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Bescheidbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 28.04.2021, RV/2101119/2016

Beschwerde einer gem. § 10 FBG gelöschten GmbH, Beitritt des ehem. Gf

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, betreffend Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Graz-Stadt vom betreffend Umsatzsteuerfestsetzung 2016 Steuernummer ***BF1StNr1*** beschlossen:

Die Beschwerde vom wird als gegenstandslos erklärt.

Das Beschwerdeverfahren wird eingestellt.

Eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 iVm Abs. 9 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Begründung

Mit Bescheid des Finanzamtes Graz-Stadt vom wurde der ***Bf1*** (Bf.) die Umsatzsteuer für 1/2016 festgesetzt.

Dagegen wurde fristgerecht mit Eingabe vom Beschwerde eingebracht.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom hat das Finanzamt die Beschwerde zurückgewiesen, da die Bf. am gemäß § 10 FBG von Amts wegen im Firmenbuch gelöscht worden sei.

Alleingesellschafter der Bf. war die ***1*** (Ltd.), die am im englischen Gesellschaftsregister gelöscht wurde.

Gegen die BVE wurde mit Eingabe vom fristgerecht ein Vorlageantrag eingebracht, zugleich wurde durch den ehemaligen organschaftlichen Vertreter der Beitritt gem. § 257 BAO zur Beschwerde erklärt.

Der Einschreiter war ab bis zur Löschung der Bf. alleiniger Geschäftsführer.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

§ 79 Bundesabgabenordnung (BAO) lautet:
Für die Rechts- und Handlungsfähigkeit gelten die Bestimmungen des bürgerlichen Rechtes. § 2 Zivilprozessordnung ist sinngemäß anzuwenden.

§ 257 BAO lautet:
(1) Einer Bescheidbeschwerde, über die noch nicht rechtskräftig entschieden wurde, kann beitreten, wer nach Abgabenvorschriften für die den Gegenstand des angefochtenen Bescheides bildende Abgabe als Gesamtschuldner oder als Haftungspflichtiger in Betracht kommt.
(2) Wer einer Bescheidbeschwerde beigetreten ist, kann die gleichen Rechte geltend machen, die dem Beschwerdeführer zustehen.

Gemäß § 10 Abs. 2 FBG kann das Gericht eine Eintragung in das Firmenbuch von Amts wegen löschen, wenn eine Eintragung in das Firmenbuch mangels einer wesentlichen Voraussetzung unzulässig ist.

Die Ltd. war eine nach englischem Gesellschaftsrecht (Companies Act) errichtete Private Limited Company und war im englischen Gesellschaftsregister (House of Companies) eingetragen. Am wurde die Ltd. im englischen Gesellschaftsregister gelöscht.

In weiterer Folge wurde nach Beschluss des Landesgerichtes für ZRS die Bf. mangels Gesellschafter am im Firmenbuch gelöscht.

Die Beendigung (dissolution) bewirkt, dass die Existenz der Gesellschaft als Rechtsträger (juristische Person) aufhört und die Vertretungsbefugnisse enden (). Mit der Löschung einer solchen Gesellschaft im Gesellschaftsregister hört diese nach englischem Recht zu existieren auf.

Ist eine Gesellschaft nach dem für sie maßgeblichen Recht des Gründungsstaates erloschen, ist dieser Status auch in Österreich rechtsverbindlich, weil sich die Rechts- und Handlungsfähigkeit einer in einem Mitgliedstaat errichteten Gesellschaft nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs nach dem Recht des Gründungsstaates beurteilt, auch wenn sie im Gründungsstaat nur ihren statutarischen Sitz hat und dort keine Geschäftstätigkeit entfaltet.

Damit gilt bzw. galt für die Ltd. das englische Gesellschaftsrecht. Sie ist seit ihrer Löschung im Gesellschaftsregister am nicht mehr handlungs- und prozessfähig.

Durch diese Löschung gibt es bei der Bf. keinen Gesellschafter mehr und ist eine wesentliche Voraussetzung für das Bestehen der Gesellschaft weggefallen.

