Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 28.05.2021, RV/7102910/2020

Haftung: Inanspruchnahme des Beschwerdeführers als Haftungspflichtiger nach § 9 iVm § 80 BAO

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch die Richterin Mag. Mirha Karahodzic MA in der Beschwerdesache des ***Bf***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom , betreffend Steuernummer ***4***, betreffend Inanspruchnahme zur Haftung nach §§ 9, 80 BAO zu Recht:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben und der angefochtene Bescheid abgeändert. Die Haftung wird auf die folgenden Abgaben und Beträge im Gesamtausmaß von 13.187,71 Euro eingeschränkt:


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Abgabenart
Zeitraum
Betrag in Euro
Kammerumlage
01-03/2013
62,59
Kammerumlage
04-06/2013
76,29
Umsatzsteuer
07/2013
1.859,05
Umsatzsteuer
08/2013
3.534,02
Umsatzsteuer
10/2013
3.835,86
Umsatzsteuer
11/2013
3.819,90

II. Die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

1. Verfahrensgang und Sachverhalt:

Mit angefochtenem Haftungsbescheid vom , dem u.a. ein Haftungsvorhalt im Jahr 2016 vorangegangen ist, wurde der Beschwerdeführer als Haftungspflichtiger gemäß § 9 iVm § 80 ff BAO für die aushaftenden Abgabenschuldigkeiten der Firma ***1*** GmbH, FN ***2***, ***3***, im Ausmaß von 33.816,14 Euro in Anspruch genommen und aufgefordert, diesen Betrag innerhalb eines Monats ab Zustellung dieses Bescheides zu entrichten. Die Aufgliederung der Abgaben stellte sich wie folgt dar:

Die in der rechten Spalte dargestellten Bescheide wurden dem Beschwerdeführer zusammen mit dem Haftungsbescheid übermittelt.

Der Beschwerdeführer war im Zeitraum von bis handelsrechtlicher Geschäftsführer der ***1*** GmbH und ist mit als solcher aus der Firma ausgeschieden (vgl. Notariatsakt vom ). Die GmbH ist mittlerweile vermögenslos. Ein Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gemäß § 63 IO wurde zurückgewiesen. Die Firma ist gemäß § 40 FBG im Firmenbuch zum gelöscht worden (vgl. historischer Firmenbuchsauszug im Akt).

Als gesetzliche Frist zur Abgabe der Steuererklärungen betreffend Umsatzsteuer und Körperschaftssteuer 2013 war der festgesetzt. Es wurde keine Fristverlängerung für die Abgabe der Erklärung eingereicht. Es wurden in weiterer Folge überhaupt keine Erklärungen eingereicht. Die Umsatzsteuerbescheide für 07/2013, 08/2013, 10/2013 und 11/2013 wurden im Zuge einer USO-Prüfung für den Zeitraum 1-12/2013 mit Bescheid am neu festgesetzt, wobei die USO-Prüfung mit Niederschrift vom abgeschlossen wurde und der GmbH angekündigt und damit bekannt war. Am wurden die Jahresbescheide betreffend Umsatz- und Körperschaftsteuer 2013 im Schätzungswege erlassen.

2. Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem übermittelten Verwaltungsakt sowie den angeführten Unterlagen wie Firmenbuchauszug, Notariatsakt und Bescheiden. Die Feststellung zu Höhe und Abgabenart der Haftungsbeträge ergibt sich aus übermittelten Haftungsbescheid und den dazu ergangenen Grundlagenbescheiden.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer keine Unterlagen vorgelegt hat, um eine Gläubigergleichbehandlung nachzuweisen, ergibt sich aus dem Verfahrensverlauf, insbesondere der Beschwerde und dem Vorlageantrag, die Angaben zu stichtagsbezogenen Befriedigungsverhältnissen und Zahlungen vermissen ließen.

Dass die Beträge bei der Primärschuldnerin uneinbringlich sind, ergibt sich aus dem Konkursverfahren und deren mittlerweile erfolgter Löschung im Firmenbuch.

