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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 01.06.2021, RV/5100729/2020

Familienbeihilfe; voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit nicht bescheinigt

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf.***, vertreten durch ***EV***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes ***FA*** (nunmehr Finanzamt Österreich) vom zu VNR: ***000*** über die Abweisung eines Antrags auf Familienbeihilfe und erhöhte Familienbeihilfe für den Zeitraum ab Jänner 2019 zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Das Bezirksgericht ****** bestellte mit Beschluss vom , ***xxx***, den Verein ***EV***, zum gerichtlichen Erwachsenenvertreter für den Beschwerdeführer, Herrn ***Bf1*** (Bf.).

Mit dem angefochtenen Bescheid vom wies das Finanzamt den vom Verein in Vertretung des Bf. eingebrachten Antrag vom auf Gewährung der Familienbeihilfe und des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung für die Zeiträume "ab Jänner 2019" ab. Dies mit der Begründung, dass der Antragsteller seiner Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen sei.

Dagegen richtete sich die fristgerecht erhobene Beschwerde vom .
Zur Begründung wurde darin im Wesentlichen vorgebracht, dass beim Bf. im Zuge des Erwachsenenschutzverfahrens am ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten erstellt worden sei. Dabei seien eine psychische Erkrankung, im Sinne einer kombinierten Persönlichkeitsstörung und leicht- bis mittelgradige rezidivierende depressive Episoden diagnostiziert worden. Im Erwachsenenschutzverfahren habe der fachärztliche Gutachter dazu angeführt, dass vor allem die Persönlichkeitsstörung schon seit dem Schulalter und dem frühen Erwachsenenalter bestehe. Am sei dem Bf. im Auftrag des Finanzamtes vom Sozialministeriumservice - BASB Landesstelle ** eine Ladung zur ärztlichen Untersuchung zugestellt worden. Diese Ladung sei allerdings nicht der gerichtlichen Erwachsenenvertretung zugestellt worden, welche damit keine Kenntnis von dieser erlangt habe. Da der Bf. nicht zur ärztlichen Untersuchung erschienen sei, habe das Finanzamt den angefochtenen Abweisungsbescheid erstellt, mit der Begründung, dass der Bf. seiner Mitwirkungspflicht nach § 115 BAO nicht nachgekommen sei.
Wie im Erwachsenenschutzverfahren durch das Bezirksgericht mit Beschluss vom festgestellt worden sei, benötige der Bf. aufgrund seiner psychischen Erkrankung zur Beantragung und Wahrung von Ansprüchen nach dem Familienlastenausgleichsgesetz eine Vertretung gegenüber dem Finanzamt. Aus diesem Grund sei seitens des Erwachsenenvertreters am die Zuerkennung der erhöhten Familienbeihilfe beim Finanzamt beantragt worden. Aufgrund der schon angeführten psychischen Erkrankung des Bf. sei es ihm nicht möglich gewesen, den Antrag selbst zu stellen. Eine Verletzung der Mitwirkungspflicht sei ihm daher nicht zurechenbar.
Da die vom Sozialministeriumservice versendete Ladung zur ärztlichen Untersuchung der Erwachsenenvertretung nicht zugestellt worden sei, habe der Bf. seiner Mitwirkungspflicht nach § 115 BAO nicht nachkommen können. Die gerichtliche Erwachsenenvertretung habe auch die Vertretung vor dem Finanzamt umfasst, sodass eine Zustellung der Ladung an den gesetzlichen Vertreter erforderlich gewesen wäre.

Das Finanzamt veranlasste daraufhin eine Untersuchung des Bf. durch das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen - Sozialministeriumservice und wies in der Folge die Beschwerde vom mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet ab.
In der Begründung wurde unter Anführung der gesetzlichen Bestimmungen des § 8 Abs. 5 ff FLAG 1967 auf die Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen - Sozialministeriumservice (vom , VOB: ***0001***) verwiesen. Da das Sozialministeriumservice in dieser Bescheinigung einen Grad der Behinderung von 30 % festgestellt habe und eine dauernde Erwerbsunfähigkeit nicht vorliege, bestehe weder ein Anspruch auf Familienbeihilfe noch ein Anspruch auf den Erhöhungsbetrag zur Familienbeihilfe.

Mit der fristgerechten Einbringung des Vorlageantrages vom gilt die Bescheidbeschwerde wiederum als unerledigt (§ 264 Abs. 3 BAO).

Mit Vorlagebericht vom wurde die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Das Bundesfinanzgericht brachte dem Bf. mit Schreiben vom das Sachverständigengutachten des Sozialministeriumservice vom , VOB: ***0001***, zur Kenntnis und gab ihm Gelegenheit, sich dazu zu äußern.

