Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 28.05.2021, RV/2100921/2020

Notwendigkeit eines nach dem Prinzip der Freiwilligkeit vom Arbeitgeber im häuslichen Arbeitszimmer des Dienstnehmers eingerichteten Telearbeitsplatzes für die Tätigkeit eines nichtselbständig beschäftigten Sachverständigen bei einer Versicherung.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache des Ing. ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Graz-Umgebung vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2019 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

In seiner am beim Finanzamt eingelangten elektronisch übermittelten Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2019 beantragte der Beschwerdeführer (Bf) neben nicht mehr strittigen Differenzreisekosten in Höhe von 2.905,79 €, bei denen es sich um Kilometergelder handelt, die vom Dienstgeber nicht mit dem amtlichen Kilometergeld abgegolten wurden, die strittigen Aufwendungen für ein Arbeitszimmer in Höhe von 573,92 € als Werbungskosten zu berücksichtigen.

In Beantwortung eines Auskunftsersuchens des Finanzamtes vom gab der Bf an, dass er als Sachverständiger mittels Telearbeitsplatzes von zuhause aus arbeiten würde. Als Werbungskosten würden neben Kilometergeldern der prozentuelle Anteil an Betriebskosten des Arbeitszimmers vom Gesamtobjekt geltend gemacht werden.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom wurde die Berücksichtigung der beantragten Aufwendungen für das Arbeitszimmer mit der Begründung verweigert, dass das Finanzamt trotz Aufforderung nicht alle Unterlagen erhalten habe. Es hätten daher nur die nachgewiesenen Aufwendungen berücksichtigt werden können.

In der dagegen fristgerecht am erhobenen Beschwerde brachte der Bf vor, dass er die Begründung nicht nachvollziehen könne, da er bzw. sein Steuerberater sämtliche erforderlichen Unterlagen nachgereicht habe. Zu seinem Heimarbeitsplatz gab er an, dass sein Steuerberater einen Betrag in Höhe von 573,92 € errechnet habe. Er nutze das Büro zu Hause ausschließlich für seine berufliche Tätigkeit, und das seit sieben Jahren, nur habe er nicht gewusst, wie das anzuführen sei.

Mit Ergänzungsersuchen des Finanzamtes vom wurde der Bf gebeten, eine Bestätigung des Arbeitgebers zu übermitteln, wonach er über keinen Arbeitsplatz verfügen würde, und weiters, alle Unterlagen (Vorschreibungen, Rechnungen, Belege, etc.) zu den beantragten Kosten vorzulegen.

Der Bf legte daraufhin eine Bestätigung des Arbeitgebers vor, wonach bei ihm am ***4*** der Telearbeitsplatz eingerichtet worden sei. Die Arbeitsleistung werde zum Teil in der Wohnung des Bf (Telearbeitsplatz) erbracht.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom verweigerte das Finanzamt weiterhin die Berücksichtigung der Aufwendungen für das Arbeitszimmer als Werbungskosten und führte diesbezüglich begründend aus:

"Die Absetzbarkeit der Kosten für ein im Wohnungsverband gelegenes Arbeitszimmer ist vorrangig nach dem Berufsbild zu beurteilen. Ist die Tätigkeit eine solche, bei der (ihrem Berufsbild nach) der Mittelpunkt jedenfalls außerhalb des Arbeitszimmers liegt, stellt das Arbeitszimmer keinen Mittelpunkt im Sinne des § 20 Abs. 1 Z 2 lit. d EStG 1988 dar. Ergibt sich aus dem Berufsbild, dass die Tätigkeit vom materiellen Gehalt her nach der Verkehrsauffassung nicht im häuslichen Arbeitszimmer, sondern an einem anderen Ort ausgeübt wird, stellt sich die Frage des tatsächlichen Überwiegens nicht mehr, sondern es sind die Kosten gemäß § 20 Abs. 1 Z 2 lit. d EStG 1988 nicht absetzbar. Der Mittelpunkt der Tätigkeit eines Außendienstmitarbeiters liegt vom materiellen Gehalt her nach der Verkehrsauffassung nicht im häuslichen Arbeitszimmer, sondern im Außendienst. Die Kosten für das häusliche Arbeitszimmer in Höhe von 573,92 Euro sind daher nicht absetzbar."

