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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 01.06.2021, RV/7101595/2013

Enthalten die Textziffern des Prüfberichtes, auf die im Wiederaufnahmebescheid verwiesen wird, keine Feststellungen über neu hervorgekommene Tatsachen, ist die Wiederaufnahme nicht rechtmäßig erfolgt

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***1*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Grüner Wirtschaftstreuhand Steuerberatung GmbH, Wiener Straße 24, 3040 Neulengbach, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Lilienfeld St. Pölten vom betreffend die Wiederaufnahme des Verfahrens der Umsatzsteuer 1999, Steuernummer ***BF1StNr1***, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am , im Beisein der Schriftführerin ***2*** zu Recht erkannt:

  • Der Beschwerde gegen den Wiederaufnahmebescheid betreffend die Umsatzsteuer 1999 wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

  • Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Umsatzsteuer 1999:

Der Beschwerdeführer (Bf.) betrieb im streitgegenständlichen Zeitraum ein Café einschließlich einer Bar in ***3*** und ein Bistro in ***4*** und erzielte zudem Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung.

Der Bf. ist Eigentümer der Liegenschaft in ***5***, bestehend aus einem Erdgeschoß, einem Obergeschoß und einem Dachgeschoß. Im betrieblich genutzten Erdgeschoß (368,8 m²) befindet sich das Café.

Die belangte Behörde erließ am nach Abschluss eines Außenprüfungsverfahrens betreffend die Einkommensteuer 1999 bis 2003 und Umsatzsteuer 1999 bis 2003 einen Bescheid bezüglich der Wiederaufnahme des Verfahrens der Umsatzsteuer 1999.

Im Begründungsteil des Umsatzsteuerbescheides 1999 wurde auf § 303 Abs. 4 BAO verwiesen und ausgeführt, dass die Wiederaufnahme des Verfahrens aufgrund der Feststellungen der abgabenbehördlichen Prüfung, die der darüber aufgenommenen Niederschrift bzw. dem Prüfungsbericht zu entnehmen sind. Daraus sei auch die Begründung der Abweichungen vom bisherigen Bescheid zu erkennen.

Aus Seite 9 des Prüfungsberichtes vom geht hervor, dass für die Umsatzsteuer 1999 in Tz 3 und 5 des Berichtes Feststellungen getroffen worden wären, die zu einer Wiederaufnahme dieses Verfahrens führten. Dies sei auch unter Bedachtnahme auf das Ergebnis der durchgeführten abgabenbehördlichen Prüfung und der sich daraus ergebenden Gesamtauswirkung und im Sinne des § 20 BAO erfolgt. In der Tz 3 wird neben einer ziffernmäßigen Darstellung der steuerlichen Zuschätzung bezogen auf die Umsatzsteuer 1999 auf die steuerliche Auswirkung der Zuschätzung in der "Anlage Punkt 3" verwiesen. Dort wurde die Zuschätzung von 60% der Umsätze, die dem Normalsteuersatz unterliegen und von 40% der Umsätze, die dem ermäßigten Steuersatz unterliegen, rechnerisch dargestellt. Die Tatsachen, die eine Schätzung berechtigten und die gewählte Schätzungsmethode rechtfertigten wurden in den Punkten 1 und 2 des Prüfungsberichtes dargelegt.

Auf Basis der Feststellungen im Prüfbericht erließ das Finanzamt am den Wiederaufnahmebescheid für die Umsatzsteuer 1999.

Der Beschwerdeführer (Bf.) gab in seiner Beschwerde gegen den genannten Wiederaufnahmebescheid an, dass die Außenprüfung weder im Bescheid betreffend die Wiederaufnahme der Umsatzsteuer selbst, noch im Prüfbericht unter dem Punkt Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 Abs. 4 BAO auf Seite 9 und in den Tz 3 und Tz 5 der Anlage, auf welche verwiesen wurde, den Wiederaufnahmegrund plausibel darzulegen vermochte.

