werde und Besprechungen mit der Bf. stattfänden.
Wenn die Handelsvertreter konkret Leistungen der Bf. in Anspruch nehmen, so wäre dafür Entgelt zu leisten.

Die Abgabenbehörde habe bei ihrer Beurteilung keine weiteren Prüfungen, wie z.B. hinsichtlich des Unternehmerrisikos, angestellt.
Tatsache sei, dass die Handelsvertreter kein Fixum erhielten und sie nur bei Leistungserbringung Entgelt erhielten. Es komme daher vor, dass in manchen Monaten keine Einkünfte der Handelsvertreter vorlagen. Es werde dazu nochmals auf die während der Prüfung vorgelegten Unterlagen und Stellungnahmen verwiesen. Daraus seien auch die Monatsumsätze der Handelsvertreter ersichtlich.
Das HandelsvertreterG regle ausdrücklich den Typus des selbständigen Handelsvertreters. Den in § 6 angeführten Unterstützungspflichten komme die Bf. nach, wie z.B. durch Produktschulungen, Visitenkarten etc. Auch die Konkurrenzklausel entspreche dem Berufsbild des selbständigen Handelsvertreters.

Mit dem Vorlageantrag wurde die Entscheidung in mündlicher Verhandlung durch den gesamten Berufungssenat beantragt.

In den dem BFG vorliegenden Stellungnahmen der Bf. vom September und Dezember 2012, die während der Prüfung abgegeben wurden und der Abgabenbehörde vorlagen, war im Detail zu Art und Weise der Tätigkeit der Handelsvertreter ausgeführt. In der zweiten Stellungnahme vom Dezember war angeführt, dass die Gebietskrankenkasse aufgrund der Verträge von selbständigen Handelsvertretern ausgehe, jedoch noch drei Punkte in Frage gestellt würden. Es seien dies die Fragen der Vertretungsbefugnis/Durchführung von Vertretungen; der Konkurrenzklausel und der Verwendung von Visitenkarten der Bf. gewesen. Dazu nahm die Bf. ausführlich Stellung und brachte zudem Ergänzungen und Klarstellungen zur niederschriftlich erfolgten Befragung zweier Handelsvertreter vor. Es wurde u.a. dargelegt, dass die Herren ***1*** und ***2*** bereits vor der Tätigkeit bei der Bf. als selbständige Handelsvertreter tätig gewesen seien. Herr ***4*** habe zudem im Bereich Installationstechnik, Herr ***1*** im Bereich der Unterhaltungselektronik und Herr ***3*** im Bereich der Elektrotechnik sowie Feng-Shui gearbeitet. Zirka ein Viertel der Aufträge der Handelsvertreter seien von diesen selbst akquiriert worden und nicht über die Bf. an die Vertreter gelangt. Die Besprechungen bei der Bf. sowie die Produktschulungen erfolgten auf freiwilliger Basis. Herr ***4*** habe seine Frau als Mitarbeiterin angestellt; Herr ***1*** habe früher sämtliche Berechnungen an Studenten ausgelagert. Keiner der Vertreter habe Vorverträge für die Bf. abgeschlossen. Die Vertreter stünden für die Kunden nach Abschluss der Geschäfte zur Verfügung; es gebe jedoch keine Betreuungspflicht.

Mit den beiden vorliegenden Bescheiden der Gebietskrankenkasse vom Juni 2013 wurde für zwei Handelsvertreter, ***4*** und ***2***, die Versicherungspflicht nach dem ASVG festgestellt. Gegen diese beiden Bescheide erhob die Bf. ebenfalls Einspruch. Ein diesbezügliches Rechtsmittelverfahren ist beim Bundesverwaltungsgericht (BVwG) anhängig. Dieses Verfahren wurde durch das BVwG bis zur Entscheidung des BFG ausgesetzt und das BFG um Übermittlung des entsprechenden Erkenntnisses ersucht.

Mit dem Vorlagebericht legte die Abgabenbehörde dem BFG die beiden gleichlautenden Verträge der Handelsvertreter, ***4*** und ***2***, sowie die mit diesen im Zuge der Prüfung aufgenommenen Niederschriften vor. Ebenso wurden Berechnungsblätter vorgelegt.
Den Finanzamtsakten war zu entnehmen, dass nachfolgende GPLA-Prüfungen keine Feststellungen zu den nach wie vor bei der Bf. selbständig tätigen Handelsvertretern getroffen hatten.

