Fehlende Angabe der Wiederaufnahmsgründe
Revision beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2021/13/0133. Mit Erk. v. wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufgehoben. Fortgesetztes Verfahren mit Erkenntnis zur Zahl RV/7100570/2023 erledigt.
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht erkennt durch den Richter MMag. Gerald Erwin Ehgartner in der Beschwerdesache Verein **BF**, vertreten durch AUDITREU Steuerberatungsgesellschaft m.b.H., Gonzagagasse 17, 1010 Wien, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Baden Mödling (nunmehr Finanzamt Österreich) vom betreffend
Umsatzsteuer für die Jahre 2012 bis 2016 sowie
Wiederaufnahme betreffend Umsatzsteuer für die Jahre 2012 bis 2016
zu Recht:
I. Der Beschwerde gegen die Wiederaufnahmsbescheide betreffend Umsatzsteuer 2012 bis 2016 wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben. Die Bescheide werden ersatzlos aufgehoben.
II. Es wird der Beschluss gefasst:
Die Beschwerde gegen die Umsatzsteuerbescheide 2012 bis 2016 wird gemäß § 261 Abs 2 BAO iVm § 278 Abs 1 BAO als gegenstandslos erklärt. Das Verfahren ist diesbezüglich einzustellen.
III. Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Infolge einer bei der Beschwerdeführerin durchgeführten Außenprüfung erließ die belangte Behörde die mit datierten Umsatzsteuer- und Wiederaufnahmsbescheide betreffend die Jahre 2012 bis 2016.
Alle gegenständlichen Wiederaufnahmsbescheide erhalten wörtlich folgende Begründung:
Die Wiederaufnahme des Verfahrens erfolgte gem. § 303 (1) BAO aufgrund der Feststellungen der abgabenbehördlichen Prüfung, die der darüber aufgenommenen Niederschrift bzw. dem Prüfungsbericht zu entnehmen sind. Daraus ist auch die Begründung für die Abweichungen vom bisherigen im Spruch bezeichneten Bescheid zu ersehen. Die Wiederaufnahme wurde unter Abwägung von Billigkeits- und Zweckmäßigkeitsgründen (§ 20 BAO) verfügt. Im vorliegenden Fall überwiegt das Interesse an der Rechtsrichtigkeit das Interesse auf Rechtsbeständigkeit. Die steuerlichen Auswirkungen können auch nicht als bloß geringfügig angesehen werden.
In der Niederschrift über die Schlussbesprechung anlässlich der durchgeführten Außenprüfung, datiert mit , wird auf die Wiederaufnahme des Verfahrens nicht eingegangen. Zum streitgegenständlichen Punkt der des Eintrittskartenumsatzes findet sich wörtlich nur wie folgt ausgeführt:
3.)Eintrittskartenumsatz
Es wurde festgestellt, dass der Kartenverkauf in den WJ 2011/12 bis 2015/16 der Umsatzsteuer zu 10% unterzogen wurde. Der Eintritt für Sportveranstaltungen unterlag bis Mai 2016 dem Umsatzsteuersatz von 20% (ab Mai 2016 13%). Das Finanzamt führt die Versteuerung der Eintrittskartenumsätze mit dem korrekten Steuersatz durch.
Anmerkung: Im Jahr 2012/13 entfallen von den Erlösen zu 10% von 515.786,41 nur 511.106,70 auf Kartenverkäufe.
Im Text eingefügt findet sich eine Tabelle, mit einer Aufstellung der nach Beurteilung durch die belangte Behörde anzuwendenden 10%- bzw 13%-Steuersätze für die einzelnen Jahre und die daraus errechneten Steuerdifferenzen:
2011/12: EUR 32.314,90; 2012/13: EUR 42.592,23; 2013/14: EUR 32.528,33; 2014/15: EUR 28.620,07; 2015/16: EUR 19.910,45.
Im Bericht über das Ergebnis der Außenprüfung, datiert mit , wird auf die Wiederaufnahme unter der streitgegenständlichen "Tz 4 Eintrittsgelder" wörtlich wie folgt eingegangen (wörtliche Wiedergabe der gesamten Tz 4):
Es wurde festgestellt, dass der Eintrittskartenverkauf in den WJ 2011/12 bis 2015/16 der Umsatzsteuer zu 10% unterzogen wurde.
Der Eintritt für Sportveranstaltungen unterlag bis Dezember 2015 dem Umsatzsteuersatz von 20% (ab Jänner 2016 13%).
