Roamingleistungen eines im Drittland ansässigen Mobilfunkbetreibers in Form der Ermöglichung der Nutzung eines inländischen Netzes sind im Inland steuerbar
Rechtssätze
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Stammrechtssätze | |
RV/2101058/2018-RS1 | Art. 59a Abs. 1 Buchst, b der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem in der durch die Richtlinie 2008/8/EG des Rates vom mit Wirkung vom geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass Roamingleistungen, die von einem in einem Drittland ansässigen Mobilfunkbetreiber an seine Kunden, die ebenfalls in diesem Drittland ansässig sind bzw. dort ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben, erbracht werden und die es diesen Kunden ermöglichen, das nationale Mobilfunknetz des Mitgliedstaats, in dem sie sich vorübergehend aufhalten, zu nutzen, als Dienstleistungen anzusehen sind, deren „tatsächliche Nutzung oder Auswertung“ im Sinne dieser Bestimmung im Gebiet dieses Mitgliedstaats erfolgt, so dass dieser den Ort der Roamingleistungen so behandeln kann, als läge er in seinem Gebiet, wenn dadurch eine Nichtbesteuerung der Roamingleistungen in der Union vermieden wird und ohne dass es hierbei darauf ankommt, welcher steuerlichen Behandlung die Roamingleistungen nach dem nationalen Steuerrecht des Drittlands unterliegen. |
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache der ***Beschwerdeführerin***, ***AdresseBf.***, vertreten durch ***StbGmbH***, ***AdresseStb***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Graz-Stadt (nunmehr Finanzamt Österreich) vom betreffend die Erstattung von Vorsteuern für den Zeitraum 01-12/2011 zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerdeführerin (=Bf.) ist eine im Drittland ansässige Mobilfunkgesellschaft, die an ihre ebenfalls im Drittland ansässigen Kunden im beschwerdegegenständlichen Zeitraum Telekommunikationsdienstleistungen in Österreich erbracht hat.
Um den Kunden der Bf. während deren Aufenthalten in Österreich die Benützung von Mobiltelefonen zu ermöglichen, stellte ein österreichischer Netzbetreiber (Provider) der Bf. sein Netz gegen Verrechnung von Benützungsgebühren unter Ausweis österreichischer Umsatzsteuer zur Verfügung.
Die Bf. verrechnete ihren Kunden für die Nutzung des österreichischen Netzes Roaming-Gebühren.
Mit Erstattungsantrag vom beantragte die Bf. für den Zeitraum 01-12/2011 die Erstattung der ihr vom österreichischen Netzbetreiber in Rechnung gestellten Vorsteuern nach dem Verfahren gemäß der Verordnung BGBl. Nr. 279/1995.
Das Finanzamt versagte die Erstattung der Vorsteuern im Wesentlichen mit der Begründung, dass die Umsätze der Bf. (Roaming-Gebühren) nach der Verordnung BGBl. II Nr. 383/2003 idF BGBl. II Nr. 221/2009 im Inland steuerbar seien, weil die erbrachten Telekommunikationsdienstleistungen in Österreich genutzt und ausgewertet würden und im Drittland keiner der inländischen Umsatzsteuer vergleichbaren Steuerbelastung unterliegen würden. Daher sei eine Voraussetzung für die Zulässigkeit des Erstattungsverfahrens nicht erfüllt.
Das Finanzamt wies die dagegen erhobene Berufung (nunmehr Beschwerde) mit Beschwerdevorentscheidung vom ab.
Mit Eingabe vom stellte die Bf. einen Vorlageantrag, welcher dem Bundesfinanzgericht am vorgelegt wurde.
Das Bundesfinanzgericht gab der Beschwerde mit Erkenntnis RV/2100660/2015 vom Folge und setzte die zu erstattende Vorsteuer antragsgemäß mit 152.498,98 Euro fest.
Das Finanzamt brachte am eine Amtsrevision an den Verwaltungsgerichtshof ein.
Der Verwaltungsgerichtshof hob das in Revision gezogene Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes mit Erkenntnis vom , zu Gz.: Ro 2016/15/0038 wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes auf.