In dem dagegen erhobenen über FinanzOnline am fristgerecht übermittelten Vorlageantrag brachte der Bf zu seiner Arbeitssituation vor, dass er als Sachverständiger tätig sei und Besichtigungen durchführen würde. Vom zeitlichen Aufwand seien das durchschnittlich 2 Tage in der Woche, an welchen Besichtigungen vor Ort bei Betrieben durchgeführt werden würden, je nach Entfernung auch nur für einige Stunden am Tag, die restliche Zeit verbringe er mit Büroarbeit (Gutachtenerstellung über die erfolgten Besichtigungen sowie administrative Tätigkeiten) an seinem Heimarbeitsplatz, was einen weit höheren zeitlichen Aufwand erfordern würde, als die eigentliche Besichtigung. Er nutze dazu ausschließlich seinen Telearbeitsplatz, wobei die technische Ausstattung (Computeranlage, Bildschirm, Drucker) durch den Arbeitgeber gestellt worden sei und er sein eingerichtetes Arbeitszimmer zur Verfügung stellen würde. In der Begründung der Ablehnung für den Heimarbeitsplatz sei angeführt, dass für einen Außendienstmitarbeiter der Mittelpunkt der Tätigkeit im Außendienst liege, was bei ihm so keinesfalls zutreffen würde, da er durch seinen weiteren Aufgabenbereich als interner Koordinator in einem sehr hohen Ausmaß organisatorische Tätigkeiten am Computerarbeitsplatz durchzuführen habe. Darüber hinaus sei er auch kein Angestellter des Versicherungsaußendienstes. Er bitte daher um nochmalige Prüfung.

Das Finanzamt legte die Beschwerde an das Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor und beantragte die Abweisung der Beschwerde.

Das Bundesfinanzgericht ersuchte daraufhin den Arbeitgeber des Bf unter Hinweis auf die Forderung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. Erkenntnis des ) nach der "Notwendigkeit" für die Abzugsfähigkeit der Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer, bekannt zu geben, ob dem Bf ein Arbeitsplatz zur Verfügung gestellt wird, zu dem er jederzeit während seiner Dienst- bzw. Arbeitszeit Zugang hat, weiters um Übermittlung des Dienstvertrages und einer Tätigkeitsbeschreibung und um Beantwortung der Frage, ob das im Wohnungsverband gelegene Arbeitszimmer den Mittelpunkt seiner gesamten beruflichen Tätigkeit bildet.

Der Arbeitgeber des Bf übermittelte folgende Stellungnahme:
Den MitarbeiterInnen der ***1*** (***2***), so auch dem Bf, werde ein sogenannter "alternierender Arbeitsplatz" am Sitz der ihrem Wohnort nächstgelegenen Betriebsstätte zur Verfügung gestellt. Ein Arbeitsplatz stehe also mehreren MitarbeiterInnen gemeinsam zur Verfügung und die MitarbeiterInnen müssten sich bei der Nutzung koordinieren. Dieser Arbeitsplatz stehe also nicht "jederzeit" zur Verfügung. Da die Dienstreisen zu den Besichtigungen immer vom Wohnort aus angetreten werden würden und die MitarbeiterInnen für den Heimarbeitsplatz auch alle Gerätschaften zur Verfügung gestellt bekommen würden, werde dieser alternative Arbeitsplatz faktisch wenig beansprucht.

Der Bf sei als Sachverständiger für die versicherungstechnische Risikobewertung von Betrieben eingesetzt. Außerdem zum Zweck der Ermittlung der korrekten Versicherungssumme von zu versichernden Gebäuden. Das bedeute, dass er Betriebsstätten von bei seinem Arbeitgeber Versicherten oder Versicherungsinteressenten aufsucht um deren risikotechnische Beschaffenheit zu dokumentieren. Wo er in der Gebäudewertermittlung eingesetzt ist, gehe es um die Ermittlung des Neubauwertes, um eine korrekte Bemessung der Versicherungssumme zu gewährleisten. Die Auftragsvergabe und die Ablieferung der Gutachten erfolge ausschließlich im elektronischen Weg. Aus den oben erwähnten Gründen würde das Arbeitszimmer de facto tatsächlich den Mittelpunkt seiner beruflichen Tätigkeit bilden. Das Verhältnis Reisezeit und Ausfertigungszeit für Gutachten lasse sich grob mit ein Drittel zu zwei Drittel bewerten.

