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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 08.06.2021, RV/7101103/2021

Bescheidaufhebung mangels zugrundeliegendem Antrag

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch die Richterin Mag. Andrea Ebner in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Erich WOLF Wirtschaftsprüfungs Gesellschaft m.b.H., Ferdinandstraße 4 Tür 4.OG, 1020 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend die Zurückweisung eines Antrag auf Verlustrücktrag (Einkommensteuer 2017 ) Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht:

I. Der angefochtene Bescheid wird - ersatzlos - aufgehoben.

II. Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Das Beschwerdeverfahren betrifft die Einkommensteuer des Jahres 2017. Im Rahmen des verwaltungsbehördlichen Verfahrens wurde von der Beschwerdeführerin ein Antrag auf Nachsicht gemäß § 236 BAO gestellt (siehe zum Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht GZ RV/7100618/2021).

Gegen die im Rahmen dieses verwaltungsbehördlichen Verfahrens ergangene Berufungsvorentscheidung vom richtete sich der Vorlageantrag vom . Im Rahmen dieses Schreibens sei von der Beschwerdeführerin ein Antrag auf Verlustrücktrag der Verluste der Jahre 2018 und Folgejahre auf das Gewinnjahr 2017 gestellt worden.

Mit Bescheid vom wies die belangte Behörde den Antrag auf Verlustrücktrag der Verluste der Jahre 2018 und Folgejahre auf das Gewinnjahr 2017 zurück, weil ein solcher Antrag im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen nicht vorgesehen sei.

In der dagegen erhobenen Beschwerde vom wurde ausgeführt, dass der Antrag auf Verlustrücktrag im Rahmen des Vorlageantrages betreffend die Beschwerdeabweisung gegen ein Nachsichtsansuchen gestellt worden sei und eine Ablehnung daher "sinnlos" und nicht im Sinne der BAO sein könne, weil Nachsichtsansuchen grundsätzlich im pflichtgemäßen Ermessen auf Grund von sachlichen und persönlichen Unbilligkeiten zu entscheiden seien.

Mit Beschluss vom ersuchte das Bundesfinanzgericht die Beschwerdeführerin um Stellungnahme, ob die Stellung eines (gesonderten) Antrages auf Verlustrücktrag für das Jahr 2017 intendiert war bzw welche Intentionen mit den Ausführungen im Vorlageantrag hinsichtlich des Nachsichtsverfahrens verfolgt wurden.

Mit E-Mail vom teilte die steuerliche Vertretung der Beschwerdeführerin dem Bundesfinanzgericht mit, dass eine gesonderte Antragstellung nicht intendiert war.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Das Schreiben vom lautet auszugsweise wie folgt:

"I. VORLAGEANTRAG (§ 243 BAO)
II. ANTRÄGE AUF MÜNDLICHE BESCHWERDEVERHANDLUNG UND ENTSCHEIDUNG DURCH DEN GESAMTEN BESCHWERDESSENAT (§§ 272 UND 274 BAO)
III. ANTRAG AUF AUSSETZUNG DER EINHEBUNG (§ 212 a BAO)

1-fach

I. Bescheidbeschwerde
[…] Wir erheben hiermit Bescheidbeschwerde gegen den Bescheid über die Beschwerdevorentscheidung über die Abweisung einer Nachsicht vom , bei, bei uns eingelangt am 16.02.202.1. Die erste Abweisung einer Nachsicht datiert vom , dagegen haben wir Beschwerde am erhoben.

