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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 25.05.2021, RV/2100786/2018

Steuerfreiheit von SEG-Zulagen

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache D, Adresse, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Graz-Umgebung vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2017 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Gegen den Erstbescheid vom brachte die Beschwerdeführerin (= Bf.) mit Schreiben vom Beschwerde bei der Abgabenbehörde ein und ersuchte um nachträgliche Bearbeitung der von ihr im Zuge der Arbeitnehmerveranlagung 2017 eingebrachten - und vom Finanzamt nicht genügend gewürdigten - Beilage betreffend die Korrektur von zu Unrecht besteuerten Zulagen und gegebenenfalls um Korrektur des Einkommensteuerbescheides.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde mit folgender Begründung ab:

"Stellungnahme des Betriebsstättenfinanzamtes:

Die Firma B richtete im Dezember 2014 an das Finanzamt der Betriebsstätte ein Auskunftsersuchen. Gegenstand der Anfrage war die steuerlich begünstigte Behandlung von Schmutz-, Erschwernis-und Gefahrenzulagen im Sinne des § 68 Abs. 1 EStG 1988.

Um eine rechtlich richtige Beurteilung der ausbezahlten Zulagen vornehmen zu können, wurde ein Lokalaugenschein vor Ort anberaumt.
Das Ergebnis nach einer Besprechung mit den dafür Verantwortlichen ergab, dass Erschwernis- und Schmutzzulagen (mit Ausnahme der in der Pathologie beschäftigten Dienstnehmer) ab steuerpflichtig abzurechnen sind. Die Erfordernisse des § 68 Abs. 1 EStG 1988 waren nicht gegeben.
Die gewährten Gefahrenzulagen können bei der Erfüllung der Voraussetzungen steuerfrei im Sinne des § 68 Abs. 1 EStG 1988 abgerechnet werden.
Die von der Bf aufgestellte Behauptung "die ausbezahlte Erschwerniszulage sei dem wirtschaftlichen Gehalt nach Gefahrenzulage" geht ins Leere; dies wurde nach nochmaliger Rücksprache mit den Verantwortlichen abgeklärt. Aus dem Lohnkonto ist ersichtlich, dass die Erschwerniszulage voll steuerpflichtig abgerechnet wurde und die Gefahrenzulage steuerfrei behandelt wurde und somit die Lohnverrechnung ordnungsgemäß unter Berücksichtigung der gesetzlichen Bestimmungen erfolgt ist."

Mit fristgerechtem Vorlageantrag brachte die Bf. im Wesentlichen vor, dass die Erschwerniszulage (Vergütung nach § 112 GehG) deshalb steuerfrei zu belassen sei, da es sich dabei dem wirtschaftlichen Gehalt nach um eine Gefahrenzulage handle (siehe dazu § 21 BAO). Die Gefahr bestehe in der Tatsache, dass sie erhöhter Infektionsgefahr durch Patientenproben (Stuhl, Blut, Sputum, etc.) ausgesetzt sei, welche primär das gesamte Erregerpotenzial enthalten könnten. Dieser Gefahr sei Sie überwiegend während ihrer gesamten Tätigkeit ausgesetzt. Abschließend beantragte die Bf. die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

Das Bundesfinanzgericht ersuchte die Arbeitgeberin der Bf. mittels Vorhalt um ergänzende Auskünfte zur konkreten Tätigkeit der Bf. sowie um Vorlage der Arbeitsplatzbeschreibung und Stundenaufstellung.

In Beantwortung der Schreiben des Bundesfinanzgerichts an die Arbeitgeberin übersandte diese die gewünschten Unterlagen und nahm zu den an sie gerichteten Fragen wie folgt Stellung:

In welchem Labor war die Bf. im strittigen Jahr tätig?
Antwort: Serologielabor

Welche Gefahreneinstufung hatte dieses Labor?
Antwort: BSL 2 (biosafety-level 2)

Hatte die Bf. im strittigen Jahr mit HIV, Syphilis sowie Meningokokkenproben zu tun und wenn ja, in welchem Ausmaß (überwiegend)?
Antwort: Fr. D hatte im Jahr 2017 überwiegend mit HIV und Syphilis Proben zutun, aber mit keinen Meningokokken-Proben.