Weiters wurde der Dienstvertrag vom ***9***, die Vereinbarung zur Telearbeit vom ***4*** und ein an den Bf gerichtetes Schreiben seines Arbeitgebers vom ***11*** betreffend der konkreten Festlegung seines Arbeitsplatzes vorgelegt.

Mit weiterem Vorhalt vom wurde der Arbeitgeber des Bf ersucht, die in den vorgelegten Unterlagen genannten Arbeitszeitaufzeichnungen über die geleistete Arbeit am Telearbeitsplatz im SAP ESS, alle in der Zeitplanungsdatenbank dokumentierten Abwesenheiten und die an der betrieblichen Arbeitsstätte erfolgten Aufzeichnungen der Arbeitszeit durch die Zeiterfassung (Buchen jedes Kommens und Gehens mit dem Dienstausweis) vorzulegen.

Weiters wurde darauf hingewiesen, dass der Bf nach den vorgelegten monatlichen Lohnabrechnungen im strittigen Jahr 2019 insgesamt 32.387 km beruflich mit seinem Pkw gefahren ist. Bei geschätzten 44 gearbeiteten Wochen im Jahr 2019 (52 Wochen minus Urlaub und sonstige Abwesenheiten) ergibt dies eine Fahrleistung von ca. 736 km pro Woche. Bezüglich des im Antwortschreiben vom angegebenen Verhältnisses Reisezeit und Ausfertigungszeit für Gutachten von einem Drittel zu zwei Drittel legte der Bf bei 5 Arbeitstagen pro Woche und ca. 1,6 Tage pro Woche Reisezeit (ein Drittel von 5 Tagen) 736 km zurück.

Im Zusammenhang mit der für diese hohe Fahrleistung anfallenden Arbeitszeit hat das Bundesfinanzgericht die Frage aufgeworfen, ob der Bf tatsächlich derart viel Zeit, wie von seinem Arbeitgeber angegeben, in seinem häuslichen Arbeitszimmer verbringt. Immerhin hat der Bf angegeben, dass er im Rahmen seiner Reisetätigkeit die risikotechnische Beschaffenheit von Betriebsstätten bzw. den Neubauwert von Gebäuden feststellt, um eine korrekte Bemessung der Versicherungssumme zu gewährleisten, was aus der Sicht des Bundesfinanzgerichtes mehr als einen kurzen Blick auf das zu begutachtende Objekt erforderlich macht. Das Bundesfinanzgericht hat weiters ersucht, das Einsatzgebiet des Bf, die ungefähre Anzahl der in einem Jahr zu erstellenden Gutachten bzw. den Umfang eines derartigen Gutachtens bekannt zu geben.

In dem per E-Mai vom übermittelten Antwortschreiben führte der Arbeitgeber des Bf aus, dass ihnen leider bei der Formulierung ein Fehler unterlaufen sei. Das Verhältnis liege etwas über 50 Prozent. Der Bf habe ziemlich genau 55 Prozent seiner jährlichen Arbeitszeit mit Dienstreisen zugebracht. Insgesamt habe der Bf gemäß den Arbeitszeitaufzeichnungen 104 Tage im Büro und 127 Tage auf Dienstreisen zugebracht, wobei der Einfachheit und Übersichtlichkeit halber in dieser Gesamtverhältnisrechnung Tage, an denen untertägige Dienstgänge dokumentiert waren, als Ganzes den Reisetagen zugezählt worden seien.

