Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 07.06.2021, RV/1100414/2020

behinderungsbedingte außergewöhnliche Belastungen

Beachte

Revision (Amtsrevision) beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2021/15/0069. Mit Erk. v. wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufgehoben. Fortgesetztes Verfahren mit Erkenntnis zur Zahl RV/1100069/2022 erledigt.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

I. Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Armin Treichl in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Bregenz vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2018 Steuernummer ***BF1StNr1*** beschlossen:

Der Vorlageantrag vom gegen die Beschwerdevorentscheidung vom betreffend Einkommensteuer 2018 wird als verspätet zurückgewiesen.

II. Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Armin Treichl in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr*** über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Bregenz vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2019 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird teilweise Folge gegeben.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem Ende der Entscheidungsgründezu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

III. Gegen diesen Beschluss und dieses Erkenntnis sind ordentliche Revisionen an den Verwaltungsgerichtshof nachArt. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

1. Einkommensteuer 2018:


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Erstbescheid
Beschwerde
Beschwerdevorentscheidung (Databox)
Vorlageantrag

2. Einkommensteuer 2019:

Die Beschwerdeführerin ist zu 100% behindert. Sie hat das ganze Jahr Pflegegeld bezogen. Sie beantrage den pauschalen Freibetrag für das auf sie zugelassene Kraftfahrzeug.

In der Einkommensteuererklärung für das Jahr 2019 machte die Beschwerdeführerin Werbungskosten, Sonderausgaben und außergewöhnliche Belastungen geltend.

Die Beschwerdeführerin machte den Freibetrag gemäß § 3 der Verordnung des BMG BGBl II 430/2010 geltend. Dieser wurde der Beschwerdeführerin vom Finanzamt gewährt. Zusätzlich macht die Beschwerdeführerin folgende Aufwendungen auf Grund eigener Behinderung als außergewöhnliche Belastungen geltend:


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Kaskoprämie Rollstuhlverladevorrichtung des eigenen PKW
866,80
Rollstuhlkissenbezug
95,00
Reparatur Schiebetüren
100,20
Fernbedienung für elektrische Plissees
1.036,97
Reparaturen Rollstuhl
67,20
Kostenbeträge für Hilfsmittel
61,71
Fahrtkosten zum Vertrauensarzt
20,16
Watte (Dekubitus)
11,85
Apothekenrechnungen
122,27
Venen Kniestrümpfe
44,79
Fahrtkilometer Therapieschwimmen
184,80
Fahrtkilometer Therapie
120,96
Summe
2.732,71

Diese Aufwendungen wurden vom Finanzamt im Einkommensteuerbescheid vom mit folgender Begründung nicht anerkannt:

"Wie bereits in der Beschwerdevorentscheidung 2017 ausgeführt, können die Kosten für die Kaskoversicherung nicht berücksichtigt werden. Dasselbe gilt für die Anschaffung einer Fensterverdunkelung und allgemeine Reparaturkosten. Sämtliche dieser Kosten zählen gemäß § 20 EStG 1988 zu den Kosten der privaten Lebensführung. Da somit die tatsächlichen Kosten niedriger als der KFZ Freibetrag sind, wurde der KFZ Freibetrag anstatt der tatsächlichen Kosten anerkannt."

Bei den von der Beschwerdeführerin geltend gemachten eigenen Krankheitskosten und den Krankheitskosten ihrer Tochter wurde einem kleinen Teil vom Finanzamt im Einkommensteuerbescheid vom die Anerkennung mit folgender Begründung versagt:

"Behandlungskosten durch nicht ärztliches Personal - wie eine kinesiologische Behandlung - sind ausschließlich dann steuerlich abzugsfähig, wenn die Behandlung ärztlich verordnet wurde oder die Krankenkasse die Kosten (teilweise) ersetzt. Aufwendungen ohne Beleg und die nicht 2019 bezahlt wurden, können nicht berücksichtigt werden. Von den Apothekenrechnungen wurden die Kosten für nicht ärztlich verschriebene Vitamine und Nahrungsergänzungsmittel ausgeschieden. Auch Kosten für Bonbons und Lollies sowie Falvorkapseln sind nicht steuerlich absetzbar."

In der Beschwerde vom brachte die Beschwerdeführerin im Wesentlichen vor:

"Die Berufung richtet sich gegen die nicht erfolgte Berücksichtigung außergewöhnlicher Belastungen sowie Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung.