Mit Schreiben vom zog die Bf. den Antrag auf Entscheidung über das Rechtsmittel durch den gesamten Berufungssenat und Durchführung einer mündlichen Verhandlung zurück.
Es wurde darin auch festgehalten, dass sich das Rechtsmittel nicht gegen die Feststellungen und daraus resultierenden Abgabenvorschreibungen im Zusammenhang mit der Privatnutzung eines Kfz durch einen Arbeitnehmer richtete.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Im gegenständlichen Verfahren war die aus dem Titel der Privatnutzung eines KFZ getroffene Feststellung der AP und die daraus folgende Vorschreibung lohnabhängiger Abgaben nicht angefochten worden (siehe Punkt 1 in den Entscheidungsgründen).
Da sich die angefochtenen Haftungsbescheide für die Jahre 2008 bis 2010 nur auf die Haftung für Lohnsteuer aus diesem Titel bezogen, blieben diese Bescheide und die Festsetzung der Lohnsteuer unverändert.
Die damit in Zusammenhang stehende Festsetzung der DB und DZ blieb hinsichtlich der Höhe ebenfalls unverändert.

Strittig war jedoch, ob für die bei der Bf. im Prüfungszeitraum tätigen Handelsvertreter (***1***, ***2***, ***3*** und ***4***) jeweils eine selbständige Tätigkeit oder ein Dienstverhältnis vorgelegen war und dementsprechende Lohnabgaben, nämlich DB und DZ, festzusetzen waren (siehe Punkt 2 in den Entscheidungsgründen).

Gemäß § 47 Abs. 2 EStG 1988 liegt ein Dienstverhältnis vor, wenn der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft schuldet. Dies ist der Fall, wenn die tätige Person in der Betätigung ihres geschäftlichen Willens unter der Leitung des Arbeitgebers steht oder im geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers dessen Weisungen zu folgen verpflichtet ist.

Gemäß § 41 Abs. 1 FLAG 1967 haben den Dienstgeberbeitrag alle Dienstgeber zu leisten, die im Bundesgebiet Dienstnehmer beschäftigen. Gemäß Abs. 2 leg. cit. sind Dienstnehmer u.a. Personen, die in einem Dienstverhältnis iSd § 47 Abs. 2 EStG 1988 stehen.

Die Pflicht zur Entrichtung eines Zuschlages zum Dienstgeberbeitrag gründet sich auf § 122 Abs. 7 und 8 Wirtschaftskammergesetz (WKG) 1998.

Der Legaldefinition des § 47 Abs. 2 EStG 1988 sind zwei Kriterien zu entnehmen, die für das Vorliegen eines Dienstverhältnisses sprechen, nämlich die Weisungsgebundenheit gegenüber dem Arbeitgeber und die Eingliederung in den geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers. In Fällen, in denen beide Kriterien noch keine klare Abgrenzung zwischen einer selbständig und einer nichtselbständig ausgeübten Tätigkeit ermöglichen, ist auf weitere Abgrenzungskriterien, wie insbesondere das Unternehmerrisiko, Bedacht zu nehmen (vgl. Erkenntnis eines verstärkten Senats ; ).
Steuerrechtlich ist (nur) zu beurteilen, ob eine Beschäftigung iSd § 47 Abs. 2 EStG 1988 vorliegt und diese die im Gesetz beschriebenen Merkmale eines Dienstverhältnisses aufweist. Nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH kommt der Beurteilung in anderen Rechtsgebieten, wie z.B. im Sozialversicherungsrecht, für das Steuerrecht keine Bindungswirkung oder Bedeutung zu. Da im Einkommensteuergesetz selbst vorgeschrieben ist, was als Dienstverhältnis anzusehen ist, führt dies zwangsläufig dazu, dass der ein- und derselbe Sachverhalt im Steuerrecht einerseits, im bürgerlichen Recht oder Sozialversicherungsrecht andererseits unterschiedlich beurteilt werden kann.