In der am eingelangten Stellungnahme brachte der Erwachsenenvertreter des Bf. im Wesentlichen vor:
1. Im besagten SV-Gutachten werde der Grad der Behinderung (GdB) vom Gutachter vorliegend mit 30% und beginnend mit 10/2018 eingestuft.
Sowohl im Gutachten des Therapiezentrums ***TPZ*** vom , als auch im - vom Gutachter nicht erwähnten - ärztlichen Gutachten der Pensionsversicherungsanstalt (PVA) vom , werde auf einen mehrmonatigen Psychiatrieaufenthalt im vierten Lebensjahr des Bf. hingewiesen. Wie der Bf. in beiden Gutachten angegeben habe sei es schon in seiner Kindheit zur Ausprägung seiner psychischen Erkrankung gekommen, wohl aufgrund eines andauernden körperlichen und sexuellen Missbrauchs durch das nahe familiäre Umfeld. Die im Gutachten des Therapiezentrums ***TPZ*** diagnostizierte posttraumatische Belastungsstörung (ICD-10: F43.1), die sozialen Phobien (ICD-10: F40.1) und die depressive Störung (ICD-10: F33.4) dürften somit schon im frühen Kindesalter, ausgelöst durch den anhaltenden familiären Missbrauch, entstanden sein. Eine erhebliche Behinderung im Sinne einer nicht vorübergehenden Funktionsbeeinträchtigung im psychischen Bereich liege beim Bf. damit schon seit seiner frühen Kindheit vor und bei der Beurteilung der Schwere des Grades der Behinderung seien dieser Faktor und die vielfältigen Erkrankungsformen nicht ausreichend berücksichtigt worden.
2. Im SV-Gutachten werde die voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit verneint.
Dazu werde angemerkt, dass der Bf. seit dem Abschluss seiner Lehre im August 2014 bis zum heutigen Tage - somit in den letzten über 6 Jahren - insgesamt nur wenige Monate erwerbstätig gewesen sei und seit Ende 2017 aufgrund seiner psychischen Erkrankung keiner Erwerbstätigkeit mehr habe nachgehen können und seitdem auch nicht in der Lage gewesen sei, sich selbst seinen Unterhalt zu verschaffen. Die letzte arbeitsintegrative/ -rehabilitative Maßnahme (ATZ-Arbeitstrainingszentrum ******) habe der Bf. aus gesundheitlichen Gründen Ende September d. J. abbrechen müssen und aktuell werde er zur Erfassung der gesundheitlichen Situation durch arbeitsmedizinische und fachärztliche Begutachtung durch das BDZ-Berufsdiagnostische Zentrum ****** begutachtet und professionell betreut. Eine voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit sei beim Bf. durchaus gegeben.
Für die abschließende Klärung der Frage über die dauerhafte Erwerbsunfähigkeit des Bf. wäre aus Sicht des Erwachsenenvertreters eine neuerliche fachärztlich/psychiatrische Begutachtung erforderlich und um eine solche werde im Namen des Bf. auch ersucht.

Mit Eingabe vom legte der Erwachsenenvertreter des Bf. dem Bundesfinanzgericht ein arbeitsmedizinisches Gutachten vom sowie ein ärztliches Gutachten vom zu einem Antrag auf Gewährung einer Invaliditätspension vor.

Aufgrund der Vorlage dieser weiteren Beweismittel beauftragte das Bundesfinanzgericht das Finanzamt gemäß § 269 Abs. 2 BAO, ein das bisherige Gutachten ergänzendes ärztliches Sachverständigengutachten des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen - Sozialministeriumservice zur Frage einzuholen, ob beim Bf. als Folge einer körperlichen oder geistigen Behinderung eine voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, vor Vollendung des 21. Lebensjahres eingetreten ist.

In der Folge wurde ein weiteres ärztliches Sachverständigengutachten (nach der Einschätzungsverordnung, BGBl. II Nr. 261/2010) des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, BASB Landesstelle **, vom , VOB: ***0002***, erstellt.

Darin heißt es (auszugsweise):

"[…]

Anamnese:
FLAG Vorgutachten vom durch Dr. ***Dr.1*** AM mit 30% GdB wegen komb. Persönlichkeitsstörung 30% und depressive Verstimmung 10% rückwirkend ab 10/2018. Es wurde auch die Erwerbsfähigkeit bejaht, weil gute kognitive Fähigkeiten, Lehrabschluss, das Verhalten ist angepasst, die Depression weitgehend remittiert.
Nach Beschwerde gegen den Bescheid entschied das Bundesfinanzgericht am , dass in einem ergänzenden Gutachten beurteilt werden soll, ob eine voraussichtliche dauernde Unfähigkeit sich selbst den Unterhalt zu verschaffen vor Vollendung des 21. Lebensjahres eingetreten ist.
Herr
***Bf1*** fand mit 4 Jahren zusammen mit seiner Halbschwester die an einem epileptischen Anfall verstorbene Mutter. Der leibliche Vater konnte sich nicht um ihn kümmern. Der leibliche Vater der Halbschwester fühlte sich für beide Kinder verantwortlich und nahm sie in seine Obsorge. Dieser hatte damals eine Partnerschaft zu einer Lebensgefährtin mit zwei eigenen Söhnen. Innerhalb der neuen Familie kam es zu massiven psychosozialen Belastungen durch aggressives Verhalten von ***Bf1***. Es wurde laut Befunden Psychotherapie in Anspruch genommen und Hilfe beim Jugendamt gesucht, sogar an Fremdunterbringung gedacht. Anfang 2003 (Alter 7) erfolgte ein zweimonatiger stationärer Aufenthalt im Heilpädagogik Institut in ***A***. Diagnose: durchschnittlich begabtes Kind mit deutlichem ADHS Syndrom, auf den momentanen familiären Rahmen beschränkte Störung des Sozialverhaltens. Massive psychosoziale Belastungsfaktoren (Tod der Mutter). Eine Medikation mit Ritalin wurde begonnen. Durch die Gabe von Ritalin wurde er ruhiger, konzentrierter und vor allem selbstsicherer, die Weiterführung wurde empfohlen. Zusätzlich war eine Sozialarbeiterin vom Jugendamt. Zum weiteren Behandlungsverlauf wurden keine Befunde vorgelegt und ergeben sich auch nicht aus den vorhandenen Befunden. Herr ***Bf1*** bezeichnet diesen stationären Aufenthalt 2003 traumatisch. Deshalb möchte er keine Medikamente nehmen und auch keine stationäre psychiatrische Behandlung mehr.
Der zeitlich nächste vorgelegte Arztbefund datiert vom (Alter 21) von Psychiaterin Dr.
***Dr.2*** mit der Diagnose Anpassungsstörung (keine Depression, keine Medikation indiziert), Psychotherapie und berufliche Reintegration mit Rehamaßnahmen empfohlen.