Bei der Tätigkeit mit HIV und Syphilis-Proben kommt es hier zu einer tatsächlichen Berührung mit potenziell infizierten Flüssigkeiten/Gewebeproben etc. bei der es zu einer Gefährdung kommen könnte?
Antwort: In tatsächliche Berührung mit potenziell infizierten Flüssigkeiten/Gewebeproben kommt Fr. D nicht, jedoch kann z.B. eine Röhre (mit Blut) zerbrechen. Mit Gewebeproben hat Fr. D nicht zu arbeiten.

In der mündlichen Verhandlung bestätigte die Bf die Richtigkeit der Aussagen ihrer Arbeitgeberin. Der Vertreter der Bf. stellte klar, dass für die Einstufung eines biologischen Arbeitsstoffes als gefährlich der § 42 ASchG ausschlaggebend ist, nicht § 47 ASchG. Ob sodann die Verordnung über biologische Arbeitsstoffe anzuwenden ist ergibt sich inm Rahmen der Beurteilung der arbeitsbedingten Gefährdungen nach § 4 ASchG. Die Bf. legte eine Aufstellung betitelt mit "B/Zentrum für lebensmittelbedingte Infektionskrankheiten Abteilung Klinische Mikrobiologie und Serologie" Untertitel "Bakteriologie: Untersuchungen von humanen Proben: in Harn, Stuhl, Sputum, Blut sowie diverse Abstriche …" mit einer Auflistung von Bakterienbezeichnungen vor. Weiters legte die Bf dem Bundesfinanzgericht die "Gefahrstoffliste der B Graz" vor, welche dem Gericht bereits bekannt und vorliegend war. Die Liste enthält jene Stoffe, die in den einzelnen Räumlichkeiten/Laboren verwendet werden, die Beschreibung der gefährlichen Eigenschaften der Stoffe sowie u.a. deren Verwendungszweck, Menge sowie Expositionszeit/Woche und Relevanz/Evaluierung. Auf dieser Liste konnten 7 (von insgesamt 156) Stoffe der Tätigkeit der Bf. zugeordnet werden (Kennzeichnung "alle Labors" sowie "Serologie Staph RL"). Dabei handelte es sich u.a. um Bacillol, Ethanol 96%, Sterillium, Danklorix Hygienereiniger, welche allesamt zur Wischdesinfektion der Arbeitsflächen eingesetzt werden.

Die Bf. arbeitet mit Maske, Handschuhen und Mantel. Luftabzug ist ebenfalls durchgehend vorhanden. Die Proben (Röhrchen) werden von ihr geöffnet und sodann in die Zentrifuge gegeben, bei Syphilisverdacht erfolgt ein händischer Auftrag der Probe auf ein Tita-Plättchen. Bei Salmonellenverdacht wird das Blut von der Bf. auf die konkrete Art der Salmonellen untersucht.

Auf die Frage der Richterin, welchen gefährlichen Stoffen und in welcher jeweiligen Dauer die Bf. in den strittigen Zeiträumen ausgesetzt war gab die Bf. an, dass sie HIV, Syphilis und Salmonellen ausgesetzt und immer wieder in der Bakteriologie (siehe vorgelegte Liste) tätig war. Auf die Fragem ob es dazu konkrete Aufzeichnungen über Art der gefährlichen Stoffe sowie jeweilige Dauer der Tätigkeit mit diesen vorhanden sind wurde erklärt, dass Grundaufzeichnungen über die Dauer und die Gefährdung nicht geführt werden. Es gibt lediglich Aufzeichnungen über das Ergebnis der Proben, welches allerdings aus Datenschutzgründen nicht vorgelegt werden kann.

In den strittigen Jahren war die Bf mit 24 Wochenstunden teilzeitbeschäftigt, die angefallenen Wochenenddienste (3x im Jahr 2017) waren für die Bakteriologie; dies waren jeweils 3 Std.

Auf Befragen der Richterin gibt der Vertreter bekannt, dass die Tätigkeit von biomedizinischen Analytikerinnen ist in allen mikrobiologischen Laboren gleich (gefährlich) ist.

