Zurückweisung einer Berufung als verspätet, Bescheid ohne Zustellnachweis, Behörde trägt Beweislast
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die RichterinR. in der Beschwerdesache Bf., A-1, vertreten durch Rechtsanwalt Mag. Kurt Gaar, Weihburggasse 2, 1010 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 6, Rechnungs- und Abgabenwesen vom betreffend Zurückweisung einer Berufung, GZ. N-1, zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang
Mit Bescheiden vom und vom wurde der Beschwerdeführer (Bf.) gemäß der damals in Geltung stehenden §§ 7 und 54 WAO als Vorstand der G-1 für aushaftende Ankündigungsabgaben 02/1994 in der Höhe von ATS 609,97 (entspreche € 44,33) sowie 01/1995-08/1996 in Höhe von ATS 4.873.539,00 (entspreche € 354.173,89) zur Haftung herangezogen.
Zugestellt wurden diese Bescheide gemäß § 25 Abs. 1 ZustG durch öffentliche Bekanntmachung am sowie am .
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Mit Schreiben vom gab der Bf. bekannt, zwar Mahnungen, nicht aber die Haftungsbescheide erhalten zu haben. Er wisse daher nicht, welcher Sachverhalt den Mahnungen zu Grunde liege, und ersuche um entsprechende Benachrichtigung.
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Daraufhin erging seitens des Magistrates der Stadt Wien an den Bf. ein Schreiben vom , mit dem Ablichtungen der Haftungsbescheide übermittelt worden seien.
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Dagegen brachte der Bf. mit Schreiben vom , eingelangt per Fax am , das Rechtsmittel der Berufung ein und führte zur Rechtzeitigkeit aus, dass seinem Rechtsvertreter im Rahmen einer Akteneinsicht am eine Kopie des gegenständlichen Haftungsbescheides vom übergeben worden sei.
Im Rahmen dieser Akteneinsicht sei festgestellt worden, dass der Haftungsbescheid im Mai 2000 durch öffentliche Kundmachung zugestellt worden sei. Diese Zustellung durch öffentliche Kundmachung sei aus folgenden Gründen unrechtmäßig und daher unwirksam erfolgt:
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes () sei die Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung als ein Ausnahmefall zu betrachten und setze voraus, dass die Behörde alle ihr zu Gebote stehenden Mittel für die Ermittlung einer Abgabestelle und die ihr nach den Umständen zumutbaren amtswegigen Ermittlungen - die über die Einholung einer Melderegisterabfrage hinauszugehen hätten - zu deren Erforschung ausgeschöpft habe. Dabei sei ein strenger Maßstab anzulegen.
Im gegenständlichen Fall werde der Bf. sowohl in der öffentlichen Bekanntmachung vom als auch bereits im Schreiben vom mit "zuletzt wohnhaft in A-2" angeführt.
Bei dieser Adresse habe es sich um die Anschrift der G-1 gehandelt, deren Geschäftsführer (Anmerkung: gemeint wohl Vorstand) der Bf. bis zum D-1 gewesen sei. Er selbst sei an dieser Adresse nie wohnhaft, nie gemeldet und nach Beendigung seiner Geschäftsführungstätigkeit auch nicht mehr aufhältig gewesen. Er sei aber durchgehend in Österreich wohnhaft und gemeldet gewesen und zwar entweder in A-3 oder in A-1.
Der angefochtene Haftungsbescheid datiere vom und sei noch am gleichen Tag öffentlich bekannt gemacht worden. Es sei somit offensichtlich, dass die Behörde keine Versuche unternommen habe, die Abgabestelle des Bf. zu ermitteln. Die Zustellung des Haftungsbescheides durch öffentliche Kundmachung sei daher unzulässig und rechtlich unwirksam gewesen.
Darüber hinaus seien die Rechte und Interessen des Einzelnen im Verwaltungsverfahren nicht von geringerer Bedeutung als im Zivilprozess (). Mit dem gegenständlichen Haftungsbescheid sei eine Forderung in Höhe von € 354.173,18 gegen den Bf. geltend gemacht worden, was für ihn von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung (gewesen) sei. Bei besonderer Wichtigkeit der Sache sei - bei verfassungskonformer Auslegung des § 79 Abs. 3 WAO und des § 25 ZustG - gemäß § 276 ABGB bzw. analog § 11 AVG ein Kurator zu bestellen (Walter/Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht, 8. Auflage, Rz 225). Die Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung sei auch aus diesem Grund unzulässig gewesen.