Im nunmehr fortgesetzten Verfahren stellte das Bundesfinanzgericht mit Beschluss
Gz.: RE/2100001/2019 vom ein Ersuchen um Vorabentscheidung an den EuGH
über nachstehende Fragen:
Frage 1)
Ist Art. 59a Abs. 1 Buchst, b der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen, dass die Inanspruchnahme von Roaming in einem Mitgliedstaat in Form des Zugriffs auf das inländische Mobilfunknetz zur Herstellung von ein- und ausgehenden Verbindungen durch einen sich vorübergehend im Inland aufhaltenden "nicht steuerpflichtigen Endkunden" ein "Nutzen und Verwerten" im Inland darstellt, das zur Verlagerung des Leistungsorts aus dem Drittland in diesen Mitgliedstaat berechtigt, obwohl sowohl der leistende Mobilfunkbetreiber als auch der Endkunde nicht im Unionsgebiet ansässig sind und der Endkunde auch keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Unionsgebiet hat?
Frage 2)
Ist Art. 59a Abs. 1 Buchst, b der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen, dass der Ort von Telekommunikationsdienstleistungen wie in Frage 1 beschrieben, die nach Art. 59 dieser Richtlinie außerhalb der Union liegen, in das Gebiet eines Mitgliedstaats verlagert werden kann, obwohl sowohl der leistende Mobilfunkbetreiber als auch der Endkunde nicht im Unionsgebiet ansässig sind und der Endkunde auch keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Unionsgebiet hat, nur weil die Telekommunikationsdienstleistungen im Drittland keiner der unionsrechtlichen Mehrwertsteuer vergleichbaren Abgabe unterliegen?
Der EuGH beantwortete diese Fragen im Urteil vom , Rs C-593/19 wie folgt:
Nach Art. 59 Abs. 1 Buchst, i MwStSystRL sind Roamingleistungen wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden, bei denen es sich unbestritten um Telekommunikationsdienstleistungen im Sinne von Art. 24 Abs. 2 MwStSystRL handelt, die an nicht steuerpflichtige Personen erbracht werden, die außerhalb der Union ansässig sind bzw. ihren Sitz oder gewöhnlichen Aufenthalt außerhalb der Union haben, als Ort dieser Roamingleistungen der Ort, an dem diese Personen ansässig sind bzw. ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben.
Allerdings können die Mitgliedstaaten davon abweichend nach Art. 59a Abs. 1 Buchst, b der MwStSystRL bei Dienstleistungen, deren Erbringungsort sich u. a. gemäß Art. 59 der Mehrwertsteuerrichtlinie bestimmt, diesen Ort, der grundsätzlich außerhalb der Union liegt, so behandeln, als läge er in ihrem Gebiet, wenn in ihrem Gebiet die tatsächliche Nutzung oder Auswertung der Dienstleistungen erfolgt.
Nach Art. 59b dieser Richtlinie hatten die Mitgliedstaaten deren Art. 59a Abs. 1 Buchst, b auf Telekommunikationsdienstleistungen anzuwenden, die von einem Steuerpflichtigen, der wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehende Mobilfunkbetreiber den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit außerhalb der Union hatte, an Nichtsteuerpflichtige erbracht wurden, die in einem Mitgliedstaat ansässig waren bzw. dort ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hatten.
Die in Art. 59b der Richtlinie vorgesehene Verpflichtung hat jedoch nicht zur Folge, dass unter anderen als den in dieser Bestimmung genannten Umständen die Möglichkeit der Mitgliedstaaten, bei Telekommunikationsdienstleistungen von der ihnen nach Art. 59a Abs. 1 Buchst, b dieser Richtlinie eingeräumten allgemeinen Befugnis Gebrauch zu machen, beschränkt wäre.
In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass Art. 59a Abs. 1 Buchst, b dieser Richtlinie keine Voraussetzung in Bezug auf die Dauer des Aufenthalts im Gebiet der Mitgliedstaaten für Personen enthält, die in einem Drittland ansässig sind bzw. dort ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben, insbesondere nicht im Sinne eines nur vorübergehenden Aufenthalts im Mitgliedstaat.