Bei den nachgewiesenen Kosten handelt es sich um den Mehrpreis für die behindertengerechten Umbauten im entsprechend adaptierten Kraftfahrzeug in der Kaskoversicherung. Gemäß EStR 2000, RZ 848 letzter Satz i.V.m. RZ 850 sind Vorrichtungen an einem Kraftfahrzeug, die nicht unmittelbar dem Betrieb des Kraftfahrzeugs dienen, Hilfsmittel im Sinne des § 4 der VO des BM für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen, BGBl. Nr. 303/1996 idgF. Aufwendungen für diese können zusätzlich zum Freibetrag i.H.v. EUR 190,00 pro Monat geltend gemacht werden. Dies gilt auch für die Reparatur solcher Umbauten und den Einschluss dieser Vorrichtungen in einer Kraftfahrzeugversicherung. Wenn Sie den Ansatz dieser Kosten nun abermals mit Verweis auf Ihre Beschwerdevorentscheidung 2017 verwehren, missbilligen Sie wieder offen die Einzelerkenntnis des betreffend den Einkommensteuerbescheid 2016 zum gegenständlichen Fahrzeug.

Weitere behindertengerechte Mehraufwendungen vs. Freibetrag für Gehbehinderte

Ihre Behörde berücksichtigt weitere beantragte außergewöhnliche Belastungen aus dem Titel der Behinderung nicht und führt dabei u.a. die "Anschaffung einer Fensterverdunkelung" (reine Mehrkosten der Fernbedienung für elektrische Plissees EUR 1.036,97) und "allgemeine Reparaturkosten" (gemeint sind vermutlich die Reparaturkosten der Badezimmer-Schiebetüren in Höhe von EUR 100,20) an.

Ich kann die Plissees in der Standardausführung schlicht nicht bedienen, weil sie für mich unerreichbar sind. Die Schiebetüren sind aufgrund der fehlenden Führungen anfällig gegen Stöße und werden durch das Drehen/Wenden mit dem Rollstuhl angeschlagen. Diese Probleme hat der Großteil der Steuerzahler wohl nicht.

Unverständlicherweise anerkennen Sie damit erneut viele behinderungsbedingte Mehrkosten gar nicht und berücksichtigen "stattdessen" (sic!) nur wieder den KFZ Freibetrag.

Bei genauerer Betrachtung muss hier der aktuellen Judikatur, die bei behindertengerechtem, infolge der Behinderung zwingend kausalem Aufwand eine prima facie großzügige, ja logische bzw. folgerichtige - auf dem Kausalitätsprinzip beruhende - Linie vertritt, gefolgt werden.

Das BFG hat erst am , RV/7100983/2013 wieder festgestellt, dass solche Kosten, auch wenn sie aus praktischen Gründen fallweise freiwillig - i.e. ohne Behinderung - auf sich genommen werden, die Betroffenen außergewöhnlich belasten, wenn die Behinderung kausal für die Ausgaben ist.

Es wurden ja wiederum nur die Mehraufwendungen angesetzt und nicht all jene Kosten, die entwedernicht durch die Behinderung bedingt waren oder jene, die einer Standardausführung entsprechen. DieBeschwerdeführerin kann sich dem Aufwand aufgrund der Körperbehinderung aus tatsächlichenGründen nicht entziehen, sodass diese in der gesetzlichen Diktion zwangsläufig erwachsen. Auch vonder Erlangung eines entsprechenden Gegenwertes braucht nicht ausgegangen werden, wennrealistischer Weise bei einer unterstellten Verwertung (der Wohnung) davon auszugehen ist, dass derMehraufwand nicht abgegolten wird.

Kinesiologischer Ausgleich

Die Behandlung unserer Tochter (EUR 95,00) erfolgte zwei Mal akut aufgrund von Angstzuständenwegen ihrer Legasthenie. Lt. Arbeiterkammer zählen zu den absetzbaren Kosten bei Medikamentenund Heilbehandlungen auch Alternativen zur Schulmedizin (wie homöopathische Präparate oder TCM)."

Die Beschwerde wurde vom Finanzamt Bregenz mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet abgewiesen. In der Begründung führte das Finanzamt im Wesentlichen aus:

"Die Rechtsansicht der Behörde bezüglich der Kosten für die Kasko-Versicherung wurde bereits in der Beschwerdevorentscheidung betreffend das Veranlagungsjahr 2017 sowie im Erstbescheid für das Jahr 2018 ausführlich dargelegt und bleibt auch hier aufrecht.