Die AP hatte sich der Rechtsmeinung der Sozialversicherung angeschlossen ohne dies in ihrem Prüfungsbericht unter steuerrechtlichen Aspekten näher zu begründen.
Im Bericht vom war lediglich angeführt "Die Kasse ist der Rechtsansicht, dass es sich um keinen selbständigen Handelsvertreter, sondern um einen Dienstnehmer gem. § 4 Abs. 2 ASVG handelt (Auf Grund der Dienstverträge und es wurden zwei Handelsvertreter befragt)."
Auch in der abweisend ergangenen BVE wies die Abgabenbehörde zuerst darauf hin, dass die Gebietskrankenkasse zum Ergebnis gelangt sei, dass bei den vier für die Bf. tätigen Handelsvertretern von Dienstnehmern der Bf. auszugehen wäre.
In der Folge beurteilte die Abgabenbehörde in der BVE den Sachverhalt noch anhand der beiden gesetzlichen Kriterien, der Weisungsbindung und Eingliederung in den wirtschaftlichen Organismus der Bf., und kam zum Schluss, dass die vier Handelsvertreter als Dienstnehmer der Bf. zu beurteilen seien. Als maßgeblich für diese Feststellung seien die auf unbestimmte Zeit abgeschlossenen Verträge, der Gebietsschutz, das Konkurrenzverbot und die persönliche Arbeitsleistung der Personen beurteilt worden. Die Verwendung von Verkaufsunterlagen, Prospekten und Visitenkarten der Bf. hätten ebenfalls für ein Dienstverhältnis gesprochen. Insgesamt hätten die Merkmale der persönlichen und wirtschaftlichen Abhängigkeit überwogen.

Für die Entscheidung des BFG war, insbesondere im Hinblick auf die gesetzlichen Bestimmungen des EStG, wesentlich, die Tätigkeit nach ihrem Gesamtbild darauf zu untersuchen, ob die Merkmale der Selbständigkeit oder jene der Unselbständigkeit überwiegend waren.
Es waren daher im gegenständlichen Verfahren die tatsächlichen Verhältnisse, der wahre wirtschaftliche Gehalt der Beziehung zwischen der Bf. und den Handelsvertretern nach den gesetzlichen Kriterien zu beurteilen.

Der durch das BFG zur Entscheidung herangezogene Sachverhalt ergab sich aus den Unterlagen der AP, dem Vorbringen der Bf. im Rechtsmittelverfahren, den Stellungnahmen und Auskünften der Bf. sowie der Handelsvertreter im Prüfungsverfahren und den beigebrachten Unterlagen und Verträgen.