Der Vertreter der Bf. führte weiter aus, dass die von ihrer Arbeitgeberin ausbezahlte Zulage gemäß § 112 GehG nicht Erschwerniszulage heiße, § 112 GehG sei einschlägig. Die in Labors tätigen biomedizinischen Analytiker seien von § 112 GehG erfasst. Es gäbe abertausend im Bund und Land Tätige, die die Zulage gemäß § 112 GehG steuerfrei ausbezahlt bekämen, nur für die Vertragsbediensteten bei der B GmbH sei die Zulage gemäß § 112 GehG steuerpflichtig. Beamtete medizinisch-technische Assistenten seien steuerfrei, im gesamten öffentlichen Dienst sei § 112 GehG steuerfrei, nur nicht in der B GmbH. Das sei auch logisch, weil der Bundesdienst nicht geprüft werde. Von der Vergütung nach § 112 GehG seien die Erschwernis-, die Gefahren- und die Schmutzzulage erfasst. Sie sei im Jahr 2017 teilzeitbeschäftigt gewesen, es seien damals 24 Stunden in der Woche gewesen.

Lt. Vertreter werden Arbeitslisten in den Laboren geführt. Diese konnten im vorliegenden Fall aufgrund Datenschutz nicht vorgelegt werden, da sie nur auf Papier geführt werden und Patientendaten beinhalten und die Anonymisierung dadurch fast unmöglich scheint.

Die Tätigkeit der Bf. habe sich seit 2014 (der letzten Arbeitsplatzbeschreibung vor jener aus 2017) nicht geändert.

Auf den Hinweis des Vertreters der Abgabenbehörde, dass bereits 2016 ein Verfahren mit derselben Thematik rechtskräftig abgewiesen wurde und dagegen keine weiteren Schritte unternommen wurden entgegnete der Vertreter der Bf., dass aufgrund der im Laufe der Zeit und mehrerer gleichartiger Verfahren nun immer entweder eine Begehung oder eine mündliche Verhandlung beantragt werde um weitere Informationen bzw. Klarstellungen vorzubringen.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Die Beschwerdeführerin war im strittigen Jahr als Vertragsbedienstete bei der Firma B GmbH in einem Serologielabor der Gefahrenklasse BSL 2 (biosafety level) tätig.

Die biologische Schutzstufe (entlehnt aus dem englischen biosafety level, kurz BSL) ist eine Gefährlichkeitseinstufung biologischer Arbeitsstoffe, insbesondere von Mikroorganismen. Diese wird durch die EU-Richtlinie 2000/54/EG über den Schutz der Arbeitnehmer gegen Gefährdung durch biologische Arbeitsstoffe bei der Arbeit für die Europäische Union normiert und in der Biostoffverordnung in Deutschland eingeführt. Laboratorien, in denen mit biologischen Arbeitsstoffen umgegangen wird, müssen bestimmte Schutzmaßnahmen treffen. Dementsprechend werden die Laboratorien in vier definierte Schutzstufen eingeteilt, wobei Schutzstufe 4 die höchsten Anforderungen aufweist.

Die Risikostufe 2 wird nachfolgend definiert:

"Biostoffe, die eine Krankheit beim Menschen hervorrufen können und eine Gefahr für Beschäftigte darstellen könnten; eine Verbreitung in der Bevölkerung ist unwahrscheinlich; eine wirksame Vorbeugung oder Behandlung ist normalerweise möglich." (§ 3 Biostoffverordnung) (vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Biologische_Schutzstufe)

Die (dort von der Bf. ausgeübte) Tätigkeit als biomedizinische Analytikerin umfasst unter anderem die Durchführung von mikrobiologischen Untersuchungsverfahren der Abteilung entsprechend den Arbeitsvorschriften, die Selbständige Planung von Prüfungen und Auswertung der Ergebnisse, Probenaufnahme und Registrierung, die Erstellung von Befunden sowie Erteilung von Befundauskünften, Selbständige Untersuchung von Abstrichen, Körperflüssigkeiten und Ausscheidungen des Menschen auf bakterielle, virale, mykotische und parasitäre Erreger übertragbarer Krankheiten, Prüfung der Erreger auf Empfindlichkeit gegen Antibiotika und Chemotherapeutika, Serologische Labordiagnostik.

Auf die detaillierten Angaben in der (vorliegenden) Arbeitsplatzbeschreibung sowie die zusätzlich von der Arbeitgeberin übermittelten Informationen wird verwiesen. Wochenenddienst wurde im strittigen Jahr 3x verrichtet, jeweils in der Bakteriologie für 3 Std.

Die Tätigkeit der Bf. hat sich seit 2014 laut eigenen Aussagen nicht verändert. Bereits 2016 hatte die Bf. eine Beschwerde an das Bundesfinanzgericht bezüglich der Anerkennung der Erschwerniszulage als steuerfrei eingebracht, welche als unbegründet abgewiesen wurde und das Erkenntnis in Rechtskraft erwuchs.

