Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 28.05.2021, RV/3100317/2018

Haftung gemäß § 11 BAO

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch ***V***, ***V-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Landeck Reutte (nunmehr Finanzamt Österreich) vom betreffend Haftung gemäß § 11 BAO, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am , zu Recht erkannt:

  • Der Beschwerde wird dahingehend abgeändert, dass die Haftung auf folgende Abgabenschuldigkeiten eingeschränkt wird:


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Abgabenart
Zeitraum
Betrag
Umsatzsteuer
12/2012
€ 21.758,98
Umsatzsteuer
01/2013
€ 9.512,33
Dienstgeberbeitrag
2011
€ 8.514,53
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag
2011
€ 813,66
Dienstgeberbeitrag
2012
€ 20.074,45
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag
2012
€ 1.918,19
Summe:
€ 62.592,14

Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Mit Bescheid vom wurde der Beschwerdeführer gemäß § 11 BAO für folgende Abgabenschuldigkeiten der ***F-GmbH*** als Haftender in Anspruch genommen:


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Abgabenart
Zeitraum
Betrag
Umsatzsteuer
12/2012
€ 21.758,98
Umsatzsteuer
01/2013
€ 9.512,33
Lohnsteuer
2011
€ 9.233,51
Dienstgeberbeitrag
2011
€ 8.514,53
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag
2011
€ 813,66
Lohnsteuer
2012
€ 57.115,62
Dienstgeberbeitrag
2012
€ 20.074,45
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag
2012
€ 1.918,19
Summe:
€ 128.941,27

Begründend führte das Finanzamt aus, dass der Beschwerdeführer mit Erkenntnis vom , berichtigt mit Beschluss vom der Begehung einer Finanzordnungswidrigkeit nach § 49 Abs. 1 lit. a FinStrG schuldig gesprochen worden sei, nämlich Vorauszahlungen der Umsatzsteuer 12/2012 und 01/2013, sowie Lohnabgaben, Dienstgeberbeiträge zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfe sowie Zuschläge zu den Dienstgeberbeiträgen vorsätzlich weder spätestens am 5. Tag nach Fälligkeit entrichtet oder abgeführt noch die Höhe der geschuldeten Beträge bekannt gegeben zu haben.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer mit Eingabe vom das Rechtsmittel der Beschwerde.

Als Begründung wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass hinsichtlich des Ermessens außer der Anrechnung der Konkursquote keinerlei Feststellungen getroffen worden seien.

Das Finanzamt wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet ab.

Die Haftung nach § 11 BAO stelle eine uneingeschränkte Primärhaftung dar, die an die Bestrafung anknüpfe. Dem Ermessensspielraum sei insbesondere die Tatsache zugrunde gelegt worden, dass der Beschwerdeführer zum wiederholten Male wegen Verkürzung von Lohnsteuern in einem Strafverfahren als schuldig erkannt worden sei. In die Ermessensübung sei ebenfalls eingeflossen, dass der Beschwerdeführer nicht wie im Rahmen einer Liquiditätsprüfung angekündigt Grund und Boden in die Gesellschaft eingebracht habe, sondern eine neue Gesellschaft gegründet habe. Über die Primärschuldnerin sei am das Insolvenzverfahren eröffnet worden.

Dagegen brachte der Beschwerdeführer mit Eingabe vom den Vorlageantrag ein. Die Frage des Ermessens sei wie im urpsrünglichen Bescheid wieder nicht dargestellt worden. Lediglich das Gründen einer neuen Gesellschaft und das Nichteinbringen eines Grundstückes sei ergänzt worden.

Wäre das Ermessen richtig geübt worden, wäre aufgefallen, dass der Beschwerdeführer 2014 bis 2016 mehrere Immobilien, darunter auch jenes, welches in der Beschwerdevorentscheidung angeführt werde, im Zusammenhang mit dem Konkurs zur Abdeckung entsprechender Verbindlichkeiten verkauft worden sei. Eine Einbringung in den Betrieb wäre rechtlich nicht möglich gewesen. Weiters hätten grundbücherliche Lasten zugunsten der finanzierenden Bank bestanden.

