Subsidiarität von Feststellungsbegehren und Feststellungsbescheiden
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***R*** in der Beschwerdesache ***Bf***, ***Adresse Bf***, vertreten durch Dr. Michael Kotschnigg, Stadlauer Straße 39/I/Top 12, 1220 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Zurückweisung des Antrages vom auf Erlassung eines Feststellungsbescheides zum Nichtvorliegen der unbeschränkten Steuerpflicht in Österreich im Zeitraum 2013 bis 2019 zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Bisheriger Verfahrensgang:
Mit Schreiben vom brachte der steuerliche Vertreter des Beschwerdeführers (Bf) einen auf § 92 Abs 1 lit b und c BAO gestützten Antrag auf Erlassung eines Feststellungsbescheides zum Nichtvorliegen der unbeschränkten Steuerpflicht des Bf in Österreich im Zeitraum 2013 bis 2019 ein. Nach Wiedergabe der Bestimmung des § 92 BAO wurde ua wie folgt ausgeführt:
"Ein solcher Feststellungsbescheid hat über Rechte und Rechtsverhältnisse zu ergehen, wenn dies von einer Partei beantragt wird, die ein rechtliches Interesse an der Feststellung hat und es sich um ein notwendiges Mittel zweckentsprechender Rechtsverteidigung handelt (Ritz BAO6 § 92 Tz 9), außer eine solche Feststellung ist ex lege explizit ausgeschlossen. Das ist hier aber nicht der Fall. Uns ist der Grundsatz der Subsidiarität solcher Feststellungsbegehren-/bescheide durchaus bekannt. Demnach ist ein solcher Bescheid nicht zu erlassen, wenn die Erlassung eines Abgabenbescheides möglich ist (zB ; , 2004/16/0281). Dass wir diesen Antrag trotzdem stellen, ist rasch geschildert: Erstens, es geht hier nicht nur um dieses, sondern um weitere Verfahren, die zumindest indirekt mit meinem Mandanten zu tun haben. Zweitens, es geht um den Grundsatz der Zweckmäßigkeit und Sparsamkeit der Verwaltung. Er wird eklatant verletzt, wenn die Frage, ob mein Mandant ab 2013 nur mehr seine Inlandseinkünfte (§ 98 EStG 1988) oder sein Welteinkommen zu versteuern hat, Gegenstand eines schon jetzt langwierigen Besteuerungsverfahrens ist. Wir vertreten aus gutem Grund die Rechtsansicht, dass Herr ***Bf*** aufgrund der tatsächlichen Gegebenheiten, Verhältnisse und Zustände seinen Lebensmittelpunkt 2013 in die Slowakei verlegt und seither dort unbeschränkt steuerpflichtig ist. Deshalb sind wir nicht bereit, sein Welteinkommen ab 2013 offen zu legen, weil das - davon ist auszugehen - auf Seiten des Finanzamtes nur weitere Begehrlichkeiten erwecken würde, auf die aber kein Rechtsanspruch besteht.
(…)
Es bedürfte dieses Antrages bzw eines gesonderten Feststellungsbescheides nicht, wenn das Finanzamt (endlich) bereit wäre, die Sache gesamthaft (…) zu sehen und das steuerrelevante Geschehen so wahrzunehmen, wie es sich zugetragen hat, und nicht so, wie die Behörde es gerne hätte.
Bei einer Fortsetzung dieser rein ergebnisorientierten Besteuerungspraxis ist ein jahrelanger Rechtstreit mit zu erwartender Kassation durch das BFG vorprogrammiert (§ 278 Abs 1 BAO). Das kann - ja soll - verhindert werden, indem die zentrale Rechtsfrage ausgelagert und dort sachgerecht entschieden wird. Ob diese Entscheidung - keine unbeschränkte Steuerpflicht meines Mandanten ab 2013 - dann im F- oder in den Sachbescheiden erfolgt, ist dann ohne allzu große praktische Bedeutung."
Mit Bescheid vom wies das Finanzamt den Antrag zurück. In der Begründung wurde unter Hinweis auf einschlägige VwGH-Rechtsprechung ausgeführt, ein derartiger Feststellungsbescheid sei nicht zu erlassen, wenn die Erlassung eines Abgabenbescheides möglich sei. Die Abgabenbescheide seien zwischenzeitig erlassen worden.
Dem hielt der steuerliche Vertreter des Bf in seiner Beschwerde vom entgegen, das Finanzamt sei mit der Zurückweisung nicht im Recht. Vor allem gehe es nicht an, diesen Feststellungsantrag über Monate hinweg unerledigt liegen zu lassen, um dann zu sagen, es sei zwischenzeitig der Sachbescheid ohnedies bereits ergangen.
In seiner abweisenden Beschwerdevorentscheidung vom betonte das Finanzamt unter Hinweis auf einschlägige VwGH-Rechtsprechung abermals, dass ein solcher Feststellungsbescheid nicht zu erlassen sei, wenn die Rechtsfrage in einem anderen Verfahren geklärt werden könne. Es entspreche überdies nicht den Tatsachen, dass das Finanzamt den Feststellungsantrag über Monate hinweg unerledigt liegen gelassen habe. Vielmehr sei die vom Antragsteller beantragte Beweisaufnahme (Vernehmung des slowakischen Steuerberaters) durchgeführt worden. Zudem seien weitere Beweise von Amts wegen erhoben, eine ausführliche Abwägung der vorliegenden Beweisergebnisse durchgeführt und - wie gesetzlich vorgesehen - die Entscheidung in der Sache selbst zur beschränkten bzw unbeschränkten Steuerpflicht in den Abgabenbescheiden (Einkommensteuerbescheide 2011 bis 2016 vom ) getroffen worden.