Werden anstatt der pauschalen Freibeträge wegen eigener Behinderung tatsächliche Kosten geltend gemacht, so können keine Pauschbeträge mehr geltend gemacht werden. Da die anzuerkennenden tatsächlichen Kosten in Ihrem Fall geringer als die Pauschbeträge wären, wurde - zu Ihrem Vorteil - amtswegig der KFZ Pauschbetrag anstelle der tatsächlichen Kosten berücksichtigt.

Alternativmedizinische Behandlungen sind ausschließlich dann steuerlich absetzbar, wenn die Behandlung ärztlich verordnet wurde.

Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen."

Im Vorlageantrag vom brachte die Beschwerdeführerin im Wesentlichen vor:

"Der nachgewiesene Mehrpreis in der Kaskoversicherung (Versicherungsprämie für die behindertengerechten Umbauten) wurde - die Einzelerkenntnis des - betreffend den Einkommensteuerbescheid 2016 zum gegenständlichen Fahrzeug missbilligend - erneut nicht anerkannt, weil es ihm an Außergewöhnlichkeit und Zwangsläufigkeit mangele. (Die Rechtsansicht der Behörde sei bereits in der Beschwerdevorentscheidung betreffend das Veranlagungsjahr 2017 sowie im Erstbescheid für das Jahr 2018 dargelegt und bleibt auch hier aufrecht.)

Wie bereits in meinen Anträgen zur Vorlage zur Entscheidung der jeweiligen Bescheidbeschwerden an das Bundesfinanzgericht vom (Bescheid 2017) und (Bescheid 2018) darf ich dazu wie folgt Stellung nehmen:

Nach Ansicht des erkennenden Richters stellen die Kosten für Vorrichtungen an einem Kfz, die nicht unmittelbar dem Betrieb des Kfz dienen, außergewöhnliche Belastungen dar, die zusätzlich zum Freibetrag nach § 3 Abs. 1 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen, BGBl Nr. 303/1996 idF BGBl II Nr. 430/2010 abgesetzt werden können. Nichts anderes könne in diesem Zusammenhang auch für die Reparaturkosten solcher Vorrichtungen sowie für den Mehrpreis einer diesbezüglichen Kaskoversicherung gelten.

Die Versicherung eines derart spezifisch umgebauten Fahrzeugs (mit z.T. groben Eingriffen in tragende Teile, Aufschweißen und Entnahme von Teilen des Fahrzeugbodens, Einbau individuell angepasster Vorrichtungen wie Rollstuhlverladelift, etc.) dürfte aus Gründen der Abhängigkeit von einem solchen Kfz (unmittelbare Gebrauchsnotwendigkeit) unter dem Gebot der sich aus der Situation ergebenden Zwangsläufigkeit zu betrachten sein und infolge der Verwendbarkeit für einen sehr kleinen, bestimmten Personenkreis (fehlende Marktgängigkeit) das Kriterium der Außergewöhnlichkeit jedenfalls erfüllen.

Bei genauerer Betrachtung muss hier der aktuellen Judikatur, die bei behindertengerechtem, infolge der Behinderung zwingend kausalem Aufwand eine prima facie großzügige, ja logische bzw. folgerichtige - auf dem Kausalitätsprinzip beruhende - Linie vertritt, gefolgt werden.

Nach den Erkenntnissen des Verwaltungsgerichtshofs vom , 2003/13/0074, , 2696, 2753, 2754/76, und , 93/15/0051 kann ein Steuerpflichtiger, der wegen seiner Körperbehinderung zur Fortbewegung auf einen PKW angewiesen ist, die anteiligen Kfz-Kosten, die ihm durch die Mehrbenützung seines Kfz gegenüber gesunden Abgabepflichtigen entstehen, als außergewöhnliche Belastung geltend machen. Als notwendiger und angemessener Mehraufwand sind jene Auslagen anzusehen, die nicht auf die typischen Kosten der allgemeinen Lebensführung entfallen (Hinweis Doralt, EStG, 4. Auflage § 35 Tz 14 mit Hinweisen auf die Rechtsprechung des VwGH); ihre Höhe kann beim Fehlen differenzierender Unterlagen nur geschätzt werden.