Somit ist für die Ausübung der in dieser Bestimmung vorgesehenen Befugnis zu prüfen, ob Roamingleistungen wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden im Gebiet des Mitgliedstaats, der ihren Erbringungsort dorthin verlagern möchte, tatsächlich genutzt oder ausgewertet werden.
Eine Roamingleistung besteht im Wesentlichen in der Leistung eines Anbieters von Mobilfunkdienstleistungen an seine Kunden, die es ihnen ermöglicht, ihr mobiles Gerät in einem anderen Mobilfunknetz als dem dieses Anbieters zu nutzen, und zwar aufgrund von Vereinbarungen zwischen den Betreibern dieser Netze. Im vorliegenden Fall sollen die Kundender Bf., auch wenn sie sich außerhalb der Reichweite des von der Bf. betriebenen Mobilfunknetzes befinden, durch die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Roamingleistungen die Möglichkeit erhalten, Mobilfunkdienstleistungen über das Mobilfunknetz eines österreichischen Betreibers zu nutzen.
Insoweit ist auf die ständige Rechtsprechung hinzuweisen, nach der sich aus Art. 1 Abs. 2 Unterabs. 2 der MwStSystRL ergibt, dass jeder Umsatz in der Regel als eigene, selbständige Leistung zu betrachten ist, und ein Umsatz, der eine wirtschaftlich einheitliche Leistung darstellt, im Interesse eines funktionierenden Mehrwertsteuersystems nicht künstlich aufgespalten werden darf (Urteil vom , KPC Herning, C-71/18, EU, Rn. 36 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Wie der Generalanwalt in Nr. 44 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, handelt es sich bei Roamingleistungen wie den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden, die an Personen erbracht werden, die sich vorübergehend im Gebiet eines Mitgliedstaats aufhalten, im Verhältnis zu den anderen von diesen Personen empfangenen Mobilfunkdienstleistungen um eigene, selbständige Leistungen.
Wie im Übrigen sowohl aus den Angaben des vorlegenden Gerichts als auch aus den beim Gerichtshof eingereichten schriftlichen Erklärungen hervorgeht, werden diese Roamingleistungen von der Telekommunikationsdienstleisterin getrennt ausgewiesen und den Kunden, die diese Leistungen in Anspruch nehmen, zusätzlich, nämlich in Form von Roaminggebühren, in Rechnung gestellt.
Bereits aus der Natur der Roamingleistungen ergibt sich somit, dass ihre tatsächliche Nutzung oder Auswertung notwendigerweise im Gebiet des betreffenden Mitgliedstaats erfolgt, wenn sich die Kunden dort vorübergehend aufhalten.
Doch selbst wenn die Voraussetzung der tatsächlichen Nutzung oder Auswertung der betreffenden Dienstleistungen im Gebiet eines Mitgliedstaats unter Umständen wie jenen des Ausgangsverfahrens erfüllt ist, kann dieser Mitgliedstaat von der ihm durch Art. 59a Abs. 1 Buchst, b der Mehrwertsteuerrichtlinie eingeräumten Möglichkeit, den Ort der Dienstleistungen, der außerhalb der Union liegt, so zu behandeln, als läge er in seinem Gebiet, nur dann Gebrauch machen, wenn dadurch Doppelbesteuerung, Nichtbesteuerung oder Wettbewerbsverzerrungen vermieden werden.
Als Erstes ist hierzu auszuführen, dass zwar, wie das vorlegende Gericht hervorgehoben hat, aus dem 22. Erwägungsgrund dieser Richtlinie hervorgeht, dass die Besteuerung sämtlicher Telekommunikationsdienstleistungen, die in der Union in Anspruch genommen werden, dem Willen des Unionsgesetzgebers entspricht, Wettbewerbsverzerrungen vorzubeugen.
Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass das Ziel der Regeln der Mehrwertsteuerrichtlinie, nach denen der Ort der Besteuerung von Dienstleistungen zu bestimmen ist, darin besteht, einerseits Kompetenzkonflikte, die zu einer Doppelbesteuerung führen könnten, und andererseits die Nichtbesteuerung von Einnahmen zu verhindern (vgl. in diesem Sinne Urteile vom , WebMindLicenses, C-419/14, Rn. 41, und vom , Srf konsultema, C-647/17, Rn. 28 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).
Angesichts des Wortlauts von Art. 59a Abs. 1 Buchst, b dieser Richtlinie und seiner Stellung in Titel V Kapitel 3 Abschnitt 3 Unterabschnitt 10 ("Vermeidung der Doppelbesteuerung und der Nichtbesteuerung") der Richtlinie ist davon auszugehen, dass sich die durch diese Bestimmung eröffnete Möglichkeit nicht nur in den Rahmen der Vorbeugung von Wettbewerbsverzerrungen einfügt, sondern auch Doppelbesteuerung und Nichtbesteuerung vermeiden soll.
Folglich steht es den Mitgliedstaaten frei, von der durch Art. 59a Abs. 1 Buchst, b der Mehrwertsteuerrichtlinie eröffneten Möglichkeit Gebrauch zu machen, wenn dies lediglich dazu dient, einer Nichtbesteuerung innerhalb der Union abzuhelfen, was nach den dem Gerichtshof vorliegenden Angaben bei den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Roamingleistungen der Fall war.
Als Zweites ist entsprechend der Feststellung des Generalanwalts in Nr. 88 seiner Schlussanträge auszuführen, dass bei der Anwendung dieser Bestimmung etwaige Fälle von Doppelbesteuerung, Nichtbesteuerung oder Wettbewerbsverzerrung anhand der steuerlichen Behandlung der betreffenden Dienstleistungen in den Mitgliedstaaten zu beurteilen sind, ohne dass die Steuerregelung zu berücksichtigen ist, der diese Dienstleistungen in dem betreffenden Drittland unterliegen.
Anderes könnte sich zwar aus einem einschlägigen völkerrechtlichen Abkommen mit diesem Drittland ergeben. Im Vorabentscheidungsersuchen und in den beim Gerichtshof eingereichten Erklärungen wird jedoch kein derartiges Abkommen erwähnt.
Die umgekehrte Lösung gegenüber der in den Rn. 44 und 45 des vorliegenden Urteils dargestellten würde dazu führen, dass die Anwendung der Unionsvorschriften auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer vom nationalen Steuerrecht der Drittländer abhängig gemacht würde. Mangels eines entsprechenden Hinweises kann nicht davon ausgegangen werden, dass dies die Absicht des Unionsgesetzgebers war.
Eine Auslegung, nach der die Mitgliedstaaten grundsätzlich von der durch Art. 59a Abs. 1 Buchst, b der Mehrwertsteuerrichtlinie eröffneten Möglichkeit Gebrauch machen können, ohne die steuerliche Behandlung berücksichtigen zu müssen, der die Dienstleistungen nach dem nationalen Steuerrecht des betreffenden Drittlands unterliegen, wird im Übrigen durch den Ansatz des Mehrwertsteuerausschusses bestätigt, eines nach Art. 398 dieser Richtlinie eingesetzten beratenden Ausschusses, dessen Leitlinien zwar nicht verbindlich sind, aber doch als Auslegungshilfe zur Mehrwertsteuerrichtlinie dienen (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom , Weindel Logistik Service, C-621/19, nicht veröffentlicht, EU:C:2020:814, Rn. 48).
Aus den Leitlinien dieses Ausschusses (89. Sitzung vom , Dokument B - taxud.d.l[2010]176579 - 645) geht nämlich hervor, dass dieser einstimmig der Auffassung war, dass die Inanspruchnahme der in Art. 59a Abs. 1 Buchst, b dieser Richtlinie vorgesehenen Möglichkeit der Mitgliedstaaten, in ihrem Gebiet tatsächlich genutzte und ausgewertete Dienstleistungen zu besteuern, nicht davon abhängt, welcher steuerlichen Behandlung diese Dienstleistungen außerhalb der Union unterliegen. Insbesondere soll die Tatsache, dass eine Dienstleistung in einem Drittland nach den dort gültigen Vorschriften besteuert wird, einen Mitgliedstaat nicht daran hindern, diese Dienstleistung zu besteuern, wenn die tatsächliche Nutzung und Auswertung in seinem Gebiet erfolgt.