Demnach waren die vier in Rede stehenden Handelsvertreter bereits seit mehreren Jahren für die Bf. selbständig tätig. Die beiden vorliegenden Verträge stammten bereits aus dem Jahr 1999 bzw. 2001. Diese waren abgeschlossen zwischen " … Bf. … und dem selbständigen Handelsvertreter Herrn ….".
Aufgrund der Verträge, der Angaben in den Stellungnahmen der Bf. sowie der Angaben der beiden befragten Handelsvertreter, war festzustellen, dass die Vertreter befugt waren im Unternehmensbereich der Bf., nämlich der Planung und Errichtung von Wärmepumpenanlagen, Geschäftsabschlüsse zu vermitteln. Zum Abschluss von Verträgen im Namen und auf Rechnung der Bf. waren sie nicht ermächtigt.
Die Vertreter waren verpflichtet sich hinsichtlich der Preise, Nachlässe, Zahlungsbedingungen an die Vorgaben der Bf. zu halten. Der Vertreter hatte die Bf. über alle im Zusammenhang mit vermittelten Geschäften stehenden Vorgänge zu informieren. Die Handelsvertreter unterlagen während der Laufzeit des Vertrages einer Konkurrenzklausel.
Wie die beiden befragten Vertreter im Prüfungsverfahren niederschriftlich angaben und wie aus den Stellungnahmen der Bf. festzustellen war, verfügten alle vier Vertreter über eine eigene Gewerbeberechtigung als Handelsvertreter, waren Mitglieder der Wirtschaftskammer und waren bei der Sozialversicherung der Selbständigen gemeldet. Die Handelsvertreter wurden mit ihren Einkünften aus selbständiger Tätigkeit beim Finanzamt veranlagt.
Die Vertreter mussten ihre Vermittlungsleistungen zwar grundsätzlich selbst erbringen, doch war dies dadurch begründet, dass sie in einem technisch speziellen Bereich tätig waren und eine Vertretung nur durch gleichermaßen geschulte Personen möglich war. Da die vier selbständig tätigen Handelsvertreter über das gleiche Wissen hinsichtlich der zu vermittelnden Produkte verfügten, fand eine Vertretung, wenn nötig, so statt, als sich die vier Vertreter gegenseitig vertraten. Dazu war es nicht erforderlich die Bf. zu informieren oder deren Zustimmung zu erhalten. Die Entscheidung ob eine Vertretung tätig werden sollte, lag bei den Handelsvertretern. Um solche Fälle hintanzuhalten wurden durch die Vertreter entsprechende Vorkehrungen getroffen.
Die Vertreter unterlagen mit ihrer Tätigkeit keinen fixen Arbeitszeiten, hatten ihre eigenen Büros am Wohnort und nutzen eigene Büromittel. Die Arbeits- und Termingestaltung, die Betreuung und Beratung von möglichen Kunden lagen im Entscheidungsbereich der Vertreter und wurde dies nicht durch die Bf. beeinflusst. Es wurden dazu seitens der Bf. keine Vorgaben gemacht oder Weisungen an die Vertreter erteilt. Die Vertreter waren nicht verpflichtet Anfragen und Aufträge anzunehmen; sie konnten diese grundsätzlich ablehnen. Wenn dies der Fall war, wurde die Anfrage durch Dienstnehmer der Bf. bearbeitet. Die durch die Handelsvertreter erstellten Angebote wurden der Bf. übermittelt. Ein Zugriff auf das Netzwerk der Bf. war den Handelsvertretern nicht möglich. Eine Zusammenarbeit mit der Bf. war in fachlicher Hinsicht, d.h. im Bereich der technischen Vorgaben und Notwendigkeiten gegeben. Wenn nach der Vermittlung ein Vertragsabschluss durch die Bf. erfolgte, stand nach Zahlungseingang den Vertretern für die Vermittlung eine Provision zu. Die Vertreter hatten einen gewissen Spielraum in der Preisgestaltung, nahmen dabei jedoch in Kauf, dass sich ein etwaiger Rabatt auf die Provisionshöhe auswirken würde. Ebenso lag es in ihrem Risikobereich infolge Ablehnung eines Auftrages eine etwaige Provision zu verlieren.
Die Bf. war gegenüber den selbständigen Vertretern verpflichtet diese über einen Vertragsabschluss bzw. Ablehnung eines vermittelten Geschäftes zu informieren. Den vier Handelsvertretern war jeweils ein konkretes Gebiet zur Betreuung überlassen, d.h. es gab einen Gebietsschutz. Anspruch auf Ersatz von Auslagen der Vertreter bestand nicht. Die Bf. stellte dem Vertreter Verkaufsunterlagen sowie, wenn gewünscht, einen laptop zur Verfügung. Sonstige Leistungen der Bf. an die vier Vertreter mussten durch diese bezahlt werden (z.B. Nutzung eines Kfz der Bf., Leistungen der Techniker wie z.B. Berechnungen). Der Vertretungsvertrag war auf unbestimmte Zeit geschlossen und konnte aus wichtigen Gründen ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist jederzeit von beiden Seiten gekündigt werden.

Die Bf. verfügte auch über Vertreter, die in einem Arbeitsverhältnis zur Bf. standen. Diese Vertreter hatten im Gegensatz zu den vier in Rede stehenden Handelsvertretern u.a. ihren eigenen Arbeitsplatz im Unternehmen der Bf. und waren zur Anwesenheit innerhalb der Arbeitszeit verpflichtet. Es standen ihnen Diensthandys, Dienstautos und Laptops zur Verfügung. Sie bezogen ein Fixum und eine Umsatzprovision und erhielten Spesenersatz im gesetzlich möglichen Ausmaß. Sie mussten ihren Urlaub beantragen und hatten vorgegebene Umsatzziele. Jede Nebentätigkeit neben dem Dienstverhältnis war ihnen untersagt.