Lt. UFS Wien vom , RV/2835-W/12 sind sogar die Kosten für die Parkplatzerrichtung inklusive Schneeräumung als Mehraufwendungen eines Körperbehinderten im Zusammenhang mit der Benutzung eines eigenen Kfz neben den Aufwendungen für besondere Behindertenvorrichtungen als außergewöhnliche Belastungen gern. § 34 Abs. 6 anzuerkennen, weil dem Wortlaut des § 3 Abs. 1 zufolge der vorgesehene Freibetrag (lediglich) zur Abgeltung der Mehraufwendungen für besondere Behindertenvorrichtungen und für den Umstand, dass ein Massenbeförderungsmittel auf Grund der Behinderung nicht benützt werden kann, vorgesehen ist. Weder die in Rede stehenden Errichtungskosten noch die Schneeräumung stellten Aufwendungen für besondere Behindertenvorrichtungen bei einem Kfz dar, womit diese Kosten nicht durch den Freibetrag abgegolten seien.

Die weiteren behinderungsbedingten Kosten wurden von der Behörde leider als "statt" des Freibetrags und nicht "zusätzlich zum" Freibetrag iHv EUR 190,- pro Monat beantragt interpretiert und entsprechend zur Gänze nicht anerkannt. Dies ist umso unverständlicher als die Behörde in der Beschwerde vom sowohl wieder auf die Einzelerkenntnis des betreffend den Einkommensteuerbescheid 2016 zum gegenständlichen Fahrzeug als auch auf die Aberwitzigkeit des bloßen Ansatzes des KFZ-Freibetrags versus der aufgeführten Kosten unter diesen Umständen hingewiesen wurde und ihr auch die Ansätze der Vorjahre bekannt waren.

Meines Erachtens verstieß die Behörde hier erneut klar gegen ihre Aufklärungs- und Mitwirkungspflicht.

Durch die abermalige Involvierung bis hin zum BFG ist der Behörde eine gewisse Absicht, den Ansatz zu unterlassen insofern zu unterstellen.

Weiter verweise ich auf die Ausführungen zu den angeführten Punkten in meiner Beschwerde und beantrage, diese in den genannten Punkten dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorzulegen.

Ich beantrage die zusätzliche Anerkennung folgender Aufwendungen im gegenständlichen Bescheid:

weitere EUR 2.732,71 (Mehrpreis der Kasko-Versicherung und nicht anerkannter außergewöhnlicher Belastungen) als außergewöhnliche Belastungen aus eigener Behinderung ohne Berücksichtigung eines Selbstbehaltes."

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Das Bundesfinanzgericht hat folgenden Sachverhalt festgestellt:

1. Einkommensteuer 2018:


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Erstbescheid
Beschwerde
Beschwerdevorentscheidung (Databox)
Vorlageantrag

2. Einkommensteuer 2019:

Die Beschwerdeführerin ist zu 100% behindert. Sie hat das ganze Jahr Pflegegeld bezogen. Sie beantrage den pauschalen Freibetrag für das auf sie zugelassene Kraftfahrzeug.

In der Einkommensteuererklärung für das Jahr 2019 machte die Beschwerdeführerin Werbungskosten, Sonderausgaben und außergewöhnliche Belastungen geltend.

Die Beschwerdeführerin machte den Freibetrag gemäß § 3 der Verordnung des BMG BGBl II 430/2010 geltend. Dieser wurde der Beschwerdeführerin vom Finanzamt gewährt. Zusätzlich macht die Beschwerdeführerin folgende Aufwendungen auf Grund eigener Behinderung als außergewöhnliche Belastungen geltend:


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Kaskoprämie Rollstuhlverladevorrichtung des eigenen PKW
866,80
Rollstuhlkissenbezug
95,00
Reparatur Schiebetüren
100,20
Fernbedienung für elektrische Plissees
1.036,97
Reparaturen Rollstuhl
67,20
Kostenbeträge für Hilfsmittel
61,71
Fahrtkosten zum Vertrauensarzt
20,16
Watte (Dekubitus)
11,85
Apothekenrechnungen
122,27
Venen Kniestrümpfe
44,79
Fahrtkilometer Therapieschwimmen
184,80
Fahrtkilometer Therapie
120,96
Summe
2.732,71

Beweiswürdigung

1. Einkommensteuer 2018:

Die Tatsache dass die BVE am elektronisch zugestellt wurde, ergibt sich aus dem elektronischen Steuerakt.