Leider könne keine Trennung der Bürozeiten in Heimarbeitsplatz und alternierender Arbeitsplatz in der Firma zur Verfügung gestellt werden, da die Mitarbeiter die Möglichkeit hätten, ihre Dienstzeiten durch Eingabe auf ihren Laptops im Zeitaufzeichnungssystem zu erfassen. In der ***12*** ***5*** erfolge die Zutritts- und die Zeiterfassungseingabe durch zwei getrennte Geräte. Die ID-Karte ermögliche den Zutritt, zeichne aber die Zeiten nur auf, wenn am dafür vorgesehenen Terminal auch "eingestochen" werde. Der Bf habe seine Arbeitszeiten aber durchgehend auf dem Laptop eingegeben. Dies könne in der Spalte "Kommt Geht M" der Arbeitszeiterfassungsaufzeichnungen ersehen werden. Überall, wo "3" eingetragen sei, sei die Buchung im Zeiterfassungssystem manuell über den Laptop erfolgt.

Die Fragen bezüglich des Einsatzgebietes des Bf, der ungefähren Anzahl der in einem Jahr zu erstellenden Gutachten bzw. den Umfang eines derartigen Gutachtens wurden vom Arbeitgeber des Bf nicht beantwortet.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Der Bf ist nichtselbständig bei der ***1*** (***2***) beruflich tätig und wird nach dem Kollektivvertrag für Angestellte in Handelsbetrieben entlohnt. Alleiniger Gesellschafterin der ***1*** ist ***6***. Laut Gesellschaftsvertrag vom ***7*** liegt der Gegenstand des Unternehmens der ***1*** unter anderem in der Wertfestsetzung von Gebäuden, Anlagen und Fahrnissen, für die eine Sachversicherung abgeschlossen werden soll, Analysen von Betriebsstrukturen und Risikogegebenheiten für Sach- und Vermögensversicherungen sowie Hilfeleistung bei der Festsetzung der Schadenshöhe bzw Wertermittlung von Anlagen, Gebäuden und Fahrnissen zum Schadenszeitpunkt, Beratung in Versicherungsangelegenheiten.

Nach den Angaben seines Arbeitgebers wird der Bf als Sachverständiger für die versicherungstechnische Risiokobewertung von Betrieben und zum Zweck der Ermittlung der korrekten Versicherungssumme von zu versichernden Gebäuden eingesetzt. Er sucht Betriebsstätten von Versicherten oder Versicherungsinteressenten auf, um deren risikotechnische Beschaffenheit zu dokumentieren. Bei der Gebäudewertermittlung ermittelt er den Neubauwert für eine korrekte Bemessung der Versicherungssumme. Die Auftragsvergabe und die Ablieferung der Gutachten erfolgt ausschließlich im elektronischen Weg.

Der Arbeitgeber hat dem Bf bereits im Jahr ***8*** einen sogenannten "Telearbeitsplatz" in seinem im Wohnungsverband gelegenen (häuslichen) Arbeitszimmer eingerichtet und die technische Ausstattung (Laptop inkl. Zubehör, 24 Zoll Flachbildschirm, Drucker/Scanner Kombigerät, 1 UMTS-Karte, 1 Handy mit Zubehör) zur Verfügung gestellt. An seinem Dienstort stellt der Arbeitgeber dem Bf einen sogenannten "alternierenden", mehreren Mitarbeitern gemeinsam zur Verfügung stehenden, Arbeitsplatz zur Verfügung.

Nach den Angaben seines Arbeitgebers war der Bf im strittigen Jahr 2019 an 104 Tagen in seinem im Wohnungsverband gelegenen Arbeitszimmer tätig und an 127 Tagen auf Dienstreise. Jene Arbeitszeit bzw. Arbeitstage, die der Bf an dem vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Arbeitsplatz gearbeitet hat, wurden nicht bekannt gegeben.

Nach dem vom Arbeitgeber des Bf vorgelegten Dienstvertrag vom ***9*** war der Dienstort des Bf am Sitz der Gesellschaft. Für etwaige Dienstreisen gilt die Reiseordnung des Arbeitgebers sowie die kollektivvertraglichen Bestimmungen.