Die Außenprüfung beschränkte sich vielmehr auf die pauschale Behauptung einer Interessenabwägung und das Prinzip der Rechtsrichtigkeit, welchem der Vorrang vor dem Prinzip der Rechtsbeständigkeit einzuräumen wäre. Diese Behauptungen wären weder genauer erläutert noch auf einzelne Feststellungen eingegangen worden, welche diese Behauptungen zu begründen in der Lage wären. Die Tz 3, auf welche im Prüfungsbericht hinsichtlich der getroffenen Feststellungen verwiesen wird, weise nur das bereits eingangs abgebildete Berechnungsschema auf und enthält einen Hinweis auf den Punkt 3 der Anlage. Der Hinweis auf Tz 5 sei für das Prüfungsjahr 1999 nicht relevant, da er ausschließlich auf Feststellungen der Jahre 2001-2003 verweist. Daraus leitet der Bf. ab, dass die Außenprüfung weder aufgrund der Aktenlage noch aufgrund der Erhebungen Sachverhalte aufgezeigt habe, welche eine Wiederaufnahme des Verfahrens rechtfertigten. Es wären seitens der Außenprüfung keinerlei neuen Erkenntnisse nachgewiesen noch Beweise für Zweifel an der Richtigkeit der bisherigen Abgabenerklärungen vorgelegt worden.

Dem pauschal vorgebrachten Wiederaufnahmegrund sei daher nach Ansicht des Bf. die Rechtswirkungen zu versagen und die Wiederaufnahme des Verfahrens antragsgemäß abzulehnen.

Der Prüfer wies in seiner Stellungnahme dazu darauf hin, dass jene Sachverhalte, die eine Wiederaufnahme eines Verfahrens rechtfertigten, sich im Detail in den Tz 1 (Buchführung und Aufzeichnungen) und Tz 2 (rechtliche Beurteilung) befänden.

Die steuerliche Vertretung des Beschwerdeführers teilte schriftlich am per Fax mit, dass weder dieser noch dem Beschwerdeführer ein Wiederaufnahmebescheid betreffend die Umsatzsteuer 1999 zugestellt worden wäre. Festgehalten wurde zudem, dass die steuerliche Vertretung keine Zustellvollmacht erteilt habe.

Der Wiederaufnahmebescheid wäre weder in den Klientenakten des Bf. noch beim Bf. selbst vorhanden gewesen. Die Beschwerde wäre zwar gegen den Wiederaufnahmebescheid eingebracht worden, jedoch dürfte dies, rein formell, in einer in anderen Fällen üblichen Wortwahl so geschehen sein und nicht richtig sein. Als Beweis dafür ist anzuführen, dass in der Beschwerde vom genau auf die einzelnen zugestellten Seiten der Sachbescheide Bezug genommen worden wäre.

In der mündlichen Verhandlung brachte die steuerliche Vertretung erneut vor, dass dem Bf. der Wiederaufnahmebescheid betreffend die Umsatzsteuer 1999 nicht zugestellt worden wäre, er vielmehr auf Basis des Prüfberichtes eine Beschwerde gegen den genannten Wiederaufnahmebescheid verfasst habe.

Festgehalten wird, dass sich in den Veranlagungsakten kein Rückschein über die Zustellung des Wiederaufnahmebescheides betreffend die Umsatzsteuer 1999 an den Bf. befindet.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Wiederaufnahme des Verfahrens der Umsatzsteuer 1999

Im Prüfungsbericht ist zur Wiederaufnahme des Verfahrens gem. § 303 Abs. 4 BAO ausgeführt:

"Hinsichtlich nachstehend angeführter Abgabenarten und Zeiträume wurden Feststellungen getroffen, die eine Wiederaufnahme des Verfahrens gem. § 303 Abs. 4 BAO erforderlich machten"

Umsatzsteuer 1999-2003 in Tz 3, 5"

In Tz 3 sowie Punkt 3 des Prüfungsberichtes wurden rechnerisch die umsatzsteuerrechtlichen Auswirkungen der Zuschätzung des Cafes/Bistros dargestellt.

Die Tz 5 sowie der Punkt 5 des Prüfungsberichtes haben die steuerlichen Auswirkungen der Umsatzsteuer für die Jahre 2001 und 2002 zum Inhalt. Das Jahr 1999 wurde in diesem Punkt nicht behandelt.

In der Tz 3 und im Punkt 3 gab es keine Feststellungen, auf Grund derer erkennbar gewesen wäre, auf Basis welcher neu hervorgekommenen Tatsachen der Prüfer zum im Punkt 3 rechnerisch dargelegten Ergebnis gelangt war.

