Kein Wiederaufnahmegrund bei BFG-Erkenntnis
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. Gabriele Grossgut-Palotás in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Dr. Obermoser Wirtschaftstreuhand GmbH, Steuerberatungsgesellschaft, St.Johanner Straße 49a, 6370 Kitzbühel, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des FA XYZ vom betreffend Abweisung des Antrages auf Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 BAO hinsichtlich Einkommensteuer 2005 bis 2010 zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang
Angefochten ist der Bescheid über die Abweisung des Antrages auf Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Einkommensteuer 2005 bis 2010.
Der Beschwerdeführer brachte seine Erklärungen zur Arbeitnehmerveranlagung 2005 bis 2009 elektronisch ein, die jeweils erklärungsgemäß veranlagt wurden (Bescheide vom , , , , ). Hinsichtlich der ebenfalls elektronisch eingebrachten Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2010 anerkannte das Finanzamt Fahrtkosten mangels Vorlage von Unterlagen nicht als Werbungskosten (Bescheid vom ), nahm gleichzeitig das Verfahren für die Jahre 2005 bis 2009 wieder auf und erließ neue Sachbescheide, in denen die beantragten Fahrtkosten ebenfalls nicht anerkannt wurden (Bescheide jeweils vom ). Die dagegen eingebrachte Beschwerde wies das Bundesfinanzgericht mit Erkenntnis vom , RV/5100819/2013 als unbegründet ab; auf die Begründung wird verwiesen.
Mit Schriftsatz vom beantragte der Beschwerdeführer durch seine steuerliche Vertreterin, das Verfahren betreffend Einkommensteuer 2005 bis 2010 gemäß § 303 BAO wiederaufzunehmen, da Tatsachen und Beweismittel neu hervorgekommen seien, die bei Kenntnis dieser Umstände eines im Spruch anders lautendes Urteil des BFG herbeigeführt hätten und legte zum Beweis Aufstellungen über die Fahrten zum Flughafen und die Einsatzpläne für die Jahre 2005 bis 2009 (Beilagen I bis V) vor. Auf die näheren Ausführungen wird verwiesen.
Das Finanzamt wies den Antrag für die Jahre 2005 bis 2010 mangels Hervorkommens neuer Tatsachen ab (Bescheide vom ). Auf die jeweilige Bescheidbegründung wird verwiesen.
Gegen diese Bescheide erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom durch seine steuerliche Vertreterin Beschwerde. Auf die nach dem Mängelbehebungsauftrag gemäß § 85 BAO vom erfolgte Beschwerdebegründung vom und die ihr beigelegte Aufstellung der Fahrten wird verwiesen.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab. Auf die Begründung wird verwiesen.
Mit Schriftsatz vom beantragte der Beschwerdeführer durch seine steuerliche Vertreterin, die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorzulegen.
Mit Vorlagebericht vom legte das Finanzamt die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor. Auf die Begründung wird verwiesen.
Mit Schreiben vom wurden die Anträge auf Entscheidung durch den Berufungssenat und Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zurückgezogen.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Sachverhalt
Der Beschwerdeführer mit Wohnsitz in Oberösterreich war im beschwerdegegenständlichen Zeitraum Pilot bei ***1*** mit "homebase" (Dienstort) ***Ort***. Sofern der Abflugs-/Ankunftsort nicht ***Ort*** war, wurde seitens des Dienstgebers ein Gratisflug von ***Ort*** zum jeweiligen Flughafen zur Verfügung gestellt. Die vom Beschwerdeführer trotzdem geltend gemachten Fahrtkosten waren Gegenstand eines Finanzstrafverfahrens, das mit einem Schuldspruch durch den Spruchsenat des Finanzamtes Linz als Finanzstrafbehörde erledigt wurde (Erkenntnis vom ).
Beweiswürdigung
Der Sachverhalt hinsichtlich der Wiederaufnahme des Verfahrens ist unstrittig; es handelt sich um eine reine Rechtsfrage.
Rechtliche Beurteilung
Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)
Rechtslage
Gemäß § 303 Abs. 1 lit. b BAO kann ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen wiederaufgenommen werden, wenn Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.
Die Änderungen des Wiederaufnahmerechts durch das FVwGG 2012 waren in erster Linie durch rechtspolitische (bzw. sogar verfassungsrechtliche) Bedenken gegen die Unterschiede bei der Wiederaufnahme auf Antrag und jener von Amts wegen bedingt; diese Änderungen beziehen sich nicht auf die Wortfolgen "gerichtlich strafbare Tat herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist" und "wenn Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen (bzw. neu hervorgekommen sind) und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte" (vgl. Ritz, BAO6, § 303 Tz 1-3).
Die Neufassung des § 303 tritt mit in Kraft (nach § 323 Abs. 37). § 303 ist eine Verfahrensbestimmung. Sie gilt daher ab Inkrafttreten auch für die Wiederaufnahme vor ihrem Inkrafttreten mit Bescheid abgeschlossener Verfahren.