Der Legaldefinition des § 47 Abs. 2 EStG 1988 sind zwei Kriterien zu entnehmen, die für das Vorliegen eines Dienstverhältnisses sprechen, nämlich die Weisungsgebundenheit gegenüber dem Arbeitgeber und die Eingliederung in den geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers. Die Beurteilung des Gesamtbildes der Tätigkeit der vier Handelsvertreter hatte daher insbesondere nach diesen Kriterien zu erfolgen.

Unter Weisungsgebundenheit ist zu verstehen, dass der Arbeitgeber durch individuell-konkrete Anordnungen das Tätigwerden des Dienstnehmers beeinflussen kann. Wobei sich derartige Anordnungen etwa auf die Arbeitszeit, den Arbeitsort oder auf den Einsatz von Arbeitsmitteln beziehen können. Es ist darunter eine persönliche Weisungsgebundenheit zu verstehen, die zur Folge hat, dass die Bestimmungsfreiheit des Dienstnehmers weitreichend eingeschränkt ist. Persönliche Weisungen sind auf den zweckmäßigen Einsatz der Arbeitskraft gerichtet, nicht jedoch auf den Arbeitserfolg. Das persönliche Weisungsrecht fordert einen Zustand wirtschaftlicher und persönlicher Abhängigkeit.
Abzugrenzen ist davon die sachliche Weisungsgebundenheit, die der Selbständigkeit nicht entgegensteht.

Aufgrund des Sachverhaltes stellte das BFG fest, dass persönliche Weisungen, die sich auf den zweckmäßigen Einsatz der Arbeitskraft, die ein Dienstnehmer schuldet, bezogen, die mit Kontrollen und Vorgaben hinsichtlich z.B. Arbeitszeit, Arbeitsumfang, Arbeitsinhalt und Anwesenheitspflichten verbunden waren, im Fall der vier Handelsvertreter nicht vorlagen. Diese waren in der Gestaltung ihrer Tätigkeit frei, unterlagen keiner Arbeitspflicht und waren von diesbezüglichen Vorgaben der Bf. unabhängig. Die Bf. übte gegenüber den vier Handelsvertreter keine dienstliche Kontrolle aus. Die Handelsvertreter konnten Aufträge selbst akquirieren. Sie konnten Aufträge annehmen oder ablehnen ohne dass dies Sanktionen der Bf. zur Folge hatte.
Wenn die durch die Vertreter vermittelten Angebote einer Kontrolle durch die Bf. unterzogen wurden, handelte es sich um eine fachliche Nachkontrolle, der keine persönlichen Weisungen an die Vertreter vorausgingen oder nach sich zogen.
Die Abgabenbehörde ging davon aus, dass die Vertreter infolge des vertraglichen Gebietsschutzes in ihrer Tätigkeit eingeschränkt gewesen seien. Dabei ließ sie jedoch außer Acht, dass eine solche vertragliche Gestaltung im Falle selbständiger Handelsvertreter eine im wirtschaftlichen Leben übliche Gestaltung darstellt und dies nicht ohne weiteres auf ein Dienstverhältnis schließen ließ. Der vertraglich zugesicherte Gebietsschutz bedeutete, dass der Vertreter über das alleinige Recht an Vermittlungen in diesem Gebiet verfügte und nur nach Absprache ein Geschäftsabschluss der Bf. selbst in diesem Gebiet möglich war. Die Zusammenarbeit bei der Planung der vermittelten Anlagen mit der Verkaufs- bzw. Technikabteilung der Bf. sprach ebenfalls nicht gegen eine selbständige Tätigkeit, da es im Geschäftsleben üblich und notwendig ist, dass sich Vertragspartner be- und absprechen. Auch daraus war keine persönliche Weisungsgebundenheit der Vertreter abzuleiten. Um ein Geschäft erfolgreich vermitteln zu können und in der Folge einen Abschluss zu erzielen, war es für das BFG als schlüssig anzusehen, dass sich der Vertreter in fachlicher Hinsicht an die Vorgaben der Bf., die Produkte bzw. Anlagen betreffend, zu halten hatte. Dies konnte sich auf technische Belange, Produktausführungen, aber auch auf die Preisgestaltung beziehen. Eine persönliche Weisungsbindung und Unterordnung unter den Willen der Bf. im Hinblick auf eine Arbeitnehmereigenschaft der Vertreter im Sinne der gesetzlichen Bestimmung stellte dieser fachliche und sachliche Rahmen nicht dar.