Rechtliche Grundlagen:
§ 303 Abs. 1 BAO lautet:
(1) Ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren kann auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen wiederaufgenommen werden, wenn
a) der Bescheid durch eine gerichtlich strafbare Tat herbeigeführt oder sonstwie erschlichenworden ist, oder
b) Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind, oder
c) der Bescheid von Vorfragen (§ 116) abhängig war und nachträglich über die Vorfrage von derVerwaltungsbehörde bzw. dem Gericht in wesentlichen Punkten anders entschieden worden ist,
und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anderslautenden Bescheid herbeigeführt hätte.
Zweck des § 303 BAO ist es, eine neuerliche Bescheiderlassung dann zu ermöglichen, wenn Umstände gewichtiger Art hervorkommen. Ziel ist ein insgesamt rechtmäßiges Ergebnis. Daher wurde bei der Ermessensübung dem Prinzip der Rechtsrichtigkeit der Vorrang vor jenem der Rechtsbeständigkeit gegeben.
Neu hervorgekommene Tatsachen:
Im Zuge des Prüfungsverfahrens mit Prüfungsbeginn und Ausdehnung des Prüfungszeitraums am wurden die Buchungsjournale und die zugehörigen Buchhaltungsbelege für den Fußballklub **BF** und die umsatzsteuerliche Organgesellschaft *** Sportmanagement GmbH für die Jahre 2012 bis 2017 vorgelegt. Bei Analyse dieser Unterlagen ist die Tatsache neu hervorgekommen, dass die von der *** Sportmanagement GmbH vereinnahmten Eintrittsgelder für die Sportveranstaltungen im Zeitraum bis mit dem unzutreffenden Umsatzsteuersatz von 10% der Umsatzsteuer unterzogen wurden. Gemäß § 10 Abs. 2 UStG in der bis geltenden Fassung, waren Sportveranstaltungen im Gegensatz zu Theater-, Musik- und Gesangsaufführungen nicht vom ermäßigten Steuersatz von 10% umfasst. Ab wurden die Eintrittsberechtigungen für sportliche Veranstaltungen gem. § 10 Abs. 3 Z. 12 mit einem ermäßigten Steuersatz von 13% belegt. Ab diesem Zeitpunkt erfolgte die Versteuerung vom Unternehmen korrekt.
Die Wiederaufnahme des Verfahrens erfolgt vom Finanzamt auch für die Umsatzsteuerveranlagung 2014, obwohl für die Organgesellschaft *** Sportmanagement GmbH bereits ein Prüfungsauftrag für die Umsatzsteuer 2014 vom vorgelegen ist und diese Prüfung zu keinen umsatzsteuerlichen Konsequenzen geführt hat. Die Wiederaufnahme erfolgt deshalb, da bei Vorliegen einer Organschaft, die formalen umsatzsteuerrechtlichen Pflichten vom Organträger (dem Fußballklub **BF**) zu erfüllen sind und dieser Abgabepflichtige erstmals mit Prüfungsbeginn einer Prüfung der Umsatzsteuer 2014 unterzogen wurde.
Anmerkung: Im Jahr 2012/13 entfallen von den Erlösen zu 10% von 515.786,41 nur 511.106,70 auf Kartenverkäufe.
Im Text eingefügt findet sich dieselbe Tabelle mit der Aufstellung der nach Beurteilung durch die belangte Behörde anzuwendenden 10%- bzw 13%-Steuersätze für die einzelnen Jahre und die daraus errechneten Steuerdifferenzen.
Mit in offener (verlängerter) Frist eingebrachter Beschwerde vom wurde die Aufhebung der gegenständlichen Wiederaufnahmsbescheide beantragt. Begründend führt die Beschwerdeführerin im Wesentlichen aus, dass sich die Wiederaufnahme auf die "Feststellung" stütze, dass der Eintritt zu Sportveranstaltungen mit 20% zu versteuern sei. Es handle sich dabei aber bloß um eine rechtliche Ausführung. Zusätzliche Informationen seien weder der Niederschrift noch den Bescheiden zu entnehmen. Die Begründung für den Wiederaufnahmsgrund sei nicht schlüssig nachvollziehbar, da dem Verein die Versteuerung mit 10% (gemäß § 10 (2) 4 UStG) zustehe. Es sei somit keine hinreichende Begründung in der Niederschrift erfolgt (Verweis auf ). Aufgabe der Abgabenbehörden sei es, die von ihr verfügte Wiederaufnahme durch unmissverständliche Hinweise darauf zu begründen, welche Tatsachen und Beweismittel auf welche Weise neu hervorgekommen sind (Verweis auf ).
