Falsche Bescheidadressierung von Umsatz- und Gewinnfeststellungsbescheiden
Revision (Amtsrevision) beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2021/13/0124. Zurückweisung mit Beschluss vom hinsichtlich Feststellung der Einkünfte für die Jahre 2005 bis 2009, hinsichtlich Umsatzsteuer 2005 mit Erk. v. wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufgehoben.
Entscheidungstext
BESCHLUSS
Das Bundesfinanzgericht hat durch den RichterRi in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, betreffend Beschwerde vom gegen die als Bescheide intendierten Erledigungen des FA Wien 12/13/14 Purkersdorf vom sowie vom betreffend Umsatzsteuer für das Jahr 2005 sowie Feststellung der Einkünfte gemäß § 188 BAO für die Jahre 2005 bis 2009 beschlossen:
Die Beschwerde wird gemäß § 260 Abs. 1 lit. a BAO als nicht zulässig zurückgewiesen.
Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Begründung
Bei der Bf. handelt es sich um eine aus den, zu je 50% beteiligten Herrn ***1*** und ***2*** bestehende, als Gesellschaft nach bürgerlichem Recht fungierende Hausgemeinschaft, welche an der Lageadresse in ***3*** im Anschluss an eine im Jahr 2005 begonnene Sanierung des Altgebäudes, respektive Ausbaus des Dachgeschosses Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt.
Im Zuge einer die Jahre 2005 bis 2009 umfassenden Außenprüfung wurden am für nämlichen Zeitraum im wiederaufgenommenen Verfahren ein neuer Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 2005 und Gewinnfeststellungsbescheide gemäß § 188 BAO für die Jahre 2005 bis 2008 bzw. ein mit datierter Gewinnfeststellungsbescheid 2009 erlassen, wobei die Prüferin einerseits bisher sofort als absetzbare Werbungskosten behandelte Aufwendungen als aktivierungspflichtig behandelte, andererseits in Rechnungen im Gesamtausmaß von 33.820,00 Euro ausgewiesene Umsatzsteuern, mangels erbrachter Leistungen der fakturierenden Unternehmen nicht als Vorsteuern anerkannte.
Vorangeführte, zu Handen Herrn ***1*** zugestellte Bescheide weisen samt und sonders Herrn ***4*** als Adressaten aus.
In der Folge wurde Schriftsatz vom28.6.2012 gegen den Umsatzsteuerbescheid 2005 sowie die Gewinnfeststellungsbescheide 2005 bis 2009 Berufung (Beschwerde) erhoben und im Wesentlichen die Unrichtigkeit der getroffenen abgabenbehördlichen Feststellungen moniert sowie ein Antrag auf mündliche Verhandlung vor dem unabhängigen Finanzsenat (UFS) gestellt.
Nach der Bestimmung des § 323 Abs. 38 BAO sind die am beim unabhängigen Finanzsenat als Abgabenbehörde zweiter Instanz anhängigen Berufungen und Devolutionsanträge vom Bundesfinanzgericht als Beschwerden im Sinne des Art. 130 Abs. 1 B-VG zu erledigen. Solche Verfahren betreffende Anbringen wirken mit auch gegenüber dem Bundesfinanzgericht.
Die in Beschwerde gezogenen Erledigungen des Finanzamtes vom sowie vom betreffend Umsatzsteuer 2005 sowie Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO für die Jahre 2005 bis 2009, weisen als Bescheidadressaten "***4***." aus.
Gemäß § 93 Abs. 2 BAO ist jeder Bescheid ausdrücklich als solcher zu bezeichnen, er hat den Spruch zu enthalten und in diesem die Person (Personenvereinigung, Personengemeinschaft) zu nennen, an die er ergeht.
Gemäß § 97 Abs. 1 BAO werden Erledigungen dadurch wirksam, dass sie demjenigen bekannt gegeben werden, für den sie ihrem Inhalt nach bestimmt sind.
Gemäß § 188 Abs. 1 lit. d BAO werden die Einkünfte (der Gewinn oder der Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten) aus Vermietung und Verpachtung unbeweglichen Vermögens festgestellt, wenn an den Einkünften derselben Einkunftsart mehrere Personen beteiligt sind.
Gemäß § 191 Abs. 1 lit. c BAO ergeht der Feststellungsbescheid in den Fällen des § 188 BAO an die Personenvereinigung(Personengemeinschaft) ohne eigene Rechtspersönlichkeit, deren Gesellschaftern (Mitgliedern)gemeinschaftliche Einkünfte zugeflossen sind.