Die Abgabenbehörde vermeinte, dass für die Handelsvertreter nach der vertraglichen Formulierung kein Vertretungsrecht bestanden hätte und persönliche Arbeitspflicht vorgelegen wäre. Dabei wurde außer Acht gelassen, dass sich die Vertreter zwar aus objektiver Sicht, aufgrund der speziellen, technischen Anforderungen, nicht einfach durch irgendwelche fremde Dritte vertreten lassen konnten, dass jedoch das Vertretungsrecht bestand und, wenn nötig, auch gelebt (z.B. im Falle von Urlaub oder Krankheit) wurde. Wie den Angaben der Vertreter und den Stellungnahmen zu entnehmen war, lösten die selbständigen Handelsvertreter eine solche Frage insofern, als sie sich aufgrund ihrer gleichen qualifizierten Kenntnisse über die Produkte der Bf., gegenseitig vertraten. Solche Vertretungsregelungen fanden ohne Einbeziehung der Bf. oder Rückfrage bei dieser statt und unterlagen der Entscheidung und Organisation der Handelsvertreter.
Das BFG kam daher zum Schluss, dass die vier Handelsvertreter auch in diesem Punkt keiner persönlichen Arbeitspflicht iS eines Dienstverhältnisses unterlagen, sondern sich jedenfalls vertreten lassen konnten. Entgegen der Ansicht der Behörde lag kein Vertretungsfall unter Kollegen vor, wie es im betrieblichen Bereich unter Dienstnehmern möglich wäre. Es handelte sich um eine Vertretung durch einen Dritten. Die Tatsache, dass es sich aufgrund der speziellen technischen Anforderung bei diesem "Dritten" um einen Vertreter aus dem Kreis der anderen drei selbständigen Handelsvertreter handelte, konnte die Umqualifizierung der hier selbständigen Tätigkeit in ein Dienstverhältnis nicht begründen.