II. Begründung
[…]
Zudem führen wir das Vorliegen von
sachlichen Unbilligkeiten an. [Die Beschwerdeführerin] hat im Jahre 2017 unverhältnismäßig und exzessive hohe, und steuerpflichtige Einnahmen erzielt, und in den darauffolgenden Jahren 2018 bis 2020 hohe steuerliche Verluste mit zukünftigen Verlustvorträgen in ihrer Sprachschule erlitten. Diese hohen Verluste wurden mit den außerordentlich hohen Gewinnen des Jahres 2017 finanziert. Die sachliche Unbilligkeit liegt somit in der Periodenbesteuerung, welche zu sachlichen Ungerechtigkeiten gemessen an dem im Einkommensteuerrecht inhärenten Prinzip der Verhältnismäßigkeit und der Leistungsfähigkeit führt. Die Unsachlichkeit einer Abschnittsbesteuerung hat auch der Gesetzgeber anerkannt, da Verluste wegen den wirtschaftlichen Auswirkungen der COVID-19-Pandemie des "Seuchenjahres" 2020 mit steuerlichen Gewinnen aus den Jahren 2019 und 2018 in Form eines "Verlustrücktrages" ("COVID-19-Verlustberücksichtigungsvenordnung, vom , BGBl II 2020/405" und Konjunkturstärkungsgesetz in § 124b Z 355 EStG) ausgeglichen werden können. Der bestehende Verlustvortrag in § 18 EStG bzw. § 8 KStG war in Zeiten der COVID-19-Pandemie somit nicht ausreichend, um eine Besteuerung nach dem Leistungsfähigkeitsprinzip zu erreichen. Im Rahmen dieser Beschwerde stellen wir den Antrag auf einen individuellen Verlustrücktrag der Verluste der Jahre 2018 und Folgejahre auf das Gewinnjahr 2017, um zu einer Besteuerung nach der individuellen Leistungsfähigkeit zu gelangen. Die Beschwerdevorentscheidung geht leider auf die oben dargestellten Argumente nicht ein, weshalb Verfahrensfehler wegen mangelnde[r] Bescheidbegründung vorliegt. Der Verlustrücktrag gemäß der "COVID-19-Verlustberücksichtigungsverordnung" anlässlich COVID-19-Krise ist im steuerlichen Ergebnis und hinsichtlich der Zielsetzungen der Verordnung (für alle betroffenen Steuerpflichtigen) mit der Gewährung einer sachlichen Nachsicht (individuell zu Gunsten der Beschwerdeführerin) durchaus vergleichbar. Es sollen die Unbilligkeiten und sogar Ungerechtigkeiten im Zusammenhang mit der periodengerechten Abschnittsbesteuerung beseitigt werden.

[…]

IV. Beschwerdeantrag

Wir stellen den Beschwerdeantrag, die Gewährung, einer Nachsicht der Abgabenschulden iHv EUR 173.628,45 zu bewilligen.

V. Antrag auf Aussetzung gern § 212 a BAO

[…]

VI. Antrag auf Abhaltung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung und Entscheidung durch den gesamten Beschwerdesenat

[…]"

Seitens der Beschwerdeführerin war mit diesem Schreiben nicht die Stellung eines gesonderten Antrages auf Verlustrücktrag der Verluste der Jahre 2018 und Folgejahre auf das Gewinnjahr 2017 intendiert.

Beweiswürdigung

Die Sachverhaltsfeststellungen gründen sich auf den Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes.

Dem Schreiben vom ist folgende Textpassage zu entnehmen: "Im Rahmen dieser Beschwerde stellen wir den Antrag auf einen individuellen Verlustrücktrag der Verluste der Jahre 2018 und Folgejahre auf das Gewinnjahr 2017, um zu einer Besteuerung nach der individuellen Leistungsfähigkeit zu gelangen.". Die Textpassage findet sich in "II. Begründung" des betreffenden Vorlageantrages im Kontext mit Ausführungen zur sachlichen Unbilligkeit in Zusammenhang mit dem Nachsichtsgesuch. Die im Vorlageantrag betreffend das Nachsichtsverfahren gestellten Anträge (Vorlageantrag, Antrag auf mündliche Verhandlung, Antrag auf Senatsentscheidung, Antrag auf Aussetzung der Einhebung) sind ausdrücklich als solche ausgewiesen und bezeichnet. Dies trifft auf den "Antrag" auf Verlustrücktrag der Verluste der Jahre 2018 und Folgejahre auf das Gewinnjahr 2017 nicht zu; dieser wird im Rahmen der Begründungsausführungen zur Nachsicht genannt. Zudem wird angeführt, dass ein solcher Verlustrücktrag mit einer sachlichen Nachsichtsgewährung vergleichbar sei.

