Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 17.05.2021, RV/7104530/2019

Nachsicht von Abgabenschuldigkeiten

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Vorsitzenden ***R1*** und die weiteren Senatsmitglieder ***R2***, ***R3*** und ***R4*** im Beisein der Schriftführerin ***Sf*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Woditschka & Picher Wirtschaftstreuhand Ges.m.b.H., Bahnstraße 26, 2130 Mistelbach, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Hollabrunn Korneuburg Tulln vom betreffend Nachsicht gemäß § 236 Bundesabgabenordnung (BAO) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am zu Recht erkannt:

Der angefochtene Bescheid wird ersatzlos aufgehoben.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Mit Bescheid vom hat das Finanzamt Hollabrunn Korneuburg Tulln ausgesprochen, dass eine Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO für ***Bf1***, ***1*** und ***2*** (ehemalige Hausgemeinschaft ***3*** und ***Bf***, ***Adr***) für die Jahre 1999 bis 2006 unterbleibt und dies damit begründet, dass keine Einkunftsquelle vorliegt und von Liebhaberei auszugehen ist.

Gegen diesen Bescheid wurde mit Eingabe vom Berufung erhoben, welche vom Finanzamt Hollabrunn Korneuburg Tulln mit Bescheiden vom 9. und als zurückgenommen erklärt wurde. Dagegen wurde ebenso Berufung erhoben welche mit Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , GZ. RV/7100735/2010, als unbegründet abgewiesen wurde.

Aufgrund dieser Entscheidung sind von den Erben des bereits am verstorbenen ***4*** die Einkommensteuer 1999 bis 2006 und Anspruchszinsen 2000 bis 2006 in Höhe von insgesamt € 19.366,29 zu entrichten. Mit Bescheid des Finanzamtes Hollabrunn Korneuburg Tulln vom wurden zudem Aussetzungszinsen in der Höhe von € 3.414,36 festgesetzt.

Mit Eingabe vom ersuchten die eingeantworteten Erben ***Bf1***, ***1*** und ***2*** um Nachsicht der Einkommensteuer 1999 bis 2006, Anspruchszinsen 2000 bis 2006 und Aussetzungszinsen 2018 im Gesamtbetrag von € 22.780,65. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass im Rahmen eines Feststellungsverfahrens gemäß § 188 BAO, bei welchen es zwei Beteiligte, nämlich die Eheleute ***Bf1*** und ihr am verstorbener Ehegatte ***4*** gab, Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung für vier Mietobjekte festgestellt worden seien. Eines dieser Objekte in ***Adr***, sei einer Liebhabereiprüfung unterzogen wurden und erfolgte für dieses Objekt die Feststellung nur vorläufig. Obwohl die Liegenschaftshälfte des Objektes ***Adr*** der Witwe bereits am ***5*** 2006 eingeantwortet wurde, seien am endgültige Feststellungsbescheide an die Erbengemeinschaft erlassen worden. Weder das zuständige Finanzamt, noch das Bundesfinanzgericht hätten sich mit der Liebhabereibetrachtung auseinandergesetzt. Die Antragsteller seien mit Abgabennachforderungen für Zeiträume konfrontiert, in denen sie keine Anteile an der beschwerdegegenständlichen Liegenschaft besessen hätten. Zudem sei für die verfahrensgegenständlichen Abgaben die Einhebungsverjährung eingetreten.

[...]

Mit dem an ***Bf1***, ***1*** und ***2*** ergangenen Bescheid des Finanzamtes Hollabrunn Korneuburg Tulln vom wurde der Antrag um Bewilligung einer Nachsicht gemäß § 236 BAO abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid haben ***Bf1***, ***1*** und ***2*** mit Eingabe vom binnen offener Frist Beschwerde erhoben.