3. Beschwerdevorbringen, Beschwerdevorentscheidung und Vorlageantrag

In der gegen den Haftungsbescheid erhobenen Beschwerde wurde vorgebracht, der Beschwerdeführer sei nachweislich am im Zuge einer Abtretung der Gesellschaft (siehe Notariatsakt vom ) aus der GmbH ausgetreten, weshalb die Mittel nicht mehr in seiner Verwaltung gewesen seien. Weiter wird darin vorgebracht, der Beschwerdeführer sei somit innerhalb der Einreichfrist der Steuererklärungen für das Jahr 2013, ausgeschieden. Obwohl er bereits vor seinem Ausscheiden die Erstellung der Bilanz beim "steuerlichen Vertreter in Auftrag gegeben habe, wurde anscheinend nach Erstellung der Bilanz und Steuererklärungen, diese vom neuen Vertreter der Gesellschaft nicht an das zuständige Finanzamt übermittelt, sodass die Steuererklärungen gern. § 184 BAO im Schätzungswege ermittelt wurden."

Aufgrund dessen, dass die Gesellschaft von einem steuerlichen Vertreter vertreten und die Frist für die Einreichung der Steuererklärungen erst nach seinem Ausscheiden verstrichen gewesen sei, habe er keine Möglichkeit gehabt, die Steuererklärungen rechtzeitig einzureichen. Da ihm aber mittlerweile die Bilanz und die Steuererklärungen für das Jahr 2013 vorliegen, übermittle er mit der Beschwerde die Bilanz und die Steuererklärungen (Umsatzsteuererklärung 2013 und Körperschaftssteuererklärung 2013) für das Jahr 2013.

Daraus sei ersichtlich, dass die Gesellschaft das Jahr 2013 mit einem Verlust in Höhe von 15.555,39 Euro abgeschlossen habe. Es werde daher ersucht, den Umsatzsteuerbescheid 2013 und den Körperschaftssteuerbescheid 2013 und damit zusammenhängende Bescheide wie zB Anspruchzinsen und Säumniszuschläge "aufzuheben und neu zu berechnen."

Bezugnehmend auf die Umsatzsteuerbescheide für 07/2013, 08/2013, 10/2013, 11/2013 könne er sich nicht erklären, aus welchen Gründen diese erstellt worden seien. Alle Umsatzsteuervoranmeldungen betreffend den oa. Zeiträumen seien über steuerliche Vertretung erstellt und rechtzeitig an das zuständige Finanzamt übermittelt worden.

Nach Durchsicht der Unterlagen beim steuerlichen Vertreter werde angenommen, dass diese Steuerbeträge Lieferungen an deutschen Kunden betreffen könnten. Wörtlich heißt es:

"Da wir aber alle unsere Lieferungen an unsere Kunden in Deutschland als innergemeinschaftliche Lieferung gern. Art 7 UStG 1994 mit einem dazugehörenden CMRFormular versendet haben, darf hier keine Umsatzsteuer anfallen. Auf unseren CMRFormularen ist auch immer der Nachweis der Beförderung und des Abnehmers neben den sonstigen Bestandteilen einer Innergemeinschaftlichen Lieferung vorhanden gewesen. Da ich mit der Abtretung der Gesellschaft auch alle Buchhaltungsunterlagen ordnungsgemäß, wie auch im Punkt 'Fünftens' des Notariatsaktes vom ersichtlich, übergeben habe, kann ich auf die einzelnen Nachweise in diesem Zusammenhang nicht mehr zurückgreifen aber ich übermittle Ihnen beispielhaft eine Kopie eines CMR-Formulars, dass ich noch zufällig in meinen Unterlagen zu Hause finden konnte, wo an denselben Kunden in Deutschland Waren geliefert wurden.

Aufgrund dessen, dass alle unsere innergemeinschaftlichen Lieferungen ordnungsgemäß stattgefunden haben, wie auch aus dem beispielhaft beigelegten CMR-Formular ersichtlich ist, sind die Umsatzsteuerbescheide für 07/2013, 08/2013, 10/2013, 11/2013 und die damit zusammenhängenden Bescheide (wie zB. Kammerumlage und Säumniszuschläge für den betroffenen Zeitraum) aufzuheben."

