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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 10.05.2021, RV/7100911/2021

Anspruchszinsen: Keine Anspruchszinsen, sondern Beschwerdezinsen für entrichtete strittige Abgaben bei zugunsten des Beschwerdeführers abändernder BVE

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
Entrichtet der Beschwerdeführer die strittige Einkommensteuer und ändert die Abgabenbehörde danach die Einkommensteuer mit BVE zugunsten des Beschwerdeführers, so liegt kein Anwendungsfall des § 205 Abs. 5 BAO vor, zumal nicht davon auszugehen ist, dass der Gesetzgeber im Fall der Entrichtung einer strittigen Abgabe für ein- und dieselbe Abgabenzahlung sowohl Gutschriftzinsen als auch (die erst später eingeführten) Beschwerdezinsen gewähren wollte. Insoweit im Beschwerdeverfahren über den bereits geltend gemachten Abgabenanspruch entschieden wird, ist die Anspruchsverzinsung nicht betroffen.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den ***Einzelrichter*** über die Beschwerde des ***Bf***, ***Bf-Adr***, vertreten durch die Lohr + Co. GmbH Wirtschaftsprüfungs-und Steuerberatungsgesellschaft, Kärntner Ring 5-7, 1015 Wien, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 3/6/7/11/15 Schwechat Gerasdorf vom betreffend Festsetzung von Anspruchszinsen 2018 zu Recht erkannt:

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Berechnung der Anspruchszinsen ergibt eine Gutschrift in Höhe von -6.411,03 €.

Berechnung der Anspruchszinsen in Euro:


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Zeitraum
Differenz-betrag
nicht entrichteter Zahlungs-anspruch
Bemessungs-grundlage
Anzahl Tage
Tages-zinssatz
Zinsen
-
-2.134.404
0,00
-2.134.404
79
0,0038
-6.407,48
-
-497,00
0,00
-497,00
188
0,0038
-3,55

Gutschrift ………………………………………………………………………………………………. -6.411,03

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Mit Bescheid vom setzte die Abgabenbehörde die Vorauszahlungen auf die Einkommensteuer 2018 mit 230.575 € fest.

Mit Bescheid vom setzte die Abgabenbehörde die Einkommensteuer 2018 mit 222.404 € fest (Gutschrift: -8.171 €).

Am reichte der Beschwerdeführer die Umsatzsteuervoranmeldung für 11/2019 ein, mit der er eine Gutschrift von 660.000 € geltend machte.

Mit Bescheid vom setzte die Abgabenbehörde im wiederaufgenommenen Verfahren die Einkommensteuer 2018 (vorläufig) mit 2.356.808 € (Nachforderung: 2.134.404 €). Mit Bescheid vom selben Tag setzte die Abgabenbehörde die Anspruchszinsen mit 6.407,48 € fest.

Am und am überwies der Beschwerdeführer (laut Buchungsdaten des Abgabenkontos) insgesamt 1.479.818,48 € (rechnerisch ergibt der Betrag zusammen mit der geltend gemachten, aber noch nicht verbuchten Gutschrift von 660.000 € unter Berücksichtigung der Zahllast aus der Vorschreibung der Anspruchszinsen und von zwei geringen Gutschriften den Betrag von 2.134.404 €) an die Abgabenbehörde.

Am erhob der Beschwerdeführer das Rechtsmittel der Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2018.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom setzte die Abgabenbehörde die Einkommensteuer 2018 mit 221.907 € fest (Gutschrift: -2.134.901 €), wodurch an diesem Tag auf dem Abgabenkonto ein Guthaben von -1.471.907,12 € entstand. Mit dem hier angefochtenen Bescheid vom selben Tag setzte die Abgabenbehörde die Anspruchszinsen mit
-10.206,12 € (Gutschrift) fest.

Am verbuchte die Abgabenbehörde die Umsatzsteuervoranmeldung für 11/2019 mittels Gutschrift von 660.000 € (mit als Entrichtungstag), wodurch zusammen mit anderen Gutschriften an diesem Tag auf dem Abgabenkonto ein Guthaben von -2.147.976,12 € entstand.