Mit Schreiben vom ***11*** wird dem Bf von seinem Arbeitgeber im Zusammenhang mit dem alternierenden Telearbeitsverhältnis der Dienstnehmer - konkrete Festlegung des Arbeitsplatzes in der ***12*** - mitgeteilt, dass in Konkretisierung des Artikel 1 der Telearbeitsplatzvereinbarung folgender Arbeitsplatz als betriebliche Arbeitsstätte für den Bf gilt: ***13***. Dieser Arbeitsplatz steht dem Bf zur Verfügung. Es wird um Kenntnisnahme ersucht.

Weiters wurde die "Vereinbarung über die Errichtung eines Telearbeitsplatzes in einer Mitarbeiterwohnung" vom ***10*** vorgelegt. Demnach richtet nach Punkt 1 (Beschäftigungsform) der Dienstgeber für den Bf in dessen Wohnung einen Telearbeitsplatz ein. Die Arbeitsleistung wird zum Teil im Betrieb des Dienstgebers (betriebliche Arbeitsstätte) und zum Teil in der Wohnung des Bf (Telearbeitsplatz) erbracht (alternierendes Telearbeitsverhältnis). Außerhalb dieser Orte wird eine Arbeitsleistung nicht gewünscht und daher nicht abgegolten. Die Beschäftigung an einem Telearbeitsplatz erfolgt ausschließlich nach dem Prinzip der Freiwilligkeit.

Nach Punkt 10 der Vereinbarung "Auflassung des Telearbeitsplatzes" kann der Telearbeitsplatz in der Wohnung des Bf jederzeit von beiden Seiten unter Einhaltung einer Ankündigungsfrist von einem Monat aufgegeben werden. Die Ankündigung der Aufgabe hat schriftlich zu: erfolgen. Nach Aufgabe des Telearbeitsplatzes wird die Tätigkeit in der betrieblichen Arbeitsstätte fortgesetzt.

Beweise

Die Feststellungen basieren auf den vorgelegten Unterlagen (Dienstvertrag, Vereinbarung über die Errichtung eines Telearbeitsplatzes in einer Mitarbeiterwohnung, Bestätigung des Arbeitgebers vom , Schreiben vom ***11*** über die konkrete Festlegung des Arbeitsplatzes als betriebliche Arbeitsstätte) den Angaben des Arbeitgebers des Bf bzw. den Angaben des Bf selbst und den Ermittlungen des BFG.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 16 Abs. 1 EStG 1988 sind Werbungskosten die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen.

Gemäß § 16 Abs. 1 Z 7 EStG 1988 sind Ausgaben für Arbeitsmittel auch Werbungskosten.

Gemäß § 20 Abs. 1 Z 2 lit d EStG 1988 dürfen bei den einzelnen Einkünften Aufwendungen oder Ausgaben für ein im Wohnungsverband gelegenes Arbeitszimmer und dessen Einrichtung sowie für Einrichtungsgegenstände nicht abgezogen werden. Bildet ein im Wohnungsverband gelegenes Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen, sind die darauf entfallenden Aufwendungen und Ausgaben einschließlich der Kosten seiner Einrichtung abzugsfähig.

Nach Kofler/Wurm in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG21 Rz 104/1 zu § 20 (Stand , rdb.at) erfordert § 20 Abs. 1 Z 2 lit d EStG 1988 eine mehrstufige Prüfung unter besonderer Beachtung der einzelnen vom Gesetz vorgegebenen und durch die Judikatur geschaffenen Tatbestandsmerkmale: Bildet ein "Arbeitszimmer", das "im Wohnungsverband" gelegen ist, den "Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit" des Steuerpflichtigen, sind die darauf entfallenden Aufwendungen und Ausgaben einschließlich der Kosten seiner Einrichtung - entsprechend den von der Judikatur aufgestellten Kriterien - auch nur dann abzugsfähig, wenn ein beruflich verwendetes Arbeitszimmer nach der Art der Tätigkeit des Steuerpflichtigen unbedingt notwendig ist und der zum Arbeitszimmer bestimmte Raum tatsächlich ausschließlich oder nahezu ausschließlich beruflich genutzt wird. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, so sind die Aufwendungen für im Wohnungsverband gelegene Arbeitsräume - einschließlich jener für Einrichtungsgegenstände - nicht abzugsfähig, selbst wenn im Wohnungsverband umfangreiche berufliche Tätigkeiten durchgeführt werden (siehe zB ).