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde der Beschwerde teilweise stattgegeben und die Haftung auf folgende Beträge eingeschränkt:

Die bloße nachträgliche Einreichung der ursprünglichen Steuererklärungen für das Jahr 2013 könne nicht als Beschwerde gegen die Grundlagenbescheide gewertet werden. Die Umsatzsteuerbescheide seien nicht auszuscheiden, da die USO-Prüfung am mit Niederschrift abgeschlossen worden und dem Unternehmen im Voraus angekündigt worden sei. Es sei daher "äußerst unwahrscheinlich und entspricht auch nicht den Erfahrungen aus vorhergegangenen Prüfungen", dass der Beschwerdeführer als eingetragener handelsrechtlicher Geschäftsführer keine Kenntnis davon gehabt habe. Die Geschäftsführertätigkeit des Beschwerdeführers sei im Firmenbuch laut Antrag vom am als beendet eingetragen worden. Ebenso sei der Beschwerdeführer in der Niederschrift als 100%iges Organ der Gesellschaft angeführt worden.

Im Vorlageantrag vom ergänzte der Beschwerdeführer sein Vorbringen unter Berufung auf § 14 BAO, dass sich der Erwerber des Unternehmens in Punkt 5. des Notariatsaktes verpflichtet habe, dass ihm insbesondere das Gesellschaftsvermögen in allen seinen Teilen, einschließlich des von der Gesellschaft betriebenen Unternehmens sowie auch die Passiven bekannt seien und er sich hierüber und über alle ihm sonst noch bedeutsamen Belange jeglicher Natur, insbesondere durch Einholung eingehender Informationen beim Steuerberater Gewissheit verschafft habe. Im Zusammenhang mit der vorgehaltenen verspäteten Abgabe von Erklärungen verweist der Beschwerdeführer auf § 134 Abs 1 BAO, wo zu entnehmen sei, dass die die Jahressteuererklärungen (für Einkommen-, Umsatz und Körperschaftsteuer sowie die Erklärung der Einkünfte von Personengesellschaften/-gemeinschaften - Feststellungserklärung) samt Beilagen bis 30. April des Folgejahres beim Finanzamt einzureichen seien. Werden die Jahressteuererklärungen elektronisch über FinanzOnline eingebracht, so verlängere sich die Frist bis 30. Juni des Folgeiahres. Bei Vertretung durch eine steuerliche Vertreterin oder einen steuerlichen Vertreter seien auch längere Fristen möglich. Auch wenn die Steuererklärungen bis zum nicht abgegeben worden seien, müsse zumindest angenommen werden, dass die Steuererklärungen bis zum auf dem elektronischen Wege eingebracht werden, ohne dass dem Unternehmen irgendwelche Sanktionen gesetzt werden, da die gesetzliche Frist das ermögliche, im Übrigen seien auch längere Fristen möglich, wenn man durch einen steuerlichen Vertreter vertreten werde, wie das bei der Primärschuldnerin der Fall gewesen sei.

4. Für das Bundesfinanzgericht ergibt sich folgende rechtliche Beurteilung:

4.1 Zu Spruchpunkt I. (Abänderung)

4.1.1. Rechtslage

§ 9 Abs. 1 BAO lautet:

"Die in den §§ 80 ff. bezeichneten Vertreter haften neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können."

§ 20 BAO lautet:

"Entscheidungen, die die Abgabenbehörden nach ihrem Ermessen zu treffen haben (Ermessensentscheidungen), müssen sich in den Grenzen halten, die das Gesetz dem Ermessen zieht. Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen."

§ 80 Abs. 1 BAO lautet:

"Die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen haben alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden."

§ 224 Abs. 1 BAO lautet:

"Die in Abgabenvorschriften geregelten persönlichen Haftungen werden durch Erlassung von Haftungsbescheiden geltend gemacht. In diesen ist der Haftungspflichtige unter Hinweis auf die gesetzliche Vorschrift, die seine Haftungspflicht begründet, aufzufordern, die Abgabenschuld, für die er haftet, binnen einer Frist von einem Monat zu entrichten."