Auch die Ausführungen in der Beschwerde gegen den angefochtenen Zurückweisungsbescheid - eine gesonderte Antragstellung sei "sinnlos" - deuten darauf hin, dass die Stellung eines gesonderten Antrages auf Verlustrücktrages nicht intendiert war.

Im Rahmen der Vorhaltsbeantwortung vom zur Ermittlung des Parteiwillens teilte die steuerliche Vertretung dem Bundesfinanzgericht ausdrücklich mit, dass eine gesonderte Antragstellung nicht intendiert war.

In Zusammenschau geht das Bundesfinanzgericht daher davon aus, dass die Beschwerdeführerin im Rahmen ihrer Ausführungen im Schreiben vom keinen gesonderten Antrag auf Verlustrücktrag der Verluste der Jahre 2018 und Folgejahre auf das Gewinnjahr 2017 gestellt hat.

Nach dem Gesamtbild der Verhältnisse durfte das Bundesfinanzgericht daher in freier Beweiswürdigung von den obigen Sachverhaltsfeststellungen ausgehen.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)

§ 85 BAO regelt die Anbringen zur Geltendmachung von Rechten oder zur Erfüllung von Verpflichtungen (insbesondere Erklärungen, Anträge, Beantwortungen von Bedenkenvorhalten, Rechtsmittel).

Gemäß § 92 Abs. 1 BAO sind Erledigungen einer Abgabenbehörde als Bescheide zu erlassen, wenn sie für einzelne Personen Rechte oder Pflichten begründen, abändern oder aufheben (lit a), abgabenrechtlich bedeutsame Tatsachen feststellen (lit b), oder über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses absprechen (lit c).

Bei der Beurteilung von Parteianbringen ist grundsätzlich der Inhalt des Anbringens, das erkennbare oder zu erschließende Ziel des Parteischrittes maßgebend. Die Anwendung dieses Grundsatzes setzt voraus, dass eine der Auslegung zugängliche Parteierklärung vorliegt und dass der Wille der Partei aus diesem Vorbringen mit Eindeutigkeit erschlossen werden kann (vgl , mwN).

Hat ein Anbringen einen unklaren oder einen nicht genügend bestimmten Inhalt, so hat die Behörde den Gegenstand des Anbringens - auch eines vertretenen Antragstellers - von Amts wegen zu ermitteln (vgl ; , Ra 2015/07/0109). Im Beschwerdeverfahren haben die Verwaltungsgerichte die Obliegenheiten, die den Abgabenbehörden auferlegt sind (§ 269 Abs. 1 BAO).

Auf Basis der in freier Beweiswürdigung getroffenen Sachverhaltsfeststellungen gelangt das Bundesfinanzgericht vor diesem rechtlichen Hintergrund zum Ergebnis, dass seitens der Beschwerdeführerin keine gesonderte Antragstellung auf Verlustrücktrag der Verluste der Jahre 2018 und Folgejahre auf das Gewinnjahr 2017 intendiert war. Damit hat die belangte Behörde mit Bescheid vom über einen Antrag abgesprochen, der von der Beschwerdeführerin nicht gestellt wurde und somit nach § 92 BAO nicht zu erlassen gewesen wäre. Der angefochtene Bescheid war somit - ersatzlos - aufzugeben.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die beschwerdegegenständliche Rechtsfrage zur Beurteilung von Parteienanträgen ist bereits durch die im Erkenntnis näher ausgeführte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geklärt (vgl insbesondere , mwN; und , Ra 2015/07/0109). Darüber hinaus waren die in freier Beweiswürdigung vorgenommenen Feststellungen des maßgeblichen Sachverhaltes entscheidungswesentlich (vgl zB ). Die Voraussetzungen für eine Revisionszulassung nach Art 133 Abs. 4 B-VG liegen somit nicht vor.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 85 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 92 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 269 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 92 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise



ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.7101103.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at