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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 14.05.2021, RV/7104527/2019

Nachsicht von Abgabenschuldigkeiten

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Vorsitzenden ***R1*** und die weiteren Senatsmitglieder ***R2***, ***R3*** und ***R4*** im Beisein der Schriftführerin ***Sf*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Woditschka & Picher Wirtschaftstreuhand Ges.m.b.H., Bahnstraße 26, 2130 Mistelbach, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Hollabrunn Korneuburg Tulln vom betreffend Nachsicht gemäß § 236 Bundesabgabenordnung (BAO) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Mit Bescheid vom hat das Finanzamt Hollabrunn Korneuburg Tulln ausgesprochen, dass eine Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO für ***Bf1***, ***1*** und ***2*** (ehemalige Hausgemeinschaft ***3*** und ***Bf1***, ***Adr***) für die Jahre 1999 bis 2006 unterbleibt und dies damit begründet, dass keine Einkunftsquelle vorliegt und von Liebhaberei auszugehen ist.

Gegen diesen Bescheid wurde mit Eingabe vom Berufung erhoben, welche vom Finanzamt Hollabrunn Korneuburg Tulln mit Bescheiden vom 9. und als zurückgenommen erklärt wurde. Dagegen wurde neuerlich Berufung erhoben welche mit Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , GZ. RV/7100735/2010, als unbegründet abgewiesen wurde.

Aufgrund dieser Entscheidung sind von den Erben des bereits am ***4*** 2006 verstorbenen ***5*** die Einkommensteuer 1999 bis 2006 und Anspruchszinsen 2000 bis 2006 in Höhe von insgesamt € 19.366,29 zu entrichten. Mit Bescheid des Finanzamtes Hollabrunn Korneuburg Tulln vom wurden zudem Aussetzungszinsen in der Höhe von € 3.414,36 festgesetzt.

Mit Eingabe vom ersuchten die eingeantworteten Erben ***Bf1***, ***1*** und ***2*** um Nachsicht der Einkommensteuer 1999 bis 2006, Anspruchszinsen 2000 bis 2006 und Aussetzungszinsen 2018 im Gesamtbetrag von € 22.780,65. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass im Rahmen eines Feststellungsverfahrens gemäß § 188 BAO, bei welchen es zwei Beteiligte, nämlich die Eheleute ***Bf1*** und ihr am ***4*** 2006 verstorbener Ehegatte ***5*** gab, Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung für vier Mietobjekte festgestellt worden seien. Eines dieser Objekte in ***Adr***, sei einer Liebhabereiprüfung unterzogen wurden und erfolgte für dieses Objekt die Feststellung nur vorläufig. Obwohl die Liegenschaftshälfte des Objektes ***Adr*** der Witwe bereits am ***6*** 2006 eingeantwortet wurde, seien am endgültige Feststellungsbescheide an die Erbengemeinschaft erlassen worden. Weder das zuständige Finanzamt, noch das Bundesfinanzgericht hätten sich mit der Liebhabereibetrachtung auseinandergesetzt. Die Antragsteller seien mit Abgabennachforderungen für Zeiträume konfrontiert, in denen sie keine Anteile an der beschwerdegegenständlichen Liegenschaft besessen hätten. Zudem sei für die verfahrensgegenständlichen Abgaben die Einhebungsverjährung eingetreten.

Mit dem an ***Bf1***, ***1*** und ***2*** ergangenen Bescheid des Finanzamtes Hollabrunn Korneuburg Tulln vom wurde der Antrag um Bewilligung einer Nachsicht gemäß § 236 BAO abgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, dass der Eintritt der Einhebungsverjährung keine Unbilligkeit zu begründen vermag. Aufgrund der erfolgten Aussetzung der Einhebung gemäß § 212a BAO könne aufgrund der Hemmungswirkung des § 238 Abs.3 lit.b BAO keine Einhebungsverjährung gemäß § 238 BAO erblickt werden. Im Übrigen sei in einem Nachsichtsverfahren die Rechtmäßigkeit der Abgabenfestsetzung nicht zu prüfen.