4.1.2. Nach der im Folgenden näher dargestellten, ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setzt die Geltendmachung der Haftung nach § 9 Abs. 1 BAO voraus, dass

1. die als haftungspflichtige in Frage kommende Person zum Personenkreis der §§ 80 ff. BAO gehört (Vertreterstellung),

2. eine uneinbringliche Abgabenforderung gegen den Vertretenen besteht (Uneinbringlichkeit),

3. ein Verschulden des Vertreters an der Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten des Vertretenen vorliegt (Verschulden) und

4. die Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit ursächlich war (Kausalität).

4.1.2.1. Vertreterstellung

Der Beschwerdeführer war jedenfalls von bis handelsrechtlicher Geschäftsführer der ***1*** GmbH und ist mit als solcher aus der Firma auf Grund des Notariatsaktes vom betreffend Betriebsübernahme ausgeschieden. Die Geschäftsführertätigkeit des Beschwerdeführers wurde dabei im Firmenbuch auf Grund des Antrages vom am als beendet eingetragen.

Zum Vorbringen im Vorlageantrag, der Erwerber des Unternehmens habe sich in Punkt 5. des Notariatsaktes verpflichtet, dass ihm insbesondere das Gesellschaftsvermögen in allen seinen Teilen, einschließlich des von der Gesellschaft betriebenen Unternehmens sowie auch die Passiven bekannt seien und er sich hierüber und über alle ihm sonst noch bedeutsamen Belange jeglicher Natur, insbesondere durch Einholung eingehender Informationen beim Steuerberater Gewissheit verschafft habe, weshalb auf § 14 BAO hingewiesen werde, ist Folgendes auszuführen:

Der Beschwerdeführer war im haftungsrelevanten Zeitraum - bis zu seinem Ausscheiden Anfang Juli 2014 - wie festgestellt alleiniger handelsrechtlicher Geschäftsführer der Primärschuldnerin und gehörte damit zum Personenkreis der §§ 80 ff. BAO.

Zu seinen Pflichten als Geschäftsführer der GmbH gehörte es daher, die abgabenrechtlichen Verpflichtungen der Gesellschaft wahrzunehmen und für die Entrichtung der Abgaben aus den verwalteten Mitteln zu sorgen (siehe u.a. , , 2006/13/0121, , 2008/15/0085). Die abgabenrechtlichen Verpflichtungen bestanden u.a. in der Pflicht zur Führung von Büchern und Aufzeichnungen sowie deren Aufbewahrung, in der Erfüllung der Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflichten der Gesellschaft, in der Abgabenerklärungspflicht sowie in der Verpflichtung, die vom Vertretenen geschuldeten Abgaben zu entrichten.

Für die Beurteilung zur Heranziehung der Haftung kommt es darauf an, wann die gegenständlichen Abgaben nach den abgabenrechtlichen Vorschriften zu entrichten gewesen wären:

Der Unternehmer hat gemäß § 21 Abs. 1 UStG spätestens am 15. Tag (Fälligkeitstag) des auf einen Kalendermonat (Voranmeldungszeitraum) zweitfolgenden Kalendermonates eine Voranmeldung bei dem für die Einhebung der Umsatzsteuer zuständigen Finanzamt einzureichen, in der er die für den Voranmeldungszeitraum zu entrichtende Steuer (Vorauszahlung) oder den auf den Voranmeldungszeitraum entfallenden Überschuss unter entsprechender Anwendung des § 20 Abs. 1 und 2 UStG und des § 16 UStG selbst zu berechnen und zu entrichten hat.

Der Fälligkeitszeitpunkt für die Umsatzsteuerabschlusszahlung richtet sich nach der Grundregel des § 210 Abs. 1 BAO und tritt damit mit Ablauf eines Monates nach Bekanntgabe des Abgabenbescheides ein.