Mit Schreiben vom beantragte der steuerliche Vertreter des Bf die Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht.
Daraufhin legte das Finanzamt den Beschwerdeakt dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.
Mit Schreiben vom zog der steuerliche Vertreter des Bf den im Vorlageantrag gestellten Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung zurück.
Über die Beschwerde wurde erwogen:
1. Festgestellter Sachverhalt:
Im Gefolge einer beim Bf durchgeführten Außenprüfung, im Zuge derer der Prüfer zur Auffassung gelangte, dass der Bf der unbeschränkten Einkommensteuerpflicht in Österreich unterliege, nahm das Finanzamt mit Bescheiden vom die Verfahren betreffend Einkommensteuer für die Jahre 2011 bis 2014 wieder auf und setzte mit Bescheiden vom selben Tag die Einkommensteuer für die Jahre 2011 bis 2016 fest. Mit Bescheid vom setzte das Finanzamt überdies die Einkommensteuer für das Jahr 2017 fest.
Während laufender Außenprüfung brachte der steuerliche Vertreter des Bf mit Schreiben vom einen auf § 92 Abs 1 lit b und c BAO gestützten Antrag auf Erlassung eines Feststellungsbescheides zum Nichtvorliegen der unbeschränkten Steuerpflicht des Bf in Österreich im Zeitraum 2013 bis 2019 ein, welchen das Finanzamt mit Bescheid vom zurückwies.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen ergeben sich allesamt aus den vorgelegten Aktenteilen sowie einer Einsichtnahme in den elektronischen Finanzamtsakt und sind unstrittig.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung):
Gemäß § 92 Abs 1 BAO sind Erledigungen einer Abgabenbehörde als Bescheide zu erlassen, wenn sie für einzelne Personen a) Rechte oder Pflichten begründen, abändern oder aufheben, oder b) abgabenrechtlich bedeutsame Tatsachen feststellen, oder c) über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses absprechen.
Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des VwGH, dass ein Feststellungsbescheid ergehen kann, wenn eine Partei ein rechtliches Interesse an der Feststellung hat und es sich um ein notwendiges Mittel zweckentsprechender Rechtsverfolgung handelt oder wenn die Feststellung im öffentlichen Interesse liegt; dies jeweils unter der Voraussetzung, dass die maßgeblichen Rechtsvorschriften eine Feststellung dieser Art nicht ausschließen. Ein im öffentlichen Interesse oder im rechtlichen Interesse einer Partei gegründeter Anlass zur Erlassung eines Feststellungsbescheides liegt dann nicht vor, wenn die für die Feststellung maßgebende Rechtsfrage im Rahmen eines anderen gesetzlich vorgezeichneten Verwaltungsverfahrens oder eines gerichtlichen Verfahrens zu entscheiden ist. Ist die Erlassung eines Abgabenbescheides möglich, so ist die Zulässigkeit eines Feststellungsbescheides infolge des Grundsatzes der Subsidiarität von Feststellungsbegehren und Feststellungsbescheiden überhaupt zu verneinen (vgl zB ; ; ; siehe auch Ritz, BAO6 § 92 Tz 15 mit zahlreichen weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung des VwGH).
Ob eine natürliche Person der unbeschränkten Einkommensteuerpflicht (§ 1 Abs 2 EStG 1988) oder der beschränkten Einkommensteuerpflicht (§ 1 Abs 3 iVm § 98 EStG 1988) unterliegt, ist eine die Abgabenfestsetzung betreffende Frage, über welche mittels Einkommensteuerbescheides, bei welchem es sich um einen Abgabenbescheid im Sinne des § 198 BAO handelt (vgl etwa Ritz, BAO6 § 198 Tz 5), abzusprechen ist. Letzteres ist gegenständlich auch tatsächlich geschehen, hat doch das Finanzamt im Gefolge einer beim Bf durchgeführten Außenprüfung, in welcher die Frage der unbeschränkten oder beschränkten Einkommensteuerpflicht des Bf ein zentraler Punkt war (vgl Seiten 13 bis 32 des Außenprüfungsberichtes vom ), Einkommensteuerbescheide erlassen. Damit ist aber im Hinblick auf die Subsidiarität von Feststellungsbegehren und Feststellungsbescheiden die vom Bf beantragte Erlassung eines Feststellungsbescheides unzulässig. Vor diesem Hintergrund hat das Finanzamt den Antrag des Bf vom zu Recht zurückgewiesen (vgl auch ).
Es war daher wie im Spruch ersichtlich zu entscheiden.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Unzulässigkeit der Revision):
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Mit der vorliegenden Entscheidung folgt das Bundesfinanzgericht der oben zitierten, ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, weswegen eine Revision nicht zuzulassen war.
Graz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 92 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2021:RV.7101038.2021 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at