Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 20.05.2021, RV/7102591/2019

Immobilienertragsteuer - Hauptwohnsitzbefreiung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Ri in der Beschwerdesache der Frau Bf., S-Gasse 46/2, 1190 Wien, vertreten durch die Steuerberatung GmbH, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 9/18/19 Klosterneuburg (nunmehr Finanzamt Österreich), St.Nr. ***1***, vom betreffend Einkommensteuer 2017 zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen. Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Unstrittiger Sachverhalt sowie Streitpunkt:

Mit Kaufvertrag vom wurde von der Beschwerdeführerin (Bf.) gemeinsam mit ihrem Ehegatten M.O. die Eigentumswohnung in 1040 Wien, A-Straße 5/24, angeschafft und nach dem Abschluss von Fertigstellungsmaßnahmen Ende Dezember 2009 dort der Hauptwohnsitz begründet.

Mit Kaufvertrag vom wurde von den beiden eine neue Eigentumswohnung in 1190 Wien, S-Gasse 46/2, erworben und nach entsprechenden Adaptierungsarbeiten im Jänner 2014 dorthin der Hauptwohnsitz verlegt.

Die Wohnung in der A-Straße wurde mit dem maßgeblichen Kaufvertrag vom verkauft und von der Bf. für ihren Hälfteanteil die Immobilienertragsteuer in Höhe von 20.152 Euro an das Finanzamt abgeführt.

Strittig ist, ob der Bf. im Zusammenhang mit der Veräußerung dieser Eigentumswohnung die Hauptwohnsitzbefreiung des § 30 Abs. 2 Z 1 lit. a EStG 1988 zusteht und demnach diese an das Finanzamt entrichtete Immobilienertragsteuer im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung des Jahres 2017 zu erstatten ist. Nach der genannten Bestimmung sind von der Besteuerung die Einkünfte aus der Veräußerung von Eigenheimen oder Eigentumswohnungen samt Grund und Boden ausgenommen, wenn sie dem Veräußerer ab der Anschaffung oder Herstellung (Fertigstellung) bis zur Veräußerung für mindestens zwei Jahre durchgehend als Hauptwohnsitz gedient haben und der Hauptwohnsitz aufgegeben wird.

II. Verfahrensgang:

In der Einkommensteuererklärung 2017 beantragte die Bf. durch ihre steuerliche Vertreterin in Bezug auf den Verkauf dieser Wohnung in der A-Straße die Hauptwohnsitzbefreiung gemäß § 30 Abs. 2 Z 1 lit. a EStG 1988, wobei begründend Folgendes ausgeführt wurde:
Gleichzeitig mit dem Kauf der neuen Eigentumswohnung in 1190 Wien, S-Gasse 46/2, sei im Oktober 2013 ein Makler mit dem Verkauf der Wohnung in der A-Straße beauftragt und die Vermarktung intensiv betrieben worden. Der Verkauf habe sich leider schwieriger als gedacht gestaltet, weshalb erst nach zweimaligem Maklerwechsel im April 2017 der Verkauf absehbar gewesen sei. Die Unterfertigung des Kaufvertrags betreffend die Wohnung sei im Juli 2017 erfolgt. Die Bf. und ihr Ehegatte hätten aber auf die Marktnachfrage und somit auf die Dauer bis zum endgültigen Kaufvertragsabschluss keinen Einfluss gehabt bzw. sei dies von ihnen nicht verschuldet worden. Nach Ansicht der Bf. stehe im gegenständlichen Fall hinsichtlich der Veräußerung dieser Eigentumswohnung die Hauptwohnsitzbefreiung zu, auch wenn der Hauptwohnsitz nicht durchgehend bis zur Veräußerung im Jahre 2017 bestanden habe, sondern der Hauptwohnsitz bereits im Jahre 2013 bzw. Anfang 2014 mit dem Kauf der neuen Eigentumswohnung aufgegeben worden sei. Das Bundesfinanzgericht stelle nämlich in solchen Fällen auf eine Einzelfallbetrachtung ab, nach der die Frist für die Aufgabe des Hauptwohnsitzes und der Veräußerung auch über die etwa in den Einkommensteuerrichtlinien festgelegte Einjahresfrist hinausgehen könne (vgl. hiezu etwa Erkenntnis vom , RV/7103961/2015). Diese vom Finanzministerium festgesetzte starre Toleranzfrist sei demnach gesetzlich nicht gedeckt. Vielmehr müsse bei der Interpretation der maßgeblichen Gesetzesbestimmung auf den Willen des historischen Gesetzgebers bei Einführung der Bestimmung abgestellt werden. Danach bestehe aber der Zweck der Hauptwohnsitzbefreiung im Wesentlichen darin, dass der Veräußerungserlös ungeschmälert zur Schaffung eines neuen Hauptwohnsitzes zur Verfügung stehe.

Nachdem die Bf. über entsprechende Aufforderung durch das Finanzamt unter anderem umfangreiche Unterlagen hinsichtlich der Tätigkeiten der jeweiligen Makler vorgelegt hatte, erließ das Finanzamt am den Bescheid betreffend Einkommensteuer 2017, ohne dabei die von der Bf. begehrte Hauptwohnsitzbefreiung zu gewähren. Begründend verwies das Finanzamt darauf, dass unter Heranziehung der eindeutigen Gesetzesbestimmung des § 30 Abs. 2 Z 1 lit. a EStG 1988 im gegenständlichen Fall der Hauptwohnsitz zwar durchgehend für mindestens zwei Jahre in der veräußerten Eigentumswohnung bestanden habe, allerdings nicht durchgehend bis zur Veräußerung. Vielmehr sei dieser schon dreieinhalb Jahre davor aufgegeben worden. Auch das Bundesfinanzgericht gehe regelmäßig davon aus, dass eine durchgehende zweijährige Nutzung innerhalb eines beliebigen Zeitraums vor der Veräußerung nicht ausreiche (vgl. Erkenntnis vom , RV/3100521/2014). Im von der Bf. genannten Erkenntnis vertrete das Bundesfinanzgericht die Ansicht, dass bei einem Verkauf fünfzehn Monate nach Aufgabe des Hauptwohnsitzes die Hauptwohnsitzbefreiung noch zustehe, wenn der Auftrag an den Makler vor der Wohnsitzaufgabe erteilt werde und die Verzögerung nicht vom Steuerpflichtigen zu verantworten sei. Da aber die Bf., obwohl es sich um eine Begünstigungsbestimmung handle, nicht nachgewiesen habe, dass diese Verzögerung von dreieinhalb Jahren nicht von ihr selbst zu verantworten sei, könne diese Rechtsprechung nicht angewendet werden.