Darüber hinaus sei der Umstand der Ticketverkäufe dem Finanzamt bereits seit dem WJ 2013/14 bekannt. Daher sei der Wiederaufnahmsgrund für das WJ 2013/14 bzw für die Zeiträume danach bzw auch davor nicht gegeben, da der Umstand der Ticketverkäufe der belangten Behörde bereits bekannt gewesen sei und es somit zu keinen neu hervorkommenden Tatsachen kommen habe können (aufgrund der bereits abgehaltenen Betriebsprüfung bei der *** Sportmanagement GmbH).
Außerdem würde es zu einer unzulässigen neuerlichen Betriebsprüfung des Zeitraumes 2013/2014 für eine bereits abgeprüfte Abgabenart (§ 148 (3) a BAO) kommen. Zu dieser Prüfung habe der FC **BF** keine Zustimmung gegeben.
Die Beschwerde wurde dem Bundesfinanzgericht antragsgemäß und zeitgerecht ohne Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung direkt vorgelegt.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen
1. Beschwerderelevanter Sachverhalt
Das gegenständliche Beschwerdebegehren richtet sich gegen die am von der belangten Behörde erlassenen Wiederaufnahmsbescheide betreffend Umsatzsteuer für die Jahre 2012 bis 2016. Im Spruch der Bescheide findet sich jeweils (bloß) generell die Norm des § 303 Abs 1 BAO, nicht hingegen die konkrete litera (a, b oder c), angeführt.
Der konkrete Wiederaufnahmstatbestand, auf den sich die belangte Behörde stützt, kann dem Spruch der Bescheide nicht entnommen werden. Auch die direkte Bescheidbegründung nennt den Tatbestand nicht. Die Begründung verweist jedoch auf die Feststellungen der abgabenbehördlichen Prüfung, die der darüber aufgenommenen Niederschrift bzw dem Prüfungsbericht zu entnehmen seien.
In der Niederschrift über die Schlussbesprechung anlässlich einer durchgeführten Außenprüfung, datiert mit , wird auf die verfügte Wiederaufnahme des Verfahrens mit keinem Wort eingegangen, ein Wiederaufnahmstatbestand wird dergestalt auch nicht benannt. Dem Bericht über das Ergebnis der Außenprüfung, datiert mit , kann entnommen werden, dass die belangte Behörde von neu hervorgekommenen Tatsachen ausgeht.
Auf die konkreten Wiederaufnahmsgründe gehen die Bescheide selbst sowie auch die Niederschrift gar nicht ein. Im bezeichneten Prüfungsbericht findet sich dazu nur ausgeführt:
"Im Zuge des Prüfungsverfahrens mit Prüfungsbeginn und Ausdehnung des Prüfungszeitraums am wurden die Buchungsjournale und die zugehörigen Buchhaltungsbelege für den Fußballklub **BF** und die umsatzsteuerliche Organgesellschaft *** Sportmanagement GmbH für die Jahre 2012 bis 2017 vorgelegt. Bei Analyse dieser Unterlagen ist die Tatsache neu hervorgekommen, dass die von der *** Sportmanagement GmbH vereinnahmten Eintrittsgelder für die Sportveranstaltungen im Zeitraum bis mit dem unzutreffenden Umsatzsteuersatz von 10% der Umsatzsteuer unterzogen wurden."
Als "neu hervorgekommen" findet sich - begründend für die verfügte Wiederaufnahme - somit bloß der Umstand angeführt, dass Eintrittsgelder offenbar (nach Beurteilung durch die belangte Behörde) einem unzutreffenden Umsatzsteuersatz unterzogen worden wären.
Tatsächlich neu hervorgekommene Tatsachen, somit mit dem Sachverhalt des abgeschlossenen Verfahrens zusammenhängende Umstände, wie etwa Zustände, Vorgänge, Beziehungen oder Eigenschaften, finden sich weder auf den Bescheiden selbst noch in den Urkunden, auf die verwiesen wurde (Prüfungsbericht und Niederschrift zur Schlussbesprechung), angeführt.