Derzeitige Beschwerden:
Nach Pflichtschulabschluss Malerausbildung abgeschlossen, das längste Arbeitsverhältnis hielt drei Monate. Meist fühle er sich körperlich nicht zu den Tätigkeiten in der Lage. In depressiven Phasen, die zwischen Wochen bis Monate dauern gehe er zu Dr.
***Dr.2***. Große Frustration, niedergeschlagen, antriebslos, schotte sich ab. Die Wohnung sei dann weniger aufgeräumt. Albträume gelegentlich, keine Flashbacks oder Hyperarousals.
Erwachsenenvertretung zur Schuldenregulierung und wegen Vertretung vor Behörden seit , dadurch hat sich die Situation gebessert, lebt alleine in einer Gemeindewohnung, zuvor in der Notschlafstelle, er bekommt Reha-Geld, es wird eine psychische Rehabilitation angestrebt, jetzt hat er das Rehe-Geld für 1 Jahr, es kann verlängert werden, er hat 2 beste Freunde.
Die vorgelegten oder zitierten Befunde in chronologischer Auflistung:
. Erstvorstellung Heilpädagogik Institut
***A***. Terminvereinbarung zum stationären Aufenthalt vom 07.01.-: ADHS mit Störung des Sozialverhaltens, Beginn mit Ritalin. Sozialarbeiterin vom Jugendamt.
: FAB Dr.
***Dr.2***: Anpassungsstörung mit Beeinträchtigung anderer Gefühle, keine Med indiziert
: FAB Dr.
***Dr.3***: eine schwere Beeinträchtigung durch eine psychische Erkrankung ist nicht eruierbar
: Abbruchsbericht Arbeitstraining
******, auf eignen Wunsch
: rez. Depr. Episoden leicht-mittelgradig, Persönlichkeitsstörung
: V.a. rez. Depressive Störung ggw in Remission, V.a. komb. PST (emotional instabil vom impulsiv/ängstlich vermeidend), Vordiagnostiziert Anpassungsstörung, Adipositas. Nicht erwerbsfähig.
: rez. Depr. Störung, weitgehend remittiert, soziale Phobien, PTBS Arbeitstrainingszentrum bis 09/2020
: rez. Depr. Störung, Persönlichkeitsstörung kombiniert, der Kunde ist grundsätzlich am allgemeinen Arbeitsmarkt einsetzbar.

Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:
keine med. Behandlung, die Psychotherapie bei Dr.
***Dr.2*** bei Bedarf, lmbus: Berufsreha für 16 Wochen

Sozialanamnese:
gelernter Maler mit Abschluss der Berufsschule 2014, die Tätigkeit hat er beendet, weil ihm diese Tätigkeit nicht gefallen hat, dann verschiedene Arbeiten über Leasingfirmen. Eigene Wohnung, ledig, keine Kinder. Mutter starb als er vier Jahre alt war, er kam zum leiblichen Vater der Halbschwester. Zum leiblichen Vater kein Kontakt.

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
Dr.
***Dr.2*** FA Psychiatrie: Anamnese: viele psychosoziale Belastungen. Diagnose: Anpassungsstörung mit Beeinträchtigung anderer Gefühle. Die Diagnosekriterien für eine depressive Symptomatik werden nicht erfüllt. keine Med indiziert, Psychotherapie, berufliche Reintegration mit Rehamaßnahmen empfohlen.

30.4. - ***TPZ***: rez. depr. Störung, gegenwärtig weitgehend remittiert, F33.4, soziale Phobien, V.a. posttraumatische Belastungsstörung; IQ-Werte bei den verschiedenen Testungen zwischen 99 und 114

DDR. ***Dr.4***: rez. depr. Episoden, gegenwärtig leicht- bis mittelgradig, komb. Persönlichkeitsstörung mit emotional-instabilen und selbstunsicheren Zügen, Computer-spielsucht

Stellungnahme zu Bescheidbeschwerde Mag. ***AB***
"...wird auf einen mehrmonatigen Psychiatrieaufenthalt im 4. Lebensjahr hingewiesen",
"…die erhebliche Behinderung liegt m.E. schon seit seiner frühen Kindheit vor und bei der Beurteilung der Schwere des Grades der Behinderung wird dieser Faktor nicht ausreichend berücksichtigt.", "…dass mein Klient seit dem Abschluss seiner Lehre im August 2014 bis zum heutigen Tage insgesamt nur wenige Monate erwerbstätig war und seit Ende 2017 aufgrund seiner psychischen Erkrankung keiner Erwerbstätigkeit mehr nachgehen konnte.

