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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 07.05.2021, RV/7400048/2021

Haftungsbescheid betreffend Kommunalsteuer und Wiener Dienstgeberabgabe; Ermessensübung angesichts lange verstrichener Zeit - fortgesetztes Verfahren

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des ***MA*** vom betreffend Haftungsinanspruchnahme zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 Bundesabgabenordnung (BAO) als unbegründet abgewiesen. Der angefochtene Haftungsbescheid vom bleibt unverändert.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensverlauf

Mit Erkenntnis vom , RV/7400020/2020, gab das Bundesfinanzgericht der Beschwerde des Beschwerdeführers (in der Folge abgekürzt Bf) vom betreffend die Haftungsinanspruchnahme für die Kommunalsteuer iHv 3.026,49 Euro bzw. die (Wiener) Dienstgeberabgabe iHv 404 Euro, jeweils für den Zeitraum Jänner bis September 2014 und ohne Berücksichtigung der Nebengebühren, teilweise Folge.

Dieses Erkenntnis wurde nach außerordentlicher Revision der belangten Behörde vom vom Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom , Ra 2020/13/0102, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Entscheidungsrelevanter Sachverhalt

Der entscheidungsrelevante unstrittige Sachverhalt entspricht dem im aufgehobenen Erkenntnis vom , RV/7400020/2020, dargestellten Sachverhalt. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die dortigen Ausführungen verwiesen.

Verfahrensgegenständlich ist der angefochtene Haftungsbescheid vom , mit dem der Bf für die folgenden, unberichtigt aushaftenden Abgabenschuldigkeiten der A-GmbH (in der Folge Gesellschaft) iHv insgesamt 3.499,10 Euro in Anspruch genommen wurde:

Abgabenart Zeitraum Betrag

Kommunalsteuer 01-09/2014 3.026,49

Säumniszuschlag 60,53

Dienstgeberabgabe 01-09/2014 404,00

Mahngebühren 8,08

Summe 3.499,10

Rechtsgrundlagen und rechtliche Beurteilung

Das Bundesfinanzgericht hat bereits im hg. Erkenntnis vom , RV/7400020/2020, ausgeführt, dass die Inanspruchnahme des Bf als Haftungspflichtigen für die Abgabenschuldigkeiten der Gesellschaft grundsätzlich zu Recht erfolgt ist. Zu den einschlägigen Rechtsgrundlagen und den sich aus dem festgestellten Sachverhalt ergebenden Rechtsfolgen wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf dieses Erkenntnis verwiesen.

In der außerordentlichen Revision vom hat die belangte Behörde Einwendungen gegen das Ausscheiden der Abgabenbeträge betreffend die Monate Jänner und Februar 2014 aus der Haftungssumme sowie die Reduzierung der Haftungsbeträge um 40% wegen langer Verfahrensdauer vorgebracht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat dazu im Erkenntnis vom , Ra 2020/13/0102, wie folgt ausgeführt:

"Die Revision zeigt zutreffend auf, dass sich ein Geschäftsführer bei Übernahme seiner Funktion auch darüber zu unterrichten hat, ob und in welchem Ausmaß die von ihm nunmehr vertretene Gesellschaft bisher ihren steuerlichen Verpflichtungen nachgekommen ist, weil die Pflicht der Gesellschaft zur Abgabenentrichtung erst mit deren Abstattung endet. Die Gesellschaft bleibt verpflichtet, Abgabenschuldigkeiten, mit deren Abfuhr oder Einzahlung sie in Rückstand geraten ist, zu erfüllen und zur Erfüllung dieser Verpflichtung ist der Geschäftsführer der Gesellschaft verhalten (vgl. z.B. ; , 2012/16/0100; , 2013/16/0208; , Ro 2014/16/0019).

Zutreffend ist überdies der Einwand der Revision, dass die Kommunalsteuer und die Dienstgeberabgabe für Februar 2014 erst mit und sohin zu einem Zeitpunkt fällig wurden, zu dem der Mitbeteiligte bereits zum Geschäftsführer bestellt war.

Das angefochtene Erkenntnis, dem eine davon abweichende Rechtsaufsicht zu Grunde liegt, war daher schon aus diesen Gründen gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, ohne dass auf die in der Revision ebenfalls gerügte Ermessensübung des Bundesfinanzgerichts einzugehen war."

Aus diesen rechtlichen Erwägungen des Höchstgerichtes ist eindeutig ableitbar, dass beim gegebenen Sachverhalt den Bf die Verantwortlichkeit nicht nur für die Dauer seiner Organfunktion, sondern auch für die diesbezüglichen Vorzeiträume trifft. Die aliquoten Beträge für die Monate Jänner und Februar 2014 betreffend die Kommunalsteuer und die Dienstgeberabgabe sind daher in die Haftungssumme miteinzubeziehen.