2. Beweiswürdigung
Die Feststellungen ergeben sich aus dem obigen Verfahrensgang und vorliegenden Verwaltungsakt, insbesondere aus den vorliegenden Umsatzsteuer- und Wiederaufnahms-bescheiden sowie aus der vorliegenden Niederschrift über die Schlussbesprechung und dem Bericht über das Ergebnis der Außenprüfung.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Beschwerdestattgabe)
Strittig ist im gegenständlichen Verfahren, ob die von Seiten der belangten Behörde amtswegig verfügte Wiederaufnahme des Verfahrens rechtmäßig und damit zulässig erfolgte.
Gemäß § 303 Abs 1 lit b der Bundesabgabenordnung (BAO) kann ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren ua von Amts wegen wiederaufgenommen werden, wenn ua Tatsachen oder Beweismittel in einem abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind und die Kenntnis dieser Umstände alleine oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.
Es ist dabei von Seiten der bescheiderlassenden Behörde bereits im Spruch des Wiederaufnahmsbescheids jener Tatbestand (wie etwa gegenständlich der "Neuerungstatbestand") genau anzuführen, auf den sich die amtswegig vorgenommene Wiederaufnahme stützt. Im gegenständlichen Fall findet sich der Tatbestand im Spruch der erlassenen Bescheide nicht angeführt. Bereits aus diesem Grund entsprechen die Wiederaufnahmsbescheide grundsätzlich schon nicht den rechtlichen Anforderungen einer Wiederaufnahme. Lässt der Spruch für sich allein Zweifel an seinem Inhalt offen, kann als Auslegungsbehelf des Spruchs auch die Bescheidbegründung herangezogen werden. Gegenständlich findet sich zwar auch in der direkten Bescheidbegründung der konkrete Wiederaufnahmstatbestand nicht angeführt, die Bescheidbegründung verweist jedoch auf die Niederschrift der abgabenbehördlichen Prüfung sowie auf den Prüfungsbericht. Ein derartiger Verweis ist grundsätzlich zulässig (vgl etwa ; , 2013/15/0280).
Während in der Niederschrift auf die Wiederaufnahme mit keinem Wort eingegangen wird und derart auch der Wiederaufnahmstatbestand nicht benannt wird, lässt sich dem Prüfungsbericht entnehmen, dass die belangte Behörde von neu hervorgekommenen Tatsachen ausgeht, die vorgenommene Wiederaufnahme somit auf den sogenannten "Neuerungstatbestand" des § 303 Abs 1 lit b BAO stützen möchte.
Als weiteres, zwingend erforderliches Kriterium haben Wiederaufnahmsbescheide in der Begründung (je Bescheid) auch die Wiederaufnahmsgründe, gegenständlich also die konkreten, neu hervorgekommenen Tatsachen, anzugeben. Es ist dabei auch die zeitliche Abfolge des Bekanntwerdens der maßgebenden Tatsachen und Beweismittel darzustellen (vgl ). Dies erweist sich nicht zuletzt deshalb als notwendig, weil sich nach Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs (vgl etwa , 0188) die Rechtsmittelbehörde bei der Erledigung der gegen die Verfügung der Wiederaufnahme gerichteten Rechtsmittels auf keine neuen Wiederaufnahmsgründe stützen darf.
Wie bereits ausgeführt, stützte die belangte Behörde die vorgenommene Wiederaufnahme tatbestandsmäßig darauf, dass im gegenständlichen Fall Tatsachen neu hervorgekommen seien. Aufgabe der belangten Behörde wäre es somit gewesen, unmissverständlich durch aktenmäßig erkennbare Hinweise darzulegen, welche Tatsachen auf welche Weise und in welcher zeitlichen Abfolge neu hervorgekommen seien. Aktenmäßig hätte erkennbar sein müssen, dass der Behörde nachträglich Tatumstände zugänglich gemacht wurden, von denen sie nicht schon zuvor Kenntnis gehabt hatte (vgl ).
Während gegenständlich die Bescheide selbst, so wie auch die Niederschrift, auf die Wiederaufnahmsgründe gar nicht eingehen, findet sich im Prüfungsbericht diesbezüglich nur ausgeführt, dass im Zuge des Prüfungsverfahrens Buchungsjournale und die zugehörigen Buchungsbelege vorgelegt worden seien und dabei die "Tatsache" neu hervorgekommen sei, dass die vereinnahmten Eintrittsgelder einem unzutreffenden Umsatzsteuersatz unterzogen worden seien.