Der Bescheid sei dem Bf. bzw. seinem Rechtsvertreter frühestens am zugekommen und die Berufung somit rechtzeitig erhoben ().
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Mit Vorhalt vom brachte der Magistrat der Stadt Wien dem Bf. zur Kenntnis, dass die Berufung nach der Aktenlage als verspätet eingebracht scheine.
Seit gälten gemäß § 1 BAO auch für die Landes- und Gemeindeabgaben grundsätzlich die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung.
Gemäß der Übergangsbestimmung des § 323a Abs. 1 Z 3 BAO gälten abgesehen von Verjährungsfristen die Fristen dieses Bundesgesetzes auch für jene Fälle, in denen die für Landes- und Gemeindeabgaben maßgeblichen Fristen des bisherigen Rechtes am noch nicht abgelaufen gewesen seien.
Da nach der Aktenlage die Berufungsfrist gegen den Haftungsbescheid vom am bereits seit Jahren abgelaufen sei, komme hinsichtlich der Beurteilung der Rechtslage die Wiener Abgabenordnung (WAO) zur Anwendung.
Gemäß § 191 Abs. 1 WAO betrage die Berufungsfrist einen Monat.
Werde der Lauf einer Frist durch eine behördliche Erledigung ausgelöst, so sei für den Beginn der Frist gemäß § 84 WAO der Tag maßgebend, an dem die Erledigung zugestellt bzw. mündlich verkündet worden sei.
Gemäß § 83 Abs. 2 und 4 WAO endeten nach Wochen, Monaten oder Jahren bestimmte Fristen mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monates, der durch seine Benennung oder Zahl dem für den Beginn der Frist maßgebenden Tag entspreche. Fehle dieser Tag in dem letzten Monat, so ende die Frist mit Ablauf des letzten Tages dieses Monates. Die Tage des Postenlaufes würden in die Frist nicht eingerechnet.
Der angefochtene Bescheid sei laut dem in Kopie beiliegenden Schreiben der MA 4 vom gemäß § 25 Abs. 1 ZustG durch öffentliche Bekanntmachung zugestellt worden, wobei in der Zeit vom bis ein Anschlag an der Amtstafel erfolgt sei.
Aufgrund der Mahnung vom durch die MA 6 habe der Bf. mit Schreiben vom bekanntgegeben, dass er den Haftungsbescheid nicht zugestellt bekommen habe. Daraufhin sei ihm mit dem Schreiben vom der Haftungsbescheid vom abermals zugestellt worden. Jedenfalls diese Zustellung sei aktenmäßig erfolgt.
Es seien nach der Aktenlage am und Pfändungsversuche erfolgt, wobei der Bf. im Zuge der versuchten Pfändungen ein Vermögensverzeichnis unterfertigt habe. Er habe jedoch im Zuge der Pfändungen und Exekutionsversuche betreffend den Haftungsbescheid keinen Einwand gegen die Zulässigkeit der Vollstreckung, etwa wegen angeblicher Nichtzustellung des der Vollstreckung zugrundeliegenden Haftungsbescheides vom , erhoben. Es seien auch Lohnpfändungen versucht worden.
Die Berufungsfrist sei daher bereits infolge rechtswirksamer Zustellung im Jahr 2000 abgelaufen.
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Dazu nahm der Bf. mit Schreiben vom Stellung und führte aus, dass er die bekanntgegebene Rechtsansicht nicht teile.
Dass die Zustellung des Haftungsbescheides durch Hinterlegung rechtswidrig erfolgt und damit rechtsunwirksam gewesen sei, sei bereits in der Berufung ausgeführt worden, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen werde.
Das in der Mitteilung erwähnte Schreiben vom sei ihm nicht zugegangen, andernfalls hätte er dagegen jedenfalls ein Rechtsmittel erhoben. Der Bf. ersuche um Übermittlung der Kopie des Zustellnachweises.