In der fristgerecht eingebrachten Beschwerde vom heißt es demgegenüber, dass der Auftrag an das Maklerbüro () eindeutig vor dem Abschluss des Kaufvertrags hinsichtlich der neuen Eigentumswohnung in der S-Gasse () erteilt worden sei. Damit entspreche aber die von der Bf. beantragte Hauptwohnsitzbefreiung dem Zweck dieser Bestimmung, wonach der Veräußerungserlös ungeschmälert zur Schaffung eines neuen Hauptwohnsitzes zur Verfügung stehen soll. Im Hinblick auf die Anschaffung der neuen Eigentumswohnung sei eine Zwischenfinanzierung erforderlich gewesen, wobei dies insofern eine große finanzielle Belastung dargestellt habe, als noch ein Restkredit für die zur Veräußerung stehende Wohnung in der A-Straße bestanden habe. Insgesamt hätten die Bf. und ihr Ehegatte zwei Kreditverträge über 891.000 Euro abgeschlossen. Bis zum tatsächlichen Verkauf der Wohnung () sei die Vermarktung intensiv und lückenlos betrieben worden, wobei dies den vorgelegten Vermarktungsnachweisen entnommen werden könne. Der Verkauf habe sich aber schwieriger als gehofft gestaltet, was bei großen Wohnungen in dieser Preiskategorie nicht unüblich sei. Nach der Kündigung des Vertrags mit dem bisherigen Maklerbüro im September 2014 sei eine andere Immobilienkanzlei mit dem Verkauf beauftragt worden. Trotz intensiver Verkaufsbemühungen habe sich in weiterer Folge auch das erste Maklerbüro ab Juni 2016 wieder um den Verkauf bemüht. Schließlich sei im April 2017 der Verkauf absehbar gewesen. Nachdem der Käufer die Finanzierung geschafft hätte, sei schließlich am der Kaufvertrag unterfertigt worden. Für die Bf. habe dies letztlich bedeutet, dass sie in diesem Zeitraum bis zum Abschluss des Kaufvertrags neben der Zahlung der Kreditraten die Betriebskosten doppelt zahlen musste. Es sei somit ohne Zweifel das vorrangige Ziel der Bf. gewesen, die Wohnung in der A-Straße so schnell wie möglich zu veräußern, da jedes zusätzliche Monat mit nicht unerheblichen Kosten verbunden gewesen sei. Aus den vorliegenden Aktivitätsnachweisen der beteiligten Makler sei ersichtlich, dass es zu zahlreichen Inseraten, Offerten und Besichtigungen gekommen sei. Da aber für Wohnungen in dieser Größe und Preislage naturgemäß ein eher eingeschränkter Käuferkreis bestehe und kein Verkäufer auf die Nachfrage Einfluss habe, könne der Bf. keinesfalls der Vorwurf der Verzögerung des Verkaufs zur Last gelegt werden. Vielmehr sei eine laufende kontinuierliche Vermarktung vorhanden gewesen und habe die Bf. auch eine entsprechende Überwachung durchgeführt (Anforderung der Aktivitätsnachweise und Besprechungen mit den Maklern). Im Ergebnis werde daher weiterhin die Ansicht vertreten, dass die in § 30 Abs. 2 Z 1 lit. a EStG 1988 verankerte Hauptwohnsitzbefreiung auf den gegenständlichen Fall zutreffe.

Nach Abweisung dieser Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom stellte die Bf. am einen Vorlageantrag und verwies darin auf ihr umfangreiches und vom Finanzamt ihrer Ansicht nach nicht gewürdigtes Beschwerdevorbringen.

Das Finanzamt legte daraufhin diese Beschwerdesache samt den entsprechenden Aktenteilen mit dem Bericht vom dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor und verwies nach der Darstellung des Sachverhalts und der Rechtslage nochmals darauf, dass zwischen der Aufgabe des Hauptwohnsitzes und dem tatsächlichen Verkauf der Liegenschaft ungefähr dreieinhalb Jahre vergangen seien und die Bf. diese Verzögerung entgegen ihrem Vorbringen auch zu verantworten habe. Der hauptsächliche Grund für die Verzögerung habe nämlich insbesondere in den unrealistischen Preisvorstellungen der Bf. gelegen, denen die - detailliert dargestellten - marktüblichen Preise laut den beiliegenden Immobilienpreisspiegeln der WKO gegenüberzustellen seien. Obwohl schon der erste Verkaufspreis nicht erzielbar gewesen sei, habe die Bf. nach der Kündigung des ersten Maklervertrags im September 2014 im Zuge der Beauftragung der zweiten Immobilienkanzlei den gewünschten Verkaufspreis sogar zweimal erhöht, um im Juni 2016 wieder den ursprünglichen Preis anzusetzen. Erst der schlussendlich im Juli 2017 erzielte Verkaufspreis, der deutlich unter dem ursprünglich gewünschten liege, sei als marktüblich anzusehen. Im Ergebnis sei der Bf. deshalb vorzuwerfen, dass sie trotz der negativen Feedbacks seitens der Interessenten und damit entgegen jeder wirtschaftlichen Logik unrealistische Vorstellungen gehabt habe und den Verkaufspreis nicht reduziert, sondern vielmehr erhöht habe. Damit sei aber diese Verzögerung von dreieinhalb Jahren eindeutig auf die Bf. selbst zurückzuführen.

Im Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht wurde der steuerlichen Vertreterin der Bf. mittels E-Mail der voraussichtliche Termin für die beantragte mündliche Verhandlung mitgeteilt, woraufhin die steuerliche Vertreterin mit Schriftsatz vom diesen Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung ausdrücklich zurücknahm.