Auf die Ermessensübung des Bundesfinanzgerichtes im hg. Erkenntnis vom , nach der eine Reduzierung der Haftungsbeträge um 40% wegen der verstrichenen Zeit zwischen dem Zeitpunkt der Uneinbringlichkeit und der Geltendmachung der Haftung erfolgte, ist der Verwaltungsgerichtshof nicht (mehr) eingegangen.

Gemäß § 20 BAO müssen sich Entscheidungen, die die Abgabenbehörde nach ihrem Ermessen zu treffen haben (Ermessensentscheidungen), in den Grenzen halten, die das Gesetz dem Ermessen zieht. Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommender Umstände zu treffen.

Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist im Rahmen des Ermessens auch die Unbilligkeit angesichts lange verstrichener Zeit zu berücksichtigen. Ein langer Zeitabstand zwischen dem Entstehen der Abgabenschuld oder der Feststellung der Uneinbringlichkeit der Abgaben bei der Primärschuldnerin einerseits und der bescheidmäßigen Inanspruchnahme zur Haftung andererseits ist ein Umstand, den die Abgabenbehörde bei der Inanspruchnahme zur Haftung im Sinne des Ermessens nicht außer Betracht lassen darf (vgl ; , 2006/13/0159).

Um diese Unbilligkeit angesichts lange verstrichener Zeit hintanzuhalten, ist eine Haftungsinanspruchnahme geboten, die zeitnah zum Feststehen der Uneinbringlichkeit der Abgaben bei der Primärschuldnerin erfolgt. Im Fall des Konkurses einer Gesellschaft steht die Uneinbringlichkeit bspw regelmäßig nach Verteilung des Massevermögens und erfolgter Konkursaufhebung fest, sodass die Entscheidung über die Geltendmachung der Haftung in einem angemessenen Zeitraum nach diesem Zeitpunkt erfolgen muss. Die Angemessenheit hängt dabei von den Umständen des Einzelfalles ab.

Im gegenständlichen Fall wurde die Gesellschaft, die erst am gegründet worden war, bereits am - ohne Durchführung eines Insolvenzverfahrens - infolge Vermögenslosigkeit im Firmenbuch gelöscht. Damit stand die Uneinbringlichkeit der Abgabe bei der Primärschuldnerin fest. Die Heranziehung des Bf zur Haftung erfolgte mit dem angefochtenen Bescheid vom , somit erst ca 4½ Jahre später.

Die belangte Behörde hat dazu in ihrer Revisionsschrift vom zusammengefasst ausgeführt, dass es sich bei der Primärschuldnerin um eine Betrugsfirma gehandelt habe, deren Geschäftsführer, dh der Bf, nicht greifbar gewesen sei, weil er sich im Ausland aufgehalten habe. Die längere Verfahrensdauer habe sich dadurch ergeben, dass der abgabenrechtliche Sachverhalt aufwendig ermittelt werden musste. Zudem habe die Behörde nach Übermittlung des Prüfergebnisses der gemeinsamen Prüfung lohnabhängiger Abgaben zügig Ermittlungen durchgeführt und nach Abschluss dieser Erhebungen zeitnah das Haftungsverfahren eingeleitet.

Diese Angaben decken sich im Wesentlichen mit der Aktenlage, wobei auch auf den Umstand hinzuweisen ist, dass im Rahmen der Außenprüfung von der Gesellschaft keinerlei Unterlagen vorgelegt wurden.

Im gegenständlichen Fall lagen somit wegen der fehlenden Mitwirkung der Gesellschaft bzw ihrer Vertreter im Prüfungsverfahren und der notwendigen behördlichen Erhebungsmaßnahmen im Ausland besondere Umstände vor, die die späte Inanspruchnahme des Bf zur Haftung rechtfertigen. Die Unbilligkeit der Geltendmachung der Haftung angesichts lange verstrichener Zeit war gegenüber der von der belangten Behörde ins Treffen geführten Gründe somit nicht zu berücksichtigen und die Beschwerde zur Gänze abzuweisen.

Aus den dargelegten Gründen war spruchgemäß zu entscheiden.

Unzulässigkeit einer ordentlichen Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im gegenständlichen Fall liegt keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor, da das Erkenntnis im fortgesetzten Verfahren ergeht und der Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofes im Erkenntnis vom , Ra 2020/13/0102, entspricht bzw im Übrigen der angeführten ständigen Rechtsprechung des Höchstgerichtes folgt. Eine ordentliche Revision ist daher nicht zulässig.

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Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Landesabgaben Wien
betroffene Normen
§ 20 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise


ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.7400048.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at