Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 28.05.2021, RV/7103796/2015

Entschädigungszahlungen für Einräumung von Leitungsrechten

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***1*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch ***5*** über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Hollabrunn Korneuburg Tulln vom betreffend Feststellung der Einkünfte § 188 BAO 2009 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgaben sind dem Ende der Entscheidungsgründe zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Herr ***2*** ***3*** und Frau ***2*** ***4***, Beschwerdeführer, schlossen im Jahr 2009 mit der EVN Netz GmbH einen, den Parteien des gegenständlichen Verfahrens bekannten Dienstbarkeitsvertrag, ab. Der Dienstbarkeitsvertrag wurde für Leitungsrechte über landwirtschaftlich genutzte Grundstücke geschlossen.

Im Jahr 2015 setzte das Finanzamt mit Feststellungsbescheid vom gemäß § 188 BAO für 2009 Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft im Betrag von € 19.800,00 fest.

Das Finanzamt beurteilte von dem Entschädigungsbetrag in der Höhe von € 25.189,60 aus Gründen der Verwaltungsökonomie einen Anteil von 70 % des Gesamtentgeltes = 17.632,72 € als steuerpflichtig.

In diesem Fall gab und gibt es kein Gutachten der Landwirtschaftskammer.

In der dagegen erhobenen Beschwerde begründete der steuerliche Vertreter, dass die Verwaltungspraxis der Aufteilung in 70 % steuerpflichtigen und 30 % steuerfreien Anteil der Entschädigungssumme nicht den objektiven Gegebenheiten entspricht. Da Gespräche der Landwirtschaftskammer mit dem Bundesministerium für Finanzen zu dem Thema Steuerpflicht der Entschädigungszahlungen in der Land- und Forstwirtschaft geführt werden, wird um Vorlage der Beschwerde ohne Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung an das Bundesfinanzgericht mit der Stellung eines Antrages auf eine mündliche Senatsverhandlung ersucht.

Das Finanzamt legte die Beschwerde ohne Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung dem Bundesfinanzgericht vor.

Eine Feststellung, welcher Anteil der Entschädigungszahlung die Wertminderung des Grundstückes, der als steuerfrei zu beurteilen wäre, und in welchem Ausmaß ein steuerpflichtiger Anteil zu berücksichtigen ist, ist ohne Gutachten oder einer gesetzlichen Regelung nicht möglich.

Da es kein Gutachten gab und es Gespräche bezüglich einer Regelung zwischen Landwirtschaftskammer und Bundesministerium für Finanzen stattfanden, wurde aus verwaltungsökonomischen Gründen kein Gutachten angefordert und die gesetzliche Regelung abgewartet.

Mit wurde eine Regelung bezüglich der Entschädigungszahlungen im § 107 Abs. 11 EStG getroffen. § 107 Abs. 11 EStG zweiter Satz ist gemäß § 124b Z 334 EStG Satz auf offene Veranlagungsfälle anwendbar.

In einem Telefonat vom der Berichterstatterin mit der steuerlichen Vertretung wurde auf diese gesetzliche Regelung hingewiesen und angeregt unter Bezugnahme auf die Bestimmungen des § 107 Abs. 11 zweiter Satz EStG iVm § 124b Z 334 EStG den Antrag auf eine mündliche Senatsverhandlung zurückzuziehen.

Mit Schreiben vom zog die steuerliche Vertretung den Antrag auf die mündliche Senatsverhandlung zurück.

"Wir nehmen Bezug auf den Vorlageantrag vom und das am geführte Telefonat und ziehen hiermit unseren Antrag auf Entscheidung durch den gesamten Beschwerdesenat gem. § 272 Abs. 2 Z 1 BAO und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung gem. § 274 Abs. 1 Z1 BAO zurück.

Gleichzeitig sind wir mit der gesetzlichen Regelung zur Besteuerung der Einkünfte im Sinne des § 107 Abs. 11 EStG zweiter Satz in Verbindung mit § 124b Z 334 EStG 1988 einverstanden.

Mit der Bitte um antragsgemäße Erledigung, verbleiben wir

Mit freundlichen.. "

Angemerkt wird, dass sich der Vorlageantrag vom auf das Einkommensteuerverfahren der Beteiligten bezieht.

Das gegenständliche Verfahren wurde nach der Erlassung eines Feststellungsbescheides für 2009 vom nach der Beschwerde vom dem Bundesfinanzgericht ohne Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung vorgelegt.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Die Beschwerdeführer schlossen im Jahr 2009 mit der EVN Netz GmbH einen Dienstbarkeitsvertrag über landwirtschaftliche Grundstücke ab.

Dafür erhielten sie eine Entschädigungszahlung im Betrag von € 25.189,60.

Beweiswürdigung

Dies ergibt sich aus den vorgelegten Unterlagen, aus dem bisherigen Verfahren und ist unstrittig.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)

Strittig ist die Höhe der Aufteilung der Entschädigungszahlung in einen steuerfreien und einen steuerpflichtigen Anteil.

Die Beschwerdeführer schränkten ihr Beschwerdebegehren mit Schreiben vom auf Beurteilung im Sinne der gesetzlichen Bestimmungen § 107 Abs. 11 zweiter Satz EStG iVm § 124b Z 334 EStG ein.