III. Das Bundesfinanzgericht hat in dieser Beschwerdesache erwogen:

1. Sachverhalt und Beweiswürdigung

Der nachfolgende Sachverhalt ergibt sich, soweit nicht gesondert ausgeführt, zum einen aus dem Vorbringen der Bf. bzw. ihrer steuerlichen Vertreterin selbst und den im Verfahren vor dem Finanzamt übermittelten Unterlagen (Kaufverträge, Meldebestätigungen, Nachweise der Maklerbüros hinsichtlich ihrer Aktivitäten, Darlehensverträge etc.) sowie zum anderen aus dem unwidersprochen gebliebenen Vorbringen des Finanzamtes im Vorlagebericht inklusive der darin dem Bundesfinanzgericht vorgelegten Immobilienpreisspiegeln.

Demnach wurde mit Kaufvertrag vom von der Bf. und ihrem Ehegatten M.O. die belagsfertige Wohnung in 1040 Wien, A-Straße 5/24, zu gleichen Teilen um den vertraglichen Kaufpreis von 442.000 Euro sowie Nebenkosten in Höhe von 44.786,80 Euro erworben. Nach dem Abschluss der erforderlichen Fertigstellungsmaßnahmen mit angefallenen "Herstellungs- und Instandsetzungsaufwendungen" laut der späteren Selbstberechnung der Immobilienertragsteuer in Höhe von insgesamt 98.382,32 Euro wurde mit dort der Hauptwohnsitz begründet (vgl. Meldebestätigung).

In Bezug auf die Anschaffung dieser Wohnung wurde von der Bf. und ihrem Ehegatten mit der Bausparkasse Wüstenrot AG im Oktober 2009 ein Darlehensvertrag über die Summe von rund 430.000 Euro abgeschlossen. Dieser Darlehensvertrag war entsprechend den von der Bf. im Verfahren vor dem Finanzamt vorgelegten Unterlagen zum noch mit rund 266.000 Euro und zum mit rund 208.000 Euro offen.

Am wurde das Maklerbüro KE-SE (kurz Maklerbüro KE) mit dem Verkauf dieser "kurzfristig verfügbaren/beziehbaren" Wohnung in "sonniger Hoflage" mit einer Wohnfläche von ca. 149 m2, einem ca. 64 m2 großen Wohnraum mit offener Küche und Kamin, zwei Schlafzimmern, einem Arbeitszimmer und einer ca. 50 m2 großen Dachterrasse beauftragt. Laut der vorliegenden Auftragsbestätigung wurde der Verkaufspreis mit 795.000 Euro festgelegt.

Anfang November 2013 schlossen die Bf. und ihr Ehegatte mit der UniCredit Bank Austria AG zwecks Ankauf einer Eigentumswohnung entsprechende Darlehensverträge über 391.000 Euro (Kapitalendfälligkeit am ) sowie über 500.000 Euro (288 Ratenzahlungen beginnend ab ) ab.

Mit dem Kaufvertrag vom erwarben die Bf. und ihr Ehegatte die Wohnung in 1190 Wien, S-Gasse 46/2, um den vertraglichen Kaufpreis von 820.000 Euro und verlegten nach Fertigstellung der Adaptierungsarbeiten im Jänner 2014 ihren Hauptwohnsitz dorthin (vgl. Meldebestätigung vom ).

In Bezug auf die Eigentumswohnung in der A-Straße sind einem im September 2014 vom Maklerbüro KE verfassten Aktivitätsnachweis für den Zeitraum ab Oktober 2013 zum einen 16 Besichtigungstermine sowie zum anderen 33 Offerte zu entnehmen, die aber offenkundig zu keinem positiven Ergebnis führten. Genauere Details, etwa die Gründe für das Nichtzustandekommen eines Kaufvertrags, sind in diesem Aktivitätsnachweis nicht enthalten.

Mit Schreiben vom wurde von der Bf. und ihrem Ehegatten dieser mit dem Maklerbüro KE abgeschlossene Alleinvermittlungsauftrag widerrufen.

Ebenfalls am schlossen die Bf. und ihr Ehegatte mit der LM Immobilien GmbH (kurz Maklerbüro LM) einen Maklervertrag hinsichtlich dieser Wohnung in der A-Straße ab, wobei der Verkaufspreis aber nicht mehr mit 795.000 Euro, sondern nunmehr mit 849.000 Euro festgelegt wurde.

Einer von diesem Maklerbüro LM im Juli 2016 erstellten und äußerst detaillierten Zusammenstellung der einzelnen Aktivitäten ist zum einen hinsichtlich des Verkaufspreises zu entnehmen, dass nach einem in einer Aktennotiz vom festgehaltenen Gespräch mit der Bf. und ihrem Ehegatten dieser auf 869.000 Euro erhöht wurde. Laut einer weiteren Aktennotiz vom erfolgte daraufhin wieder eine Preisreduktion auf 795.000 Euro, dh auf den ursprünglich im Oktober 2013 festgesetzten Verkaufspreis.

Zum anderen wurde vom Maklerbüro LM in Bezug auf seine Aktivitäten in dem fast zweijährigen Zeitraum seit der im September 2014 erfolgten Auftragserteilung folgende Aufstellung geliefert:


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Anzahl Inserate
79
Inseratenkosten (inkl. USt)
4.665,41 Euro
Anzahl 1. Besichtigungen
27
Anzahl 2. Besichtigungen
0
Anzahl Objektanbote
13
übermittelte Anbote
0
gelegte Anbote
0
eingehende E-Mails
100
ausgehende E-Mails
76

Den Erläuterungen hiezu sind die verschiedensten Gründe für das Nichtzustandekommen eines Kaufvertrags betreffend die angebotene "fantastische Dachterrassenwohnung" zu entnehmen (ua "Ausblick gefällt nicht"; "bräuchte Garage im Haus"; "gut gefallen - vermutlich aber zu groß"; "im Schulhof war entsetzliches Geschrei"; "Neubau und nicht in der Wunschgegend"; "nicht mal ins Haus gegangen - ist von außen zu wenig herrschaftlich"; "hat ihnen gut gefallen, die Aussicht ist aber eher ein K.o.-Kriterium, die Nachbarn sind zu nahe").

