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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 01.06.2021, RV/7101041/2021

Verfassungswidrigkeit der Einschränkung der Energieabgabenvergütung auf Produktionsbetriebe wegen eines Verstoßes gegen das Bestimmtheitsgebot?

Beachte

VfGH-Beschwerde zur Zahl E 2735/2021 anhängig. Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom abgelehnt.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch KPMG Alpen-Treuhand GmbH Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft, Porzellangasse 51, 1090 Wien, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes für Großbetriebe vom , Steuernummer ***BF1StNr1***, betreffend Energieabgabenvergütung 2013 - 2015 zu Recht erkannt:

  1. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

  2. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Bisheriger Verfahrensgang

Über die Berufung der Beschwerdeführerin (Bf) betreffend Energieabgaben-Vorausvergütung 2011 entschied der Unabhängige Finanzsenat, dass der Bf als Dienstleistungsunternehmen die Energieabgabenvergütung ab Februar 2011 nicht mehr zusteht (). Nach einer Amtsbeschwerde gegen diese Entscheidung des UFS stellte der Verwaltungsgerichtshof das Verfahren mit Beschluss ein (). Der Verfassungsgerichtshof lehnte die Behandlung der Beschwerde der Bf ab (). Nach Abtretung an den Verwaltungsgerichtshof wurde auch dieses Verfahren mit Beschluss eingestellt ().

Die Bf reichte in der Folge Anträge auf Vergütung von Energieabgaben für die Jahre 2013 - 2015 beim Finanzamt ein.

Mit Bescheiden vom wies das Finanzamt nach einer Außenprüfung die Anträge der Bf auf Vergütung von Energieabgaben 2013 - 2015 ab. Begründend verwies das Finanzamt jeweils auf § 2 und 3 EnAbgVergG idF Budgetbegleitgesetz (BBG) 2011, wonach ein Anspruch auf Vergütung von Energieabgaben nur für Betriebe besteht, deren Schwerpunkt nachweislich in der Herstellung körperlicher Wirtschaftsgüter liegt. Für sogenannte "Dienstleistungsbetriebe" sei die Energieabgabenvergütung somit ausgeschlossen. Nach § 4 Abs. 7 EnAbgVergG seien diese Änderungen vorbehaltlich der Genehmigung durch die Europäische Kommission auf Vergütungsanträge anzuwenden. Die schriftliche Ausfertigung der Genehmigung der Gesetzesänderung durch die Europäische Kommission sei im Amtsblatt der EU vom , Abl. C 288/21 erfolgt.

In der Beschwerde vom gegen die o.g. Bescheide wandte die Bf die Verfassungswidrigkeit der Einschränkung der Energieabgabenvergütung auf Produktionsbetriebe durch das BBG 2011 ein.

Der EuGH habe festgestellt, dass die Änderungen des EnAbgVergG idF BBG 2011 eine genehmigungspflichtige Beihilfe darstellen, deren Berechnung Art 44 Abs 3 AGVO 651/2014 entsprechen soll und welche auf der Grundlage des Art 58 Abs 1 AGVO 651/2014 von der Anmeldungspflicht iSv Art 108 Abs 3 freigestellt werden kann, sofern diese Beihilfen alle Voraussetzungen dieser Verordnung, ausgenommen Art 9, erfüllen (, Dilly's Wellnesshotel II).

Der Verwaltungsgerichtshof habe unter Hinweis auf seine ständige Rechtsprechung die Frage nach der Anwendbarkeit der Einschränkung der Energieabgabenvergütung auf sogenannte "Produktionsbetriebe" endgültig entschieden und klargestellt, dass die durch das BBG 2011 vorgenommene Neufassung der §§ 2 und 3 EnAbgVergG (und damit der Ausschluss der Dienstleistungsbetriebe) mit in Kraft getreten ist ().

Die Änderungen des EnAbgVergG durch das BBG 2011 sollten am unter der Voraussetzung einer Genehmigung durch die Europäische Kommission in Kraft treten. Gemäß , Dilly's Wellnesshotel I, sei die Beihilfenregelung weder angemeldet noch iSd AGVO 800/2008 (AGVO 2008) freigestellt worden.

Die AGVO 2014, welche am in Kraft getreten ist, könne das innerstaatliche Gesetz rückwirkend mit in Kraft treten lassen, sofern die Beihilferegelung und auch die daraus abgeleiteten Einzelbeihilfen alle Voraussetzungen des Art 58 Abs1 iVm Art 3 Abs 1 AGVO 2014 einhalten ().