Nach der Judikatur des VwGH habe bei bestrittenen Zustellungen die Behörde die Tatsache der Zustellung nachzuweisen. Gelinge dies nicht, müsse die Behauptung der Partei über die nicht erfolgte Zustellung als richtig angenommen werden ().
Der Umstand, dass vor Zustellung des Haftungsbescheides Exekutionen geführt worden seien, könne eine Zustellung des Haftungsbescheides nicht ersetzen und werde dieser nicht durch einen Exekutionsversuch rechtskräftig.
Nach der Abweisung eines Konkursantrages gegen den Bf. wegen mangelnden kostendeckenden Vermögens Ende der 1990er Jahre seien gegen ihn von mehreren Gläubigern über mehrere Jahre Exekution geführt worden. Der Besuch eines Vollzugsorganes sei für ihn - wenn auch nicht alltäglich - nichts Außergewöhnliches gewesen und sei er immer davon ausgegangen, dass ein Exekutionsvollzug erst nach Vorliegen eines rechtskräftigen Exekutionstitels erfolge. Dass dies im gegenständlichen Fall nicht so gewesen sei, sei dem Bf. erst nach der Akteneinsicht seines Rechtsvertreters bewusst geworden.
Er halte daher seine Berufungsanträge aufrecht.
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Mit Bescheid vom wies der Magistrat der Stadt Wien die Berufung vom gegen den Haftungsbescheid vom gemäß § 273 Abs. 1 lit. b BAO (Anmerkung: in der damals geltenden Fassung) als verspätet zurück.
In der Rechtsmittelbelehrung sei der Bf. auf das ihm gemäß §§ 189 und 191 WAO, nunmehr §§ 243 und 245 BAO, zustehende Recht, binnen einem Monat nach Zustellung des Bescheides das Rechtsmittel der Berufung einzubringen, aufmerksam gemacht worden.
Der Bescheid (Anmerkung: gemeint wohl das Schreiben) sei am ohne Zustellnachweis zur Post gegeben worden. Gemäß § 26 Abs. 2 ZustG werde vermutet, dass die Zustellung am dritten Werktag nach der Übergabe an den Zusteller als bewirkt gelte. Die Berufung sei jedoch trotz richtiger und vollständiger Rechtsmittelbelehrung erst nach Ablauf der einmonatigen Berufungsfrist am mittels Fernkopierer verspätet eingebracht worden.
Die Einwände des Bf. im Schreiben vom , der Haftungsbescheid sei ihm nicht zugestellt worden sowie die auf seiner Grundlage geführten Exekutionsversuche wären für ihn nichts Außergewöhnliches gewesen, seien nicht stichhaltig.
Mit Schreiben vom habe der Bf. der MA 6 mitgeteilt, dass er die Mahnungen erhalten habe, nicht aber die Haftungsbescheide.
Nach der oben angeführten Zustellung des Haftungsbescheides seien am , und in seiner Anwesenheit erfolglose Pfändungsversuche vorgenommen worden. Im Zuge jener in den Jahren 2000 und 2003 seien von ihm Vermögensverzeichnisse nach § 31a AbgEO unterfertigt worden. Den Amtshandlungen sei eindeutig zu entnehmen, dass Rückstände an Ankündigungsabgabe hätten eingebracht werden sollen. Es widerspreche der allgemeinen Lebenserfahrung, dass im Zuge der Pfändung zur Einbringung einer derart exorbitanten Forderung kein Einwand gegen die Zwangsmaßnahme vorgebracht werde, insbesondere jener, die Ursache für deren Vornahme nicht zu kennen. Auch anlässlich von Fahrnisexekutionen durch das Bezirksgericht Innere Stadt Wien am und am habe der Bf. keine unterlassene Zustellung des Haftungsbescheides geltend gemacht.