Dieser Alleinvermittlungsauftrag des Maklerbüros LM endete Mitte des Jahres 2016, woraufhin von der Bf. und ihrem Ehegatten zusätzlich zum Maklerbüro LM auch das Maklerbüro KE wieder mit dem Verkauf der Wohnung beauftragt wurde. Der Verkaufspreis wurde dabei auf 795.000 Euro belassen.

Das Maklerbüro LM fertigte im Februar 2017 neuerlich eine detaillierte Aufstellung über seine Aktivitäten an, nach der sich etwa in den vergangenen rund sechseinhalb Monaten die Anzahl der Erstbesichtigungen auf 43 erhöhte und zwei Zweitbesichtigungen getätigt wurden, ein Kaufvertrag aber wiederum nicht zustande kam (ua "eher nicht, Preis zu hoch"; "Gesamtpaket passt nicht, Haus gefällt nicht, keine Aussicht").

Einer zuletzt im Juli 2017 erstellten Aufstellung des Maklerbüros LM sind zum einen 57 Erstbesichtigungen sowie zum anderen neben den Gründen für das Nichtzustandekommen eines Kaufvertrags die Vermerke vom "Verkauf Wohnung A-Straße" bzw. "Abgeber hat Wohnung verkauft" zu entnehmen.

Für den Zeitraum Juni 2016 bis Juli 2017 ist zudem ein Aktivitätsnachweis des Maklerbüros KE vorhanden, wonach für diese Wohnung mit einem Verkaufspreis von 795.000 Euro insgesamt 28 Besichtigungstermine (inklusive Mehrfachbesichtigungen) angelegt sowie 61 Offerte erstellt wurden.

Laut diesem Aktivitätsnachweis wurden für den späteren Käufer, Herrn J.T., aufgrund einer im September 2016 erfolgten Nachfrage für Oktober 2016 und Februar 2017 zwei Besichtigungstermine festgesetzt.

Mit Kaufvertrag vom wurde schließlich diese Wohnung in der A-Straße von der Bf. und ihrem Ehegatten an Herrn J.T. veräußert. Dabei betrug der Verkaufspreis statt des zuletzt von den Verkäufern gewünschten Preises von 795.000 Euro nunmehr 720.000 Euro.

Im Rahmen der Selbstberechnung der Immobilienertragsteuer wurde bei der Bf. von der Hälfte dieses Veräußerungserlöses (360.000 Euro) die Hälfte der Anschaffungskosten inklusive der Nebenkosten sowie der Herstellungs- und Instandsetzungsaufwendungen (292.584,56 Euro) abgezogen, weshalb sich unter Berücksichtigung der Kosten für diese Selbstberechnung (240 Euro) Einkünfte gemäß § 30 Abs. 3 EStG 1988 in der Höhe von 67.175,44 Euro sowie eine gerundete Immobilienertragsteuer von 20.152 Euro ergaben.

Die vom Finanzamt vorgelegten Immobilienpreisspiegeln der WKO zeigen für den im konkreten Fall maßgeblichen vierten Bezirk in Wien bei gebrauchten Eigentumswohnungen für das Jahr 2013, dem Jahr der Auftragserteilung an das Maklerbüro KE, sowie für das Jahr 2014, dem Jahr der Wohnsitzaufgabe, folgende durchschnittlichen Quadratmeterpreise, abhängig vom jeweiligen Wohnwert, sowie zudem die prozentuellen Veränderungen:


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2013 (Euro/m2)
2014 (Euro/m2)
Veränderung
einfacher Wohnwert
1.900,0
2.255,0
+ 18,7 %
mittlerer Wohnwert
2.340,0
2.614,2
+ 11,7 %
guter Wohnwert
2.661,0
3.097,5
+ 16,4 %
sehr guter Wohnwert
3.420,0
3.697,0
+ 8,1 %

Für die Jahre 2015 bis 2017 sind zudem folgende, sowohl den Wohnwert als auch die - gute bzw. sehr gute - Wohnlage von gebrauchten Eigentumswohnungen berücksichtigenden Aufstellungen der Durchschnittspreise vorhanden:
2015:


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gute Wohnlage (Euro/m2)
sehr gute Wohnlage (Euro/m2)
einfacher Wohnwert
2.884,0
3.616,7
mittlerer Wohnwert
3.054,7
3.937,5
guter Wohnwert
3.138,4
4.312,5
sehr guter Wohnwert
3.533,3
4.687,5

2016:


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gute Wohnlage (Euro/m2)
sehr gute Wohnlage (Euro/m2)
einfacher Wohnwert
2.831,0
3.587,0
mittlerer Wohnwert
2.969,0
3.910,0
guter Wohnwert
3.277,0
4.245,0
sehr guter Wohnwert
3.693,5
4.733,5

2017:


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gute Wohnlage (Euro/m2)
sehr gute Wohnlage (Euro/m2)
einfacher Wohnwert
2.837,5
3.536,0
mittlerer Wohnwert
3.167,8
4.040,0
guter Wohnwert
3.504,0
4.300,0
sehr guter Wohnwert
3.825,0
4.850,0

In Bezug auf den Wohnwert geht das Bundesfinanzgericht - wohl in Übereinstimmung mit dem Beschwerdevorbringen der Bf. - davon aus, dass die fragliche Eigentumswohnung in der A-Straße einen sehr guten Wohnwert laut diesen Immobilienpreisspiegeln der WKO aufweist (= "erstklassige Ausstattung und Bausubstanz, hochwertige Böden, Sanitäranlagen und Heiztechnik in neuwertigem Zustand"). In diesem Zusammenhang sei deshalb lediglich darauf verwiesen, dass aufgrund der Unterlagen des Maklerbüros KE das "Highlight der Wohnung" der "ca. 64 m2 große Wohnraum mit offener Küche und Kamin und die ca. 50 m2 große Dachterrasse" sind sowie unter anderem eine Designerküche und eine Fußbodenheizung vorhanden sind.