Dem Einwand des Bf., er habe den Wiederaufnahmebescheid betreffend die Umsatzsteuer 1999 nicht erhalten, war nicht zu folgen, da aus der Beschwerde gegen den gegenständlichen Wiederaufnahmebescheid deutlich erkennbar war, dass der Bf. bei seinen Ausführungen jenen Begründungsabsatz wörtlich wiederholte, der im Wiederaufnahmebescheid und nicht im Prüfbericht enthalten war. Dies muss umso mehr gelten als der Bf. nach diesen Ausführungen, kursiv, die Begründung der Wiederaufnahme des Prüfberichtes in die Beschwerde übernommen hatte.

Diese sich aus der Aktenlage klar ergebenden Feststellungen, lassen die Schlussfolgerung zu, dass der besagte Wiederaufnahmebescheid dem Bf. zugestellt wurde, auch wenn sich ein diesbezüglicher Rsb Nachweis nicht in den von der belangten Behörde vorgelegten Akten befunden hat.

Beweiswürdigung

Die Feststellungen zur Wiederaufnahme des Verfahrens der Umsatzsteuer 1999 ergeben sich aus den unstrittigen Ausführungen im Prüfbericht und in der dazu ergangenen Niederschrift, sowie dem Ergebnis der am durchgeführten mündlichen Verhandlung.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)

§ 303 BAO bestimmt:
(1) Ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren kann auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen wiederaufgenommen werden, wenn

  • der Bescheid durch eine gerichtlich strafbare Tat herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist, oder

  • Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind, oder

  • der Bescheid von Vorfragen (§ 116) abhängig war und nachträglich über die Vorfrage von der Verwaltungsbehörde bzw. dem Gericht in wesentlichen Punkten anders entschieden worden ist, und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

Im Prüfbericht wird die Wiederaufnahme des Verfahrens der Umsatzsteuer 1999 durch einen Hinweis auf die in Tz 3 und die im Punkt 3 gemachten Ausführungen begründet. In dieser Textziffer bzw. in diesem Punkt wurde ein Wiederaufnahmegrund infolge neu hervorgekommener Tatsachen, die in einer formell und materiell nicht rechtmäßigen Buchführung bestanden haben, nicht behandelt. Desgleichen verwies der verfahrensgegenständliche Wiederaufnahmebescheid in seinem Begründungsteil auf die Feststellungen der abgabenbehördlichen Prüfung sowie auf jene im Prüfungsbericht und in der Niederschrift. Sowohl im Prüfbericht als auch in der Niederschrift wurden weder in Tz 3 noch in Punkt 3 als Wiederaufnahmegründe bezeichnete Feststellungen aufgenommen. Diese wurden in Tz 1 und im Punkt 1 des Berichtes behandelt, auf die im Zuge der Begründung der Wiederaufnahme jedoch nicht verwiesen wurde.

Es konnte daher aus dem im Prüfbericht gegebenen Hinweis im Zusammenhang mit der Wiederaufnahme des Verfahrens der Umsatzsteuer 1999 im Sinne des § 303 BAO nicht gefolgert werden, dass die belangte Behörde die Wiederaufnahme auf den Neuerungstatbestand gestützt hat, zumal diesbezügliche Prüfungsfeststellungen in den genannten Textziffern fehlten, die jenen Tatsachenkomplex bildeten, der im Zuge der Prüfung neu hervorgekommen ist.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dürfen im Beschwerdeverfahren nur jene Wiederaufnahmegründe berücksichtigt werden, die in der Bescheidbegründung des Finanzamtes genannt sind (zB , 0188, , ). Abweichend von dem Grundsatz, dass Begründungsmängel erstinstanzlicher Bescheide im Berufungsverfahren saniert werden können (zB ; ), ist eine hinsichtlich der Darstellung der Wiederaufnahmegründe fehlende bzw. mangelhafte Begründung im Beschwerdeverfahren nicht sanierbar (vgl. ).

Daraus ist für den Beschwerdefall abzuleiten, dass die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend die Umsatzsteuer 1999 nicht rechtmäßig erfolgte (vgl. auch ).

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung lag nicht vor, da das Bundesfinanzgericht bei der Beantwortung der Rechtmäßigkeit der Wiederaufnahme des Verfahrens der Umsatzsteuer 1999 der im Erkenntnis zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gefolgt ist und die Revision aus diesem Grund nicht zulässig war.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 303 Abs. 4 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 303 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.7101595.2013

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at