Für die Körperschaftsteuervorauszahlungen, sowie für die -abschlusszahlungen sind die Vorschriften des Einkommensteuergesetzes 1988 über die Veranlagung und Entrichtung der Körperschaftsteuer sinngemäß anzuwenden (§ 24 Abs. 3 Z 1 KStG). Gemäß § 45 Abs. 2 EStG 1988 sind die Körperschaftsteuervorauszahlungen vierteljährlich zu leisten. Der Fälligkeitszeitpunkt für die Körperschaftsteuerabschlusszahlungen richtet sich nach der Grundregel des § 210 Abs. 1 BAO und tritt damit mit Ablauf eines Monates nach Bekanntgabe des Abgabenbescheides ein.

Die Säumniszuschläge gemäß § 217 BAO und die Anspruchszinsen gemäß § 205 BAO werden dem Abgabenpflichtigen mittels eines eigenen Bescheides (Säumniszuschlagsbescheid bzw. Anspruchszinsenbescheid) angelastet. Beide werden gemäß § 210 Abs. 1 BAO mit Ablauf eines Monats ab Zustellung des Bescheides fällig.

Die Kammerumlage nach dem Wirtschaftskammergesetz ist kalendervierteljährlich selbst zu ermitteln und bis spätestens zum 15. des auf das Kalendervierteljahr zweitfolgenden Kalendermonats zu entrichten.

Folgende Abgaben waren nach dem Ausscheiden des Beschwerdeführers fällig und sind daher aus der Haftung auszuscheiden:

  • Die Umsatzsteuer 06/2014 über 8.529,98 Euro: Diese war bis spätestens zu melden und spätestens am zu entrichten.

  • Die Kammerumlage 04-06/2014 über 113,50 Euro, da diese bis zu entrichten war, und die Säumniszuschläge I 2014 über gesamt 485,85 Euro, welche auf den Bescheiden vom , und basieren, da diese einen Monat ab Zustellung der Bescheide fällig waren.

  • Die Säumniszuschläge I 2013 iHv 345,44 Euro, welche auf den Bescheiden vom (betreffend Umsatzsteuer 06/2014) und vom (betreffend Umsatzsteuer 07/2014 und 08/2014) beruhen. Sie waren einen Monat nach Zustellung des Bescheides fällig (§ 210 Abs. 1 BAO).

  • Die Umsatzsteuer 2013 iHv 434,97 Euro, die mit Bescheid vom festgesetzt wurden sowie die Körperschaftsteuer 2013 iHv 5.000 Euro, die mit Bescheid vom festgesetzt wurde. Diese beiden Bescheide betrafen Abschlusszahlungen, die erst mit den jeweiligen Bescheiden bekannt gegeben wurden; der Beschwerdeführer war zu diesem Zeitpunkt schon ausgeschieden.

  • Die Anspruchszinsen iHv 66,82 Euro, die auf dem Bescheid über die Festsetzung von Anspruchszinsen 2013 vom für die Körperschaftsteuer 2013 beruhen. Diese waren einen Monat nach Zustellung des Zinsenbescheides fällig (§ 210 Abs. 1 BAO).

Dass die Primärschuldnerin zum 2. Halbjahr 2014 an einen neuen Gesellschafter-Geschäftsführer abgetreten wurde, ändert nichts daran, dass der Beschwerdeführer als Geschäftsführer für bis zu seinem Ausscheiden fällig gewordene Abgaben zur Haftung herangezogen werden kann. Eine Berufung auf § 14 BAO geht daher ins Leere.

4.1.2.2. Uneinbringlichkeit der Abgaben

Die Haftung nach § 9 BAO ist eine Ausfallshaftung und setzt die objektive Uneinbringlichkeit der betreffenden Abgaben im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Haftenden voraus (vgl. zB ). Die objektive Uneinbringlichkeit der verfahrensgegenständlichen Abgaben steht zweifelsfrei fest, da die Primärschuldnerin mittlerweile im Firmenbuch gelöscht wurde. Eine (auch nur teilweise) Einbringlichmachung der noch aushaftenden Abgabenverbindlichkeiten bei der nicht mehr existenten Gesellschaft ist daher nicht möglich.