Dass sich der zeitliche Anwendungsbereich der AGVO 651/2014 rückwirkend auch auf Einzelbeihilfen erstreckt, die vor deren Geltungsbeginn mit liegen, stehe erst nach der Entscheidung des EuGH in der Rs Dilly's Wellnesshotel ll fest.

Für die Steuerpflichtigen sei daher im Jahr 2011 und in den Folgejahren völlig unklar gewesen, ob und wann die Einschränkung der Energieabgabenvergütung auf Produktionsbetriebe überhaupt in Kraft getreten ist. Es liege daher ein Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot für Normen des Artikel 18 Abs 1 B-VG vor.

Auch das Bundesfinanzgericht habe eine mögliche Verfassungswidrigkeit der Änderung des EnAbgVergG aufgezeigt (), da es der Norm an der in Art. 18 Abs. 1 B-VG geforderten Verständlichkeit, Klarheit und Widerspruchsfreiheit fehle. Bis zum (dem Tag der Veröffentlichung im Amtsblatt der EU) sei ein Bezug auf die AGVO für den Normadressaten überhaupt nicht erkennbar gewesen.

Das Bestimmtheitsgebot erfordere, dass jede Norm nach Inhalt, Gegenstand, Zweck und Ausmaß hinreichend bestimmt ist, um den Eingriff für den Staatsbürger voraussehbar zu machen. Die Norm unterliege umso strengeren Anforderungen der Bestimmtheit, je intensiver der mit der Norm verbundene Eingriff in die Grundrechte der Normadressaten ausfällt.

Das Gebot der Normenklarheit verlange, dass der Normadressat den Inhalt und die Anforderungen von Gesetzen auch ohne spezielle Rechtkenntnisse auf einfachem Wege feststellen können müsse.

Auch nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes widerspreche es dem Rechtsstaatsprinzip, wenn man nur mit subtiler Sachkenntnis, außerordentlichen methodischen Fähigkeiten und einer gewissen Lust zum Lösen von Denksportaufgaben verstehen könne, welche Anordnungen in einem Gesetz getroffen werden (). Das bewusste Kundmachen von noch unanwendbaren Normen könne daher als Verletzung dieses Mindestmaßes an Zugänglichkeit und Verständlichkeit gesehen werden.

Zusammenfassend sei festzuhalten, dass selbst für Steuerexperten ein Abstellen der Neuerungen im BBG 2011 auf die AGVO 2008 (wie dies die Finanzverwaltung behaupte) für längere Zeit nach Inkrafttreten des Gesetzes nicht erkennbar gewesen sei. Für Dienstleistungsunternehmen sei nach dem Studium des Gesetzestextes davon auszugehen gewesen, dass vor Einlangen einer ausdrücklichen "Genehmigung" der EU-Kommission die Einschränkung nicht in Kraft trete.

Das Finanzamt legte die Beschwerde antragsgemäß ohne die Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung an das Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

1. Sachverhalt

Die Bf ist ein Dienstleistungsbetrieb im öffentlichen Nahverkehr, dessen Schwerpunkt nicht in der Herstellung körperlicher Wirtschaftsgüter besteht. Die beschwerdeführende Gesellschaft begehrt die Vergütung der Energieabgaben für die Jahre 2013 - 2015. Dieser Sachverhalt ist unbestritten.

2. Rechtliche Beurteilung

2.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Da die Bf die Unterlassung einer Beschwerdevorentscheidung beantragt hat und in der Beschwerde überdies lediglich die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen geltend gemacht wird, hat das Finanzamt die Beschwerden zu Recht gemäß § 262 Abs. 2 und Abs. 3 BAO ohne Erlassung von Beschwerdevorentscheidungen dem Bundesfinanzgericht vorgelegt.

Nach § 2 Abs. 1 Energieabgabenvergütungsgesetz (EnAbgVergG) in der Fassung des Budgetbegleitgesetzes 2011 (BBG), BGBl. I Nr. 111/2010, besteht ein Anspruch auf Vergütung nur für Betriebe, deren Schwerpunkt nachweislich in der Herstellung körperlicher Wirtschaftsgüter besteht und soweit sie nicht die in § 1 Abs. 3 genannten Energieträger oder Wärme (Dampf oder Warmwasser), die aus den in § 1 Abs. 3 genannten Energieträgern erzeugt wurde, liefern.