Gegen diesen Bescheid haben ***Bf1***, ***1*** und ***2*** mit Eingabe vom binnen offener Frist Beschwerde erhoben. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass trotz der umfangreichen Begründung des Nachsichtsansuchens keine Unbilligkeit erkannt worden sei. Die Bf. beantragten die Durchführung einer mündlichen Verhandlung und die Entscheidung über die Beschwerde durch den Senat.

Mit dem an ***Bf1*** als Erbin nach ***5*** gerichteten Bescheid des Finanzamtes Hollabrunn Korneuburg Tulln vom wurde der Antrag um Bewilligung einer Nachsicht gemäß § 236 BAO als unbegründet abgewiesen.

Mit der an ***Bf1*** als Erbin nach ***5*** adressierten Beschwerdevorentscheidung des Finanzamtes Hollabrunn Korneuburg Tulln vom wurde die Beschwerde vom als unbegründet abgewiesen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass sich die Beschwerde vom gegen einen "Nichtbescheid" richte und daher als Beschwerde gegen den Bescheid vom gewertet werde. Im Übrigen sei das Nachsichtsverfahren nicht das geeignete Mittel Versäumnisse im Verfahren gegen die Festsetzungsbescheide nachzuholen. Auch der Einwand der Einhebungsverjährung sei nicht Gegenstand eines Nachsichtsverfahrens.

Mit Eingabe vom stellte ***Bf1*** als Erbin nach ***5*** den Antrag auf Entscheidung über die Bescheidbeschwerde durch das Bundesfinanzgericht (Vorlageantrag).

In der mündlichen Verhandlung vom verwies der Vertreter der Bf. auf das bisherige Vorbringen und beantragte, der Beschwerde Folge zu geben.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Mit Einantwortungsbeschluss des Bezirksgerichtes Korneuburg vom ***6*** 2006, Zl. ***7***, wurde der Nachlass des am ***4*** 2006 verstorbenen ***5*** nach Abgabe von unbedingten Erbserklärungen an dessen Witwe ***Bf1*** und seine Töchter ***1*** und ***2*** zu je einem Drittel eingeantwortet.

Bereits mit Erbteilungsübereinkommen vom vereinbarten die Erben, dass der vom Erlasser hinterlassene Hälfteanteil der Liegenschaft ***8***, ***Adr***, ***Bf1*** einverleibt werden solle.

Nach seinem Tod wurden an die drei Erben des ***5*** rechtskräftig folgende Abgabenschuldigkeiten resultierend aus der nachträglichen Feststellung der Liebhaberei für ein Mietobjekt der Hausgemeinschaft ***3*** und ***Bf1*** in ***Adr***, vorgeschrieben:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Einkommensteuer 1999 bis 2006
€ 17.125,01
Anspruchszinsen 2000 bis 2006
€ 2.241,28
Aussetzungszinsen
€ 3.414,36

Die Feststellung der Einkünfte für dieses Mietobjekt erfolgte zwischen 1999 und 2008 nur vorläufig. Die Einhebung der Einkommensteuer und der Anspruchszinsen war zwischen dem und dem gemäß § 212a BAO ausgesetzt.

Mit Eingabe vom ersuchten ***Bf1***, ***1*** und ***2*** um Nachsicht der Einkommensteuer 1999 bis 2006, Anspruchszinsen 2000 bis 2006 und Aussetzungszinsen 2018 im Gesamtbetrag von € 22.780,65.

Mit dem an ***Bf1***, ***1*** und ***1*** gerichteten Bescheid des Finanzamtes Hollabrunn Korneuburg Tulln vom wurde der Antrag um Bewilligung einer Nachsicht gemäß § 236 BAO abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid haben ***Bf1***, ***1*** und ***2*** mit Eingabe vom binnen offener Frist Beschwerde erhoben.

Mit der an ***Bf1*** als Erbin nach ***5*** adressierten Beschwerdevorentscheidung des Finanzamtes Hollabrunn Korneuburg Tulln vom wurde die Beschwerde vom als unbegründet abgewiesen.