4.1.2.3. Verschulden

Die Haftung nach § 9 BAO ist eine verschuldensabhängige Haftung. Voraussetzung ist daher ein Verschulden des Vertreters an der Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten der vertretenen Gesellschaft.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes darf der Vertreter bei der Entrichtung von Schulden die Abgabenschulden nicht schlechter behandeln als andere Schulden; er hat die Schulden im gleichen Verhältnis zu befriedigen (Gleichbehandlungsgrundsatz). Eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes kann sich nicht nur bei der Tilgung bereits bestehender Verbindlichkeiten, sondern auch bei sogenannten Zug-um-Zug-Geschäften ergeben ().

Was die haftungsgegenständlichen Abgaben betrifft, erstreckt sich die Haftung des Vertreters, wenn die liquiden Mittel nicht zur Begleichung sämtlicher Schulden gereicht haben und der Vertreter nur deswegen haftet, weil er die Abgabenforderungen nicht wenigstens anteilig befriedigt und somit die Abgabengläubiger benachteiligt hat, nur auf jenen Betrag, um den bei gleichmäßiger Behandlung sämtlicher Gläubiger die Abgabenbehörde mehr erlangt hätte, als sie infolge des pflichtwidrigen Verhaltens des Vertreters tatsächlich bekommen hat ().

Der Vertreter erfährt somit nur dann eine Einschränkung der Haftung, wenn er den Nachweis erbringt, welcher konkrete Abgabenbetrag auch bei einer gleichmäßigen Befriedigung der Gläubiger uneinbringlich geworden wäre (). Hat der Geschäftsführer aber nicht dargetan, weshalb er für die rechtzeitige Entrichtung der bei der Gesellschaft angefallenen Abgaben gesorgt hat, darf die Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung annehmen (siehe nochmals ).

Da der Nachweis, welcher Betrag bei Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre, dem Beschwerdeführer oblag (vgl. zB sowie zuletzt ), wurde er von der Abgabenbehörde bereits im Haftprüfungsvorhalt des Jahres 2016 aufgefordert, zu den jeweiligen Fälligkeitstagen der Abgaben eine Aufstellung sämtlicher Gläubiger, der auf die einzelnen Verbindlichkeiten geleisteten Zahlungen sowie aller verfügbar gewesenen liquiden Mittel beizubringen. Auch die Ausführungen in der Beschwerdevorentscheidung sind als nochmalige Aufforderung zur Vorlage von Gleichbehandlungsnachweisen zu verstehen. Sowohl der Haftungsvorhalt als auch der Haftungsbescheid und die Beschwerdevorentscheidung entfalteten somit Vorhaltecharakter.

Einen Nachweis, welcher konkrete Abgabenbetrag auch bei einer gleichmäßigen Befriedigung der Gläubiger hinsichtlich der haftungsrelevanten Zeiträume uneinbringlich geworden wäre, hat der Beschwerdeführer trotz dieser oftmaligen Aufforderungen nicht erbracht.

Die implizierte Beschwerdebehauptung, das Haftungsverfahren sei mangelhaft durchgeführt worden, erweist sich vor diesem Hintergrund als nicht zutreffend. Im Übrigen hatte der Beschwerdeführer im gesamten Haftungsverfahren jederzeit die Möglichkeit, zu den Haftungsvoraussetzungen Stellung zu nehmen, ohne dass es dafür einer (weiteren) förmlichen, ausdrücklichen Aufforderung seitens der belangten Behörde bedurft hätte.

Der Beschwerdeführer hat es somit hinsichtlich der in der Haftung verbliebenen Abgaben unterlassen, durch eine Auflistung sämtlicher Gläubiger mit zum Zeitpunkt der Abgabenfälligkeiten gleichzeitig oder früher fällig gewordener Forderungen darzutun, dass die Primärschuldnerin bereits zu den jeweiligen Fälligkeitstagen - wie behauptet - nicht mehr über ausreichend liquide Mittel zur (vollen) Bezahlung aller Verbindlichkeiten verfügte, und so den geforderten Gläubigergleichbehandlungsnachweis zu erbringen. Die bloße Behauptung, sämtliche Gläubiger seien gleichbehandelt worden, reicht dazu nicht aus.