Dr. ***Dr.5*** FA Psychiatrie Gutachten zum Antrag auf Invaliditätspension
Er sei Opfer von körperlicher und sexueller Gewalt (unsittliche Berührungen) gewesen, von Seiten der Stiefmütter und vom Sohn der ersten Stiefmutter. Nach Pflichtschulabschluss Malerausbildung abgeschlossen, das längste Arbeitsverhältnis hielt drei Monate. Meist fühle er sich körperlich nicht zu den Tätigkeiten in der Lage. Nach dem Tod der Mutter mit 4 Jahren (Auffinden nach Schlaganfall) war er in der
***EE*** Klinik in ***A*** für 2 Monate, genaueres sei nicht bekannt. In depressiven Phasen, die zwischen Wochen bis Monate dauern gehe er zu Dr. ***Dr.2***. Große Frustration, niedergeschlagen, antriebslos, schotte sich ab. Die Wohnung sei dann weniger aufgeräumt. Albträume gelegentlich, keine Flashbacks oder Hyperarousals.
: Abbruchsbericht Arbeitstraining
******, auf eignen Wunsch
: FAB Dr.
***Dr.3***: eine schwere Beeinträchtigung durch eine psychische Erkrankung ist nicht eruierbar
Hauptdiagnose: V.a. rez. Depressive Störung ggw in Remission, V.a. komb. PST (emotional instabil vom impulsiv/ängstlich vermeidend), Vordiagnostiziert Anpassungsstörung, Adipositas. Das ist mit einer Einsetzbarkeit am allgemeinen Arbeitsmarkt nicht vereinbar.

BBRZ Arbeitsmed. Gutachten
GdB geschätzt 40%. Diagnosen: rez. Depr. Störung, Persönlichkeitsstörung kombiniert. Der Kunde ist grundsätzlich am allgemeinen Arbeitsmarkt einsetzbar. Psychiatrische Begutachtung durch Dr.
***Dr.6*** vom : Psychiatrische Behandlung dringend empfohlen.

Sozialversicherungsauszug
Arbeiterlehrling von -. Arbeitsverhältnisse: 22.08.-, 13.-, 30.06.-, 10.10.-, 14.09.-, 28.08.-.

Institut für Heilpädagogik ***A*** Dr. ***Dr.7*** FA Kinderheilkunde
: Erstvorstellung
Wegen Verhaltensauffälligkeiten von
***Bf1*** innerhalb der Familie. Sehr aggressiv gegenüber Schwester, an die Wand hauen, Angst sie ernsthaft zu verletzen. Hält sich an keine Regeln, hysterische Anfälle, kann sich nicht in Gesellschaft einfügen, scheint nicht zuzuhören. Die Familie befindet sich seit fast 2 Jahren in Therapie bei Frau Dr. ***Dr.8***, anfangs scheinbar besser im letzten Halbjahr schlechter. Es gab Gespräche mit den Jugendamt zum Thema Fremdunterbringung. Zwischenzeitlich Abklärung bei Dr. ***Dr.9***, dieser empfahl ein EEG, keine Therapieempfehlung.
07.01.- (Seite 2-3 fehlt)
Seite 1:
***Bf1*** wurde im September 2020 durch seinen Stiefvater hier ambulant vorgestellt. Es gab massive Verhaltensprobleme im familiären Bereich, massivst oppositionelles Trotzverhalten. In der Vorschule sehr unruhiges Verhalten, keine Übergriffe, sehr zappelig, ansonsten sehr lernfähig, gut intelligent. Familiensituation: leibliche Mutter starb 05/2000 an einem epileptischen Anfall in Gegenwart von ***Bf1***.
Der leibliche Vater der Halbschwester hat die Obsorge übernommen. Zum Stiefvater und dessen Mutter sehr gute emotionale Beziehung. Die größten Konflikte gab es immer mit der Lebensgefährtin des Stiefvaters und deren zwei Söhne.
Seite 4: Diagnose: durchschnittlich begabtes Kind mit deutlichem ADHS Syndrom, auf den momentanen Familiären Rahmen beschränkte Störung des Sozialverhaltens. Massive psychosoziale Belastungsfaktoren (Tod der Mutter). Weiterführung der Ritalinmedikation dringend empfohlen. Durch die Gabe von Ritalin wurde er ruhiger, konzentrierter und vor allem selbstsicherer.
: Anruf von Sozialarbeiterin
***S*** vom Jugendamt *****: die Großmutter hatte Besuchsverbot, jetzt geschützter Besuchskontakt arrangiert.
: Gespräch mit Stiefvater: Umzug in eigenes Haus geplatzt, Trennung von Ex-Lebensgefährtin und deren Kinder nur eine Frage der Zeit. Er möchte eine Wohnung mieten. In der Schule anscheinend keine großen Probleme, nichts gehört.
: Es könnte sein, dass neben den belastenden Kindheitserfahrungen, die wohl wesentlich dazu beitragen, auch weiter eine ADHS Symptomatik besteht und ihm vieles erschwert. Immerhin braucht er, damals laut unserer Testung normal begabt, eine Erwachsenenvertretung. Er könnte wahrscheinlich von einer Psychotherapie profitieren, daneben könnte es sinnvoll sein, mit seinem behandelnden Arzt zu besprechen, ob ein neuerlicher Versuch mit Stimulanzien angebracht ist.