Rechtliche Erwägungen
Strittig ist, ob ein Wiederaufnahmegrund vorliegt.
Zu prüfen ist daher, ob nach dem im gegenständlichen Beschwerdefall zur Anwendung kommenden Tatbestand Tatsachen oder Beweismittel neu hervorgekommen sind.
Tatsachen sind ausschließlich mit dem Sachverhalt des abgeschlossenen Verfahrens zusammenhängende tatsächliche Umstände (zB ; ); also Sachverhaltselemente, die bei einer entsprechenden Berücksichtigung zu einem anderen Ergebnis (als vom Bescheid zum Ausdruck gebracht) geführt hätten, etwa Zustände, Vorgänge, Beziehungen, Eigenschaften (zB ; ; ; ). Tatsachen sind nicht nur sinnlich wahrnehmbare Umstände, sondern auch innere Vorgänge, soweit sie rational feststellbar sind (Ansichten, Absichten oder Gesinnungen wie zB die Zahlungsunwilligkeit, ) (Ritz, BAO6, § 303 Tz 21).
Solche Tatsachen sind zB getätigte Ausgaben (die Betriebsausgaben, Werbungskosten, Sonderausgaben oder außergewöhnliche Belastungen sind) (Ritz, BAO6, § 303 Tz 22).
Maßgebend ist, ob der Abgabenbehörde in dem wiederaufzunehmenden Verfahren der Sachverhalt so vollständig bekannt gewesen ist, dass sie schon in diesem Verfahren bei richtiger rechtlicher Subsumtion zu der nunmehr im wiederaufgenommenen Verfahren erlassenen Entscheidung gelangen hätte können (zB ; ; ; ; Ritz, BAO6, § 303 Tz 24). Die Wiederaufnahme auf Grund neu hervorgekommener Tatsachen oder Beweismittel bietet die Möglichkeit, bisher unbekannten, aber entscheidungswesentlichen Sachverhaltselementen Rechnung zu tragen; sie dient aber nicht dazu, bloß die Folgen einer unzutreffenden rechtlichen Würdigung eines offengelegten Sachverhaltes zu beseitigen (). Wiederaufnahmegründe sind nur im Zeitpunkt der Bescheiderlassung existente Tatsachen, die später hervorkommen (nova reperta). Später entstandene Umstände (nova producta) sind keine Wiederaufnahmegründe (zB ; ) (Ritz, BAO6, § 303 Tz 30).
Die Wiederaufnahmegründe für die Wiederaufnahme auf Antrag sind dieselben wie für eine amtswegige Wiederaufnahme. Der Neuerungstatbestand (§ 303 Abs. 1 lit b idF FVwGG 2012) fordert, dass (entscheidungsrelevante) Tatsachen oder Beweismittel im (abgeschlossenen Verfahren neu hervorkommen. Gemeint ist in jenem Verfahren, das bereits durch Bescheid abgeschlossen ist. Nach bisheriger Judikatur (zu § 303 Abs. 4 BAO aF) ist das Hervorkommen von Tatsachen und Beweismitteln aus der Sicht des jeweiligen Verfahrens zu sehen (vgl. zB ). Maßgebend ist der Wissensstand der Abgabenbehörde, bezogen auf die Aktenlage im Zeitpunkt der Erlassung des das Verfahren abschließenden Bescheides (vgl. zB ; ; ). Weder der neue Wortlaut des § 303 noch die Gesetzesmaterialien zum FVwGG 2012 deuten darauf hin, dass diese Rechtslage geändert werden sollte. Daher ist eine Wiederaufnahme des Verfahrens (wie bisher) ausgeschlossen, wenn der Abgabenbehörde im wiederaufzunehmenden Verfahren bei richtiger rechtlicher Beurteilung zu der Entscheidung gelangen hätte können, die nunmehr in einem wiederaufgenommenen Verfahren erlassen werden soll (vgl. zB ; ; Ritz, BAO6, § 303 Tz 45, 46).
Der Wiederaufnahmswerber ist behauptungs- und beweispflichtig (vgl. zB ; ; ) für das Vorliegen des Wiederaufnahmsgrundes.
Wenn der Beschwerdeführer vermeint, es seien Tatsachen oder Beweismittel neu hervorgekommen, so ist dies nicht richtig. Über die gegenständlich geltend gemachten Fahrtspesen wurde bereits mit Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , RV/5100819/2013, entschieden, wobei der damalige Wissensstand dem heute vorliegenden entspricht.
Es liegt daher kein Wiederaufnahmegrund gemäß § 303 Abs. 1 lit. b BAO vor.
Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im gegenständlichen Fall wird über den Wiederaufnahmegrund gemäß § 303 Abs. 1 lit b BAO abgesprochen. Es liegt eine einheitliche Rechtsprechung vor. Eine Revision ist demnach nicht zulässig.
Linz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 303 Abs. 1 lit. b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2021:RV.5101911.2016 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at