Hinsichtlich der in der Haftung verbliebenen Abgaben ist daher eine schuldhafte Pflichtverletzung des Beschwerdeführers anzunehmen.

3.1.2.4. Kausalität

Im Fall des Vorliegens einer schuldhaften Pflichtverletzung spricht nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine Vermutung für die Verursachung der Uneinbringlichkeit der Abgaben durch die Pflichtverletzung und den Rechtswidrigkeitszusammenhang. Die Pflichtverletzung ist demnach kausal für die Uneinbringlichkeit ().

Im vorliegenden Fall war die pflichtwidrige Nichtentrichtung der im Haftungsbescheid angeführten Abgaben kausal für deren Uneinbringlichkeit. Dieses pflichtwidrige Verhalten ist dem Beschwerdeführer als damals verantwortlichen Geschäftsführer der Gesellschaft zuzurechnen.

3.1.2.5. Ermessen

Die im Rahmen des § 224 BAO zu treffende Ermessensentscheidung im Sinne des § 20 BAO ist innerhalb der vom Gesetzgeber gezogenen Grenze nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommender Umstände zu treffen. Dem Gesetzesbegriff Billigkeit ist dabei die Bedeutung des berechtigten Interesses des Berufungswerbers beizumessen, nicht zur Haftung für Abgaben herangezogen zu werden, deren Uneinbringlichkeit bei der Primärschuldnerin feststeht und deren Nichtentrichtung durch ihn versursacht worden ist. Dem Gesetzesbegriff Zweckmäßigkeit kommt die Bedeutung öffentliches Interesse an der Einhebung der Abgabe zu. Die Zweckmäßigkeit der Geltendmachung der Haftung liegt darin, dass nur durch diese Maßnahme eine Einbringlichkeit der angeführten Abgaben gegeben ist und nur so dem öffentlichen Interesse an der Erhebung der Abgaben nachgekommen werden kann.

Ein langer Zeitabstand zwischen dem Entstehen der Abgabenschuld oder der Feststellung der Uneinbringlichkeit der Abgaben bei der Primärschuldnerin einerseits und der bescheidmäßigen Inanspruchnahme zur Haftung andererseits ist zweifellos ein Umstand, der bei der Inanspruchnahme zur Haftung im Sinne des Ermessens nicht außer Betracht gelassen werden darf. Inwieweit dieser Gesichtspunkt beim Ermessen Berücksichtigung findet, hängt aber vom Einzelfall ab (vgl. ): Der Beschwerdeführer wurde etwa zwei Jahre nach Beendigung seiner Geschäftsführertätigkeit bei der Primärschuldnerin mit einem Haftungsvorhalt konfrontiert, da im Jahr 2016 der Konkurs der Primärschuldnerin schlagend geworden ist. Der gegenständliche Haftungsbescheid wurde dann erst im November 2019 erlassen, sohin rund drei Jahre nach dem Konkurs der Primärschuldnerin. Aus Sicht des Bundesfinanzgerichtes ist dieser Umstand zu Gunsten des Beschwerdeführers im Rahmen der Ermessensübung mit einer Reduzierung der in der Haftung verbliebenen Beträge um 30% zu würdigen.

Die Haftung war daher wie im Spruch ersichtlich einzuschränken und der angefochtene Bescheid abzuändern.

4.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Gegen eine Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil der Beschluss von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die gegenständliche Entscheidung weicht weder von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung (vgl. die unter 3.1. zitierte Rechtsprechung). Die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Im Übrigen liegen keine Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der hier zu lösenden Rechtsfrage, ob der Beschwerdeführer zu Recht zur Haftung herangezogen wurde, vor.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 9 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 20 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 80 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 224 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 14 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise








ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.7102910.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at