Untersuchungsbefund:

Allgemeinzustand:
guter AZ

Ernährungszustand:
Adipositas

Größe: … cm Gewicht: … kg Blutdruck: …

Status (Kopf/ Fußschema) - Fachstatus:

Gesamtmobilität - Gangbild

Psycho(patho)logischer Status:
Bewusstsein klar, orientiert, Mnestik unauffällig, Konzentration nicht beeinträchtigt, Denken kohärent, keine inhaltlichen Denkstörungen, Auffassung nicht beeinträchtigt, Stimmung euthym, Affekt stabil, Antrieb unauffällig, Psychomotorik entsprechend,

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Lfd.Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
Begründung der Rahmensätze:
Pos.Nr.
GdB
1
kombinierte Persönlichkeitsstörung
Position mit 30% angenommen aufgrund der kombinierten Persönlichkeitsstörung, selbstunsicher, verminderte Frustrationstoleranz mit geringem Durchhaltevermögen, soziale Ängste.
30
2
wiederholt depressive Verstimmungen
Position mit 10% angenommen aufgrund der weitgehend remittierten depressiven Verstimmung, keine medikamentöse oder psychologische Behandlung
10

Gesamtgrad der Behinderung: 30 v. H.

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:
die führende Gesundheitsschädigung stellt die Persönlichkeitsstörung unter Punkt 1 dar mit selbstunsicheren Zügen und sozialen Phobien, eingestuft mit 30% weil die Selbständigkeit im Alltag abgesehen von der Verschuldungsproblematik vorhanden ist; Punkt 2 ist gegenwärtig weitgehend remittiert, keine Selbstbeschädigungen, keine weitere Steigerung

Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:
die leichten Sichelfüße bedingen keine Funktionsstörung

Stellungnahme zu Vorgutachten:
Aus den vorgelegten Befunden und der Anamnese geht hervor, dass gegenwärtig eine rezidivierende depressive Störung und eine Persönlichkeitsstörung vorliegt, die nie schwerer als leicht-mittelgradig diagnostiziert wurde, im 06/2019 sogar weitgehend zurückgegangen (remittiert) beschrieben wird. Im Arbeitsmedizinischen Gutachten von wird Herr ***Bf1*** als grundsätzlich einsetzbar bezeichnet. Gegensätzlich zu diesen Einschätzungen steht die Installierung einer Erwachsenenvertretung zur Schuldenregulierung und zur Vertretung vor Behörden seit und die Tatsache der nur wenige Monate langen Erwerbstätigkeit seit dem Lehrabschluss 2014, seit 10/2018 gänzlich ohne Beschäftigung. Somit liegen keine neuen Fakten vor, die einen höheren GdB als 30% zuließen und auch die Erwerbsfähigkeit muss weiterhin mit ja beantwortet werden.

Der festgestellte Grad der Behinderung wird voraussichtlich mehr als 3 Jahre andauern:
ja

GdB liegt vor seit: 10/2018

Begründung - GdB liegt rückwirkend vor:
Es wurden neue Befunde vorgelegt, die eine hyperkinetische Störung des Sozialverhaltens in deutlicher Ausprägung und psychosozialer Belastung Anfang 2003 mit 7 Jahren dokumentieren. Der weitere Verlauf bis 04/2017 bleibt unklar, sodass keine Einschätzung getroffen werden kann, ob die damalige Diagnose bis zum 21. Lebensjahr anhielt. Umgekehrt kann nicht verifiziert werden, dass die aktuellen Diagnosen bereits vor dem 21. Lebensjahr vorlagen. Somit liegen keine Hinweise vor, dass eine voraussichtliche Unfähigkeit sich selbst den Unterhalt zu verschaffen vor Vollendung des 21. Lebensjahres eingetreten ist. Eingestuft ab 10/2018 aufgrund des vorgelegten psychiatrischen Gutachtens

Herr ***Bf1*** ist voraussichtlich dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen: NEIN

Anmerkung bzw. Begründung betreffend die Fähigkeit bzw. voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen:
gute kognitive Fähigkeiten, Lehrabschluss, das Verhalten ist angepasst., die Depression weitgehend remittiert, am Arbeitsmarkt einsetzbar

Dauerzustand

Gutachten erstellt am von Dr. ***Dr.10***

Gutachten vidiert am von Dr. ***Dr.11***"

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Das Bundesfinanzgericht sieht es als erwiesen an, dass beim Beschwerdeführer (Bf.) bei einem festgestellten Grad der Behinderung von 30 v.H. eine voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit nicht vorliegt und eine solche vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer Berufsausbildung vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetretene voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich aufgrund einer körperlichen oder geistigen Behinderung selbst den Unterhalt zu verschaffen, nicht nachgewiesen werden konnte.

Beweiswürdigung und rechtliche Beurteilung

Der dargestellte Sachverhalt ergibt sich aus den vom Finanzamt vorgelegten Verwaltungsakten, aus den unter Punkt I.) angeführten - im Wege des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen(Sozialministeriumservice) erstellten - Sachverständigengutachten sowie aus den Angaben und Vorbringen der beschwerdeführenden Partei.

Im vorliegenden Beschwerdeverfahren geht es im Wesentlichen um die Frage, ob die Voraussetzung des § 6 Abs. 2 lit. d Familienlastenausgleichsgesetz 1967 - FLAG 1967, nämlich der Nachweis einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer Berufsausbildung vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetretenen voraussichtlich dauernden Unfähigkeit, sich aufgrund einer körperlichen oder geistigen Behinderung selbst den Unterhalt zu verschaffen, für einen Familienbeihilfenanspruch vorliegt.