Die Tatsache, dass der mit datierte Vorlageantrag wurde gemeinsam mit dem Vorlageantrag betreffend Einkommensteuer 2019 am durch Einwurf in dem Selbststempler eingebracht wurde, wird folgendermaßen begründet:

Die im Finanzamt einlangende Post wird ungeprüft für jeden Eingangstag getrennt zum Scanning nach Wien geschickt und dort mit dem vom entsprechenden Eingangsdatum angemerkt. Der Vorlageantrag 2018 wurde mit mit der Scanning Nr. #FZ# 2010197002083 versehen und der Eingang mit angemerkt.

2. Einkommensteuer 2019:

Der Sachverhalt hinsichtlich 2019 steht außer Streit. Insbesondere wurde alle von der Beschwerdeführerin geltend gemachten Aufwendungen belegt.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Beschluss)

Zu Spruchpunkt I. (Zurückweisung als verspätet)

§ 264 Abs 1, Abs 4 lit e und Abs 5 BAO lauten:

"(1) Gegen eine Beschwerdevorentscheidung kann innerhalb eines Monats ab Bekanntgabe (§ 97) der Antrag auf Entscheidung über die Bescheidbeschwerde durch das Verwaltungsgericht gestellt werden (Vorlageantrag). Der Vorlageantrag hat die Bezeichnung der Beschwerdevorentscheidung zu enthalten.

(4) Für Vorlageanträge sind sinngemäß anzuwenden:

e) § 260 Abs 1 (Unzulässigkeit, nicht fristgerechte Einbringung),

(5) Die Zurückweisung nicht zulässiger oder nicht fristgerecht eingebrachter Vorlageanträge obliegt dem Verwaltungsgericht."

§ 260 Abs 1 BAO lautet:

"Die Bescheidbeschwerde ist mit Beschwerdevorentscheidung (§ 262) oder mit Beschluss (§ 278) zurückzuweisen, wenn sie

a) nicht zulässig ist oder

b) nicht fristgerechte eingebracht wurde."

Im gegenständlichen Fall wurde die Beschwerdevorentscheidung betreffend Einkommensteuer 2018 der Beschwerdeführerin am zugestellt. Der mit datierte Vorlageantrag wurde gemeinsam mit dem Vorlageantrag betreffend Einkommensteuer 2019 am durch Einwurf in dem Selbststempler, sohin verspätet eingebracht. Der Vorlageantrag hinsichtlich Einkommensteuer 2018 war daher als verspätet zurückzuweisen.

Zu Spruchpunkt II. (Erkenntnis)

Gemäß § 34 Abs. 1 EStG 1988 sind bei der Ermittlung des Einkommens eines unbeschränkt Steuerpflichtigen nach Abzug der Sonderausgaben außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muss außergewöhnlich sein, sie muss zwangsläufig erwachsen und sie muss die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen.

Die Belastung ist nach § 34 Abs. 2 EStG 1988 außergewöhnlich, soweit sie höher ist als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse und gleicher Vermögensverhältnisse erwächst.

Nach § 34 Abs. 3 EStG 1988 erwächst die Belastung dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.

Die Belastung beeinträchtigt nach § 34 Abs. 4 EStG 1988 wesentlich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, soweit sie einen vom Steuerpflichtigen von seinem Einkommen vor Abzug der außergewöhnlichen Belastungen in der dort näher geregelten Weise zu berechnenden Selbstbehalt übersteigt.

Durch Krankheit verursachte Aufwendungen sind außergewöhnlich, sie erwachsen aus tatsächlichen bzw. bei Unterhaltsverpflichtung aus rechtlichen Gründen zwangsläufig (vgl. dazu zBJakom/Vock EStG, 2017, § 34 Rz 90 unter "Krankheitskosten", und die dort zit. VwGH-Judikatur; Fuchs/Unger in Hofstätter/Reichel, EStG Kommentar,§ 34 Anhang II-ABC Tz 35).

Gemäß § 34 Abs. 6 EStG 1988 können ua. Aufwendungen iSd § 35 EStG 1988, die anstelle der Pauschbeträge geltend gemacht werden (§ 35 Abs. 5 leg. cit.) sowie Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung, wenn die Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 EStG 1988 vorliegen, soweit sie die Summe pflegebedingter Geldleistungen (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindengeld oder Blindenzulage) übersteigen, ohne Berücksichtigung des Selbstbehaltes abgezogen werden.