Mit Eingabe vom stellte ***Bf1*** als Erbin nach ***5*** den Antrag auf Entscheidung über die Bescheidbeschwerde durch das Bundesfinanzgericht (Vorlageantrag).

Beweiswürdigung

Das Bundesfinanzgericht gründet den festgestellten Sachverhalt auf den Inhalt des vom Finanzamt Hollabrunn Korneuburg Tulln vorgelegten Abgabenaktes und den Einantwortungsbeschluss des Bezirksgerichtes Korneuburg vom ***6*** 2006, Zl. ***7***, und den Beschluss des Bezirksgerichtes Korneuburg vom ***9*** 2006, Zl. ***10***. Der Sachverhalt ist unbestritten.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Gemäß § 19 Abs.1 BAO gehen bei Gesamtrechtsnachfolge die sich aus den Abgabenvorschriften ergebenden Rechte und Pflichten des Rechtsvorgängers auf den Rechtsnachfolger über. Für den Umfang der Inanspruchnahme des Rechtsnachfolgers gelten die Bestimmungen des bürgerlichen Rechtes.

Der unbedingt erbserklärte Erbe kann nach Einantwortung grundsätzlich unbeschränkt für Abgabenschulden des Erblassers in Anspruch genommen werden. (Ritz, Bundesabgabenordnung § 19 Rz. 10). Gemäß § 6 Abs.1 BAO sind die unbedingt erbserklärten Erben als Personen, die dieselbe abgabenrechtliche Leistung schulden, Gesamtschuldner. ***Bf1***, ***1*** und ***2*** wurden vom Finanzamt Hollabrunn Korneuburg Tulln als Gesamtschuldner zur Entrichtung von Abgabenschuldigkeiten des verstorbenen ***5*** rechtskräftig herangezogen.

Gemäß § 236 Abs.1 BAO können fällige Abgabenschuldigkeiten auf Antrag des Abgabepflichtigen ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre.

Gemäß § 77 Abs.1 ist Abgabepflichtiger im Sinne dieses Bundesgesetzes, wer nach den Abgabenvorschriften als Abgabenschuldner in Betracht kommt.

Abgabepflichtiger ist jeder, mit dem die Abgabenbehörde im Hinblick auf eine möglicherweise gegebene Abgabenschuld im Rahmen des Abgabenverfahrens in Verbindung tritt oder in Verbindung treten kann (zB ). Abgabepflichtiger ist auch jeder einzelne Gesamtschuldner, selbst wenn er noch nicht in Anspruch genommen wurde. Bei Gesamtschuldverhältnissen umfasst die Behauptungspflicht die Unbilligkeit der Abgabeneinhebung bei allen Gesamtschuldnern (). Die Nachsicht wirkt bei Gesamtschuldverhältnissen für alle Gesamtschuldner (zB ). Ist die Einhebung nur bei einem Gesamtschuldner unbillig, so kann der betreffende Gesamtschuldner nur einen Antrag auf Entlassung aus der Gesamtschuld gemäß § 237 BAO stellen.

Abgabepflichtiger im Sinne des § 236 BAO ist daher jeder einzelne Gesamtschuldner, sohin sind die drei Erben ***Bf1***, ***1*** und ***2*** unabhängig voneinander antragsberechtigt.

Der an die diese drei Personen ergangene Bescheid über die Abweisung einer Nachsicht von Abgabenschuldigkeiten vom erweist sich keinesfalls als "Nichtbescheid", da keine Zweifel an der Identität der Bescheidadressaten bestehen. Für den erkennenden Senat steht insbesondere aufgrund des Nachsichtsantrages vom fest, dass es sich bei den Bescheidadressaten - auch wenn die Vornamen zweier Bescheidadressaten nur verkürzt wiedergegeben sind - um die Antragsteller handelt und dem Antrag Abgabenschuldigkeiten des Erlassers zugrundeliegen. Überdies haben alle drei Antragsteller Beschwerde gegen diesen Bescheid eingelegt. Die Beschwerdevorentscheidung des Finanzamtes Hollabrunn Korneuburg Tulln vom wiederum erging nur an ***Bf1*** als Erbe nach ***5***. Dies bedeutet, dass die Beschwerden der ***1*** und ***2*** bisweilen unerledigt sind. Ein Vorlageantrag wurde nur von Frau ***Bf1*** gestellt.