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In der dagegen am rechtzeitig eingebrachten Berufung (nunmehr Beschwerde) wandte der Bf. ein, dass die Behörde im angefochtenen Bescheid nicht einmal feststelle, wann ihm der Haftungsbescheid zugestellt sein solle. Dabei hätte die Behörde für die rechtliche Beurteilung des Sachverhaltes solche Feststellungen zu treffen gehabt und in der Begründung ausführen müssen, wie sie zu den Feststellungen habe gelangen können. Tatsächlich sei es der Behörde nicht möglich, Feststellungen zur Zustellung des Haftungsbescheides zu treffen, da dieser Bescheid betreffen eine Haftung über € 354,173,89 ohne Zustellnachweis versandt worden sei.
Die Behörde ersetze die fehlenden Feststellungen durch eine Vermutung, was jedoch rechtlich unzulässig sei.
Richtig sei, dass § 26 Abs. 2 ZustG eine Zustellvermutung kenne.
Der Verwaltungsgerichtshof habe jedoch in seiner ständigen Rechtsprechung zu § 26 Abs. 2 ZustG die Ansicht vertreten, dass bei bestrittenen Zustellungen ohne Zustellnachweis die Behörde die Tatsache der Zustellungen nachzuweisen habe. Gelinge dies nicht, müsse die Behauptung der Partei über die nicht erfolgte Zustellung als richtig angenommen werden (). Trotz der diversen Gesetzesänderungen sei der Verwaltungsgerichthof von dieser Rechtsansicht nie abgewichen.
Dass das Schreiben der Behörde vom dem Bf. nicht zugegangen sei, habe er in seiner Äußerung vom vorgebracht. Die Behörde hätte somit nach der ständigen Judikatur des VwGH seine Berufung nicht wegen Verspätung zurückweisen dürfen. Auf diese Judikatur werde im angefochtenen Bescheid nicht einmal eingegangen, obwohl er in seiner Stellungnahme darauf hingewiesen habe.
Die Umstände, dass Exekutionsversuche stattgefunden hätten oder der Bf. mit Schreiben vom (Anmerkung: gemeint wohl ) um die Zustellung des Haftungsbescheides ersucht habe, könnten die Zustellung des Haftungsbescheides nicht ersetzen und auch keinen Lauf einer Rechtsmittelfrist auslösen.
Nach seiner Erinnerung sei es bei keinem Exekutionsversuch eines seiner Gläubiger zu einer Pfändung und Verwertung von Sachen gekommen, weshalb ihm durch diese Exekutionsversuche kein Nachteil entstanden sei. Es widerspreche daher nicht der allgemeinen Lebenserfahrung, wenn ein juristischer Laie keine Einwendungen gegen erfolglose Exekutionsversuche erhebe.
Letztlich mache der Bf. noch als Verfahrensmangel geltend, dass er, ohne einvernommen worden zu sein, als unglaubwürdig beurteilt werde.
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Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und auf § 26 Abs. 2 ZustG in der damals geltenden Fassung verwiesen:
"Ist das Schriftstück der Gemeinde oder dem behördlichen Zusteller übergeben worden, so wird vermutet, dass die Zustellung am dritten Werktag nach der Übergabe vorgenommen wurde. Im Zweifel hat die Behörde die Tatsache und den Zeitpunkt der Zustellung von Amts wegen festzustellen. Die Zustellung gilt als nicht bewirkt, wenn sich ergibt, dass der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung mit dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag wirksam."
Der Nachweis der Zustellung könne durch einen Zustellnachweis iSd § 22 ZustG oder - wenn ein solcher fehle oder mangelhaft sei - auf andere Weise geführt werden (Kotschnigg, Beweisrecht BAO, § 102, Rz 8). Ein solcher Nachweis könne auch mittelbar mittels Indizien erbracht werden (Kotschnigg, Beweisrecht BAO, § 167, Rz 76ff).
Laut Aktenlage seien Pfändungsversuche am , und erfolgt, wobei der Bf. im Zuge der versuchten Pfändungen im Jahr 2000 und 2003 ein Vermögensverzeichnis gemäß § 31a AbgEO unterfertigt habe, aus dem auch hervorgegangen sei, dass sich die Pfändung auf einen Rückstand an Ankündigungsabgabe beziehe. Weitere Vollstreckungsversuche wie die Lohnpfändungen mit den Bescheiden vom und vom , Pfändungen von Geldforderungen mit den Bescheiden vom und sowie gerichtliche Fahrnisexekutionen beim BG Klagenfurt und beim BG Innere Stadt Wien, jeweils mit einem vom Bf. unterfertigten Vermögensverzeichnis, seien unternommen worden.