Nach § 191 Abs. 3 zweiter Satz BAO wirken Feststellungsbescheide (§ 188) gegen alle, denen im Spruch des Bescheides Einkünfte zugerechnet bzw. nicht zugerechnet werden.
Die Wirkung eines Feststellungsbescheides nach § 188 BAO tritt nur beim kumulativen Vorliegen folgender Voraussetzungen ein (vgl. Zl. 2010/15/0029 mwN):
1. der Bescheid muss in seinem Spruch seinen Adressaten gesetzmäßig bezeichnen (§ 191 Abs. 1 lit. c bzw. § 191 Abs. 2 BAO iVm § 93 Abs. 2 BAO);
2. der Bescheid muss seinem Adressaten zugestellt sein oder kraft Zustellfiktion ihm gegenüber als zugestellt gelten (§ 97 Abs. 1 BAO iVm § 101 Abs. 3 und 4 BAO).
Das Fehlen auch nur einer dieser Voraussetzungen steht der Wirksamkeit einer behördlichen Erledigung als Bescheid entgegen (vgl. Zl. 2012/13/0027).
Der Bescheidadressat, also die Person, an die der Bescheid ergeht, ist im Spruch des Bescheides namentlich zu nennen, wobei eine Nennung im Adressfeld ebenfalls reicht (vgl. Ritz, BAO, § 93 Tz 6 unter Hinweis auf die Rspr. des VwGH).
Bei einer Hausgemeinschaft handelt es sich sowohl zivil- als auch abgabenrechtlich um eine nicht rechtsfähige Personengesellschaft. Die Gemeinschaft selbst ist materiell-rechtlich kein Träger von Rechten und Pflichten. Vielmehr sind dies die daran beteiligten Personen.
Aufgrund der Bestimmungen des § 191 BAO kommt einer solchen Gemeinschaft aber verfahrensrechtlich insofern Bedeutung zu, als Feststellungsbescheide - darunter auch jene nach § 188 BAO - kraft der ausdrücklichen, gesetzlichen Anordnung an die Gemeinschaft, mit Wirkung für alle Beteiligten zu ergehen haben.
Bei einer Miteigentümergemeinschaft kommen im Falle der Vermietung unbeweglichen Vermögens als Adressierung des Feststellungsbescheides in Betracht
•"An die Gemeinschaft der Miteigentümer der Liegenschaft ..." (wenn die Miteigentümerim Spruch namentlich genannt sind,
•"An A, B und C" (wenn die Liegenschaft im Bescheid bezeichnet ist),
•"An A und Mitbes. der Liegenschaft ...." (wenn die Mitbesitzer im Bescheidspruch namentlich genannt sind).
Die Adressierung in der Form "***4***" wird nur dann als ausreichend erachtet, wenn die Miteigentümer im Bescheidspruch namentlich genannt sind und wenn die betreffende Liegenschaft im Bescheid bezeichnet ist. Die Angabe der Steuernummer würde hierfür nicht ausreichen (s. sinngemäß Richtlinien zur Feststellung von Einkünften § 188 BAO, AÖF 2010/36).
Die mit der "Personenumschreibung" getroffene Wahl des Normadressaten ist wesentlicher Bestandteil jedes Bescheides. Die Benennung jener Person, der gegenüber die Behörde, die in Betracht kommende Angelegenheit des Verwaltungsrechtes in förmlicher Weise gestalten will, ist notwendiges, auch deutlich und klar zum Ausdruck zu bringendes Inhaltserfordernis des individuellen Verwaltungsaktes und damit konstituierendes Bescheidmerkmal. Die in § 191 Abs. 3 BAO normierte Wirkung eines einheitlichen Feststellungsbescheides setzt einen wirksam erlassenen Feststellungsbescheid voraus (vgl. beispielsweise ).
Die im vorliegenden Fall mit Beschwerde angefochtenen Erledigungen vom sowie vom weisen als Bescheidadressat jeweils "***4***" aus, wohingegen die Bezeichnung der betreffenden Liegenschaft, auf die sich die Feststellung bzw. Verteilung der Einkünfte bezieht, in den Erledigungen fehlt.
Die angefochtenen Erledigungen vom haben damit keine Rechtswirksamkeit erlangt (vgl. die Beschlüsse des ; , 96/13/0058).