Nach dem letzten Absatz dieser Bestimmung kann der Bundesminister für Finanzen mit Verordnung festlegen, in welchen Fällen und in welcher Höhe Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung ohne Anrechnung auf einen Freibetrag nach § 35 Abs. 3 EStG 1988 und ohne Anrechnung auf eine pflegebedingte Geldleistung zu berücksichtigen sind.

Für das Beschwerdejahr ist die Verordnung des Bundesministers für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen, BGBI Nr. 303/1996 idF BGBI II Nr. 430/2010 (in der Folge kurz: VO), maßgeblich. Mit dieser VO wurden weiterführende Regelungen hinsichtlich der Anerkennung von außergewöhnlichen Belastungen getroffen.

Für Körperbehinderte mit eigenem Fahrzeug ist zur Abgeltung von besonderen Behindertenvorrichtungen und dafür, dass ein Massenbeförderungsmittel nicht verwendet werden kann, ein Freibetrag von 190,00 € monatlich zu gewähren (§ 3 Abs. 1 der VO).

Nach § 4 der VO sind nicht regelmäßig anfallende Aufwendungen für Hilfsmittel [Hilfsmittel im Sinne der VO sind nicht regelmäßig anfallende Aufwendungen für Gegenstände oder Vorrichtungen (zB Rollstuhl, Hörgerät, Blindenhilfsmittel), die geeignet sind, die Funktion fehlender oder unzulänglicher Körperteile zu übernehmen oder die mit einer Behinderung verbundenen Beeinträchtigungen zu beseitigen; sie haben infolge Verwendbarkeit für nur bestimmte individuelle Personen oder wegen ihrer spezifisch nur für Behinderte geeigneten Beschaffenheit keinen oder nur einen sehr eingeschränkten allgemeinen Verkehrswert; normale Gebrauchsgegenstände, die für jedermann nutzbar sind, sind als solche idR keine "Hilfsmittel"] sowie Kosten der Heilbehandlung [als Kosten der Heilbehandlung gelten Arztkosten, Spitalskosten, Kurkosten für ärztlich verordnete Kuren, Therapiekosten, Kosten für Medikamente, sofern sie im Zusammenhang mit der Behinderung stehen; ebenso stellen die in diesem Zusammenhanganfallenden Fahrtkosten bzw. Kosten des Krankentransportes im Ausmaß der tatsächlichen Kosten oder des amtlichen Kilometergeldes bei Verwendung des (familien-)eigenen Kraftfahrzeuges Kosten der Heilbehandlung dar] im nachgewiesenen Ausmaß zu berücksichtigen. Im nachgewiesenen Ausmaß gesondert absetzbare Kosten sind jedoch nur dann unter § 4 der VO zu subsumieren, sofern diese Kosten mit der Behinderung in (unmittelbarem, ursächlichem) Zusammenhang stehen (vgl. Jakom/Vock EStG, 2017, § 35 Rz 25 und 27 mwN; Doralt, EStG15, § 35 Tz 17; Bernold/Mertens, Die Lohnsteuer in Frage und Antwort, Ausgabe 2015, Seiten 595 f).

Die Mehraufwendungen gemäß §§ 2 bis 4 der VO sind nach § 1 Abs. 3 der VO ohne Kürzung um pflegebedingte Geldleistungen oder den Freibetrag nach § 35 Abs. 3 EStG 1988 abzugsfähig.

Hinsichtlich der Kaskoprämie Rollstuhlverladevorrichtung des eigenen PKW in Höhe von 866,80 € wird der Beschwerde stattgegeben. Auf das Erkenntnis des , das den Fall der Beschwerdeführerin im Jahr 2016 betroffen hat, wird verwiesen.

Ein Rollstuhlkissen ist Teil des Rollstuhls und daher Hilfsmittel iSd § 4 VO.

Dasselbe gilt für die Reparaturen Rollstuhl und die Kostenbeiträge für Hilfsmittel.

Wie bereits oben ausgeführt stellen Fahrtkosten zu Ärzten bzw Therapeuten außergwöhnliche Belastungen ohne Selbstbehalt dar. Diese stehe auch in keinem Zusammenhang mit dem Freibetrag gemäß § 3 VO.