Aufgrund des Schreibens vom , in dem der Bf. mitteile, Mahnungen, aber keine Haftungsbescheide zugestellt bekommen zu haben, sei erwiesen, dass er durch die Mahnung Kenntnis davon erlangt habe, dass er in Verbindung mit einer zahlenmäßig in der Mahnung angeführten Ankündigungsabgabenschuld in Verbindung mit der G-1 in einer Haftungsangelegenheit von der Stadt Wien belangt werde.
Deshalb und in Anbetracht der exorbitant hohen Abgabenforderung (der Bf. bringe selbst in der Berufung vom vor, dass diese Abgabensumme für ihn von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung (gewesen) sei) sei auszuschließen, dass die Zustellung des Haftungsbescheides am dritten Tag nach der Übergabe an die Post, somit per , nicht erfolgreich gewesen sei solle, andernfalls der Bf. im Zuge der jahrelang vorgenommenen Vollstreckungsversuche Einwendungen gegen die Durchführung der Vollstreckung erhoben, insbesondere im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht die Zustellung des Haftungsbescheides urgiert hätte.
Gemäß § 191 Abs. 1 WAO habe die Berufungsfrist einen Monat betragen. Werde der Lauf einer Frist durch eine behördliche Erledigung ausgelöst, so sei für den Beginn der Frist gemäß § 84 WAO der Tag maßgebend, an dem die Erledigung zugestellt bzw. mündlich verkündet worden sei.
Da nach der Aktenlage davon auszugehen sei, dass die Rechtsmittelfrist gegen den Bescheid vom am , somit lange vor dem Einlangen der Berufung vom , abgelaufen sei, sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.
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Fristgerecht beantragte der Bf. mit Schreiben vom die Vorlage der Beschwerde zur Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht und brachte ergänzend vor, dass auch in der Beschwerdevorentscheidung von der Behörde unzulässiger Weise nur vermutet werde, dass ihm der angefochtene Haftungsbescheid zugegangen sei.
Der Umstand, dass der Bf. auf die Exekutionen nicht reagiert habe, sei kein Beweis und nicht einmal ein Indiz dafür, dass ihm der Haftungsbescheid zugegangen sei, sondern könne auch andere Ursachen haben, zB dass ihm durch die Exekutionsversuche mangels pfändbaren Vermögens keine Nachteile entstanden seien oder er bei den Vollzügen irrtümlich davon ausgegangen sei, dass diese Vollzüge zu Recht erfolgt seien.
Der Bf. habe derzeit etwa 10 Gläubiger. Als Haftender für die G-1 schulde er zB der G-2 laut Wechselzahlungsauftrag vom Oktober 1994 ATS 5.725.021,73 zuzüglich Zinsen und Kosten, der G-3 laut Wechselzahlungsauftrag vom August 1995 ATS 3.341.926,20 zuzüglich Zinsen und Kosten sowie dem Magistrat der Stadt Wien laut Berufungsbescheid der Abgabenberufungskommission € 7.402,77 (statt ursprünglich ATS 233.200,00).
Exekutionen - auch wegen hoher Forderungen/Haftungen oder Abgabenforderungen - seien dem Bf. in den letzten 15 Jahren nicht fremd gewesen, weshalb er bei den zahlreichen Besuchen von Vollzugsorganen nicht davon ausgegangen sei und auch nicht davon ausgehen habe müssen, dass eine dieser Forderungen zu Unrecht exekutiert werde. Seine Aufmerksamkeit habe sich bei den Vollzügen auch auf die Fragen der Vollzugsorgane und nicht auf die betreibenden Gläubiger oder die betriebene Forderung gerichtet.
Auch sei von ihm als einem juristischen Laien nicht zu erwarten, dass er nach einem (erfolglosen) Exekutionsvollzug Nachforschungen anstelle, ob die exekutierten Forderungen zu Recht in Exekution gezogen worden seien, vor allem nicht, wenn ihm bekannt sei, dass er bei mehreren Gläubigern offene Verbindlichkeiten (gehabt) habe (darunter auch Abgabenforderungen) und er deshalb mit Exekutionen gerechnet habe.