Was die Wohnlage anbelangt, ist vorerst ebenfalls auf diese Unterlagen des Maklerbüros KE hinzuweisen, wonach sich die "helle, ruhige Dachterrassenwohnung (Hoflage!), Erstbezug 2009, … in guter Lage des vierten Bezirks, zwischen der Margaretenstraße und der Wiedner Hauptstraße," befindet, weiters bequeme Parkmöglichkeiten in einer in unmittelbarer Nähe befindlichen Tiefgarage vorliegen sowie Kindergarten, Volksschule, Gymnasium, Supermarkt und Gastronomie jeweils innerhalb von drei bis fünf Minuten zu Fuß erreichbar sind. Entsprechend dieser "Anpreisung" könnte demnach von einer guten bis sogar sehr guten Wohnlage ausgegangen werden.

Dem steht aber entgegen, dass M.O., der Ehegatte der Bf., gegen die vom Finanzamt mit Bescheid vom , St.Nr. ***2***, hinsichtlich seines Hälfteanteils an dieser Wohnung ebenfalls nicht anerkannte Hauptwohnsitzbefreiung durch seinen steuerlichen Vertreter eine noch offene Beschwerde erhob und darin ausdrücklich die schlechte Wohnlage hervorhob, die eine frühere Veräußerung verhindert hätte.

Da dies zumindest teilweise auch den Aktivitätsnachweisen der Maklerbüros entnommen werden kann, erscheint zu Gunsten der Bf. die Feststellung einer guten Wohnlage im Sinne der angegebenen Immobilienpreisspiegeln als gerechtfertigt.

Ausgehend von diesen Parametern wird vom Bundesfinanzgericht festgestellt, dass für diese Wohnung in der A-Straße im zeitlichen Nahbereich der Aufgabe des Wohnsitzes ein Quadratmeterpreis von rund 3.400 bis 3.700 Euro (2013 und 2014: sehr guter Wohnwert) erzielbar war.

Umgerechnet auf die Größe dieser Wohnung (rund 150 m2) ergibt sich damit Ende 2013 bzw. Anfang 2014 ein Verkaufspreis zwischen rund 510.000 und 550.000 Euro.

Für die Jahre 2015 und 2016 kann ebenfalls von einem durchschnittlichen Quadratmeterpreis von rund 3.500 bis 3.700 Euro (sehr guter Wohnwert bei guter Wohnlage) und damit von einem ähnlichen Verkaufspreis ausgegangen werden.

Dabei würde selbst die Annahme einer sehr guten Wohnlage und die Heranziehung eines Quadratmeterpreises für diese beiden Jahre von rund 4.700 Euro lediglich zu einem Verkaufspreis von rund 700.000 Euro führen.

Sämtliche von der Bf. und ihrem Ehegatten ursprünglich angesetzten Verkaufspreise, nämlich
- 795.000 Euro (Auftragserteilung vom an das Maklerbüro KE)
- 849.000 Euro (Auftragserteilung vom an das Maklerbüro LM)
- 869.000 Euro (Aktennotiz vom des Maklerbüros LM)
- 795.000 Euro (Aktennotiz vom des Maklerbüros LM)
liegen demnach, wie vom Finanzamt im Vorlagebericht ausdrücklich vorgebracht, über dem marktüblichen Preis für eine gebrauchte Eigentumswohnung im vierten Bezirk und sind - auch unter Berücksichtigung der von der Bf. bzw. den beiden Maklerbüros immer wieder besonders betonten Exklusivität dieser Dachterrassenwohnung - als höchst unrealistisch einzustufen.

Der letztlich für diese Wohnung in der A-Straße im beschwerdegegenständlichen Jahr 2017 erzielte Verkaufspreis von 720.000 Euro erweist sich nur im Hinblick auf den in diesem Jahr auf 4.850 Euro angestiegenen durchschnittlichen Quadratmeterpreis für Wohnungen mit sehr gutem Wohnwert und zudem zu Gunsten der Bf. angenommener sehr guter Wohnlage als höchstmöglich erzielbarer Preis.

Für das Bundesfinanzgericht bleibt mangels Vorbringens der Bf. bzw. deren steuerlichen Vertreterin unerfindlich, warum die Bf. und ihr Ehegatte trotz der Beauftragung von zwei Maklerbüros, denen aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeit sowohl die Marktlage als auch die oben angegebenen durchschnittlichen Quadratmeterpreise bekannt sein mussten, und trotz der erkennbaren Umstände für das Nichtzustandekommen eines Kaufvertrags (ua das nicht entsprechende Äußere des Gebäudes, das Nichtvorhandensein einer Garage, der mangelhafte Ausblick etc.) den ursprünglich im Jahre 2013 festgesetzten und als eindeutig überhöht anzusehenden Verkaufspreis von 795.000 Euro in den Jahren 2014 und 2015 sogar nochmals entscheidend erhöhten, um dann letztlich im Jahre 2016 den Preis wieder auf den Betrag von 795.000 Euro zu reduzieren.

Das Bundesfinanzgericht teilt demnach in freier Beweiswürdigung die unwidersprochen gebliebene Feststellung des Finanzamts im Vorlagebericht, dass die Bf. aufgrund von unrealistischen Preisvorstellungen und wirtschaftlich nicht nachvollziehbaren Handlungen den "verspäteten" Verkauf der besagten Wohnung zu verantworten hat und nicht etwa Umstände, auf die die Bf. keinen Einfluss hatte, diese Verzögerung von dreieinhalb Jahren rechtfertigten.

In diesem Zusammenhang ist die Bf. darauf zu verweisen, dass einem Vorlagebericht, der gemäß § 265 Abs. 4 BAO auch der beschwerdeführenden Partei zuzustellen ist, ebenso wie etwa einer Beschwerdevorentscheidung Vorhaltscharkter zukommt. Hält demnach die beschwerdeführende Partei das Vorbringen im Vorlagebericht für unzutreffend, hat sie sich zeitgerecht dazu zu äußern (vgl. etwa lediglich das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , RV/7107482/2016, mwN). Von dieser Möglichkeit wurde im konkreten Fall kein Gebrauch gemacht, obwohl das Finanzamt im Vorlagebericht dem Beschwerdevorbringen erstmals sehr ausführlich Einwendungen entgegensetzte, die für das Bundesfinanzgericht, wie gezeigt, ebenfalls nachvollziehbar sind.

2. Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 30 Abs. 1 EStG 1988 idF des 1. Stabilitätsgesetzes 2012 (1. StabG 2012), BGBl. I Nr. 22/2012, sind private Grundstücksveräußerungen Veräußerungsgeschäfte von Grundstücken, soweit sie keinem Betriebsvermögen angehören.