Rechtliche Bestimmungen:

Einkommensteuergesetz, EStG:

Steuerabzug bei Einkünften aus Anlass der Einräumung von Leitungsrechten

§ 107. (1) Einkünfte gemäß § 21, § 22, § 23, § 27, § 28 oder § 29 Z 3 in Zusammenhang mit dem einem Infrastrukturbetreiber (Abs. 2) eingeräumten Recht, Grund und Boden zur Errichtung und zum Betrieb von ober- oder unterirdischen Leitungen im öffentlichen Interesse (Abs. 3) zu nutzen, unterliegen einer Abzugsteuer und sind bei der Berechnung der Einkommensteuer des von der Rechtseinräumung unmittelbar betroffenen Grundstückseigentümers oder -bewirtschafters weder beim Gesamtbetrag der Einkünfte noch beim Einkommen (§ 2 Abs. 2) zu berücksichtigen, sofern nicht die Regelbesteuerung (Abs. 11) beantragt wird.

(2) Infrastrukturbetreiber im Sinne dieser Bestimmung sind:

1. Elektrizitätsunternehmen (§ 7 Abs. 1 Z 11 des Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetzes 2010)

2. Erdgasunternehmen (§ 7 Abs. 1 Z 16 des Gaswirtschaftsgesetzes 2011)

3. Dem Mineralrohstoffgesetz, BGBl. I Nr. 38/1999, unterliegende Unternehmen, die Leitungsanlagen zum Zwecke des Transportes gasförmiger oder flüssiger Kohlenwasserstoffe betreiben

4. Fernwärmeversorgungsunternehmen, das sind Unternehmen, die zum Zwecke der entgeltlichen Versorgung Dritter Anlagen zur Erzeugung, Leitung und Verteilung von Fernwärme (Fernwärmeanlagen) betreiben.

(3) Die Nutzung von Grund und Boden liegt bei allen Maßnahmen im öffentlichen Interesse, die von Infrastrukturbetreibern zur Errichtung und zum Betrieb von ober- oder unterirdischen Leitungen insbesondere nach Maßgabe der Bestimmungen des Elektrizitätswirtschafts und - organisationsgesetzes 2010, des Gaswirtschaftsgesetzes 2011 oder des Mineralrohstoffgesetzes durchgeführt werden.

(4) Bemessungsgrundlage für die Abzugsteuer ist der bezahlte Betrag vor Berücksichtigung der Abzugsteuer, unabhängig davon, ob und in welchem Umfang dieser Betrag die Rechtseinräumung, die Abgeltung einer gemäß § 3 Abs. 1 Z 33 steuerfreien Wertminderung oder sonstige Zahlungen (z. B. Entschädigungen für Ertragsausfälle, Wirtschaftserschwernisse, Wegebenützung oder für eine temporäre Nutzung einer Liegenschaft als Lagerplatz) betrifft. Die Umsatzsteuer ist nicht Teil der Bemessungsgrundlage.

(5) …

(6) …

(7) …

(8) ….

(9) Mit der Entrichtung der Abzugsteuer durch den Abzugsverpflichteten oder Steuerschuldner gilt vorbehaltlich des Abs. 11 die Einkommensteuer in Bezug auf Einkünfte gemäß Abs. 1 als abgegolten.

(10) ….

(11) Auf Antrag ist auf Einkünfte, von denen eine Abzugsteuer einbehalten worden ist, der allgemeine Steuertarif anzuwenden (Regelbesteuerungsoption). Sofern der Steuerpflichtige die Berücksichtigung der Einkünfte nicht in der von ihm nachzuweisenden Höhe beantragt, sind diese mit 33% der auf das Veranlagungsjahr bezogenen Bemessungsgrundlage (Abs. 4) anzusetzen.

§ 124b …..

334. § 107 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 62/2018 tritt mit in Kraft und ist anzuwenden auf Zahlungen, die ab dem erfolgen sowie hinsichtlich des Abs. 11 zweiter Satz auf alle zum Zeitpunkt der Kundmachung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 62/2018 nicht rechtskräftig veranlagten Fälle mit Einkünften aus der Einräumung von Leitungsrechten.

Anwendung auf den gegenständlichen Fall:

Die Beschwerdeführer schränkten ihr Beschwerdebegehren im Sinne der Bestimmungen des § 107 Abs. 11 zweiter Satz EStG iVm § 124b Z 334 EStG ein.

Das Veranlagungsjahr 2009 war zum noch nicht rechtskräftig veranlagt. Gemäß § 124 Z 334 EStG ist daher § 107 Abs. 11 zweiter Satz EStG anzuwenden.

Die Entschädigungszahlung im Betrag von € 25.189,60 ist daher in einen 33 % Anteil steuerpflichtig und einen 67 % Anteil steuerfrei aufzuteilen.

Dies ergibt in Euro:


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Gesamtsumme:
100 %
25.189,60
Anteil steuerfrei:
67 %
16.877,03
Anteil steuerpflichtig:
33 %
8.312,57

Dies ergibt für die Beschwerdeführer einen Betrag von 8.312,57 der den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft als steuerpflichtig zuzurechnen ist.

Zuzüglich ist auch die Pachteinnahme, die unbestritten im Betrag von 2.167,48 vereinnahmt wurde, den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft zuzurechnen.

Es ergeben sich daher Gesamteinkünfte im Feststellungsverfahren 2009 gemäß § 188 BAO für die Beschwerdeführer aus Land und Forstwirtschaft im Betrag von Euro:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
8.312,57 Entschädigung
+ 2.167,48 Pacht
= 10.480,06

Es war sohin der eingeschränkten Beschwerde Folge zu geben.

Die im Kalenderjahr 2009 erzielten Einkünfte gemäß § 188 BAO werden wie folgt festgestellt:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft
10.480,06 €
***4*** ***2***
Anteil
5.240,03 €
***3*** ***2***
Anteil
5.240,03 €

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Revision ist nicht zulässig, da das Erkenntnis den gesetzlichen Bestimmungen des § 107 Abs. 11 zweiter Satz EStG iVm § 124b Z 334 EStG folgt.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.7103796.2015

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at