Mit dem an ***Bf1*** als Erbe nach ***4*** gerichteten Bescheid des Finanzamtes Hollabrunn Korneuburg Tulln vom wurde der Antrag um Bewilligung einer Nachsicht gemäß § 236 BAO abgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, dass der Eintritt der Einhebungsverjährung keine Unbilligkeit zu begründen vermag. Aufgrund der erfolgten Aussetzung der Einhebung gemäß § 212a BAO könne aufgrund der Hemmungswirkung des § 238 Abs.3 lit.b BAO keine Einhebungsverjährung gemäß § 238 BAO erblickt werden. Im Übrigen sei in einem Nachsichtsverfahren die Rechtmäßigkeit der Abgabenfestsetzung nicht zu prüfen.

Gegen diesen Bescheid hat die Beschwerdeführerin (Bf.) mit Eingabe vom binnen offener Frist Beschwerde erhoben. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass trotz der umfangreichen Begründung des Nachsichtsansuchens keine Unbilligkeit erkannt worden sei. Zudem wechsle die Behörde die Bescheidadressaten völlig willkürlich. Die Bf. beantragte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung und die Entscheidung über die Beschwerde durch den Senat.

Mit Beschwerdevorentscheidung des Finanzamtes Hollabrunn Korneuburg Tulln vom wurde die Beschwerde vom als unzulässig zurückgewiesen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass sich die Beschwerde vom gegen einen "Nichtbescheid" richtete, weshalb diese als gegen den Abweisungsbescheid vom gerichtet zu werten sei. Die eingebrachte Beschwerde vom sei in Anwendung des Grundsatzes "ne bis in idem" zurückzuweisen.

Mit Eingabe vom stellte ***Bf1*** als Erbin nach ***4*** den Antrag auf Entscheidung über die Bescheidbeschwerde durch das Bundesfinanzgericht (Vorlageantrag).

In der mündlichen Verhandlung vom verwies der Vertreter der Bf. auf das bisherige Vorbringen und beantragte, der Beschwerde Folge zu geben.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Mit Einantwortungsbeschluss des Bezirksgerichtes Korneuburg vom ***5*** 2006, Zl. ***6***, wurde der Nachlass des am verstorbenen ***4*** nach Abgabe von unbedingten Erbserklärungen an dessen Witwe ***Bf1*** und seine Töchter ***1*** und ***2*** zu je einem Drittel eingeantwortet.

Mit Erbteilungsübereinkommen vom vereinbarten die Erben, dass der vom Erlasser hinterlassene Hälfteanteil der Liegenschaft ***7***, ***Adr***, ***Bf1*** einverleibt werden solle.

Nach seinem Tod wurden an die drei Erben des ***4*** rechtskräftig folgende Abgabenschuldigkeiten resultierend aus der nachträglichen Feststellung der Liebhaberei für ein Mietobjekt der Hausgemeinschaft ***3*** und ***Bf*** in ***Adr***, vorgeschrieben:


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Einkommensteuer 1999 bis 2006
€ 17.125,01
Anspruchszinsen 2000 bis 2006
€ 2.241,28
Aussetzungszinsen
€ 3.414,36

Mit Eingabe vom ersuchten ***Bf1***, ***1*** und ***2*** um Nachsicht der Einkommensteuer 1999 bis 2006, Anspruchszinsen 2000 bis 2006 und Aussetzungszinsen 2018 im Gesamtbetrag von € 22.780,65.

Mit dem an ***Bf1***, ***1*** und ***2*** gerichteten Bescheid des Finanzamtes Hollabrunn Korneuburg Tulln vom wurde der Antrag vom um Bewilligung einer Nachsicht gemäß § 236 BAO abgewiesen.

Mit dem an Frau ***Bf1*** als Erbin nach ***4*** gerichteten Bescheid des Finanzamtes Hollabrunn Korneuburg Tulln vom wurde der Antrag vom um Bewilligung einer Nachsicht gemäß § 236 BAO neuerlich abgewiesen.