Das Finanzamt sah es als erwiesen an, dass beim Bf. bei einem festgestellten Grad der Behinderung von 30 v.H. eine voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit nicht vorliegt (siehe Beschwerdevorentscheidung vom ).

Diese Annahme stützte die Behörde im Wesentlichen auf das im Wege des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen (Sozialministeriumservice) erstellte Sachverständigengutachten vom , VOB: ***0001***.
Der ärztliche Sachverständige konnte aus der durchgeführten Begutachtung und den vorgelegten Befunden nicht ableiten, dass der Bf. voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, bzw. eine Erwerbsunfähigkeit bereits vor dem 21. Lebensjahr eingetreten ist.

Gemäß § 6 Abs. 1 und 2 lit. d FLAG 1967, sowohl idF des BudBG 2011, BGBl I Nr. 111/2010, als auch in der mit in Kraft getretenen Fassung des BGBl. I Nr. 77/2018, haben volljährige Vollwaisen Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn auf sie - im Beschwerdefall nicht strittige - Voraussetzungen zutreffen und wenn sie wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.

Kinder, deren Eltern ihnen nicht überwiegend Unterhalt leisten und deren Unterhalt nicht zur Gänze aus Mitteln der Kinder- und Jugendhilfe oder nicht zur Gänze aus öffentlichen Mitteln zur Sicherung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfes getragen wird, haben unter denselben Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe, unter denen eine Vollwaise Anspruch auf Familienbeihilfe hat. Erheblich behinderte Kinder im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. c FLAG 1967, deren Eltern ihnen nicht überwiegend den Unterhalt leisten und die einen eigenständigen Haushalt führen, haben unter denselben Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe, unter denen eine Vollwaise Anspruch auf Familienbeihilfe hat (§ 6 Abs. 5 FLAG 1967 in der ab gültigen Fassung).

Die Familienbeihilfe und die erhöhte Familienbeihilfe kann nur für höchstens fünf Jahre rückwirkend vom Beginn des Monats der Antragstellung gewährt werden (§ 10 Abs. 3 FLAG 1967).

Gemäß § 8 Abs. 4 FLAG 1967 erhöht sich die Familienbeihilfe für jedes Kind, das erheblich behindert ist. Voraussetzung für den Erhöhungsbetrag ist, dass der Grundbetrag an Familienbeihilfe zusteht.

Als erheblich behindert gilt ein Kind, bei dem eine nicht nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als drei Jahren. Der Grad der Behinderung muss mindestens 50 vH betragen, soweit es sich nicht um ein Kind handelt, das voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Für die Einschätzung des Grades der Behinderung sind § 14 Abs. 3 des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, in der jeweils geltenden Fassung, und die Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung) vom , BGBl. II Nr. 261/2010, in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden. Die erhebliche Behinderung ist spätestens nach fünf Jahren neu festzustellen, soweit nicht Art und Umfang eine Änderung ausschließen (§ 8 Abs. 5 FLAG 1967).

Gemäß § 8 Abs. 6 FLAG 1967 ist der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, durch eine Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen.

Im Beschwerdefall ist entscheidend, ob der am ***tm***1996 geborene Beschwerdeführer bereits vor Vollendung des 21. Lebensjahres in einem Ausmaß behindert war, sodass er schon damals voraussichtlich dauernd außerstande gewesen ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.

Der Verfassungsgerichtshof hat im Erkenntnis , ausgeführt, dass sich aus Wortlaut und Entstehungsgeschichte des § 8 Abs. 6 FLAG 1967 ergebe, dass der Gesetzgeber nicht nur die Frage des Grades der Behinderung, sondern (bereits seit 1994) auch die (damit in der Regel unmittelbar zusammenhängende) Frage der voraussichtlich dauernden Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, der eigenständigen Beurteilung der Familienbeihilfenbehörden entzogen und dafür ein qualifiziertes Nachweisverfahren eingeführt habe, bei dem eine für diese Aufgabenstellung besonders geeignete Institution eingeschaltet werde und der ärztliche Sachverstand die ausschlaggebende Rolle spiele. Dem dürfte die Überlegung zugrunde liegen, dass die Frage, ob eine behinderte Person voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, nicht schematisch an Hand eines in einem bestimmten Zeitraum erzielten Einkommens, sondern nur unter Berücksichtigung von Art und Grad der Behinderung bzw. der medizinischen Gesamtsituation der betroffenen Person beurteilt werden könne. Damit könne auch berücksichtigt werden, dass gerade von behinderten Personen immer wieder - oft mehrmals - Versuche unternommen werden, sich in das Erwerbsleben einzugliedern, bei denen jedoch die hohe Wahrscheinlichkeit bestehe, dass sie ausmedizinischen Gründen auf längere Sicht zum Scheitern verurteilt sein würden. Der Gesetzgeber habe daher mit gutem Grund die Beurteilung der Selbsterhaltungsfähigkeit jener Institution übertragen, die auch zur Beurteilung des Behinderungsgrades berufen sei. Die Beihilfenbehörden hätten bei ihrer Entscheidung jedenfalls von dieser durch ärztliche Gutachten untermauerten Bescheinigung auszugehen und könnten von ihr nur nach entsprechend qualifizierter Auseinandersetzung abgehen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in seiner Rechtsprechung (siehe etwa , und ) der Rechtsansicht des Verfassungsgerichtshofes angeschlossen.