Diese Geschäfte sind grundsätzlich unabhängig vom Motiv für die Veräußerung steuerpflichtig und unterliegen der Immobilienertragsteuer (vgl. allgemein hiezu Kanduth-Kristen in Jakom EStG, 14. Aufl. (2021), § 30 Rz 11 ff).

Die maßgebliche Befreiungsbestimmung des § 30 Abs. 2 EStG 1988 lautet wie folgt:

"Von der Besteuerung ausgenommen sind die Einkünfte:
1. Aus der Veräußerung von Eigenheimen oder Eigentumswohnungen samt Grund und Boden (§ 18 Abs. 1 Z 3 lit. b), wenn sie dem Veräußerer
a) ab der Anschaffung oder Herstellung (Fertigstellung) bis zur Veräußerung für mindestens zwei Jahre durchgehend als Hauptwohnsitz gedient haben und der Hauptwohnsitz aufgegeben wird oder
b) innerhalb der letzten zehn Jahre vor der Veräußerung mindestens fünf Jahre durchgehend als Hauptwohnsitz gedient haben und der Hauptwohnsitz aufgegeben wird.
2.
…"

Diese Hauptwohnsitzbegünstigung regelt demnach zwei Tatbestände, wobei sich diese beiden Tatbestände im Wesentlichen durch die vom Veräußerer zu erfüllenden Fristen unterscheiden.

Da unstrittig im beschwerdegegenständlichen Fall der zweite Tatbestand mangels Vorliegens des Hauptwohnsitzes in der Wohnung in der A-Straße für mindestens fünf Jahre nicht gegeben ist, kommt lediglich der erste Tatbestand, der von einer zweijährigen Frist ausgeht, in Frage.

In Bezug auf die Auslegung dieses ersten Hauptwohnsitztatbestands des § 30 Abs. 2 Z 1 lit. a EStG 1988 wurde vom Verwaltungsgerichtshof (hinsichtlich des maßgeblichen Sachverhalts der Anschaffung einer Wohnung im Juni 2005, der Begründung des Hauptwohnsitzes im Dezember 2005, der Verlegung dieses Hauptwohnsitzes im Mai 2009 sowie der Veräußerung dieser Wohnung im Oktober 2012) im die außerordentliche Revision der dortigen Steuerpflichtigen abweisenden Erkenntnis vom , Ra 2018/15/0115, in einem Rechtssatz komprimiert Folgendes festgehalten:

"Mit dem 1. StabG 2012 ist neben dem § 30 Abs. 2 Z 1 lit. a EStG 1988 auch ein zweiter Hauptwohnsitzbefreiungstatbestand geschaffen worden (§ 30 Abs. 2 Z 1 lit. b EStG 1988), sodass im Rahmen einer systematischen Interpretation auf das Verhältnis dieser beiden Tatbestände Bedacht zu nehmen ist: Der zweite Tatbestand (§ 30 Abs. 2 Z 1 lit. b EStG 1988) verlangt, dass das Objekt innerhalb der letzten zehn Jahre vor der Veräußerung mindestens fünf Jahre durchgehend als Hauptwohnsitz gedient hat, er verlangt aber - im Gegensatz zum ersten Tatbestand (§ 30 Abs. 2 Z 1 lit. a EStG 1988) - gerade nicht, dass das Objekt "ab der Anschaffung" und "bis zur Veräußerung" den Hauptwohnsitz gebildet hat. Die Bedeutung der in Rede stehenden Tatbestandsmerkmale des § 30 Abs. 2 Z 1 lit. a EStG 1988 zeigt gerade die Gegenüberstellung der beiden Befreiungstatbestände auf. Mit § 30 Abs. 2 Z 1 lit. a EStG 1988 wollte der Gesetzgeber auf den Fall eines (zumindest zweijährigen) Hauptwohnsitzes, der grundsätzlich mit der Anschaffung des Objektes beginnt und grundsätzlich bis zu dessen Veräußerung aufrecht ist, abstellen. Für die Konstellation, dass dieser Zusammenhang zwischen Anschaffung und Hauptwohnsitzbegründung einerseits sowie Veräußerung und Hauptwohnsitzbeendigung andererseits nicht erfüllt ist, hat der Gesetzgeber den Befreiungstatbestand des § 30 Abs. 2 Z 1 lit. b EStG 1988 geschaffen, verlangt dabei aber eine nicht bloß zweijährige, sondern eine fünfjährige (durchgehende) Dauer des Hauptwohnsitzes. Würde den Tatbestandsmerkmalen "ab der Anschaffung" und "bis zur Veräußerung" der Befreiungsbestimmung nach § 30 Abs. 2 Z 1 lit. a EStG 1988 nicht die entsprechende Bedeutung beigemessen, bedürfte es der Befreiungsbestimmung nach § 30 Abs. 2 Z 1 lit. b EStG 1988 gar nicht. Solcherart ist der Befreiungsbestimmung nach § 30 Abs. 2 Z 1 lit. a EStG 1988 idF des 1. StabG 2012 die Bedeutung beizumessen, dass bei Aufgabe des Hauptwohnsitzes die Absicht, das Eigenheim bzw. die Eigentumswohnung zu veräußern, vorliegen und in einem zeitlichen Zusammenhang mit der Aufgabe des Hauptwohnsitzes in die Tat umgesetzt werden muss, wofür dem Veräußerer eine den Umständen des Einzelfalls nach angemessene Frist zukommt (vgl. auch Bodis/Hammerl in Doralt at al, EStG17, § 30 Rz 144 und 161; sowie Jakom/Kanduth-Kristen EStG 2019, § 30 Rz 29 ff)."

Zuletzt wies der Verwaltungsgerichtshof in diesem Erkenntnis dezidiert darauf hin, dass im Hinblick auf den unstrittigen Sachverhalt (von der Revisionwerberin wurde die Wohnung erst rund dreieinhalb Jahre nach Aufgabe des Hauptwohnsitzes veräußert) die Bestimmung des § 30 Abs. 2 Z 1 lit. a EStG 1988 nicht zum Tragen komme und zudem die Revisionswerberin im bisherigen Verfahren nicht einmal behauptet habe, dass sie bereits bei Aufgabe des Hauptwohnsitzes mit der Vorbereitung der Veräußerung begonnen habe.