Gemäß § 4 Abs. 7 EnAbgVergG idF BBG 2011, sind die §§ 2 und 3, jeweils in der Fassung des Budgetbegleitgesetzes 2011, BGBl. I Nr. 111/2010, vorbehaltlich der Genehmigung durch die Europäische Kommission auf Vergütungsanträge anzuwenden, die sich auf einen Zeitraum nach dem beziehen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat - nach Befassung des EuGH im Vorabentscheidungsweg und Ergehen des Urteils vom , Dilly's Wellnesshotel (II), C-585/17 - mit Erkenntnis vom , Ro 2016/15/0041, ausgesprochen, dass die mit BBG 2011, BGBl. I Nr. 111/2010, normierten Änderungen des Energieabgabenvergütungsgesetzes mit in Kraft getreten sind und damit für Dienstleistungsbetriebe ein Anspruch auf Energieabgabenvergütung ab nicht mehr besteht.

Im vorliegenden Fall liegt der Schwerpunkt der Tätigkeit der Bf unbestritten nicht in der Herstellung körperlicher Wirtschaftsgüter.

Zufolge der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes haben Dienstleistungsbetriebe für Zeiträume ab Februar 2011 eindeutig keinen Anspruch auf Energieabgabenvergütung, weshalb der Beschwerde nicht Folge gegeben werden konnte.

Die Bf führte ins Treffen, dass die Einschränkung der Energieabgabevergütung auf Produktionsbetriebe durch das BBG 2011 wegen Verletzung des Bestimmtheitsgebotes des Art. 18 Abs. 1 B-VG als verfassungswidrig erachtet werde, und verwies zudem auf die Ausführungen des Bundesfinanzgerichts () zur möglichen Verfassungswidrigkeit der Änderung des EnAbgVergG.

Gemäß Art 18 Abs. 1 B-VG darf die gesamte staatliche Verwaltung nur auf Grund der Gesetze ausgeübt werden.

Aus der im Art 18 Abs 1 B-VG angeordneten Bindung der Vollziehung an das Gesetz ist das an den Gesetzgeber gerichtete Gebot abzuleiten, inhaltlich ausreichend bestimmte Regelungen zu schaffen; dieses Gebot folgt insbesondere aus der Wendung "auf Grund der Gesetze" (Muzak, B-VG6, Art 18 Rz 8).

Den verfassungsrechtlichen Einwendungen der Bf ist entgegenzuhalten, dass bei der Ermittlung des Inhaltes einer gesetzlichen Regelung alle der Auslegung zur Verfügung stehenden Möglichkeiten auszuschöpfen sind. Erst wenn danach noch nicht beurteilt werden kann, was im Einzelfall Rechtens sein soll, verletzt die Regelung die in Art 18 verankerten rechtsstaatlichen Erfordernisse (VfSlg 8395/1978).

Das ist hier nicht der Fall. Der Verwaltungsgerichtshof kam nach Auslegung der Inkrafttretensbestimmung des § 4 Abs. 7 EnAbgVergG und Erörterung von unionsrechtlichen Fragen zu dem Ergebnis, dass die Einschränkung des Energieabgabenvergütungsgesetzes am in Kraft getreten ist (). Damit steht zweifellos fest, dass die in Rede stehende Bestimmung einer Auslegung zugänglich ist und somit die Regelung durchaus inhaltlich ausreichend bestimmbar ist.

Der Verfassungsgerichtshof hatte sich im Übrigen bereits mit dem Ausschluss von Dienstleistungsbetrieben von der Energieabgabenvergütung durch das Budgetbegleitgesetz 2011 zu befassen und erachtete die Verletzung des Gleichheitssatzes nicht als gegeben. Der Verfassungsgerichtshof merkte dazu explizit an, dass sich auch keine andere - nicht geltend gemachte - Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte ergeben habe ().

Dazu kommt noch, dass sich der Verfassungsgerichtshof bereits zur Beschwerde der Bf gegen den Bescheid des , betreffend Energieabgaben-Vorausvergütung für 2011 geäußert hat. Er hat vor dem Hintergrund des oben genannten Erkenntnisses , die Behandlung Beschwerde mangels Aussicht auf Erfolg abgelehnt, da nicht nur die behaupteten Rechtsverletzungen, sondern auch die Verletzung in einem anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht oder die Verletzung in einem sonstigen Recht wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes als wenig wahrscheinlich erkannt wurde ().

Das Bundesfinanzgericht kann daher keine Verfassungswidrigkeit der mit dem Budgetbegleitgesetz 2011 normierten Änderungen des EnAbgVergG wegen Verletzung des Bestimmtheitsgebotes erkennen.

Die Beschwerde war somit abzuweisen.

2.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Gegen dieses Erkenntnis ist die Revision nicht zulässig, da das Bundesfinanzgericht in rechtlicher Hinsicht der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes folgt ().

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Art. 18 Abs. 1 B-VG, Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930
§ 2 Abs. 1 Energieabgabenvergütungsgesetz, BGBl. Nr. 201/1996
Verweise






ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.7101041.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at