Am erhob der Beschwerdeführer durch seinen steuerlichen Vertreter mittels FinanzOnline das Rechtsmittel der Beschwerde gegen den (hier entscheidungsgegenständlichen) Anspruchszinsenbescheid vom und begehrt höhere Anspruchszinsen. Zur Begründung ist der Beschwerde zu entnehmen, bei der Berechnung der Anspruchszinsen sei eine Gutschrift aus der Umsatzsteuervoranmeldung für 11/2019 im Betrag von 660.000 € nicht berücksichtigt worden. Diese Gutschrift sei erst am - also nach Ausfertigung des Anspruchszinsenbescheides - auf dem Abgabenkonto verbucht worden, sei jedoch mit der Einreichung der Umsatzsteuervoranmeldung am wirksam geworden. Ab diesem Zeitpunkt habe daher ein Guthaben bestanden, das gemäß § 215 Abs. 1 BAO zur Abdeckung der Einkommensteuernachforderung für 2018 gemäß dem Einkommensteuerbescheid 2018 vom zu verwenden gewesen sei.

Die Abgabenbehörde wies die Bescheidbeschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet ab und führte zur Begründung im Wesentlichen aus, das Ausmaß der Nachforderungszinsen könne durch ein Guthaben auf dem Abgabenkonto nur insoweit beeinflusst werden, als der Abgabenbehörde eine Anzahlung (§ 205 Abs. 3 BAO) bekannt gegeben werde. Ohne Bekanntgabe, dass das Guthaben als Anzahlung für die Einkommensteuernachforderung verwendet werden könne, habe es keinen Einfluss auf das Ausmaß der Nachforderungszinsen. Die Bekanntgabe einer Anzahlung sei im gegenständlichen Fall nicht erfolgt.

Gegen diese Beschwerdevorentscheidung stellte der Beschwerdeführer mit Schreiben seines steuerlichen Vertreters vom den Antrag auf Entscheidung über die Bescheidbeschwerde durch das Verwaltungsgericht (Vorlageantrag) und brachte jenseits der Beschreibung des Verfahrensablaufes ergänzend vor, dass es sich bei der Gutschrift aus der Umsatzsteuervoranmeldung 11/2019 um keine Anzahlung gemäß § 205 Abs. 3 BAO handle und daher diese Vorschrift im gegenständlichen Fall überhaupt nicht zur Anwendung gelange. Bei der Berechnung der Anspruchszinsen 2018 mit dem angefochtenen Bescheid sei von der Abgabenbehörde unberücksichtigt gelassen worden, dass die Einkommensteuernachzahlung 2018 gemäß Bescheid vom im Ausmaß des Guthabens aus der Umsatzsteuervoranmeldung für 11/2019 mit Wirksamkeit bereits entrichtet worden sei. Im Gegensatz zu den Zahlungen vom und vom sei die Gutschrift in der Höhe von 660.000 € mit Wirksamkeit von der Abgabenbehörde bei der Berechnung der Anspruchszinsen 2018 im angefochtenen Bescheid nicht berücksichtigt worden und habe auch noch gar nicht berücksichtigt werden können, da zu diesem Zeitpunkt die Umsatzsteuervoranmeldung für 11/2019 auf dem Abgabenkonto noch nicht verbucht gewesen sei. Im gegenständlichen Fall komme die Bestimmung des § 205 Abs. 5 BAO zur Anwendung. Demnach seien Differenzbeträge zugunsten des Abgabepflichtigen nur insoweit zu verzinsen (Gutschriftszinsen), als die nach § 205 Abs. 1 BAO gegenüberzustellenden Beträge entrichtet seien. Für die Entrichtung der Nachzahlung an Einkommensteuer 2018 gemäß dem Bescheid vom sei jedoch die Vorschrift des § 211 Abs. 1 BAO anzuwenden. Gemäß § 211 Abs. 1 Z 4 BAO in Verbindung mit § 215 BAO gälten Abgaben bei der Umbuchung von Guthaben eines Abgabepflichtigen auf Abgabenschuldigkeiten desselben Abgabepflichtigen am Tag des Entstehens des Guthabens als entrichtet. Im gegenständlichen Fall sei das somit am . Es werde daher der Antrag gestellt, bei der Berechnung der Anspruchszinsen 2018 "die Gutschrift aus der Umsatzsteuervoranmeldung 11/2019 mit Wirksamkeit zu berücksichtigen".

