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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 01.06.2021, RV/7101594/2013

Enthalten jene Textziffern des Prüfberichtes, auf die im Wiederaufnahmebescheid verwiesen wurde, keine Feststellungen über neu hervorgekommene Tatsachen, ist die Wiederaufnahme nicht rechtmäßig erfolgt

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***2*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Grüner Wirtschaftstreuhand Steuerberatung GmbH, Wiener Straße 24, 3040 Neulengbach, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Lilienfeld St. Pölten vom betreffend die Wiederaufnahme des Verfahrens der Einkommensteuer 1999 Steuernummer ***BF1StNr1***, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am im Beisein der Schriftführerin ***1***, zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde gegen den Bescheid betreffend die Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich der Einkommensteuer 1999 wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend die Einkommensteuer 1999

Der Beschwerdeführer (Bf.) betrieb im streitgegenständlichen Zeitraum ein Café einschließlich einer Bar in ***3*** und ein Bistro ***4***.

Der Bf. ist Eigentümer der Liegenschaft in ***5***, bestehend aus einem Erdgeschoß, einem Obergeschoß und einem Dachgeschoß. Im betrieblich genutzten Erdgeschoß (368,8 m²) befindet sich das Café.

Die belangte Behörde erließ am nach Abschluss eines Außenprüfungsverfahrens betreffend die Einkommensteuer 1999 bis 2003 und Umsatzsteuer 1999 bis 2003 Bescheide betreffend die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend die Einkommensteuer 1999 und die Umsatzsteuer 1999.

Im Begründungsteil des Wiederaufnahmebescheides betreffend die Einkommensteuer 1999 wurde auf § 303 Abs. 4 BAO verwiesen und ausgeführt, dass die Wiederaufnahme des Verfahrens aufgrund der Feststellungen der abgabenbehördlichen Prüfung, die der darüber aufgenommenen Niederschrift bzw. dem Prüfungsbericht zu entnehmen sind. Daraus sei auch die Begründung der Abweichungen vom bisherigen Bescheid zu erkennen.

Aus dem Prüfungsbericht vom geht zur Wiederaufnahme des Verfahrens der Einkommensteuer 1999 hervor, dass in den Tz 3, 5 und 6 des Berichtes Feststellungen getroffen worden wären, die zu einer Wiederaufnahme dieses Verfahrens führten. Dies sei auch unter Bedachtnahme auf das Ergebnis der durchgeführten abgabenbehördlichen Prüfung und der sich daraus ergebenden Gesamtauswirkung und im Sinne des § 20 BAO erfolgt.

In den Tz 3 und Tz 6 wird neben einer rechnerischen Darstellung der steuerlichen Auswirkungen bezogen auf die Einkommensteuer 1999 auf in den Punkten 3 und 6 gemachte Ausführungen verwiesen. Diese legen ausschließlich rechnerisch die steuerlichen Auswirkungen der Zuschätzung dar. Die Gründe für eine Schätzungsberechtigung und Schätzungsmethode sowie die in diesem Zusammenhang getroffenen Feststellungen wurden ausschließlich in den Punkten 1 und 2 des Prüfungsberichtes dargestellt.

In Punkt 6 des Prüfungsberichtes wurde neben der rechnerischen Darstellung die Tatsache der Nichtanerkennung der Vermietung als Einkunftsquelle festgehalten. Demgegenüber waren aus diesem Punkt die Entscheidungsgrundlagen dafür nicht zu entnehmen.

Auf Basis dieser Feststellungen erließ das Finanzamt am den Wiederaufnahmebescheid für die Einkommensteuer 1999.

Der Beschwerdeführer (Bf.) gab in seiner Beschwerde gegen den Wiederaufnahmebescheid betreffend die Einkommensteuer 1999 an, dass die Außenprüfung weder im Bescheid betreffend die Wiederaufnahme der Einkommensteuer selbst, noch im Prüfbericht unter dem Punkt Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 Abs. 4 BAO auf Seite 9, und in den Tz 3 und Tz 5 der Anlage, auf welche verwiesen wurde, den Wiederaufnahmegrund plausibel darzulegen vermochte.