Dies gilt auch für die Watte um den Dekubitus zu reinigen, sowie die Apothekenrechnungen und die Venenkniestrümpfe.

Auf Grund der Behinderung ist die Beschwerdeführerin auf Schiebetüren angewiesen. Andere Türen kann sie nicht bedienen. Die Reparatur dieser Schiebetüren ist daher die Reparatur eines Hilfsmittels und daher als außergewöhnliche Belastung absetzbar.

Die Fernbedienung für die elektrischen Plissees ist für die Beschwerdeführerin notwendig, damit sie die Plissees bedienen kann. Die Fernbedienung stellt daher ein Hilfsmittel dar.

Ein Zusammenhang der oa Hilfsmittel mit dem PKW-Freibetrag besteht nicht.

Die mit "Zweck des Pflegegeldes" überschriebene Bestimmung des Art. II § 1 des Bundespflegegeldgesetzes BGBl. Nr. 110/1993 legt fest, dass das Pflegegeld den Zweck hat, in Form eines Beitrages pflegebedingte Mehraufwendungen pauschaliert abzugelten, um pflegebedürftigen Personen so weit wie möglich die notwendige Betreuung und Hilfe zu sichern sowie die Möglichkeit zu verbessern, ein selbstbestimmtes, bedürfnisorientiertes Leben zu führen.

Bei den von der Beschwerdeführerin geltend gemachten Kosten handelt es sich aber um nicht regelmäßig anfallende Aufwendungen für Hilfsmittel. Eine Gegenverrechnung mit dem Pflegegeld kommt daher nicht in Betracht (vgl ).

Die behinderungsbedingten außergewöhnlichen Belastungen errechnen sich folgendermaßen:


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Kaskoprämie Rollstuhlverladevorrichtung des eigenen PKW
866,80
Rollstuhlkissenbezug
95,00
Reparatur Schiebetüren
100,20
Fernbedienung für elektrische Plissees
1.036,97
Reparaturen Rollstuhl
67,20
Kostenbeträge für Hilfsmittel
61,71
Fahrtkosten zum Vertrauensarzt
20,16
Watte (Dekubitus)
11,85
Apothekenrechnungen
122,27
Venen Kniestrümpfe
44,79
Fahrtkilometer Therapieschwimmen
184,80
Fahrtkilometer Therapie
120,96
Summe
2.732,71

Hinsichtlich der in der Beschwerde noch geltend gemachten und vom Finanzamt nicht anerkannten und im Vorlageantrag aber nicht mehr geltend gemachten Punkte wird auf die Ausführungen in der Beschwerdevorentscheidung verwiesen.

Die Einkommensteuer für das Jahr 2019 errechnet sich daher folgendermaßen:


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Lohnzettel
31.479,92
Pendlerpauschale
-372,00
Werbungskostenpauschbetrag
-132,00
Gesamtbetrag der Einkünfte
30.975,92
Topfsonderausgaben
-730,00
Kirchenbeitrag
-43,28
Aufwendungen vor Abzug des Selbstbehaltes (§ 34 Abs 4 EStG)
-5.179,12
Selbstbehalt
2.942,05
Pauschbeträge nach der V über ag Belastungen
-2.280,00
Nachgewiesene Kosten aus der eigenen Behinderung
-2.732,71
Einkommen
22.952,86
Die Einkommensteuer gem § 33 EstG beträgt
0% für die ersten 11.000,00
0,00
25% für die weiteren 7.000,00
1.750,00
35% für die restlichen 4.952,86
1.733,50
Steuer vor Abzug der Absetzbeträge
3.483,50
Verkehrsabsetzbetrag
-400,00
Pendlereuro
-4,00
Steuer nach Abzug der Absetzbeträge
3.079,50
Die Steuer für die sonstigen Bezüge beträgt
0% für die ersten 620,00
0,00
6% für die restlichen 3.610,58
216,63
Einkommensteuer
3.296,14
Anrechenbare Lohnsteuer
-6.237,59
Festgesetzte Einkommensteuer
-2.941,45

Zu Spruchpunkt III. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Da alle im gegenständlichen Fall zu lösenden Rechtsfragen bereits vom Verwaltungsgerichtshof geklärt wurden, ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig.

Feldkirch, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.1100414.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at