Umgelegt auf den beschwerdegegenständlichen Sachverhalt, der in gleicher Weise durch den Umstand gekennzeichnet ist, dass zwischen der Aufgabe des Hauptwohnsitzes (Jänner 2014) und der Veräußerung der betreffenden Wohnung (Juli 2017) rund dreieinhalb Jahr liegen, bedeuten diese Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofs vorerst, dass dem Vorbringen der Bf. bzw. deren steuerlichen Vertreterin insofern Recht zu geben ist, als bei der Bf. im Oktober 2013 (Auftragserteilung an das Maklerbüro KE) und damit auch im Zeitpunkt der Aufgabe des Hauptwohnsitzes die vom Verwaltungsgerichtshof angesprochene "Absicht, das Eigenheim bzw. die Eigentumswohnung zu veräußern", grundsätzlich vorhanden war.

Wenn der Verwaltungsgerichtshof in weiterer Folge ausdrücklich betont, dass diese Absicht "in einem zeitlichen Zusammenhang mit der Aufgabe des Hauptwohnsitzes in die Tat umgesetzt werden muss" und hiefür "dem Veräußerer eine den Umständen des Einzelfalls nach angemessene Frist zukommt", folgt daraus, dass etwa die Aussage der Finanzverwaltung in den Einkommensteuerrichtlinien (Rz 6641 und 6643), die Aufgabe des Hauptwohnsitzes sei bis zu einem Jahr vor (bzw. nach) der Veräußerung unschädlich, nicht zutreffend ist. Wenn demnach in der Beschwerde darauf verwiesen wird, dass diese einjährige Frist zu starr und gesetzlich nicht gedeckt sei, ist ihr Recht zu geben.

In diesem Zusammenhang ist zudem auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom , Ro 2015/15/0006, zu verweisen, worin in Bezug auf den dortigen Sachverhalt der Aufgabe des Hauptwohnsitzes erst rund eineinhalb Jahr "nach" der Veräußerung die ausdrückliche Feststellung getroffen wurde, dass dem Veräußerer "eine den Umständen des Einzelfalls nach angemessene Frist" für die Adaptierung bzw. Errichtung des neuen Hauptwohnsitzes und damit auch für die Aufgabe des Hauptwohnsitzes einzuräumen sei und diese Frist durchaus über ein Jahr hinausgehen könne. Dabei wurde in diesem konkreten Fall vom Verwaltungsgerichtshof insbesondere hervorgehoben, dass die Errichtung des neuen Hauptwohnsitzes nach Maßgabe der finanziellen und rechtlichen Möglichkeiten nachdrücklich betrieben worden sei und nur aufgrund von Verzögerungen, die der Steuerpflichtige nicht zu vertreten habe, nämlich in erster Linie durch Einsprüche der Nachbarn, es nicht gelungen sei, binnen eines Jahres nach Abschluss des Kaufvertrags den neuen Hauptwohnsitz zu errichten.

Auch vom Bundesfinanzgericht wurde schon mehrfach ausgesprochen, dass entgegen der Ansicht der Finanzverwaltung eine mehr als einjährige Frist zwischen der Aufgabe des Hauptwohnsitzes und dem anschließenden Verkauf der Eigentumswohnung oder des Eigenheims nichts am Zutreffen des Befreiungstatbestands des § 30 Abs. 2 Z 1 lit. a EStG 1988 ändere.

Das Bundesfinanzgericht betonte aber wie auch der Verwaltungsgerichtshof in diesen beiden Erkenntnissen jeweils, dass die Umstände des Einzelfalls zu beachten seien und dass überdies im Hinblick auf das notwendige Vorhandensein eines "zeitlichen Zusammenhangs" maßgeblich sei, ob die Verzögerung des Verkaufsvorgangs auf nicht vom Steuerpflichtigen zu vertretende Umstände zurückzuführen sei.

So wies das Bundesfinanzgericht im schon von der Bf. in ihrer Einkommensteuererklärung erwähnten Erkenntnis vom , RV/7103961/2015, hinsichtlich einer etwa fünfzehnmonatigen Frist zwischen der Aufgabe des Hauptwohnsitzes und des nachfolgenden Verkaufs der Liegenschaft explizit darauf hin, dass der Erwerber bereits vor Ablauf dieser einjährigen Frist gefunden worden sei, aber die Vertragsverhandlungen und die Einholung der erforderlichen behördlichen Genehmigungen eine Verzögerung bewirkt hätten, die eben nicht dem dortigen Steuerpflichtigen anzulasten wären. Aufgrund der besonderen Konstellation und der geringfügigen Überschreitung der Toleranzfrist wurde deshalb vom Bundesfinanzgericht die Hauptwohnsitzbefreiung in diesem Einzelfall gewährt.

In ähnlicher Weise wurde vom Bundesfinanzgericht im Erkenntnis vom , RV/5100949/2019, entschieden, dass die "Toleranzfrist im Einzelfall auch mehr als ein Jahr", im konkreten Fall nämlich einundzwanzig Monate betragen könne. Dabei wurde insbesondere als entscheidungsrelevant der Umstand betont, dass sich die Verkaufsbemühungen wegen der Bestimmungen des entsprechenden Grundverkehrsgesetzes über einen längeren Zeitraum hingezogen hätten und dies dem Steuerpflichtigen nicht zur Last gelegt werden könnte.

Auch Fuhrmann, immolex 2020, 24, geht in Auseinandersetzung mit dem oben angeführten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom , Ra 2018/15/0115, davon aus, dass die Beantwortung der maßgeblichen Frage, wie lange diese Frist zur Begründung des Hauptwohnsitzes bzw. jene bei Aufgabe desselben bei Inanspruchnahme der zweijährigen Hauptwohnsitzbefreiung sein darf, von den Umständen des Einzelfalls abhängig ist. In der Folge heißt es zudem ausdrücklich unter Hinweis auf das ebenfalls schon erwähnte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom , Ro 2015/15/0006, wie folgt: "Die Frist sollte sich im Bereich von zwölf Monaten bewegen, außer die Abweichung hängt von Umständen ab, welche nicht in der freien Verfügung des Steuerpflichtigen stehen."