Bei der Antwort auf die Frage, ob eine solche Behinderung, die zur Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, führt, vor Vollendung des 21. Lebensjahres (oder während einer Berufsausbildung vor Vollendung des 25. Lebensjahres) eingetreten ist, sind daher die Abgabenbehörde und das Bundesfinanzgericht an die der Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen zugrunde liegenden Gutachten gebunden und dürfen diese nur insoweit prüfen, ob sie schlüssig und vollständig sind und im Falle mehrerer Gutachten nicht einander widersprechen (vgl. etwa ; und , mwN).

Auch das Bundesfinanzgericht hat somit für seine Entscheidung die ärztlichen Sachverständigengutachten heranzuziehen, sofern diese als schlüssig und vollständig anzusehen sind.

Hat das Gutachten des Sozialministeriumservice die Frage zu beantworten, ob eine Person wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, muss das Gutachten erstens feststellen, ob diese Person auf Grund einer körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, und zweitens, ob dafür der Grund darin liegt, dass diese körperliche oder geistige Behinderung bei ihr vor den im Gesetz genannten Zeitpunkten eingetreten ist.

Für die Beurteilung der Fähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, ist entscheidend, ob die Person trotz der festgestellten körperlichen oder geistigen Behinderung in der Lage ist, eine entsprechende Erwerbstätigkeit auszuüben, mit der sie sich den Unterhalt verschaffen kann. Es kommt dabei entscheidend darauf an, ob die festgestellte gesundheitliche Beeinträchtigung so gravierend ist, dass eine solche Erwerbstätigkeit nicht möglich ist. Die ärztlich festgestellte Erkrankung ist damit der zentrale Faktor, der eine voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, begründen muss (). Dazu kommt, dass psychische Krankheiten häufig einen schleichenden Verlauf nehmen. Auch der medizinisch Sachverständige kann aufgrund seines Fachwissens ohne Probleme nur den aktuellen Gesundheitszustand des Erkrankten beurteilen. Für die rückwirkende Beurteilung der Frage, wann eine psychische Erkrankung eingetreten ist und insbesondere wann diese Erkrankung ein Ausmaß erreicht hat, dass eine Erwerbstätigkeit, mit der sich der Patient selbst den Unterhalt verschaffen kann, nicht mehr möglich ist, ist auch der medizinisch Sachverständige auf Indizien, insbesondere in der Vergangenheit erstellte ärztliche Befunde angewiesen, die Rückschlüsse darauf ziehen lassen, zu welchem Zeitpunkt die Erkrankung eingetreten ist bzw. ab wann eine Erwerbstätigkeit im aufgezeigten Sinn nicht mehr möglich ist (vgl. etwa ).

Der Bf. vollendete das 21. Lebensjahr am ***tm***2017.
Die ärztlichen Gutachter des Sozialministeriumservice stellten im Beschwerdefall sowohl im Erstgutachten vom als auch im Zweitgutachten vom einen Gesamtgrad der Behinderung (GdB) von 30 v. H. fest. Dies rückwirkend seit "10/2018". In den Gutachten wurde eine voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit nicht bescheinigt und dies im Erstgutachten wie folgt begründet: "Gute kognitive Fähigkeiten, Lehrabschluss, das Verhalten ist angepasst, die Depression weitgehend remittiert." Im Zweitgutachten wurde zur Begründung zusätzlich die Einsetzbarkeit am Arbeitsmarkt angeführt.
Im Zweitgutachten wurde auch die Frage, ob der Bf. wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, verneint.
Dies mit der Begründung, es seien neue Befunde vorgelegt worden, die eine hyperkinetische Störung des Sozialverhaltens in deutlicher Ausprägung und psychosozialer Belastung Anfang 2003 mit sieben Jahren dokumentieren würden. Der weitere Verlauf bis 04/2017 bleibe unklar, sodass keine Einschätzung getroffen werden könne, ob die damalige Diagnose bis zum 21. Lebensjahr angehalten habe. Umgekehrt könne nicht verifiziert werden, dass die aktuellen Diagnosen bereits vor dem 21. Lebensjahr vorgelegen seien. Somit würden keine Hinweise vorliegen, dass eine voraussichtliche Unfähigkeit sich selbst den Unterhalt zu verschaffen vor Vollendung des 21. Lebensjahres eingetreten sei. Aufgrund des vorgelegten psychiatrischen Gutachtens sei der Grad der Behinderung rückwirkend seit 10/2018 eingestuft worden.

Es wurde in den Gutachten auf die Art des Leidens und das Ausmaß der hieraus resultierenden Behinderung eingegangen. Die medizinischen Sachverständigen im Sozialministeriumservice bezogen bei ihrer Diagnoseerstellung bzw. für die Feststellung, dass eine voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit nicht vorliegt, sämtliche vom Bf. vorgelegten Befunde ein. Die Gutachten erweisen sich daher als vollständig.

Im Zweitgutachten stellte der Sachverständige auf die ersten Befunde ab, die eine hyperkinetische Störung des Sozialverhaltens in deutlicher Ausprägung und psychosozialer Belastung Anfang 2003 mit sieben Jahren dokumentieren. Da der weitere Verlauf der Erkrankung bis April 2007 mangels entsprechender Befunde unklar blieb und der Sachverständige auch nicht einschätzen konnte, ob die aktuellen Diagnosen auch bereits für den vergangenen Zeitraum vor dem 21. Lebensjahr zutrafen, war ihm eine Feststellung, dass eine voraussichtliche Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, vor Vollendung des 21. Lebensjahres eingetreten ist, nicht möglich.