Außerdem sei festzuhalten, dass bei einer korrekten Vorgangsweise bzw. EDV-technischen Überwachung durch das Finanzamt, diesem schon viel früher aufgefallen wäre, dass es zu Nichtmeldungen der Lohnabgaben gekommen ist. Der festgestellte Ausfall an Lohnabgaben für die Jahr 2011 bzw. 2012 wäre entsprechend niedriger ausgefallen.

Außerdem wurde vorgebracht, dass die ins Treffen geführten früheren Finanzstrafverfahren bereits getilgt seien und dem Beschwerdeführer somit nicht mehr vorgeworfen werden könnten und das Finanzamt schon sehr früh von den Zahlungsproblemen der Gesellschaft Kenntnis gehabt habe. In die Ermessensüberlegungen sei darüber hinaus der Grad des Verschuldens des Vertreters, das Mitverschulden der Abgabenbehörde, die Unbilligkeit angesichts der lange verstrichenen Zeit und der Grundsatz der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit der Vollziehung einzubeziehen. Zu berücksichtigen sei auch, dass die Lohnsteuer im Rahmen des Veranlagungsverfahrens bei den einzelnen Arbeitnehmern zu berücksichtigen gewesen sei und nicht direkt vom Geschäftsführer gefordert werden könne.

Der zunächst gestellte Antrag auf Entscheidung durch den Senat wurde mit Eingabe vom zurückgenommen. Die beantragte mündliche Verhandlung fand am statt.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Zu Spruchpunkt I.

Gemäß § 11 BAO haften bei vorsätzlichen Finanzvergehen rechtskräftig verurteilte Täter und andere an der Tat Beteiligte für den Betrag, um den die Abgaben verkürzt wurden.

Die Haftung nach § 11 BAO setzt als einzige Tatbestandsvoraussetzung die rechtskräftige Verurteilung wegen eines Vorsatzdeliktes im verwaltungsbehördlichen oder gerichtlichen Finanz-strafverfahren voraus (vgl. ). Die Haftung nach § 11 BAO trägt den Charakter einer Schadenersatzhaftung. Es handelt sich um eine unbeschränkte Primärhaftung (vgl. , mwH). Die Inanspruchnahme als Haftender nach § 11 BAO liegt im Ermessen der Abgabenbehörde (vgl. ).

Entscheidungen, die die Abgabenbehörden nach ihrem Ermessen zu treffen haben, müssen sich in den Grenzen halten, die das Gesetz dem Ermessen zieht. Innerhalb diese Grenzen sind Ermessensentscheidung nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Be-tracht kommender Umstände zu treffen (vgl. ).

Im Beschwerdefall wurde der Beschwerdeführer mit Erkenntnis des Spruchsenates III beim Finanzamt Innsbruck als Organ des Finanzamtes Landeck Reute als Finanzstrafberhörde erster Instanz vom , berichtigt mit Beschluss vom , wegen weder spätestens am 5. Tag nach Fälligkeit entrichteter oder abgeführter, noch die Höhe des geschuldeten Betrages bekannt gegebener Abgabenschuldigkeiten nach § 49 Abs. 1 lit. a FinStrG schuldig gesprochen.

Die Abgaben sind bei der Primärschuldnerin, der ***F-GmbH***, nicht mehr einbringlich. Die Gesellschaft wurde nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens aus dem Firmenbuch gelöscht.

Die Tatbestandsvoraussetzungen für die Haftungsinanspruchnahme nach § 11 BAO sind daher unstrittig erfüllt.