Nach alledem ist auf die Vorlagefragen zu antworten, dass Art. 59a Abs. 1 Buchst, b der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen ist, dass Roamingleistungen, die von einem in einem Drittland ansässigen Mobilfunkbetreiber an seine Kunden, die ebenfalls in diesem Drittland ansässig sind bzw. dort ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben, erbracht werden und die es diesen Kunden ermöglichen, das nationale Mobilfunknetz des Mitgliedstaats, in dem sie sich vorübergehend aufhalten, zu nutzen, als Dienstleistungen anzusehen sind, deren "tatsächliche Nutzung oder Auswertung" im Sinne dieser Bestimmung im Gebiet dieses Mitgliedstaats erfolgt, so dass dieser den Ort der Roamingleistungen so behandeln kann, als läge er in seinem Gebiet, wenn dadurch eine Nichtbesteuerung der Roamingleistungen in der Union vermieden wird und ohne dass es hierbei darauf ankommt, welcher steuerlichen Behandlung die Roamingleistungen nach dem nationalen Steuerrecht des Drittlands unterliegen.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Rechtslage:
Sämtliche in dieser Entscheidung angeführten gesetzlichen Bestimmungen sowie der Richtlinie 2006/112/EG (MwStSystRL) werden in der für die Beschwerde maßgebliche Fassung wiedergegeben:
Gemäß § 21 Abs. 9 UStG 1994 kann der Bundesminister für Finanzen für Unternehmer, die im Inland weder ihren Sitz noch eine Betriebsstätte haben, durch Verordnung die Erstattung der Vorsteuer abweichend von den Abs. 1 bis 5 sowie den §§ 12 und 20 regeln. Auf Grund des § 21 Abs. 9 UStG 1994 erging die Verordnung des Bundesministers für Finanzen, BGBl. Nr. 279/1995 in der hier anzuwendenden Fassung BGBl. II Nr. 222/2009, "mit der ein eigenes Verfahren für die Erstattung der abziehbaren Vorsteuern an ausländische Unternehmen geschaffen wird", wenn der Unternehmer (von gegenständlich nicht in Betracht kommenden Ausnahmen abgesehen) keine Umsätze iSd § 1 Abs. 1 Z 1 und 2 und Art. 1 UStG 1994 ausgeführt hat.
Nach § 3a Abs. 13 lit. a iVm Abs. 14 Z 12 UStG 1994 idF BGBl. I Nr. 52/2009 (im Beschwerdefall anzuwenden) werden Telekommunikationsdienste im Drittland ausgeführt, wenn der Empfänger ein Nichtunternehmer ist und er keinen Wohnsitz, Sitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Gemeinschaftsgebiet hat.
Nach § 3a Abs. 16 UStG 1994 in der angeführten Fassung kann der Bundesminister für Finanzen, um Doppelbesteuerungen, Nichtbesteuerungen oder Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden, durch Verordnung festlegen, dass sich bei sonstigen Leistungen, deren Leistungsort sich u.a. nach Abs. 13 lit. a UStG 1994 bestimmt, der Ort der sonstigen Leistungen danach richtet, wo die sonstige Leistung genutzt oder ausgewertet wird. Der Ort der sonstigen Leistung kann danach statt im Drittlandsgebiet als im Inland gelegen behandelt werden.