Gemäß § 191 Abs. 3 BAO wirken Feststellungsbescheide iSd § 188 BAO gegen alle, denen gemeinschaftliche Einkünfte zufließen. Damit ein Feststellungsbescheid die ihm nach§ 191 Abs. 3 lit. b BAO zukommende Wirksamkeit äußern kann, muss er nach § 97 Abs.1 BAO auch seinem Adressaten zugestellt sein oder als zugestellt gelten. Das ergibt sich aus der Regelung des § 101 Abs. 3 BAO, die für bestimmte Feststellungsbescheide eine Zustellfiktion normiert (vgl. und die dort angeführte Literatur). Zu diesen Bescheiden zählen auch solche, mit denen ausgesprochen wird, dass die genannten Feststellungen zu unterbleiben haben.
Gleiches gilt im Grundsatz für die als Umsatzsteuer(festsetzungs)bescheide intendierten Erledigungen. Hierfür ist zunächst jedoch die Frage zu beantworten, inwieweit eine allenfalls vorliegende Unternehmereinheit iSd § 2 Abs. 1 2. Satz UStG 1994 die Konkretisierung des Bescheidadressaten obsolet macht.
Bei gleichteiligem Miteigentum an mehreren Sachen (z. B. ein Ehepaar besitzt mehrere Mietobjekte) ist nach Ruppe/Achatz regelmäßig davon auszugehen, dass die (nach außen auftretende) Miteigentümergemeinschaft Unternehmereigenschaft besitzt und sich ihr Unternehmen auf sämtliche im Miteigentum stehende Sachen erstreckt.
Vor diesem Hintergrund kommt das Bundesfinanzgericht zu dem Schluss, dass gerade in jenen Fällen, in denen schon aus umsatzsteuerlicher Sicht klar erkennbar sein muss, ob es sich um einen an eine Unternehmereinheit oder bloß an einen einzelnen Unternehmer gerichteten Bescheid handelt, den verfahrensrechtlichen Kriterien über die Eindeutigkeit des Bescheidadressaten entscheidende Bedeutung zukommt.
Da Umsätze aus Vermietung und Verpachtung iSd § 28 EStG nicht nur im Zusammenhang mit der Vermietung und Verpachtung von unbeweglichem Vermögen sondern beispielsweise auch bei der Überlassung oder Verwertung von Rechten (z.B. Lizenzgebühren) generiert werden können und diesbezüglich das Grundbuch keine Aufklärung bieten kann, erachtet das Bundesfinanzgericht eine Konkretisierung des Bescheidadressaten dahingehend, dass dieser als die konkreten Umsätze bewirkender Unternehmer eindeutig identifiziert werden kann, als bescheidbegründendes Merkmal.
Eine an, einen Umsätze aus der Vermietung und Verpachtung erzielenden Unternehmer gerichtete, als Umsatzsteuerbescheid intendierte Erledigung, die den Unternehmer nicht in einer Weise konkretisiert, dass dieser unzweifelhaft als Normadressat dieses individualisierten Hoheitsaktes erkennbar ist, ist nicht geeignet, Bescheidqualität zu entfalten.
Gemäß § 260 Abs. 1 lit. a BAO ist die Bescheidbeschwerde mit Beschwerdevorentscheidung (§ 262 BAO) oder mit Beschluss (§ 278 BAO) zurückzuweisen, wenn sie nicht zulässig ist.
Mit Beschwerde anfechtbar sind nur Bescheide. Daher sind Bescheidbeschwerden gegen Schriftstücke ohne Bescheidcharakter als unzulässig zurückzuweisen (z.B. ; , 2006/13/0001; , 2004/15/0131, 0132; , 2010/17/0066).
Da - wie oben dargestellt - den als Bescheiden intendierten Erledigungen keine Rechtswirkung zukommt, war die Beschwerde als unzulässig zurückzuweisen.
In Ansehung der zwingenden Zurückweisung des Rechtsmittels (§ 260) konnte nach § 274 Abs. 5 BAO darüber hinaus - ungeachtet der Ordnungsmäßigkeit des diesbezüglichen Antrages - von der Durchführung der mündlichen Verhandlung Abstand genommen werden.
Zusammenfassend war wie im Spruch zu befinden.
Zulässigkeit einer Revision
Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Eine derartige Rechtsfrage liegt nicht vor da das Verwaltungsgericht der dargestellten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes folgt.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 93 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 97 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 188 Abs. 1 lit. d BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 191 Abs. 1 lit. c BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 191 Abs. 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 260 Abs. 1 lit. a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 274 Abs. 5 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2021:RV.7102223.2013 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at