Aus dem auf die Hereinbringung der Abgabenschuld beim Haftenden gerichteten Zweck der Haftungsnorm folgt, dass die Geltendmachung der Haftung in der Regel ermessenskonform ist, wenn die betreffenden Abgaben beim Primärschuldner uneinbringlich sind. Der Haftungsausspruch ist insbesondere dann zweckmäßig, wenn eine (gänzliche oder teilweise) Abgabenein-hebung beim Haftenden entweder sofort möglich oder zu einem späteren Zeitpunkt nicht völlig ausgeschlossen Ist.

Vor diesem rechtlichen Hintergrund war es jedenfalls zweckmäßig, den Beschwerdeführer zur Haftung heranzuziehen.

Ob nun wie angekündigt ein Grundstück in die Gesellschaft eingebracht worden ist oder nicht, ist bei den gegebenen Umständen nicht relevant. Das gleiche gilt für allfällige frühere Finanzstrafen.

In der Literatur wird vertreten, dass im Rahmen der Ermessensübung der Grad des Verschul-dens bei Begehung des Finanzvergehens in der Relation zu jenem des Abgabenschuldners zu berücksichtigen sei, weiters darauf Bedacht zu nehmen sei, wer durch den Verkürzungserfolg bereichert wurde (siehe Ritz, BAO6, § 11 Tz 5 mwH).

Der Beschwerdeführer war als alleiniger Geschäftsführer das verantwortlich handelnde Organ der Gesellschaft. Andere verurteilte Tatbeteiligte bestehen nicht. Ein Abwägen des Grades des Verschuldens zwischen einzelnen Tatbeteiligten kommt daher nicht in Betracht. Inwieweit der Abgabenbehörde Zahlungsprobleme bekannt waren, spielt im gegenständlichen Fall keine Rolle. Es war Sache des Beschwerdeführers die entsprechenden Abgaben selbst zu berechnen, dem Finanzamt fristgerecht bekannt zu geben und bei Fälligkeit abzuführen. Soweit vom Beschwerdeführer die lange Zeit zwischen dem Straferkenntnis vom und der Erlassung des Haftungsbescheides nach § 11 BAO am in Treffen geführt wird, ist entgegen zu halten, dass der Gesetzgeber eine Einhebungsverjährung von 5 Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres vorgesehen hat, in welchem die Abgabe fällig geworden ist, vorsieht. Diese Frist wird durch jede zur Durchsetzung des Anspruches unternommene, nach außen erkennbare Amtshandlung unterbrochen (§ 238 BAO). Das Finanzamt hat nach Aufhebung des Konkurses am mit der Ankündigung vom der Haftungsinanspruchnahme nach § 9 BAO zeitnah Einhebungsschritte gesetzt. Der am ergangene verfahrensgegenständliche Haftungsbescheid nach § 11 BAO ist zeitlich noch nicht so spät erfolgt, dass man von einer "lange verstrichenen Zeit" sprechen könnte, welche eine Einschränkung der Haftung zu begründen vermag. Es liegen auch sonst keine Umstände vor, die im Hinblick auf den Zeitraum zwischen der Abgabenfestsetzung bzw. der Umsatzsteuervoranmeldung, Aufhebung des Konkurses nach Schlussverteilung und Haftungsinanspruchnahme eine Unbilligkeit erkennen lassen würden.

Hinsichtlich der ebenfalls in die Haftung einbezogenen Lohnsteuern 2011 und 2012 ist jedoch festzustellen, dass diesbezüglich bereits mit rechtskräftigen Bescheid vom eine Haftung nach § 9 BAO ausgesprochen worden ist. Einer neuerlichen Haftungsinanspruchnahme bedarf es hierfür auch aus Zweckmäßigkeitsgründen nicht (mehr).

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im Beschwerdefall war keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 B-VG zu lösen. Das Bundesfinanzgericht ist auch nicht von der Rechsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen. Die (ordentliche) Revision war daher als unzulässig zu erklären.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 11 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.3100317.2018

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at