§ 1 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen über die Verlagerung des Ortes der sonstigen Leistung bei Telekommunikationsdiensten sowie Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen, BGBl. II Nr. 383/2003 idF BGBl. II Nr. 221/2009, bestimmt:
"Liegt bei einer in § 3a Abs. 14 Z 12 und 13 des Umsatzsteuergesetzes 1994, BGBl. Nr. 663, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 52/2009, bezeichneten Leistung der Ort der Leistung gemäß § 3a des Umsatzsteuergesetzes 1994 außerhalb des Gemeinschaftsgebietes, so wird die Leistung im Inland ausgeführt, wenn sie dort genutzt oder ausgewertet wird."
Der VwGH hat im Beschwerdefall im Erkenntnis vom , Ro 2016/15/0038, ausgeführt:
Das Bundesfinanzgericht ist davon ausgegangen, dass die mitbeteiligte Partei (=Bf.) im Erstattungszeitraum keine in Österreich steuerpflichtigen Umsätze erzielt hat. Dass die mitbeteiligte Partei ihren in einem Drittland ansässigen Kunden das Telefonieren in Österreich unter Benützung des österreichischen Mobilfunknetzes ermöglicht habe, stelle keine im Inland steuerpflichtige Leistung dar, weil der Leistungsort im Drittland liege. Die mitbeteiligte Partei könne daher die ihr vom österreichischen Provider in Rechnung gestellten Vorsteuerbeträge unter Anwendung des besonderen Erstattungsverfahrens geltend machen.
Demgegenüber vertritt das revisionswerbende Finanzamt die Ansicht, dass die in Rede stehenden Leistungen der mitbeteiligten Partei nach der Verordnung BGBl. II Nr. 383/2003 idF BGBl. II Nr. 221/2009 in Österreich erbracht würden, sodass die mitbeteiligte Partei die ihr in Rechnung gestellten Vorsteuerbeträge nur im Veranlagungsverfahren unter Erklärung der Umsätze geltend machen könne.
Nach Art. 59 MwStSystRL 2006/112/EG idF Art. 2 der RL 2008/8/EG gilt als Ort bestimmter Dienstleistungen (u.a. nach lit. i der Telekommunikationsdienstleistungen) an einen Nichtsteuerpflichtigen, der außerhalb der Gemeinschaft ansässig ist oder seinen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort außerhalb der Gemeinschaft hat, der Ort, an dem dieser Nichtsteuerpflichtige ansässig ist oder seinen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort hat.
Zur Vermeidung der Doppelbesteuerung, Nichtbesteuerung und Wettbewerbsverzerrungen bestimmen Art. 59a und Art. 59b der MwStSystRL 2006/112/EG idF Art. 2 der RL 2008/8/EG bezüglich des Ortes der Dienstleistung Folgendes:
Art. 59a MwStSystRL
(…) Um Doppelbesteuerung, Nichtbesteuerung und Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden, können die Mitgliedstaaten bei Dienstleistungen, deren Erbringungsort sich gemäß den Artikeln 44, 45, 56 und 59 bestimmt,
a) (…) den Ort einer oder aller dieser Dienstleistungen, der in ihrem Gebiet liegt, so behandeln, als läge er außerhalb der Gemeinschaft, wenn die tatsächliche Nutzung oder Auswertung außerhalb der Gemeinschaft erfolgt;
b) (…) den Ort einer oder aller dieser Dienstleistungen, der außerhalb der Gemeinschaft liegt, so behandeln, als läge er in ihrem Gebiet, wenn in ihrem Gebiet die tatsächliche Nutzung oder Auswertung erfolgt.(…)
Art. 59b MwStSystRL
Die Mitgliedstaaten wenden Artikel 59a Buchstabe b auf Telekommunikationsdienstleistungen und auf die in Artikel 59 Absatz 1 Buchstabe j genannten Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen an, die von einem Steuerpflichtigen, der den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit oder eine feste Niederlassung, von der aus die Dienstleistung erbracht wird, oder in Ermangelung eines solchen Sitzes oder einer solchen Niederlassung seinen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort außerhalb der Gemeinschaft hat, an Nichtsteuerpflichtige erbracht werden, die in einem Mitgliedstaat ansässig sind oder dort ihren Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthaltsort haben."