Bezüglich der im Gesetz genannten Voraussetzung des Mittelpunktes der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen orientiert sich die Judikatur an der Verkehrsauffassung und dem typischen Berufsbild bzw. nach dem materiellen Schwerpunkt der Tätigkeit. Erst im Zweifel ist darauf abzustellen, ob das Arbeitszimmer in zeitlicher Hinsicht für mehr als die Hälfte der Tätigkeit im Rahmen der konkreten Einkunftsquelle benützt wird (vergleiche ; ; ).

Nach der Verwaltungspraxis (LStR 2002, Rz 329b) wird der Tätigkeitschwerpunkt von Gutachtern allgemein als in einem vorhandenen Arbeitszimmer liegend beurteilt, ohne jedoch zu differenzieren, um welche Art einer Gutachtertätigkeit es sich handelt. Nach den ErlRV 72 BlgNR der XX. GP, abgedruckt in ÖStZ 1996, 182, wird bei Nichtselbständigen das Arbeitszimmer in der Regel nicht Tätigkeitsmittelpunkt sein, da die berufliche Tätigkeit schwerpunktmäßig außerhalb des Arbeitszimmers (zB am vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Arbeitsplatz) ausgeübt wird.

Der Bf wird als Sachverständiger für die versicherungstechnische Risikobewertung von Betrieben und zum Zweck der Ermittlung der korrekten Versicherungssumme von zu versichernden Gebäuden eingesetzt. Er sucht Betriebsstätten von Versicherten oder Versicherungsinteressenten auf, um deren risikotechnische Beschaffenheit zu dokumentieren. Bei der Gebäudewertermittlung ermittelt er den Neubauwert für eine korrekte Bemessung der Versicherungssumme. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Tätigkeit des Bf in einem nicht unwesentlichen Teil darin besteht, Betriebe und Liegenschaften aufzusuchen, um Befunde aufzunehmen, die als Grundlage für die zu erstellenden Wertgutachten heranzuziehen sind. Es stellt sich daher die Frage, ob die Befundaufnahme oder die anschließende Auswertung in Form von Wertfestsetzungen den materiellen Schwerpunkt der Tätigkeit des Bf darstellen.

Nach der Judikatur ist bei nicht eindeutig festlegbarem materiellem Schwerpunkt darauf abzustellen, ob das Arbeitszimmer in zeitlicher Hinsicht mehr als die Hälfte der Tätigkeit im Rahmen der konkreten Einkunftsquelle benützt wird (vgl. zB ). Der Bf hat im Vorlageantrag angegeben, für die Besichtigungen vor Ort bei Betrieben seien das durchschnittlich 2 Tage in der Woche gewesen. Der Arbeitgeber des Bf hat in der Vorhaltsbeantwortung vom angegeben, dass sich das Verhältnis Reise- und Ausfertigungszeit für Gutachten grob mit einem Drittel zu zwei Drittel bewerten lassen würde.

Erst nachdem das Bundesfinanzgericht dem Arbeitgeber die sich aus den im Zusammenhang mit der Geltendmachung von Differenzreisekosten vorgelegten monatlichen Lohnabrechnungen ergebenden hohen Fahrleistung von 736 km pro Woche in ca. 1,6 Arbeitstagen vorgehalten hat und weiters darauf hingewiesen hat, dass der Bf in dieser Zeit auch noch Befundaufnahmen von Betrieben und Gebäuden durchführen muss, räumte der Arbeitgeber des Bf ein, dass ihm ein Fehler unterlaufen sei und gibt bekannt, dass der Bf auf Grund seiner Arbeitszeitaufzeichnungen ziemlich genau 55 Prozent seiner jährlichen Arbeitszeit mit Dienstreisen zugebracht habe.

Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass dem Bf bei seinem Arbeitgeber ein sogenannter alternierender) Arbeitsplatz zur Verfügung gestellt wird. Da die in dem vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Arbeitsraum verbrachte Arbeitszeit naturgemäß keine Reisezeit darstellen kann, ist davon auszugehen, dass durch die im Arbeitsraum seines Arbeitgebers verbrachte Arbeitszeit, deren Höhe nicht bekannt gegeben wurde, die im häuslichen Arbeitszimmer verbrachte Arbeitszeit noch vermindert wird.

Damit ist jedoch dokumentiert, dass der Bf eindeutig weniger als die Hälfte seiner Arbeitszeit außerhalb seines häuslichen Arbeitszimmers verbracht hat.

Hinzu kommt, dass der Bf im Vorlageantrag ausgeführt hat, dass er durch seinen weiteren Aufgabenbereich als interner Koordinator in einem sehr hohen Ausmaß organisatorische Tätigkeiten am Computerarbeitsplatz durchzuführen habe. Das führt zu der Schlussfolgerung, dass die für die Erstellung der Gutachten im häuslichen Arbeitszimmer aufgewendete Arbeitszeit im Vergleich zu der für die Gutachtertätigkeit im Außendienst verbrachten Arbeitszeit noch vermindert wird. Das Vorbringen des Bf im Vorlageantrag, wonach die Gutachtenerstellung über die erfolgten Besichtigungen einen weit höheren Aufwand erfordern würde, als die eigentliche Besichtigung, scheint damit widerlegt zu sein.

Aus dieser Sichtweise kommt das Bundesfinanzgericht zu dem Ergebnis, dass der Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit des Bf im Sinne des § 20 Abs. 1 Z 2 lit d EStG 1988 nicht in seinem häuslichen Arbeitszimmer liegt.

Wie oben dargestellt erschöpft sich die Beurteilung der Absetzbarkeit der Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer nicht allein in der Beurteilung der Tätigkeit eines Steuerpflichtigen in seinem Arbeitszimmer als Mittelpunkt seiner gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit, sondern sind nach den von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien (vgl. ) die Aufwendungen für das im Wohnungsverband gelegene (häusliche) Arbeitszimmer - zusätzlich zu den in § 20 Abs. 1 Z 2 lit d EStG 1988 normierten Voraussetzungen - weiters aber nur dann anzuerkennen, wenn ein Arbeitszimmer nach der Art der Tätigkeit des Steuerpflichtigen notwendig ist (vgl. , mwN).

Notwendig ist ein im Wohnungsverband liegendes Arbeitszimmer unter anderem dann, wenn dem Arbeitnehmer vom Arbeitgeber kein Arbeitszimmer zur Verfügung gestellt wird.

Der freiwillige Verzicht auf die Nutzung eines Büros beim Arbeitgeber führt hingegen nicht zu einer Notwendigkeit des häuslichen Arbeitszimmers (; ; ; ).

Die betriebliche/berufliche Nutzung eines häuslichen Arbeitszimmers muss nach der Art der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erforderlich, das heißt notwendig sein, in Wahrheit eine Prüfung der Veranlassung (vgl. JAKOM12, EStG Kommentar, Tz 41 zu § 20).

Im gegenständlichen Fall wurde eine "Vereinbarung über die Errichtung eines Telearbeitsplatzes in einer Mitarbeiterwohnung" zwischen dem Bf und seinem Arbeitgeber abgeschlossen.

In Punkt 1 dieser Vereinbarung wurde zwischen dem Bf und seinem Arbeitgeber vereinbart, dass die Beschäftigung an einem Telearbeitsplatz ausschließlich nach dem Prinzip der Freiwilligkeit erfolgt. Dieses Prinzip der Freiwilligkeit wird in Punkt 10 (Auflassung des Telearbeitsplatzes) in der oben genannten Vereinbarung in der Weise weitergeführt, dass der Telearbeitsplatz in der Wohnung des Dienstnehmers jederzeit von beiden Seiten unter Einhaltung einer Ankündigungsfrist von einem Monat schriftlich aufgegeben werden kann. Nach Aufgabe des Telearbeitsplatzes wird die Tätigkeit in der betrieblichen Arbeitsstätte fortgesetzt.