Die Tätigkeit der Bf. stellt im Vergleich zu den allgemein üblichen Arbeitsbedingungen innerhalb ihrer Berufssparte keine außerordentliche Erschwernis dar.

Die Bf. erhielt im beschwerdegegenständlichen Zeitraum, von ihrer Arbeitgeberin eine steuerfreie Gefahrenzulage sowie eine als steuerpflichtig abgerechnete Erschwerniszulage (auf Basis des § 112 GehG).

Diese Zulagenabrechnung durch die B GmbH erfolgte entsprechend einer erteilten Auskunft des zuständigen Betriebsfinanzamtes (vgl. § 90 EStG 1988) zu einer von der Arbeitgeberin gestellten sachverhaltsbezogenen Anfrage bezüglich der steuerlichen Behandlung der an ihre Arbeitnehmer ausbezahlten Schmutz-, Erschwernis- und Gefahrenzulagen.

2. Beweiswürdigung

Die Feststellungen hinsichtlich der ausgeübten Tätigkeit sind der von der B GmbH am erstellten Arbeitsplatzbeschreibung für die Bf. entnommen.

Die 2017 an die Bf. ausbezahlten (SEG-) Zulagen ergeben sich aus dem (vom Betriebsfinanzamt an das bezeichnete Wohnsitzfinanzamt übermittelten) Lohnkonto.

Zur Klärung der Problematik der Gewährung einer steuerfreien Schmutz-, Erschwernis- oder Gefahrenzulage ihrer Dienstnehmer richtete die Arbeitgeberin am ein Auskunftsersuchen an das (für den Lohnsteuerabzug zuständige) Betriebsfinanzamt. Gegenstand dieser Anfragegemäß § 90 EStG 1988 war die steuerlich begünstigte Behandlung von Schmutz-, Erschwernis- und Gefahrenzulage (SEG) iSd § 68 EStG 1988.

Um eine rechtlich richtige Beurteilung der ausbezahlten Zulagen vornehmen zu können, wurde vom ersuchten Finanzamt ein Lokalaugenschein vor Ort der Wiener Niederlassung mit anschließender Gesprächsrunde durchgeführt. Dazu wurden auch Tätigkeitsbeschreibungen des Arbeitgebers sowie die Ergebnisse der Befragung von Dienstnehmern herangezogen. Nachfolgende Beurteilung erging sodann:

"Aufgrund der Tätigkeiten und Tätigkeitsbeschreibungen entspricht es der Rechtsansicht des hierortigen Finanzamtes, die Gefahrenzulage unter der Begünstigung des § 68 Abs. 1 EStG 1988 zu subsumieren. Voraussetzung dafür ist aber, dass überwiegend im Lohnzahlungszeitraum solche Tätigkeiten, die die Gesundheit, die körperliche Sicherheit oder das Leben der Arbeitnehmer gefährden, erbracht werden.

Es empfiehlt sich in regelmäßigen Abständen, etwas alle zwei bis drei Jahre zu überprüfen, ob sich die Tätigkeiten und somit die Gefährdung durch technische bzw. wissenschaftliche Weiterentwicklungen verändert haben-

Sollte deine Gefahrenzulage auch für etwaige Schreibtätigkeiten gewährt werden bzw. sollten Schreibtätigkeiten neben den einzelnen gefährlichen Tätigkeiten überwiegend im Lohnzahlungszeitrau, also zu mehr als 50% Arbeitszeit) geleistet werden, sin die Voraussetzungen für eine steuerbegünstigte Behandlung der Zulagen im Sinne des § 68 Abs. 1 ESTG 1988 nicht gegeben.

Erschwerniszulage

Nach ho Rechtsansicht finden sich im gegenständlichen Fall nicht die vom Gesetzgeber geforderten Voraussetzungen, damit die Erschwerniszulage begünstigt gem. § 68 Abs. 1 EStG 1988 behandelt werden kann. Eine steuerbegünstigte Gewährung einer Erschwerniszulage setzt voraus, dass Arbeiten überwiegend (zu mehr als 50% Arbeitszeit) unter Umständen geleistet werden, die im Vergleich zu den allgemein üblichen Arbeitsbedingungen eine außerordentliche Erschwernis darstellen (….)