Die Außenprüfung habe sich vielmehr auf die pauschale Behauptung einer Interessenabwägung und das Prinzip der Rechtsrichtigkeit beschränkt, welchem der Vorrang vor dem Prinzip der Rechtsbeständigkeit einzuräumen wäre. Diese Behauptungen wären weder genauer erläutert noch auf einzelne Feststellungen eingegangen worden, welche diese Behauptungen zu begründen in der Lage wären. Die Tz 3, auf welche im Prüfungsbericht hinsichtlich der getroffenen Feststellungen verwiesen wird, weist nur das bereits eingangs abgebildete Berechnungsschema auf und enthält einen Hinweis auf den Punkt 3 der Anlage. Der Hinweis auf Textziffer 5 sei für das Prüfungsjahr 1999 nicht relevant, da er ausschließlich auf Feststellungen der Jahre 2001-2003 verweist. Daraus leitet der Bf. ab, dass die Außenprüfung weder aufgrund der Aktenlage noch aufgrund der Erhebungen Sachverhalte aufgezeigt habe, welche eine Wiederaufnahme des Verfahrens rechtfertigten. Es wären seitens der Außenprüfung keinerlei neue Erkenntnisse nachgewiesen und keine Beweise für Zweifel an der Richtigkeit der bisherigen Abgabenerklärungen vorgelegt worden.

Dem pauschal vorgebrachten Wiederaufnahmegrund sei daher nach Ansicht des Bf. die Rechtswirkungen zu versagen und die Wiederaufnahme des Verfahrens antragsgemäß abzulehnen.

Der Prüfer wies in seiner Stellungnahme dazu darauf hin, dass jene Sachverhalte, die eine Wiederaufnahme eines Verfahrens rechtfertigten, sich im Detail in den Tz 1 (Buchführung und Aufzeichnungen) und Tz 2 (rechtliche Beurteilung) befänden.

Die steuerliche Vertretung des Bf. teilte überdies schriftlich am per Fax mit, dass weder ihr, zumal ihr vom Bf. keine Zustellbevollmächtigung erteilt worden wäre, noch dem Bf. ein Wiederaufnahmebescheid betreffend die Einkommensteuer 1999 zugestellt worden wäre. Die Beschwerde wäre zwar gegen den Wiederaufnahmebescheid eingebracht worden, jedoch dürfte dies, rein formell, in einer in anderen Fällen üblichen Wortwahl so geschehen sein und nicht richtig sein. Als Beweis dafür ist anzuführen, dass in der Beschwerde vom nur auf die einzelnen zugestellten Seiten des Einkommensteuerbescheides Bezug genommen worden wäre.

In der mündlichen Verhandlung brachte die steuerliche Vertretung erneut vor, dass dem Bf. der Wiederaufnahmebescheid betreffend die Einkommensteuer 1999 nicht zugestellt worden wäre, er vielmehr auf Basis des Prüfberichtes eine Beschwerde gegen den genannten Wiederaufnahmebescheid verfasst habe.

Festgehalten wird, dass sich in den Veranlagungsakten kein Rsb Nachweis über die Zustellung des Wiederaufnahmebescheides betreffend die Einkommensteuer 1999 an den Bf. befindet.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Wiederaufnahme des Verfahrens der Einkommensteuer 1999

Im Prüfungsbericht ist zur Wiederaufnahme des Verfahrens gem. § 303 Abs. 4 BAO ausgeführt:

"Hinsichtlich nachstehend angeführter Abgabenarten und Zeiträume wurden Feststellungen getroffen, die eine Wiederaufnahme des Verfahrens gem. § 303 Abs. 4 BAO erforderlich machten"

Umsatzsteuer 1999 in Tz 3, 5; Einkommensteuer 1999 in Tz 3,5,6"

In Tz 3 sowie Punkt 3 des Prüfungsberichtes wurden rechnerisch die einkommensteuerrechtlichen und umsatzsteuerrechtlichen Auswirkungen der Zuschätzung des Cafes/Bistros dargestellt.

In Tz 5 sowie Punkt 5 des Prüfungsberichtes wurde die geänderte Vorsteuerabzugsberechtigung laut Außenprüfung für die Jahre 2001 und 2002 rechnerisch dargestellt. Das Jahr 1999 war hiervon nicht betroffen.

In Tz 6 sowie im Punkt 6 des Prüfungsberichtes wird zur den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung der Liegenschaft Markt 19 festgehalten, dass als Ergebnis der freien Beweiswürdigung keine Vermietungsabsicht vorgelegen hätte, die Einkunftsquelle und der Überschuss der Werbungskosten über die Einnahmen für 1999 in Höhe von 16.455 ATS daher nicht anzuerkennen gewesen wäre. Es gab dazu allerdings keine Feststellungen auf Grund welcher neu hervorgekommenen Tatsachen der Prüfer zum im Punkt 6 rechnerisch dargelegten Ergebnis gelangt war.