Beweiswürdigung

Das Bundesfinanzgericht gründet den festgestellten Sachverhalt auf den Inhalt des vom Finanzamt Hollabrunn Korneuburg Tulln vorgelegten Abgabenaktes und den Einantwortungsbeschluss des Bezirksgerichtes Korneuburg vom ***5*** 2006, Zl. ***6***, und den Beschluss des Bezirksgerichtes Korneuburg vom ***8*** 2006, Zl. ***9***. Der Sachverhalt ist unbestritten.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Aufhebung)

Gemäß § 19 Abs.1 BAO gehen bei Gesamtrechtsnachfolge die sich aus den Abgabenvorschriften ergebenden Rechte und Pflichten des Rechtsvorgängers auf den Rechtsnachfolger über. Für den Umfang der Inanspruchnahme des Rechtsnachfolgers gelten die Bestimmungen des bürgerlichen Rechtes.

Der unbedingt erbserklärte Erbe kann nach Einantwortung grundsätzlich unbeschränkt für Abgabenschulden des Erblassers in Anspruch genommen werden. (Ritz, Bundesabgabenordnung § 19 Rz. 10). Gemäß § 6 Abs.1 BAO sind die unbedingt erbserklärten Erben als Personen, die dieselbe abgabenrechtliche Leistung schulden, Gesamtschuldner. ***Bf1***, ***1*** und ***2*** wurden vom Finanzamt Hollabrunn Korneuburg Tulln als Gesamtschuldner zur Entrichtung von Abgabenschuldigkeiten des verstorbenen ***4*** rechtskräftig herangezogen.

Gemäß § 236 Abs.1 BAO können fällige Abgabenschuldigkeiten auf Antrag des Abgabepflichtigen ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre.

Gemäß § 77 Abs.1 BAO ist Abgabepflichtiger im Sinne dieses Bundesgesetzes, wer nach den Abgabenvorschriften als Abgabenschuldner in Betracht kommt.

Abgabepflichtiger ist jeder, mit dem die Abgabenbehörde im Hinblick auf eine möglicherweise gegebene Abgabenschuld im Rahmen des Abgabenverfahrens in Verbindung tritt oder in Verbindung treten kann (zB ). Abgabepflichtiger ist auch jeder einzelne Gesamtschuldner, selbst wenn er noch nicht in Anspruch genommen wurde. Bei Gesamtschuldverhältnissen umfasst die Behauptungspflicht die Unbilligkeit der Abgabeneinhebung bei allen Gesamtschuldnern (). Die Nachsicht wirkt bei Gesamtschuldverhältnissen für alle Gesamtschuldner (zB ). Ist die Einhebung nur bei einem Gesamtschuldner unbillig, so kann der betreffende Gesamtschuldner nur einen Antrag auf Entlassung aus der Gesamtschuld gemäß § 237 BAO stellen.

Abgabepflichtiger im Sinne des § 236 BAO ist daher jeder einzelne Gesamtschuldner, sohin sind die drei Erben ***Bf1***, ***1*** und ***2*** unabhängig voneinander antragsberechtigt.

Der an die diese drei Personen ergangene Bescheid über die Abweisung einer Nachsicht von Abgabenschuldigkeiten vom erweist sich als bescheidmäßige Erledigung des Antrages vom . Diesbezüglich wird auf das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , RV/7104527/2019, verwiesen.

Die Abschreibung von Abgabenschuldigkeiten durch Nachsicht setzt einen hierauf gerichteten Antrag voraus. Der Antrag vom wurde - wie oben ausgeführt - mit erstinstanzlichem Bescheid vom erledigt. Damit steht fest, dass der Bescheid vom rechtsgrundlos ergangen ist, da dieser dem Grundsatz "ne bis in idem" widerspricht bzw. dem Bescheid kein neuerlicher Nachsichtsantrag zugrundeliegt.

Der angefochtene Bescheid ist daher ersatzlos aufzuheben.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da im gegenständlichen Beschwerdeverfahren keine Rechtsfragen aufgeworfen worden sind, denen im Sinne des Art. 133 Abs.4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt und sich die Entscheidung auf die angeführte Rechtsprechung des VwGH stützt, ist eine Revision unzulässig.

Klagenfurt am Wörthersee, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 236 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 18 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.7104530.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at