Abschließend wird darauf hingewiesen, dass während des Urlaubs im Gegensatz zum Krankenstand eine SEG-zulage nicht steuerbegünstigt gem. § 68 Abs. 1 EStG 1988 behandelt werden kann. Es bestehen dabei aber keine Bedenken die Zulage während eines Kalendermonats steuerpflichtig zu behandeln. "

Seitens der Bf. wurde im Hinblick auf die außerordentliche Erschwernis ihrer Tätigkeit weder bekanntgegeben, noch nachgewiesen, um welche Arbeiten es sich im Einzelnen gehandelt habe und wann bzw. in welchem Umfang diese geleistet worden seien.

3. Rechtslage:

Gemäß § 68 Abs. 1 EStG 1988 sind Schmutz-, Erschwernis- und Gefahrenzulagen, sowie Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit und mit diesen Arbeiten zusammenhängende Überstundenzuschläge insgesamt bis € 360 monatlich steuerfrei.

Soweit Zulagen und Zuschläge durch die Abs. 1 und 2 nicht erfasst werden, sind sie nach dem Tarif zu versteuern (Abs. 3 leg. cit.).

§ 68 Abs. 5 EStG lautet:

"Unter Schmutz-, Erschwernis- und Gefahrenzulagen sind jene Teile des Arbeitslohneszu verstehen, die dem Arbeitnehmer deshalb gewährt werden, weil die von ihm zu leistendenArbeiten überwiegend unter Umständen erfolgen, die

• in erheblichem Maß zwangsläufig eine Verschmutzung des Arbeitnehmers und seiner Kleidung bewirken,
• im Vergleich zu den allgemein üblichen Arbeitsbedingungen eine außerordentliche Erschwernisdarstellen, oder
• infolge der schädlichen Einwirkungen von gesundheitsgefährdenden Stoffen oder Strahlen, von Hitze, Kälte oder Nässe, von Gasen, Dämpfen, Säuren, Laugen, Staub oder Erschütterungenoder infolge einer Sturz- oder anderen Gefahr zwangsläufig eine Gefährdung von Leben,Gesundheit oder körperlicher Sicherheit des Arbeitnehmers mit sich bringen.

Diese Zulagen sind nur begünstigt, soweit sie

1. auf Grund gesetzlicher Vorschriften,
2. auf Grund von Gebietskörperschaften erlassener Dienstordnungen,

3. auf Grund aufsichtsbehördlich genehmigter Dienst(Besoldungs)ordnungen der Körperschaften des öffentlichen Rechts,
4. auf Grund der vom Österreichischen Gewerkschaftsbund für seine Bediensteten festgelegten Arbeitsordnung,
5. auf Grund von Kollektivverträgen oder Betriebsvereinbarungen, die auf Grund besonderer kollektivvertraglicher Ermächtigungen abgeschlossen worden sind,
6. auf Grund von Betriebsvereinbarungen, die wegen des Fehlens eines kollektivvertragsfähigenVertragsteiles (§ 4 des Arbeitsverfassungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1974) auf der Arbeitgeberseite zwischen einem einzelnen Arbeitgeber und dem kollektivvertragsfähigen Vertragsteil auf der Arbeitnehmerseite abgeschlossen wurden,
7. innerbetrieblich für alle Arbeitnehmer oder bestimmte Gruppen von Arbeitnehmern gewährt werden (Abs. 5 leg. cit.)."

§ 112 Abs. 1 GehG 1956 lautet (auszugsweise):

"Den Beamten des Krankenpflegedienstes gebührt für die mit ihrer Dienstleistung verbundenen Belastungen eine monatliche Vergütung. Die Vergütung beträgt: (..)"

3.1. Rechtliche Beurteilung

Strittig ist, ob die der Bf. im Jahr 2017 gewährte (als Erschwerniszulage bezeichnete) Vergütung nach § 112 GehG unter der Steuerbegünstigung des § 68 Abs. 1 EStG1988 zu subsumieren ist oder nicht.

Die Steuerbefreiung für Gefahrenzulagen oder Erschwerniszulagen hat zur Voraussetzung, dass die zu leistenden Arbeiten - worunter nur die vom Arbeitnehmer auf Grund des Dienstverhältnisses schlechthin zu erbringende Arbeitsleistung verstanden werden kann - überwiegend unter Umständen ausgeführt werden, die zwangsläufig eine Gefährdung von Leben, Gesundheit oder körperlicher Sicherheit des Arbeitnehmers mit sich bringen oder die Arbeiten eine außerordentliche Erschwernis darstellen.