Nach der Rechtsansicht der Behörde müsste der Bf. beweisen, dass ihm der angefochtene Haftungsbescheid nicht zugestellt worden sei, was aber der ständigen Judikatur des VwGH - wonach der Nachweis der Zustellung von der Behörde zu erbringen sei - widerspreche. Selbst wenn der Gegenbeweis von ihm zu erbringen wäre, sei ihm von der Behörde die Erbringung dieses Beweises gar nicht ermöglicht worden, da er nie dazu einvernommen worden sei.
Die Nichtreaktion auf die Exekutionen wegen der gegenständlichen Forderung habe ihren Grund nur darin gehabt, dass ihm wegen der zahlreichen Exekutionen (darunter auch Exekutionen wegen einer anderen Abgabenhaftung der gleichen Gläubigerin) lange Zeit keine Zweifel an der Berechtigung zur Exekutionsführung hinsichtlich der gegenständlichen Forderung gekommen seien, was einem juristischen Laien aber nicht vorwerfbar sei.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)
Strittig ist, ob bzw. wann der mit Berufung vom angefochtene Haftungsbescheid vom wirksam zugestellt wurde und ob in weiterer Folge die Berufung rechtzeitig war.
Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung
Zustellungen an Personen, deren Abgabestelle unbekannt ist, oder an eine Mehrheit von Personen, die der Behörde nicht bekannt sind, können, wenn es sich nicht um ein Strafverfahren handelt, kein Zustellungsbevollmächtigter bestellt ist und nicht gemäß § 8 vorzugehen ist, gemäß § 25 Abs. 1 ZustG in vom bis geltenden Fassung durch Anschlag an der Amtstafel, dass ein zuzustellendes Dokument bei der Behörde liegt, vorgenommen werden. Findet sich der Empfänger zur Empfangnahme des Dokuments (§ 24) nicht ein, so gilt, wenn gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, die Zustellung als bewirkt, wenn seit dem Anschlag an der Amtstafel der Behörde zwei Wochen verstrichen sind.
Aktenkundig ist, dass der Haftungsbescheid vom seitens des Magistrates der Stadt Wien durch öffentliche Bekanntmachung gemäß § 25 Abs. 1 ZustG (Anschlag an der Amtstafel) zuzustellen versucht wurde.
Dabei ist dem Einwand des Bf., dass offensichtlich vorausgehende Ermittlungen zum Vorliegen einer gültigen Abgabenstelle des Bf. unterlassen worden seien, zu folgen, da der Bf. an dem im Zentralen Melderegister für den Zeitraum D-2 bis D-3 eingetragenen Nebenwohnsitz A-1, laut dessen Auskunft im in Rede stehenden Zeitraum des Jahres 2000 tatsächlich aufhältig war.
Da mit der Zustellung für die Partei in der Regel weitreichende Rechtsfolgen, insbesondere der Beginn von Fristen, verbunden sind, ist die Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung als ein Ausnahmefall zu betrachten. Es ist bei dieser Zustellungsform als "ultima ratio" ein eher strenger Maßstab anzulegen ().
Eine Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung setzt voraus, dass die Behörde alle ihr zu Gebote stehenden Mittel für die Ermittlung der Abgabestelle und die ihr nach den Umständen zumutbaren amtswegigen Ermittlungen zu deren Erforschung ausgeschöpft hat ().
Da diesen Mindestanforderungen der Abfrage im Zentralen Melderegister und der Vornahme von Erhebungen vor Ort im Falle bestehender Zweifel an einer wirksamen Abgabestelle des Nebenwohnsitzes (ein Hauptwohnsitz in A-3, laut Auskunft des Bf. befindet sich dort sein Elternhaus, war erst ab D-4 eingetragen) nicht nachgekommen wurde, erfolgte die Zustellung gemäß § 25 Abs. 1 ZustG zu Unrecht und konnte keine Wirksamkeit entfalten.