Zum Nachsichtsantrag ist auszuführen:

Eine sachliche Unbilligkeit der Abgabeneinhebung liegt nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor, wenn im Einzelfall bei Anwendung des Gesetzes ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eintritt, sodass es zu einer anormalen Belastungswirkung und verglichen mit ähnlichen Fällen zu einem atypischen Vermögenseingriff kommt. Der in der anormalen Belastungswirkung und verglichen mit ähnlichen Fällen, im atypischen Vermögenseingriff gelegene offenbare Widerspruch der Rechtsanwendung zu den vom Gesetzgeber beabsichtigten Ergebnissen muss seine Wurzel in einem außergewöhnlichen Geschehensablauf haben, der eine vom Steuerpflichtigen nach dem gewöhnlichen Lauf nicht zu erwartende Abgabenschuld ausgelöst hat, die zudem auch ihrer Höhe nach unproportional zum auslösenden Sachverhalt ist ().

Die Nachsicht dient nicht dazu, im Feststellungsverfahren unterlassene Einwendungen nachzuholen (; , 97/14/0013; , 2004/16/0151; , 20002/14/0138). Die Nachsicht dient auch nicht dazu, die Rechtmäßigkeit einer Abgabenvorschreibung nachträglich zu klären ().

Die Behauptungen der Beschwerdeführerin, wonach das bisherige Verfahren mit unzähligen Verfahrensfehlern behaftet sei und sich weder das Finanzamt noch das Bundesfinanzgericht objektiv und in keiner Weise mit der Liebhabereibetrachtung auseinandergesetzt haben, sind daher grundsätzlich nicht zu prüfen, insbesondere ergibt sich selbst aus der materiellen Rechtswidrigkeit eines rechtskräftigen Bescheides noch keine Unbilligkeit der Einhebung ().

Eine Unbilligkeit könnte allenfalls vorliegen, wenn eine Rechtsverfolgung im Festsetzungsverfahren insbesondere wegen unrichtiger Rechtsauskünfte () aussichtslos erschienen ist, wegen entschuldbaren Rechtsirrtums unterblieben ist () oder nicht zumutbar war (). Diese besonderen Umstände liegen gegenständlich aber nicht vor.

Dass die Antragsteller mit Abgabennachforderungen für Zeiträume konfrontiert sind, in denen sie keine Anteile an der beschwerdegegenständlichen Liegenschaft besessen haben, stellt keine sachliche Unbilligkeit dar, weil dies ganz allgemein die Auswirkung genereller Normen, dass die unbedingt erbserklärten Erben für die Schulden des Erblassers aufkommen müssen, ist. Zudem war zumindest ***Bf1*** die vorläufige Feststellung der Einkünfte für dieses Mietobjekt als Miteigentümerin der ehemaligen Hausgemeinschaft ***3*** und ***Bf1*** bekannt. Wären die Abgabenschuldigkeiten von ***5*** noch zu Lebzeiten entrichtet worden, wäre die Erbmasse um den entrichteten Betrag geringer ausgefallen. Eine Unbilligkeit bei den Erben ist auch aus diesen Grund nicht erkennbar.

Zum behaupteten Eintritt der Einhebungsverjährung ist zu bemerken, dass auch dies keine Frage der Unbilligkeit darstellt. Es ist jedoch auf § 238 Abs.3 lit.b BAO zu verwiesen, wonach der Verjährung, solange die Einhebung einer Abgabe ausgesetzt ist, gehemmt ist und daher keine Einhebungsverjährung erblickt werden kann.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da im gegenständlichen Beschwerdeverfahren keine Rechtsfragen aufgeworfen worden sind, denen im Sinne des Art. 133 Abs.4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt und sich die Entscheidung auf die angeführte Rechtsprechung des VwGH stützt, ist eine Revision unzulässig.

Klagenfurt am Wörthersee, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 236 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 19 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.7104527.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at