Die Frage der Gefährdung von Leben, Gesundheit oder körperliche Sicherheit oder die der außerordentlichen Erschwernis ist also nicht allein anhand jener Arbeiten zu untersuchen, mit denen diese Gefährdung oder Erschwernis verbunden sind. Vielmehr ist bezogen auf die gesamten vom Arbeitnehmer zu leistenden Arbeiten innerhalb eines Lohnzahlungszeitraumes im Sinne des § 77 EStG 1988 zu prüfen, ob sie überwiegend eine solche Gefahrenlage oder Erschwernis bewirken. Es müssen also in zeitlicher Hinsicht die Tätigkeiten, die mit einer Gefährdung oder Erschwernis verbunden sind, überwiegen (). Die Möglichkeit der Gefahr oder Erschwernis kann somit nicht berücksichtigt werden, wenn die damit verbundene Tätigkeit nur einen geringen Teil der Arbeitszeit, für die eine Zulage zusteht, ausmacht ().

Von Arbeiten unter außerordentlicher Erschwernis kann nur dann gesprochen werden, wenn sie sich entweder selbst als außerordentlich schwierig erweisen, unter außerordentlich schwierigen Bedingungen auszuführen oder besonders dringlich sind (; Jakom/Lenneis EStG, 2018, § 68 Rz 7). Der Vergleich zu den allgemein üblichen Arbeitsbedingungen muss innerhalb der jeweiligen Berufsgruppe gezogen werden (vgl. ).

Es muss vom Steuerpflichtigen nachgewiesen werden, um welche Arbeiten es sich im Einzelnen gehandelt hat und wann sie geleistet wurden ().

Die Bf. hat weder im Verwaltungsverfahren noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren behauptet oder vorgebracht, dass die von ihr zu verrichtenden Arbeiten seien unter einer außerordentlichen Erschwernis erfolgt. Es wurde stets nur darauf hingewiesen, die strittige Zulage stelle eine Gefahrenzulage dar. Auch aus den von der Arbeitgeberin vorgelegten Unterlagen (Arbeitsplatzbeschreibung) und den Feststellungen des Finanzamtes der Betriebsstätte ließen sich keine Hinweise dafür entnehmen, dass die von der Beschwerdeführerin in verrichteten Arbeiten im Vergleich zu den allgemeinen Arbeitsbedingungen eine außerordentliche Erschwernis darstellt hätten.

Die Bf hat in der mündlichen Verhandlung vorgebracht, sie habe bei ihren Untersuchungen mit Blut oder anderen Körperausscheidungen zu tun und von den für die Untersuchungen erforderlichen Arbeitsstoffen ginge eine Gefährdung aus. Es ist der Bf zwar zuzustimmen, dass das Arbeiten mit potenziell infektiösen Materialien eine Gefährdung der Gesundheit bzw. des Lebens mit sich bringen können () oder bei Arbeitnehmern, die mit fremden Blut oder Harn in Kontakt kommen können, eine entsprechende Zulage steuerbegünstigt gewährt werden kann, jedoch führten diese Ausführungen nicht zum Erfolg der Beschwerde.

Für diesen gesundheitsgefährdenden Aspekt ihrer Tätigkeit erhielt die Bf. eine (vom Arbeitgeber steuerfrei belassene) Gefahrenzulage, die diese typische Berufsgefahr entsprechend abgilt (vgl. etwa ).
In Bezug auf die Vorlage eines Nachweises und auf die Frage nach Grundaufzeichnungen erklärt die Bf., dass Aufzeichnungen über die Dauer und die Gefährdung nicht geführt werden. Es gibt lediglich Aufzeichnungen über das Ergebnis der Proben, welches allerdings aus Datenschutzgründen nicht vorgelegt werden kann. Zu den Stoffen, die lt. Gefahrstoffliste ihres Arbeitgebers bei der Tätigkeit der Bf. verwendet werden ist festzuhalten, dass selbst nach den Angaben in dieser Liste der Arbeitsstoffe ("Gefahrstoffliste B) von den in den Labors und am Arbeitsplatz der Bf. verwendeten Arbeitsstoffen keine oder keine besonderen Gefährdungen zu erwarten sind und diese Stoffe unter Benützung entsprechender Schutzkleidung und technischer Schutzmaßnahmen verwendet werden. Aus den Angaben in dieser Liste lässt sich auch ableiten, dass sogar von fast allen, vom Institut für Humanmedizin verwendeten Arbeitsstoffen keine oder keine besonderen Gefährdungen zu erwarten sind.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist für die Anerkennung einer steuerlichen Begünstigung aber ein Nachweis erforderlich, um welche Arbeiten es sich im Einzelnen gehandelt at und wann diese geleistet worden sind.