Das weitere Kriterium, die Einbindung in den geschäftlichen Organismus der Bf., lag für das BFG, nach Beurteilung des Sachverhalts, ebenfalls nicht vor.
Auch wenn bei einer Vertretertätigkeit diesem Kriterium keine so große Bedeutung zukommt, vermeinte die Behörde, dass dies im gegenständlichen Fall anders gelagert sei.
Die Tatsache, dass die vier Handelsvertreter schon vor dem Prüfungszeitraum (und auch danach) für die Bf. tätig waren, war für das BFG entgegen der Meinung der Abgabenbehörde nicht als Indiz dafür zu beurteilen, dass Dienstverhältnisse vorlagen. Vielmehr war es als wie im Wirtschaftsleben üblich anzusehen, dass selbständige Handelsvertreter eben auch jahrelang die gleiche Marke bzw. das gleiche Unternehmen vertreten.
Im Fall der Bf. verfügten die vier Vertreter zudem über keinen fixen Arbeitsplatz im Unternehmen. Es bestand keine Eingliederung in die täglichen Arbeitsabläufe der Bf., wie z.B. Anwesenheitspflicht zu bestimmten Arbeitszeiten oder Ausführung von durch die Bf. vorgegebenen Arbeiten.
Die Teilnahme der Vertreter an einer einmal im Monat abgehaltenen Besprechung im Büro der Bf. war für diese freiwillig und waren diese dadurch nicht unmittelbar in die betrieblichen Abläufe der Bf. eingegliedert. Vielmehr entsprach dies einer im wirtschaftlichen Leben üblichen Vorgangsweise, dass sich Vertragspartner, in diesem Fall die Bf. und die Handelsvertreter, zu fachlichen Besprechungen treffen.
Wie auch die Abgabenbehörde feststellte, erhielten die Handelsvertreter kein fixes Gehalt, keine Entgeltfortzahlung bei Krankheit oder Urlaub und keinen Spesenersatz. Sie waren zu keinen Umsatzzielen verpflichtet und konnten Aufträge nach eigener Entscheidung ablehnen oder annehmen. Dass es zu solchen Ablehnungen auch gekommen war, wurde von den Handelsvertretern niederschriftlich angegeben. Die Handelsvertreter arbeiteten mit eigenen Büromitteln, in ihren Büros am Wohnort und nach ihren eigenen Zeit- und Organisationsplänen. Die Vertreter waren an keine Vorgaben der Bf. hinsichtlich Durchführung der Kundenbetreuung und Terminwahrnehmung gebunden.
Dass die Vertreter im Zusammenhang mit dem Vertrieb der Wärmepumpen einer Konkurrenzklausel unterlagen, war aus Sicht des BFG keine für ihre Selbständigkeit schädliche Tatsache. Die Konkurrenzklausel bezog sich auf diesen speziellen Bereich; weitere Tätigkeiten waren den Handelsvertretern nicht verwehrt und wurden solche von diesen auch ausgeführt (z.B. im Bereich Elektrotechnik - ***3***, Unterhaltungselektronik - ***1*** oder als Installateurmeister - ***4***).
Die Tatsache, dass die Vertreter Werbematerial und Unterlagen der Bf. über die zu vermittelnden Produkte verwendeten, sprach weder für eine persönliche Weisungsgebundenheit noch für eine Eingliederung in den Betrieb der Bf.
Zum einen wurde es durch das BFG als eine Notwendigkeit angesehen, dass den Vertretern für eine Vermittlung eines bestimmten Produktes der Bf. Unterlagen und Prospekte des Vertragspartners, Herstellers, Markeninhabers, vorlagen und auch verwendet wurden. Zum anderen bestand für die Bf. eine Unterstützungspflicht der Handelsvertreter (s. § 6 HVertrG 1993) der u.a. so genüge getan wurde.
Die Verwendung von Visitenkarten mit dem Logo der Bf. bzw. des Produktes, wurde durch die Abgabenbehörde ebenfalls als für eine selbständige Tätigkeit schädlich beurteilt.
Nach Ansicht des BFG lag auch hier eine im wirtschaftlichen Leben alltägliche und übliche Vorgangsweise vor. Der Handelsvertreter der ein bestimmtes Produkt, hier das Produkt der Bf., vertrat, stand im Kontakt mit möglichen Kunden. Im Außenauftritt stand er daher für jene Marke, die er zu vertreten hatte und die die Grundlage für das Vermittlungsgeschäft bildete. Allein aus der Verwendung einer solchen Visitenkarte war nicht abzuleiten, dass der Handelsvertreter in einem Dienstverhältnis zur Bf. stand.

Das BFG kam aufgrund der Beurteilung des sich aus dem Sachverhalt ergebenden Gesamtbildes, unter Berücksichtigung der gesetzlichen Bestimmung des § 47 Abs. 2 EStG, zum Schluss, dass bei den in Rede stehenden Handelsvertretern keine Dienstverhältnisse zur Bf. gegeben waren, sondern Selbständigkeit vorlag.
Die vier Handelsvertreter unterlagen keinen persönlichen Weisungen der Bf., es war keine Weisungsbindung gegeben. Aufgrund der selbständig und unabhängig ausgeführten Vermittlungstätigkeit lag auch keine Eingliederung in den betrieblichen Organismus der Bf. vor. Es war daher der Beurteilung der Abgabenbehörde bzw. der Gebietskrankenkasse nicht zu folgen.

Obwohl sich für das BFG die Vermittlungstätigkeit der Handelsvertreter schon nach der Kriterienprüfung eindeutig als selbständige Tätigkeit darstellte, wurde diese Beurteilung zusätzlich durch das Vorliegen des Unternehmerrisikos untermauert.