Dem Einwand des Bf., er habe den Wiederaufnahmebescheid betreffend die Einkommensteuer nicht erhalten, war nicht zu folgen, da aus der Beschwerde vom deutlich erkennbar war, dass der Bf. bei seinen Ausführungen jenen Begründungsabsatz wiederholte, der im Wiederaufnahmebescheid betreffend die Einkommensteuer 1999 und nicht im Prüfbericht enthalten war. Dies muss umso mehr gelten als der Bf. nach diesen Ausführungen, kursiv, die Begründung der Wiederaufnahme, wie im Prüfungsbericht dargestellt, in die Beschwerde übernommen hatte.

Diese sich aus der Aktenlage klar ergebenden Feststellungen lassen die Schlussfolgerung zu, dass der besagte Wiederaufnahmebescheid dem Bf. zugestellt wurde, auch wenn sich ein diesbezüglicher Rückschein nicht in den von der belangten Behörde vorgelegten Akten befunden hat.

Beweiswürdigung

Die Feststellungen zur Wiederaufnahme des Verfahrens der Einkommensteuer 1999 ergeben sich aus dem Außenprüfungsbericht und der dazu ergangenen Niederschrift sowie dem Ergebnis der am durchgeführten mündlichen Verhandlung.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)

A. Wiederaufnahme des Verfahrens der Einkommensteuer 1999

§ 303 BAO bestimmt:
(1) Ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren kann auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen wiederaufgenommen werden, wenn

  • der Bescheid durch eine gerichtlich strafbare Tat herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist, oder

  • Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind, oder

  • der Bescheid von Vorfragen (§ 116) abhängig war und nachträglich über die Vorfrage von der Verwaltungsbehörde bzw. dem Gericht in wesentlichen Punkten anders entschieden worden ist, und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

Im Prüfbericht wird die Wiederaufnahme des Verfahrens der Einkommensteuer 1999 mit den Ausführungen in der Tz 3, Tz 5 und Tz 6 sowie in den Punkten 3, 5 und 6 begründet. In den Textziffern auf die verwiesen wurde bzw. den jeweiligen genannten Punkten werden jedoch die vom Finanzamt herangezogenen Wiederaufnahmegründe, neue Tatsachen, die durch festgestellte Aufzeichnungsmängel hervorgekommen wären, nicht behandelt. Diese hat der Prüfer in Tz 1 und in den dazu ergangenen Ausführungen in Punkt 1 des Prüfberichts dargelegt, worauf im Zuge der Begründung der Wiederaufnahme jedoch nicht verwiesen wurde.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dürfen im Beschwerdeverfahren nur jene Wiederaufnahmegründe berücksichtigt werden, die in der Bescheidbegründung des Finanzamtes genannt sind (zB , 0188, , ).

Im Beschwerdefall wurde in den Begründungsausführungen des Wiederaufnahmebescheides der Einkommensteuer 1999 auf die abgabenbehördlichen Feststellungen im Prüfbericht verwiesen, demnach auf die Tz 3, 5 und 6 des Berichtes. Diese enthielten allerdings keine Begründungsausführungen für das Vorliegen von neu hervorgekommenen Tatsachen. Es konnte daher aus dem im Prüfbericht gegebenen Hinweis im Zusammenhang mit der im Sinne des § 303 BAO durchgeführten Wiederaufnahme des Verfahrens der Einkommensteuer 1999 nicht gefolgert werden, dass die belangte Behörde die Wiederaufnahme auf den Neuerungstatbestand gestützt hat. Dies deshalb, da Prüfungsfeststellungen in den genannten Textziffern fehlten, die jenen Tatsachenkomplex bildeten, der im Zuge der Prüfung neu hervorgekommen ist.

Abweichend von dem Grundsatz, dass Begründungsmängel erstinstanzlicher Bescheide im Berufungsverfahren saniert werden können (zB ; ), ist eine hinsichtlich der Darstellung der Wiederaufnahmegründe fehlende bzw. mangelhafte Begründung im Beschwerdeverfahren nicht sanierbar (vgl. ).

Daraus folgt für den Beschwerdefall, dass aus vorstehenden Gründen die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend die Einkommensteuer 1999 nicht rechtmäßig erfolgte (vgl. auch ).

Zu Spruchpunkt III. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung lag nicht vor, da das Bundesfinanzgericht bei der Beantwortung der Rechtmäßigkeit der Wiederaufnahme des Verfahrens der Einkommensteuer 1999 der im Erkenntnis zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gefolgt ist und die Revision aus diesem Grund nicht zulässig war.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 279 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 303 Abs. 4 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.7101594.2013

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at