Von Seiten des Bundesfinanzgerichts wird diesbezüglich darauf hingewiesen, dass es sich bei der Frage, welcher konkrete Umsatzsteuersatz heranzuziehen ist, bzw es sich bei der Beurteilung, dass Eintrittsgelder einem unzutreffenden Umsatzsteuersatz unterzogen worden seien, nicht um Tatsachen (und auch nicht um Beweismittel) im Sinne des § 303 Abs 1 lit b BAO handelt. Tatsachen sind vielmehr ausschließlich die mit dem Sachverhalt des abgeschlossenen Verfahrens zusammenhängenden Umstände (vgl etwa ) und somit Geschehnisse im Seinsbereich. Es geht dabei somit um Sachverhaltselemente, die bei einer entsprechenden Berücksichtigung, zu einem anderen Ergebnis (als vom Bescheid zum Ausdruck gebracht) geführt hätten, wie etwa Zustände, Vorgänge, Beziehungen, Eigenschaften (vgl etwa ).
Mit den im gegenständlichen Fall von der belangten Behörde bloß vorgenommenen Ausführungen zur rechtlichen Beurteilung eines Sachverhalts - es sei die "Tatsache" neu hervorgekommen, dass die vereinnahmten Eintrittsgelder dem unzutreffenden Umsatzsteuersatz von 10% unterzogen worden seien - wurden jedoch keine (neuen) Tatsachen dargelegt (vgl ). Die viel mehr dargelegte neu gewonnene Erkenntnis zur rechtlichen Beurteilung eines unverändert gebliebenen Sachverhalts stellt eben keinen Wiederaufnahmsgrund dar (vgl ).
Es kann in diesem Zusammenhang auch auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs vom , 2006/14/0014, verwiesen werden, bei der der VwGH die Wiederaufnahmsbegründung, "dass die an die Arbeitnehmer ausbezahlten Reisekosten (lt Lohnkonto Aufwandsentschädigungen) nicht ordnungsgemäß versteuert bzw verrechnet wurden" ablehnte, zumal sie eben nicht konkret dargelegt habe, welche Tatsachen oder Beweismittel auf welche Weise neu hervorgekommen seien. Die nachteiligen Folgen einer früheren unzutreffenden Würdigung oder Wertung oder einer fehlerhaften rechtlichen Beurteilung, gleichgültig durch welche Umstände veranlasst, lassen sich bei unveränderter Tatsachenlage nicht nachträglich im Wege einer Wiederaufnahme beseitigen (vgl etwa ; , 2010/15/0064).
Zusammenfassend hat die belangte Behörde somit zwar zu erkennen gegeben, dass sie die verfügte Wiederaufnahme auf "neu hervorgekommenen Tatsachen" stützen wollte, tatsächlich wurden von ihr jedoch keine entsprechenden Tatsachen benannt, sondern bloße Ausführungen zur rechtlichen Beurteilung eines Sachverhalts getroffen. Da sich die verfügte Wiederaufnahme somit nicht auf einen gegenständlich vorliegenden, tauglichen und aktenmäßig klar erkennbaren Wiederaufnahmsgrund stützte, erfolgte die Wiederaufnahme unrechtmäßig. Dem für die Durchführung einer Wiederaufnahme des Verfahrens gesetzten strengen Maßstab wurde sie nicht gerecht.
Die gegenständlich somit unrechtmäßig erlassenen Wiederaufnahmsbescheide waren daher vom Bundesfinanzgericht ersatzlos aufzuheben (vgl in diesem Sinne zB ).
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Gegenstandsloserklärung)
Durch die Aufhebung der die Wiederaufnahme des Verfahrens bewilligenden oder verfügenden Bescheide tritt das Verfahren gemäß § 307 Abs 3 BAO in die Lage zurück, in der es sich vor seiner Wiederaufnahme befunden hat.
Die am im Zuge der Wiederaufnahme des Verfahrens neu erlassenen Umsatzsteuerbescheide 2012 bis 2016 gehören somit nicht mehr dem Rechtsbestand an. Die Beschwerde gegen diese Umsatzsteuerbescheide war vom Bundesfinanzgericht sohin gemäß § 261 Abs 2 BAO iVm § 278 BAO als gegenstandslos zu erklären.
3.3. Zu Spruchpunkt III. (Unzulässigkeit Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die im gegenständlichen Fall vom Bundesfinanzgericht gelöste Rechtsfrage entspricht der zitierten und diesbezüglich einheitlichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs. Die Revision war daher nicht zuzulassen.
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Wien, am
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Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 307 Abs. 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 261 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 278 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 303 Abs. 1 lit. b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2021:RV.7101148.2021 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at