Zu erbringen ist der Nachweis durch das Lohnkonto und die zugehörigen Grundaufzeichnungen, muss doch den Abgabenbehörden eine entsprechende Überprüfungsmöglichkeit geboten sein (so schon , § 3 Abs 1 Z 16 EStG 1967 E 1). Die spätere Rekonstruierbarkeit (, § 68 EStG 1972 E 14), sei es auf Grund nicht näher aufgegliederter Eintragungen im Lohnkonto über ausgezahlte Zulagen, sei es auf Grund von Kollektivverträgen, Dienstplänen, Zeugenaussagen oder nachträglich beigebrachten eidesstättigen Erklärungen der Arbeitnehmer reichen zum Nachweis nicht aus (VwGH aaO E 5, 8, 9, 14, 18) Fellner in Hofstätter/Reichel (Hrsg), Die Einkommensteuer (EStG 1988) - Kommentar (54. Lfg 2013) zu § 68 EStG Rz 33

Einen solchen Nachweis hat die Bf. allerdings im Verwaltungsverfahren sowie im Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht nicht erbracht.

Unterlässt es nun der Abgabepflichtige, die nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts-hofes erforderlichen überprüfbaren Nachweise zu erbringen, sind die Abgabenbehörde und das Bundesfinanzgericht nicht gehalten, von sich aus eigene Ermittlungen anzustellen. Vielmehr hat der Abgabepflichtige, der eine abgabenrechtliche Begünstigung in Anspruch nimmt bzw. nehmen will, selbst einwandfrei und unter Ausschluss jeden Zweifels das Vorliegen jener Umstände darzulegen, auf die die abgabenrechtliche Begünstigung gestützt werden kann (; , mwN).

Die dem Bundesfinanzgericht vorliegenden Unterlagen und die Ausführungen der Bf. vermochten diesen Nachweis nicht zu erbringen. Die von der Bf. angegebene "durchschnittliche Zahl der Arbeitsstunden mit Gefährdung im Monat" von "96" (also die vollen 24 Wochenstunden) wurde durch keine Unterlagen nachgewiesen.

Im Übrigen wird auf das ho ergangene Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes zu RV/2100708/2017 (betreffend Einkommensteuererklärung 2016 und derselben Thematik) verwiesen.

Betreffend die strittige Vergütung sind daher die in § 68 EStG 1988 geforderten Voraussetzungen für die Gewährung der Steuerfreiheit nicht gegeben.

Auch in vergleichbaren Beschwerdefällen wurden die Begehren auf steuerliche Begünstigung der als Erschwerniszulage bezeichneten Vergütung als unbegründet abgewiesen (zum Beispiel ; ). Festzuhalten ist noch, dass der Umstand, dass ein für die Beschwerdeführerin einschlägiges Gesetz eine Vergütung für die mit der Dienstleistung verbundenen besonderen Belastungen vorsieht, nicht als Erfüllung der Voraussetzungen des § 68 Abs. 5 EStG 1988 angesehen werden kann. Die lohngestaltende Regelung kann in typisierender Betrachtung auf eine allgemein gegebene Gefahrengeneigtheit abstellen. § 68 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 5 EStG 1988 stellt hingegen darauf ab, dass tatsächlich nach den konkreten Verhältnissen des Einzelfalls eine Berufsgefahr (überwiegend) besteht ().

3.2. Zur Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Das Bundesfinanzgericht ist von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht abgewichen, sondern hat sich auf diese sowie auf den klaren und eindeutigen Wortlaut der einschlägigen Bestimmungen und auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gestützt.

Da im gegenständlichen Beschwerdeverfahren keine Rechtsfragen aufgeworfen worden sind, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, ist eine Revision nicht zulässig.

Aus den dargestellten Erwägungen war spruchgemäß zu entscheiden.

Graz, am

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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.2100786.2018

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at