Angesichts des beschwerdegegenständlichen Sachverhalts, wie er vom Bundesfinanzgericht in freier Beweiswürdigung festgestellt wurde, ist nun dezidiert festzuhalten, dass sich die Frist eindeutig nicht in diesem Bereich von zwölf Monaten bewegt und die Verzögerung bei der Veräußerung der Wohnung in der A-Straße auf Umstände zurückzuführen ist, die der Bf. selbst zugerechnet werden müssen.

Wie oben ausführlich dargestellt ist nämlich der im Rahmen der Auftragserteilung an das Maklerbüro KE festgesetzte Verkaufspreis in Höhe von 795.000 Euro im Hinblick auf die durchschnittlichen Verkaufspreise für gebrauchte Eigentumswohnungen in dieser Gegend, die zwischen rund 510.000 und 550.000 Euro lagen, als eklatant unrealistisch einzustufen.

Auch wenn demnach die nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs notwendige Veräußerungsabsicht im Zeitpunkt der Aufgabe des Hauptwohnsitzes bei der Bf. grundsätzlich gegeben war, ist ihr vorzuwerfen, dass durch diese überzogene Preisvorstellung diese Absicht nicht verwirklichbar war.

Dieser im Oktober 2013 erteilte Verkaufsauftrag an das Maklerbüro KE konnte deshalb auch zu keinem Erfolg führen, obwohl der im September 2014 erstellte Aktivitätsnachweis eine doch beträchtliche Anzahl von Besichtigungsterminen und Offerten enthält. Der Bf. musste zudem aufgrund der von ihr in der Beschwerde ausdrücklich betonten "Überwachung" der beiden involvierten Maklerbüros bekannt sein, dass dieser von ihr festgesetzte Verkaufspreis nicht erzielbar war.

Nicht nachvollziehbar ist deshalb in weiterer Folge, warum trotz der negativen Rückmeldungen von potentiellen Käufern nach dem Widerruf des mit dem Maklerbüro KE abgeschlossenen Alleinvermittlungsauftrags im Zuge der Beauftragung des neuen Maklerbüros LM im September 2014, mithin fast ein Jahr nach der ersten Beauftragung, dieser auch für die Bf. als unrealistisch erkennbare Verkaufspreis nicht entsprechend reduziert, sondern vielmehr entgegen jeder wirtschaftlichen Logik sogar um 50.000 Euro erhöht wurde. Obwohl auch anschließend keine positiven Reaktionen erzielt werden konnten und die Wohnungssuchenden eine Reihe von Gründen angaben, warum diese Wohnung in der A-Straße für den von der Bf. angesetzten Verkaufspreis nicht in Frage komme, wurde im April 2015 aus wiederum nicht erfindlichen Gründen der Preis nochmals erhöht. Auch die im Juni 2016, dh zweieinhalb Jahre nach der Aufgabe des Hauptwohnsitzes, erfolgte Neufestsetzung des Verkaufspreises auf den schon ursprünglich angesetzten Betrag von 795.000 Euro erweist sich trotz der Steigerung der Immobilienpreise in diesen Jahren weiterhin weder als realistisch noch als marktkonform.

Im Ergebnis ist damit aber festzuhalten, dass von der Bf. im maßgeblichen Zeitraum ab der Beauftragung des Maklerbüros KE (Oktober 2013) bzw. der Aufgabe des Hauptwohnsitzes (Jänner 2014) bis jedenfalls zum April 2017 (vgl. das Vorbringen der Bf. in der Beschwerde, in diesem Zeitpunkt wäre der Verkauf absehbar gewesen), dh über einen Zeitraum von rund dreieinhalb Jahren, kein am Markt erzielbarer Preis festgesetzt wurde.

Da dieser Umstand der Bf. eindeutig vorgeworfen werden muss, kann auch nicht mehr von einer "angemessenen Frist" im Sinne der erwähnten Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofs sowie des Bundesfinanzgerichts gesprochen werden.

Die Tatsache, dass von der Bf. Mitte 2017 der Verkaufspreis deutlich auf den Betrag von 720.000 Euro reduziert wurde und es ihr damit letztlich auch gelang, die Wohnung um diesen Preis zu veräußern, ändert deshalb nichts mehr daran, dass dies außerhalb der angemessenen Frist geschah.

Entsprechend diesen Ausführungen ist dem Beschwerdevorbringen, für diese zeitliche Verzögerung von rund dreieinhalb Jahren seien in erster Linie Marktschwierigkeiten und damit Umstände verantwortlich, die nicht im Bereich der Bf. gelegen seien, der Boden entzogen.

Auch die sonstigen Einwendungen betreffend die notwendige Zwischenfinanzierung und die doppelte Zahlung von Betriebskosten vermögen schon deswegen nicht zu überzeugen, da der offenkundige Grund für die "unwirtschaftliche" Vermarktung der gegenständlichen Wohnung im relativ hohen Familieneinkommen lag (vgl. etwa lediglich das Einkommen der Bf. im Jahr 2017 laut angefochtenem Bescheid von rund 200.000 Euro sowie das Einkommen des Ehegatten M.O. im Jahr 2017 laut Abgabeninformationssystem von rund 145.000 Euro). Die von der Bf. vorgebrachte "Doppelbelastung" ist demnach wirtschaftlich gesehen von äußerst geringer Bedeutung.

Es war deshalb spruchgemäß zu entscheiden.

3. Zulässigkeit der Revision

Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision an den Verwaltungsgerichtshof zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs nicht einheitlich beantwortet wird.

Im beschwerdegegenständlichen Fall liegen keine dieser Voraussetzungen vor, weil sich das Bundesfinanzgericht zum einen auf die beiden Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofs stützen konnte und zum anderen diese Entscheidung von der Lösung von nicht über den Einzelfall hinausgehenden Sachverhaltsfragen abhing.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise
VwGH, Ra 2018/15/0115
VwGH, Ro 2015/15/0006
BFG, RV/7103961/2015
BFG, RV/3100521/2014
BFG, RV/5100949/2019
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.7102591.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at