Der Verlust der Rechts- und Handlungsfähigkeit im Sinne des § 79 BAO bewirkt einerseits, dass die Bf. keine Prozesshandlungen mehr setzen kann und andererseits, dass das Finanzamt ihr gegenüber keine rechtswirksamen Erledigungen mehr erlassen kann, weil die mit der "Personenumschreibung" getroffene Wahl des Normadressaten wesentlicher Bestandteil jedes Bescheides ist:

Die Benennung jener Person, der gegenüber die Behörde die in Betracht kommende Angelegenheit des Verwaltungsrechtes in förmlicher Weise gestalten will, ist notwendiges, auch deutlich und klar zum Ausdruck zu bringendes Inhaltserfordernis des individuellen Verwaltungsaktes und damit konstituierendes Bescheidmerkmal ().

An nicht (mehr) existente Gesellschaften gerichtete Bescheide gehen ins Leere (, sowie Ritz, BAO5, § 97 Tz 2).

Für den hier vorliegenden Fall bedeutet das, dass die Beschwerden vom in Ermangelung eines Bescheidadressaten nicht mehr erledigt werden können.

Damit ist das Verfahren nicht über das Stadium des Erstbescheides hinausgekommen. Der ehemalige Abgabepflichtige kann mangels rechtlicher Existenz keine Verfahrenshandlungen setzen und das Finanzamt kann keine Erledigung erlassen.

Auch die Zuständigkeit des Bundesfinanzgerichts für eine materiellrechtliche Erledigung ist daher nicht gegeben.

Daran vermag auch der Beitritt zu den Beschwerden des ehemaligen gesetzlichen Vertreters und nunmehrigen Einschreiters nichts zu ändern. Der Einschreiter erklärte am seinen Beitritt zur Beschwerde.

Aus § 257 Abs. 2 BAO ergibt sich, dass der Beitretende nicht mehr Rechte geltend machen kann als der Beschwerdeführer selbst ().

Aus dem Recht, einem Rechtsmittel beizutreten, lässt sich nach Ansicht des VwGH nicht auch das Recht ableiten, das Rechtsmittel selbst zu ergreifen ( oder ).

Dem Einschreiter fehlt seit der Löschung der Bf. die Antragslegitimation sowohl als ehemaliger gesetzlicher Vertreter als auch als Beitretender zu den Beschwerden.

Da die Rechtspersönlichkeit der Beschwerdeführerin durch die Auflösung und Löschung der Alleingesellschafterin im englischen Gesellschaftsregister und auch durch die eigene Löschung im österreichischen Firmenbuch beendet worden ist, war die gegenständliche Beschwerde als gegenstandslos zu erklären und das Beschwerdeverfahren einzustellen.

Eine Zustellung an die Beschwerdeführerin kann im Hinblick auf das Erlöschen der Parteifähigkeit unterbleiben. Zur Bestellung eines Kurators gemäß § 82 Abs. 2 BAO besteht in einem solchen Fall kein Anlass (). Sohin ist die alleinige Zustellung an die Amtspartei ausreichend.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zur Unzulässigkeit einer Revision

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil der Beschluss von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Gegenstandsloserklärung ergibt sich schon aus dem Gesetzestext, sodass eine Revision nicht zuzulassen war. In der höchstgerichtlichen Judikatur wurde klargestellt, dass eine nicht mehr existierende juristische Person nicht mehr handlungs- und prozessfähig ist. Zudem stützt sich die Entscheidung auf das Judikat Ro 2014/13/0035 des Verwaltungsgerichtshofs. Im gegenständlichen Beschwerdeverfahen sind somit keine Rechtsfrage aufgeworfen worden, denen iSd Art 133 Abs. 4 iVm Abs. 9 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, weshalb eine Revision nicht zulässig ist.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 79 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 257 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 10 FBG, Firmenbuchgesetz, BGBl. Nr. 10/1991
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.2101119.2016

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at