Zustellung von Ablichtungen der Haftungsbescheide
Nunmehr war zu klären, ob die laut Schreiben des Magistrates der Stadt Wien vom an den Bf. erfolgte Zustellung durch Übermittlung von Ablichtungen der Haftungsbescheide wirksam war.
Eine wirksame Zustellung kann zwar durch Übermittlung einer Kopie des ursprünglichen Originals des Bescheides nach den zustellrechtlichen Vorschriften erfolgen. Ob die Zustellung einer solchen Ausfertigung eine Bescheiderlassung darstellt, hängt davon ab, ob die zugestellte Ausfertigung den Anforderungen des § 18 Abs. 4 AVG entspricht ().
Gemäß § 18 Abs. 4 AVG in der vom bis geltenden Fassung hat jede schriftliche Erledigung die Bezeichnung der Behörde, das Datum und den Namen des Genehmigenden zu enthalten. Soweit im Folgenden nicht anderes bestimmt ist, haben schriftliche Erledigungen auch die Unterschrift des Genehmigenden zu enthalten. An die Stelle dieser Unterschrift kann die Beglaubigung der Kanzlei treten, dass die Erledigung mit dem Erledigungstext des betreffenden Geschäftsstückes übereinstimmt und das Geschäftsstück die Genehmigung im Sinne des Abs. 2 aufweist; das Nähere wird durch Verordnung geregelt. Werden schriftliche Erledigungen vervielfältigt, so bedarf nur das Original der Unterschrift oder der Beglaubigung. Schriftliche Erledigungen, die mittels automationsunterstützter Datenverarbeitung erstellt worden sind oder die telegraphisch, fernschriftlich, mit Telefax, im Wege automationsunterstützter Datenübertragung oder in jeder anderen technisch möglichen Weise übermittelt werden, bedürfen weder einer Unterschrift noch einer Beglaubigung.
Da nach § 18 Abs. 4 AVG nur das Original der Unterschrift oder der Beglaubigung bedurfte, könnte daher im Sinne der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes eine wirksame Zustellung von Kopien der Haftungsbescheide grundsätzlich erfolgen.
Zustellung ohne Zustellnachweis
Dieser Abschnitt gilt sinngemäß auch für Zustellungen ohne Zustellnachweis, die durch Organe der Behörde oder der Gemeinde vorgenommen werden. Das zuzustellende Schriftstück gilt gemäß § 26 Abs. 1 ZustG in der vom bis geltenden Fassung als zugestellt, wenn es in den für die Abgabestelle bestimmten Briefkasten (Briefeinwurf, Hausbrieffach) eingelegt oder an der Abgabestelle zurückgelassen wurde.
Ist das Schriftstück der Gemeinde oder dem behördlichen Zusteller übergeben worden, so wird gemäß § 26 Abs. 2 ZustG in der vom bis geltenden Fassung vermutet, dass die Zustellung am dritten Werktag nach der Übergabe vorgenommen wurde. Im Zweifel hat die Behörde die Tatsache und den Zeitpunkt der Zustellung von Amts wegen festzustellen. Die Zustellung gilt als nicht bewirkt, wenn sich ergibt, dass der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung mit dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag wirksam.
Da allerdings diese Zustellung dem Grunde nach bestritten wurde, waren weitere Feststellungen zu treffen.
Dabei war dem Vorbringen des Bf. zu folgen, da es der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entspricht, dass das Fehlen eines Zustellnachweises zur Folge hat, dass die Behörde die Tatsache der Zustellung nachzuweisen hat ().
Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 26 Abs. 2 ZustG hat die Behörde bei Zustellungen ohne Zustellnachweis die Folge zu tragen, dass der Behauptung der Partei, sie habe ein Schriftstück nicht empfangen, nicht wirksam entgegengetreten werden kann. Bei bestrittenen Zustellungen ohne Zustellnachweis hat die Behörde die Tatsache der Zustellung nachzuweisen. In diesem Fall muss - mangels Zustellnachweises - der Beweis der erfolgten Zustellung auf andere Weise von der Behörde erbracht werden. Gelingt dies nicht, muss die Behauptung der Partei über die nicht erfolgte Zustellung als richtig angenommen werden ().