Wenn die Einrichtung eines häuslichen Arbeitszimmers auf Freiwilligkeit beruht, besteht nach der Judikatur des BFG und VwGH keine Notwendigkeit eines beruflich verwendeten Arbeitszimmers (vgl. ). Die Notwendigkeit bietet in derartigen Fällen das verlässliche Indiz der betrieblichen bzw. beruflichen im Gegensatz zur privaten Veranlassung. Tätigkeiten, für die ein Arbeitszimmer nicht notwendig ist, sind für die Beurteilung der Abzugsfähigkeit jedenfalls unbeachtlich.

Für den Fall des Bf bedeutet das, dass er auf freiwilliger Basis sich von seinem Arbeitgeber einen Heimarbeitsplatz einrichten ließ. Das Prinzip der Freiwilligkeit ist der Vereinbarung über die Errichtung eines Telearbeitsplatzes in einer Mitarbeiterwohnung klar zu entnehmen. Der Bf kann nach dieser Vereinbarung seinen Telearbeitsplatz auch wieder jederzeit auflassen. Diese Freiwilligkeit steht der erforderlichen Notwendigkeit der Tätigkeit in einem häuslichen Arbeitszimmer jedenfalls entgegen, was zur Folge hat, dass die Aufwendungen des Bf für sein häusliches Arbeitszimmer auch aus diesem Grund nicht als Werbungskosten anerkannt werden können.

Hinzu kommt, dass der Bf die Möglichkeit hat, einen bei seinem Arbeitgeber sogenannten alternierenden Arbeitsplatz, wenn auch nach Rücksprache mit anderen Dienstnehmern seines Arbeitgebers, zu nutzen. Jedenfalls wurde dem Bf von seinem Arbeitgeber mit Schreiben vom ***11*** in Konkretisierung des Artikel 1 der Telearbeitsplatzvereinbarung folgender Arbeitsplatz als betriebliche Arbeitsstätte zugewiesen: ***13***. Die Möglichkeit der Nutzung eines Büros beim Arbeitgeber steht der Notwendigkeit eines Arbeitszimmers jedenfalls entgegen (vgl. ; ).

Wenn der Arbeitgeber des Bf in seinem Schreiben vom vorbringt, dass der Arbeitsplatz des Bf an seinem Dienstort nicht ihm allein zur Verfügung steht und die Nutzung koordiniert werden muss, ist darauf hinzuweisen, dass der Umstand, dass ein StPfl über keinen anderen Arbeitsraum verfügt, das im Wohnungsverband gelegene Arbeitszimmer nicht zwangsläufig als Mittelpunkt der gesamten betrieblichen oder beruflichen Tätigkeit ausweist ().

Nachdem die vom Bf beantragten Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer schon nach den bisherigen Ausführungen nicht als Werbungskosten berücksichtigt werden können, erübrigt es sich auf die weitere Voraussetzung für die Abzugsfähigkeit, nämlich, dass der zum Arbeitszimmer bestimmte Raum tatsächlich ausschließlich oder nahezu ausschließlich beruflich genutzt wird und auch entsprechend eingerichtet ist, näher einzugehen.

Der VfGH bestätigt im Übrigen diese strenge Vorgangsweise (vgl. Entscheidung des ), indem dort ausgeführt wird, dass es dem Gesetzgeber freisteht, im Bereich möglicher privater Mitverwendung die Anerkennung von Betriebsausgaben oder Werbungskosten an strenge Voraussetzungen zu binden ().

Die Beschwerde war daher spruchgemäß aus den dargelegten Gründen vollinhaltlich abzuweisen.

Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Gemäß § 25a VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist.

Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere, weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Nachdem die Beschwerde insoweit keine für die Entscheidung maßgeblichen Rechtsfragen aufwirft, denen im Sinne der zitierten Bestimmungen grundsätzliche Bedeutung zukäme, war unter Hinweis auf die zitierte eindeutige und einheitliche Rechtsprechung die Unzulässigkeit einer ordentlichen Revision auszusprechen.

Graz, am

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