Die Abgabenbehörde legte die Bescheidbeschwerde dem Bundesfinanzgericht mit Vorlagebericht vom zur Entscheidung vor. In ihrer Stellungnahme führte die Abgabenbehörde im Wesentlichen nochmals aus, die gegenteilige Ansicht des Beschwerdeführers hätte die Bekanntgabe des jeweiligen Guthabens als Anzahlung für die Einkommensteuer 2018 (ohne nochmalige Entrichtung) in Form einer entsprechenden Verfügung über das Guthaben vorausgesetzt. Die Bekanntgabe von Anzahlungen könne vor allem durch Verrechnungsweisung auf dem Einzahlungsbeleg erfolgen. Sie könne weiters mit gesondertem Schreiben erfolgen. Das Bestehen eines Guthabens auf dem Abgabenkonto eines Abgabepflichtigen während des zinsenrelevanten Zeitraumes habe keine Auswirkung auf das Ausmaß der Anspruchszinsen, wenn der Abgabenbehörde dieses nicht als Anzahlung bekannt gegeben werde. Die aus der Umsatzsteuervoranmeldung für 11/2019 resultierende Gutschrift sei vom Beschwerdeführer nicht als Anzahlung für die Einkommensteuer 2018 im Sinne des § 205 Abs. 3 BAO gewidmet worden, womit sich die Bemessungsgrundlage zur Berechnung der Anspruchszinsen auch nicht habe verringern können. Die am erfolgte Festsetzung der Anspruchszinsen sei gesetzeskonform erfolgt. Die beantragte Anwendung von § 211 Abs. 1 BAO in Verbindung mit § 215 BAO könne hier nicht zur Anwendung kommen, da es sich nicht um eine Umbuchung im Sinne des § 215 BAO handle.

Das Bundesfinanzgericht hat über die Bescheidbeschwerde erwogen:

§ 205 BAO lautet:

(1) Differenzbeträge an Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, die sich aus Abgabenbescheiden unter Außerachtlassung von Anzahlungen (Abs. 3), nach Gegenüberstellung mit Vorauszahlungen oder mit der bisher festgesetzt gewesenen Abgabe ergeben, sind für den Zeitraum ab 1. Oktober des dem Jahr des Entstehens des Abgabenanspruchs folgenden Jahres bis zum Zeitpunkt der Bekanntgabe dieser Bescheide zu verzinsen (Anspruchszinsen). (…)

(2) Die Anspruchszinsen betragen pro Jahr 2% über dem Basiszinssatz. Anspruchszinsen, die den Betrag von 50 Euro nicht erreichen, sind nicht festzusetzen. Anspruchszinsen sind für einen Zeitraum von höchstens 48 Monaten festzusetzen.

(3) Der Abgabepflichtige kann, auch wiederholt, auf Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer Anzahlungen dem Finanzamt bekannt geben. Anzahlungen sowie Mehrbeträge zu bisher bekannt gegebenen Anzahlungen gelten für die Verrechnung nach § 214 am Tag der jeweiligen Bekanntgabe als fällig. Wird eine Anzahlung in gegenüber der bisher bekannt gegebenen Anzahlung verminderter Höhe bekannt gegeben, so wirkt die hieraus entstehende, auf die bisherige Anzahlung zu verrechnende Gutschrift auf den Tag der Bekanntgabe der verminderten Anzahlung zurück. Entrichtete Anzahlungen sind auf die Einkommensteuer- bzw. Körperschaftsteuerschuld höchstens im Ausmaß der Nachforderung zu verrechnen. Soweit keine solche Verrechnung zu erfolgen hat, sind die Anzahlungen gutzuschreiben; die Gutschrift wird mit Bekanntgabe des im Abs. 1 genannten Bescheides wirksam. Mit Ablauf des Zeitraumes des Abs. 2 dritter Satz sind noch nicht verrechnete und nicht bereits gutgeschriebene Anzahlungen gutzuschreiben.