Dazu war festzustellen, dass die vom Magistrat der Stadt Wien ins Treffen gebrachten Indizien, dass der Bf. trotz der erfolgten Mahnungen und Vollstreckungsversuche, mit denen ihm bekannt sein habe müssen, dass diese aufgrund von im Haftungswege geltend gemachten Ankündigungsabgaben der Primärschuldnerin erfolgt seien, nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes ausreichend stichhaltig sind, da nicht davon ausgegangen werden kann, dass der Bf., nachdem er mit Schreiben vom bemängelte, keine Haftungsbescheide, sondern nur die zugehörigen Mahnungen erhalten zu haben, und um entsprechende Benachrichtigung ersuchte, in weiterer Folge nicht zuletzt aufgrund der von der Behörde gesetzten, gleichwohl erfolglosen, Exekutionsmaßnahmen sich damit abgefunden hätte, keine Auskunft über die zugrundeliegenden Bescheide zu erhalten.
Die Abgabenbehörde konnte damit den Nachweis der Zustellung erbringen und der Behauptung des Bf., er habe diese Bescheide nie erhalten, somit wirksam entgegentreten.
Rechtzeitigkeit der Berufung
Gemäß § 191 Abs. 1 WAO beträgt die Berufungsfrist einen Monat.
Wird der Lauf einer Frist durch eine behördliche Erledigung ausgelöst, so ist für den Beginn der Frist gemäß § 84 WAO der Tag maßgebend, an dem die Erledigung zugestellt bzw. mündlich verkündet wurde.
Gemäß § 83 Abs. 2 und 4 WAO enden nach Wochen, Monaten oder Jahren bestimmte Fristen mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monates, der durch seine Benennung oder Zahl dem für den Beginn der Frist maßgebenden Tag entspricht. Fehlt dieser Tag in dem letzten Monat, so endet die Frist mit Ablauf des letzten Tages dieses Monates. Die Tage des Postenlaufes werden in die Frist nicht eingerechnet.
Den Ausführungen des Magistrates der Stadt Wien, dass zur Beurteilung der Rechtzeitigkeit nicht die für Landes- und Gemeindeabgaben erst ab geltende Bundesabgabenordnung, sondern die bis dahin in Geltung stehende Wiener Abgabenordnung heranzuziehen sei, wird gefolgt, da die Berufungsfrist iSd Übergangsbestimmung des § 323a Abs. 1 Z 3 BAO am längst abgelaufen war.
Im gegenständlichen Fall wurden die Haftungsbescheide vom und am der Post übergeben und gelten gemäß § 26 Abs. 2 ZustG am (am dritten Werktag nach der Übergabe) als zugestellt.
Die Berufungsfrist gemäß § 191 Abs. 1 WAO von einem Monat endete daher gemäß §§ 83 und 84 WAO am , weshalb die am per Fax eingelangte Berufung vom verspätet war.
Informativ wird festgestellt, dass die Berufung auch dann verspätet gewesen wäre, wenn die Zustellung der Haftungsbescheide, wie vom Bf. moniert, erst im Zeitpunkt der persönlichen Übergabe anlässlich der Akteneinsicht des Vertreters vom wirksam erfolgt wäre, da die Berufungsfrist in diesem Fall bereits am beendet gewesen wäre, hingegen die Einbringung der Berufung erst am erfolgte.
Conclusio
Gemäß § 273 Abs. 1 lit. b BAO in der vom bis geltenden Fassung hat die Abgabenbehörde eine Berufung durch Bescheid zurückzuweisen, wenn die Berufung nicht fristgerecht eingebracht wurde.
Die Zurückweisung der somit nicht fristgerecht eingebrachten Berufung vom erfolgte daher gemäß § 273 Abs. 1 lit. b BAO (nunmehr § 260 Abs. 1 lit. b BAO) zu Recht.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt hier nicht vor. Die Entscheidung folgt vielmehr der dargestellten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Landesabgaben Wien |
betroffene Normen | § 18 Abs. 4 AVG, Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl. Nr. 51/1991 § 25 Abs. 1 ZustG, Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982 § 26 Abs. 2 ZustG, Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982 § 273 Abs. 1 lit. b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2021:RV.7400010.2014 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at