Die vier Handelsvertreter hatten mit ihrer jeweils im Rahmen ihrer Einzelunternehmen ausgeführten Tätigkeit jedenfalls ein Unternehmerrisiko zu tragen.
Dieses war insofern gegeben, als der Erfolg der Tätigkeit sowohl einnahmen- als auch ausgabenseitig vom persönlichen Einsatz, der Arbeits- und Zeiteinteilung, der Organisation des Handelsvertreters abhing.
Wie sich aus dem Sachverhalt ergab, konnten die Handelsvertreter den Erfolg ihrer Tätigkeit maßgeblich beeinflussen. So war die Höhe der Einnahmen aus den Provisionen jeweils von der erfolgreichen Vermittlung der Produkte und Anlagen der Bf. abhängig. Die Vertreter konnten die Aufträge selbst akquirieren und selbst darüber entscheiden, ob sie einen Auftrag annahmen oder nicht und dadurch einen Erlös erzielten oder darauf verzichteten.
Die Vertreter erhielten weder eine regelmäßige, noch eine fixe monatliche Entlohnung, wie dies im Falle eines Dienstverhältnisses gegeben wäre. Es kam auch vor, dass in einem Monat kein Erlös erzielt wurde.
Die mit der Tätigkeit verbundenen Aufwendungen, Spesen und Kosten, wurden nicht von der Bf. ersetzt. Diese mussten von den Vertretern selbst getragen werden. Die Vertreter verfügten über ihre eigene betriebliche Organisation, wie Büro und Betriebsmittel und nutzten ein eigenes Kfz. Zum Teil setzten sie auch eigene Mitarbeiter oder Personen zu ihrer Unterstützung ein. Wenn die Vertreter Leistungen der Bf. in Anspruch nahmen, z.B. Technikerleistungen für Berechnungen oder Nutzung eines Kfz der Bf., so musste dafür Entgelt geleistet werden. Dies schmälerte die Erlöse aus dem Vermittlungsgeschäft.
Demzufolge lag es in der Entscheidung der Handelsvertreter im Rahmen ihrer selbständigen, unternehmerischen Tätigkeit, den wirtschaftlichen Erfolg ihrer Tätigkeit selbst zu gestalten und zu beeinflussen.

Da für die vier Handelsvertreter weder eine Weisungsbindung noch die Eingliederung in den wirtschaftlichen Organismus der Bf. gegeben war und diese auch das Unternehmerrisiko zu tragen hatten, kam das BFG zum Ergebnis, dass die Tätigkeit der vier Handelsvertreter nicht im Rahmen von Dienstverhältnissen iSd § 47 Abs. 2 EStG 1988 für die Bf. erbracht wurde. Nach dem Gesamtbild des vorliegenden Sachverhalts war deren Tätigkeit als selbständige Tätigkeit zu beurteilen.

Die durch die Abgabenbehörde im Zusammenhang mit der Tätigkeit der vier Handelsvertreter vorgenommene Festsetzung des Dienstgeberbeitrages und Zuschlags zum Dienstgeberbeitrag für die Jahre 2008 bis 2010 war daher zu Unrecht erfolgt.
Die Provisionszahlungen stellten keine Arbeitslöhne dar und waren daher nicht in die Bemessungsgrundlagen einzubeziehen.

Die mit der nicht angefochtenen Feststellung zu Punkt 1) "Privatnutzung eines Kfz der Bf. durch einen Arbeitnehmer" im Zusammenhang stehenden Hinzurechnungsbeträge laut Bericht der AP waren in den Bemessungsgrundlagen für die Festsetzung betreffend DB und DZ für die Jahre 2008 bis 2010 zu berücksichtigen.

Die Bemessungsgrundlagen für den DB und DZ waren daher für den Prüfungszeitraum neu zu berechnen.

Säumniszuschläge für den DB:
Säumniszuschläge, die den Betrag von 50 Euro nicht erreichen, sind gem. § 217 Abs. 5 BAO nicht festzusetzen.
Eine Festsetzung hatte daher zu unterbleiben. Es wird auf das beiliegende Berechnungsblatt verwiesen.

Über die Beschwerde war wie im Spruch angeführt zu entscheiden.

1.1. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die hier vorliegende Entscheidung hängt von keiner Rechtsfrage ab, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die Entscheidung wurde aufgrund des festgestellten Sachverhalts unter Beachtung der Judikatur des VwGH getroffen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
Verweise

ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.7101189.2014

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at