Während Art. 59a MwStSystRL idF Art. 2 der RL 2008/8/EG (mit Wirkung vom ) die allgemeine, fakultative Möglichkeit der Besteuerung mittels Leistungsortverlagerung durch die Mitgliedstaaten vorsieht, schreibt Art. 59b MwStSystRL idF Art. 2 der RL 2008/8/EG (mit Wirkung vom bis ) eine zwingende Leistungsortverschiebung für jene Fälle vor, in denen ein drittländischer Unternehmer Telekommunikationsleistungen an in der Gemeinschaft ansässige Nichtsteuerpflichtige erbringt. Für alle Fälle, die nicht durch Art. 59b MwStSystRL idF Art. 2 der RL 2008/8/EG erfasst sind, besteht ein Wahlrecht nach Art. 59a MwStSystRL idF Art. 2 der RL 2008/8/EG (vgl. Langer in Reiß/Kraeusel/Langer (Hrsg), Umsatzsteuergesetz 138. Lieferung (Juli 2017) Art. 43- 59b MwStSystRL Rz. 134 ff).
Von diesem Wahlrecht hat der österreichische Verordnungsgeber mit der angeführten Verordnung BGBl. II Nr. 383/2003 idF BGBl. II Nr. 221/2009 Gebrauch gemacht. Die genannte Verordnung findet daher in Art. 59a MwStSystRL idF Art. 2 der RL 2008/8/EG ihre unionsrechtliche Deckung (vgl. Ecker in Melhardt/Tumpel, UStG2, § 3a Rz 274 f; Miladinovic, ecolex 2017/39, 75). Werden die Telekommunikationsdienste eines Drittlandunternehmens von einem nicht in der EU ansässigen Nichtunternehmer im Inland genutzt, verlagert sich der Ort der Leistung nach der Verordnung BGBl. II Nr. 383/2003 idF 221/2009 in das Inland (vgl. auch Ruppe/Achatz, UStG4, § 3a Tz 190 (Fall 3); Scheiner/Kolacny/Caganek, Kommentar zur MwSt, 46. Lfg (Dezember 2015), § 3a Abs 15 u 16 Tz 697).
Die strittigen, von der Bf. an Kunden erbrachten Roamingleistungen, mit denen sie ihren Kunden die Nutzung des nationalen Mobilfunknetzes ermöglichte, sind als Dienstleistungen anzusehen, deren "tatsächliche Nutzung oder Auswertung" gemäß § 1 der Verordnung BGBl. II Nr. 383/2003 idF BGBl. II Nr. 221/2009 in Österreich liegt.
Diese Auslegung hat der -C593/19 bestätigt.
Folglich stellen die strittigen Roamingleistungen Umsätze iSd § 1 Abs. 1 Z 1 und 2 und Art. 1 UStG 1994 dar, die die Anwendung der Verordnung BGBl. Nr. 279/1995 in der hier anzuwendenden Fassung BGBl. II Nr. 222/2009, "mit der ein eigenes Verfahren für die Erstattung der abziehbaren Vorsteuern an ausländische Unternehmen geschaffen wird", ausschließen.
Die beantragte Erstattung der von der Bf. im Streitzeitraum entrichteten Vorsteuern für die Nutzung des inländischen Netzes ist danach nicht zulässig.
Die Beschwerde war daher abzuweisen.
Unzulässigkeit der Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die gegenständliche Enzscheidung entspricht dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshof vom , Ro 2016/15/0038 welches im Beschwerdefall erging.
Der Europäische Gerichtshof bestätigte die vom Verwaltungsgerichtshof vertretene Rechtsansicht im Urteil vom , Rs C-593/19.
Die Revision ist folglich nicht zulässig.
Graz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 1 Verlagerung des Ortes der sonstigen Leistung bei Telekommunikationsdiensten sowie Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen, BGBl. II Nr. 383/2003 § 3a Abs. 14 Z 12 und 13 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 RL 2006/112/EG, ABl. Nr. L 347 vom S. 1 § 3a Abs. 16 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 § 3a UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 |
Verweise | , Weindel Logistik Service , SK Telecom /2019 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2021:RV.2101058.2018 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at