(4) Die Bemessungsgrundlage für Anspruchszinsen zu Lasten des Abgabepflichtigen (Nachforderungszinsen) wird durch Anzahlungen in ihrer jeweils maßgeblichen Höhe vermindert. Anzahlungen (Abs. 3) mindern die Bemessungsgrundlage für die Anspruchszinsen nur insoweit, als sie entrichtet sind.

(5) Differenzbeträge zu Gunsten des Abgabepflichtigen sind nur insoweit zu verzinsen (Gutschriftszinsen), als die nach Abs. 1 gegenüberzustellenden Beträge entrichtet sind.

(6) …

Die Abgabenbehörde hat mit dem Einkommensteuerbescheid 2018 vom ihren Abgabenanspruch in Höhe von 2.356.808 € (bis dahin vorgeschrieben: 222.404 €) geltend gemacht, woraus sich eine Abgabennachforderung von 2.134.404 € ergeben hat. Mit dem hier entscheidungsgegenständlichen Anspruchszinsenbescheid hat die Abgabenbehörde dem Beschwerdeführer deshalb für den Zeitraum bis die Anspruchszinsen für den Differenzbetrag an Einkommensteuer (Abgabennachforderung) vorgeschrieben.

Der Beschwerdeführer hat gegen den Einkommensteuerbescheid 2018 vom das Rechtsmittel der Beschwerde erhoben, jedoch nicht die Aussetzung der Einhebung der strittigen Abgabe beantragt, sondern die Abgabe zur Gänze entrichtet. Insoweit gebühren dem Beschwerdeführer aufgrund der zu seinen Gunsten abändernden Beschwerdevorentscheidung vom gemäß § 205a BAO auf Antrag die Beschwerdezinsen.

Der Normzweck des § 205a BAO besteht darin, einen Abgabepflichtigen, der Abgabenschuldigkeiten während eines anhängigen Verfahrens über die Berechtigung dieser Abgaben entrichtet, betreffend das Zinsenrisiko mit jenem wirtschaftlich gleich zu behandeln, der eine Aussetzung der Einhebung dieser Abgabenschuldigkeiten beantragt. Bei einer Aussetzung der Einhebung soll der Abgabepflichtige bei erfolgloser Bekämpfung der Nachforderung Zinsen zahlen; dieser Zinsenzahlung steht der Aspekt des Zinsengewinnes durch den Zahlungsaufschub gegenüber; bei einer Herabsetzung der Nachforderung werden auch die Aussetzungszinsen reduziert. Jener Abgabepflichtige hingegen, der keine Aussetzung der Einhebung der strittigen Abgaben begehrt, sondern die Abgaben vor Erledigung des Streites über die Berechtigung dieser Abgaben entrichtet, soll bei erfolgreicher Bekämpfung der Nachforderung Zinsen erhalten ().

Die im Beschwerdefall vorliegende Verfahrenslage ist daher kein Anwendungsfall des § 205 Abs. 5 BAO, zumal nicht davon auszugehen ist, dass der Gesetzgeber im Fall der Entrichtung einer strittigen Abgabe für ein- und dieselbe Abgabenzahlung sowohl Gutschriftszinsen als auch (die erst später eingeführten) Beschwerdezinsen gewähren wollte. Insoweit im Beschwerdeverfahren über den bereits geltend gemachten Abgabenanspruch entschieden wird, ist die Anspruchsverzinsung nicht betroffen.

Im Beschwerdefall war daher für die Anspruchsverzinsung nur der Differenzbetrag zwischen dem Bescheid vom (festgesetzte Einkommensteuer: 222.404 €) und der Beschwerdevorentscheidung vom (festgesetzte Einkommensteuer: 221.907 €) im Betrag von -497 € zugunsten des Beschwerdeführers zu berücksichtigen.

Der angefochtene Bescheid war daher spruchgemäß abzuändern und die Anspruchszinsen mit einer Gutschrift in Höhe von -6.411,03 € (bisher: -10.206,12 €) festzusetzen (Nachforderung: 3.795,09 €).

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Da diese Voraussetzung nicht vorliegt, war auszusprechen, dass die Revision nicht zulässig ist.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 205 Abs. 5 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 205 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 205a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.7100911.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at

Fundstelle(n):
TAAAC-27770