Liegen keine Befunde vor einem bestimmten Zeitraum vor, ist es einem Gutachter nicht möglich, bereits davor eine voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, festzustellen, sofern kein Leidenszustand vorliegt, der eindeutig eine Erwerbsfähigkeit bereits von vorneherein ausschließt (vgl. ).

Wenn daher der Sachverständige im Gutachten vom den Eintritt der Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschafften, nicht vor Vollendung des 21. Lebensjahres des Bf. (Februar 2017) annahm, ist dies daher mangels Vorliegens früherer Befunde als schlüssig und nachvollziehbar zu beurteilen.

Zum Vorbringen des Erwachsenenvertreters in der Stellungnahme vom (Punkt 1.), dass beim Bf. eine erhebliche Behinderung im Sinne einer nicht vorübergehenden Funktionsbeeinträchtigung im psychischen schon seit seiner frühen Kindheit vorliege, ist zu bemerken, dass es nicht entscheidend ist, dass die psychische Erkrankung der Bf. bereits vor Vollendung des 21. Lebensjahres vorlag. Es kommt bei der Beurteilung des Beihilfenanspruchs weder auf den Zeitpunkt an, an dem sich eine Krankheit als solche äußert, noch auf den Zeitpunkt, bei dem diese Krankheit zu irgendeiner Behinderung führt, sondern einzig auf den Zeitpunkt des Eintritts der dauernden Erwerbsunfähigkeit.

In diesem Zusammenhang wird auch auf das Erkenntnis , hingewiesen, in dem der Verwaltungsgerichtshof zur Frage der dauernden Erwerbsunfähigkeit Folgendes ausführt:
"§ 6 Abs. 2 lit. d FLAG 1967 stellt darauf ab, dass der Vollwaise auf Grund einer zu einem bestimmten Zeitpunkt eingetretenen Behinderung außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Eine derartige Behinderung kann durchaus die Folge einer Krankheit sein, die schon seit längerem vorliegt (bei angeborenen Krankheiten oder genetischen Anomalien etwa seit Geburt), sich jedoch erst zu einem späteren Zeitpunkt manifestiert. Erst wenn diese Krankheit zu einer derart erheblichen Behinderung führt, welche die Erwerbsunfähigkeit bewirkt, ist der Tatbestand des § 6 Abs. 2 lit. d FLAG1967 erfüllt. Mithin kommt es weder auf den Zeitpunkt an, zu dem sich eine Krankheit als solche äußert, noch auf den Zeitpunkt, zu welchem diese Krankheit zu (irgend)einer Behinderung führt. Maßgeblich ist der Zeitpunkt, zu dem diejenige Behinderung (als Folge der allenfalls schon länger bestehenden Krankheit) eintritt, welche die Erwerbsunfähigkeit bewirkt."

In der Stellungnahme vom (Punkt 2.) wird auch vorgebracht, dass der Bf. seit dem Abschluss seiner Lehre im August 2014 bis zum heutigen Tage - somit in den letzten über 6 Jahren - insgesamt nur wenige Monate erwerbstätig gewesen sei und seit Ende 2017, aufgrund seiner psychischen Erkrankung, keiner Erwerbstätigkeit mehr habe nachgehen können und seitdem auch nicht in der Lage gewesen sei, sich selbst seinen Unterhalt zu verschaffen.

Hinsichtlich der Frage, ob eine in einem Zeitraum von mehreren Jahren insgesamt nur wenige Monate dauernde Erwerbstätigkeit für die Annahme einer voraussichtlich dauernden Erwerbsunfähigkeit vor dem 21. Lebensjahr spricht, ist darauf hinzuweisen, dass - ebenso wie der Grad der Behinderung - auch die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, ausschließlich durch eine Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen (Sozialministeriumservice) auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen ist.
So hat auch die Judikatur, wonach eine (mehrjährige) berufliche Tätigkeit die für den Anspruch auf Familienbeihilfe notwendige Annahme, eine Person sei infolge einer Behinderung nicht in der Lage gewesen, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, widerlege, im Rahmen der durch das Bundesgesetz, BGBl. I Nr. 2002/105, geschaffenen Rechtslage (ab ) keinen Anwendungsbereich mehr (vgl. etwa ).

Aus den dargestellten Erwägungen liegen demnach im Beschwerdefall die Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 lit. d FLAG 1967, nämlich der Nachweis einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer Berufsausbildung vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetretenen voraussichtlich dauernden Unfähigkeit, sich aufgrund einer körperlichen oder geistigen Behinderung selbst den Unterhalt zu verschaffen, für einen zeitlich unbegrenzten Familienbeihilfenanspruch nicht vor.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Das vorliegende Erkenntnis beruht im Wesentlichen auf der Beweiswürdigung, ob beim Bf. eine voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, vor dem 21. Lebensjahr vorlag. Weder die im Rahmen der Beweiswürdigung getroffenen Feststellungen noch die einzelfallbezogene rechtliche Beurteilung weisen eine Bedeutung auf, die über den Beschwerdefall hinausgeht. Da sohin keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu beurteilen war, ist eine Revision nicht zulässig.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.5100729.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at