Säumnisbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 10.05.2021, RS/3100004/2021

Zurückweisung Säumnisbeschwerde

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch den RichterName_A in der Beschwerdesache Gesellschaft_A, Anschrift_A, über die Beschwerde des Person_A, Anschrift_B, vom wegen behaupteter Verletzung der Entscheidungspflicht durch das Finanzamt Österreich betreffend den Antrag auf Vergütung NOVA, Steuernummer StNr._1, beschlossen:

Die Säumnisbeschwerde vom ird gemäß § 284 Abs. 7 BAO iVm § 260 Abs. 1 lit. a BAO als unzulässig zurückgewiesen.

Eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 iVm Abs. 9 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Begründung

1.) Sachverhalt:
Die Gesellschaft_A wurde im Jahr 2008 gegründet und im Firmenbuch zu FN_A eingetragen. Das Firmenbuch löschte die Gesellschaft mit Eintrag vom , Geschäftsfall_1, gemäß § 40 Firmenbuchgesetz infolge Vermögenslosigkeit (siehe Firmenbuchauszug zu FN_A vom ).

Die Gesellschaft_A mit Sitz in Ort_A beantragte mit Schreiben vom die Rückvergütung der Normverbrauchsabgabe (NoVA). Das Finanzamt Österreich sprach bis dato über diesen Antrag nicht ab (siehe Telefonat mit der Abgabenbehörde am ).

Person_A erhob als steuerlicher Vertreter der Gesellschaft_A mit Schreiben vom Säumnisbeschwerde, da das Finanzamt Österreich nicht über den Antrag vom auf Rückvergütung der zu viel gezahlten NoVA (samt Zuschlag) abgesprochen habe. Person_A beruft sich auf eine von der Gesellschaft erteilte Vollmacht (siehe die Schreiben von Person_A vom und ).

2.) Rechtslage:
2.a) Wegen Verletzung der Entscheidungspflicht kann gemäß § 284 Abs. 1 BAO die Partei Beschwerde (Säumnisbeschwerde) beim Verwaltungsgericht erheben, wenn ihr Bescheide der Abgabenbehörden nicht innerhalb von sechs Monaten nach Einlangen der Anbringen oder nach dem Eintritt zur Verpflichtung zu ihrer amtswegigen Erlassung bekanntgegeben (§ 97 BAO) werden. Hiezu ist jede Partei befugt, der gegenüber der Bescheid zu ergehen hat.
Nach Abs. 7 leg.cit. ist sinngemäß ua. § 260 Abs. 1 lit. a BAO (Unzulässigkeit) anzuwenden.

Die Bescheidbeschwerde ist nach § 260 Abs. 1 lt. a BAO mit Beschwerdevorentscheidung (§ 262 BAO) oder mit Beschluss (§ 278 BAO) zurückzuweisen, wenn sie nicht zulässig ist.

Die Säumnisbeschwerde ist zurückzuweisen, wenn sie von einem hiezu nicht Befugten eingebracht wurde (zB Ellinger/Sutter/Urtz, BAO3, § 284 Anm 12; Ryda/ Langheinrich, FJ 2002, 265; Ritz, BAO6, § 284 Tz 12).

2.b) Eine Kapitalgesellschaft, die kein Vermögen besitzt, kann gemäß § 40 Abs. 1 Firmenbuchgesetz (FBG), BGBl. Nr. 10/1991 idF BGBl. I Nr. 104/2019, auf Antrag der nach dem Sitz der Gesellschaft zuständigen gesetzlichen Interessenvertretung oder eines Finanzamtes oder von Amts wegen gelöscht werden; mit der Löschung gilt die Gesellschaft als aufgelöst. Eine Abwicklung findet nicht statt. Stellt sich nach der Löschung das Vorhandensein von Vermögen heraus, das der Verteilung unterliegt, so findet nach Abs. 4 leg.cit. die Abwicklung statt. Die Abwickler sind auf Antrag eines Beteiligten vom Gericht zu ernennen.

Die Auflösung und Löschung einer im Firmenbuch eingetragenen juristischen Person hat bloß deklaratorischen Charakter (; ) und beendet die Rechtsfähigkeit nicht, solange Vermögen vorhanden ist () und Rechtsverhältnisse zu Dritten nicht vollständig abgewickelt - also zB Abgaben noch festzusetzen - sind (Ritz, BAO6, § 79, Tz 10, 11; ; ).

Die Rechts- und Parteifähigkeit einer GmbH bleibt daher auch nach ihrer Löschung im Firmenbuch solange erhalten, als noch Abwicklungsbedarf besteht, was dann der Fall ist, wenn Abgabenverbindlichkeiten einer solchen Gesellschaft bescheidmäßig festzusetzen sind. An eine im Firmenbuch bereits gelöschte GmbH gerichtete Bescheide ergehen daher grundsätzlich rechtswirksam ().

Bis zur Vollbeendigung braucht die aufgelöste Gesellschaft - so wie bisher - einen gesetzlichen oder gewillkürten Vertreter. In der Zeit zwischen Auflösung und Vollbeendigung (vollständige Abwicklung aller Rechtsverhältnisse) fungiert grundsätzlich der vormalige Geschäftsführer als "geborener Liquidator"(; ). An ihn können an die Gesellschaft adressierte Erledigungen bis zur Bestellung eines Liquidators noch zugestellt werden.

Der Auflösung folgt in der Regel die Liquidation oder Abwicklung (§ 89 GmbHG). Während dieser Zeit wird eine Kapitalgesellschaft durch die im Firmenbuch eingetragenen Liquidatoren oder Abwickler vertreten. Nach Beendigung der Liquidation und Entlastung der Liquidatoren erfolgt die Löschung im Firmenbuch. Mit ihr endet auch das Liquidatorenamt. Sollten in weiterer Folge noch Bescheide an die im Firmenbuch gelöschte Gesellschaft erlassen werden, regelt § 80 Abs. 3 BAO, dass Zustellungsvertreter einer gelöschten GmbH nach Beendigung der Liquidation ist, wer gemäß § 93 Abs. 3 GmbHG zur Aufbewahrung der Bücher und Schriften der aufgelösten Gesellschaft verpflichtet ist oder zuletzt verpflichtet war. Bei diesem "Verwahrer", der in Ermangelung einer Bestimmung des Gesellschaftsvertrages oder eines Gesellschafterbeschlusses durch das Gericht bestimmt wird, kann es sich um einen Gesellschafter oder um eine dritte Person handeln. Keine Liquidation findet im Falle des Konkurses einer Gesellschaft oder im Falle der Löschung einer Gesellschaft wegen Vermögenslosigkeit gemäß § 40 Abs. 1 FBG statt (Haberer/Zehetner in Straube, GmbHG § 89 Rz 11f).

Die Vertretungsregelung des § 80 Abs. 3 BAO erfasst nur jene Fälle, in denen eine Liquidation nach § 89 GmbHG stattgefunden hat. Nicht erfasst sind Fälle, in denen eine Kapitalgesellschaft gemäß § 40 Abs. 1 FBG wegen Vermögenslosigkeit durch das Gericht gelöscht wird oder eine Gesellschaft gemäß § 39 Abs. 1 FBG mit der Rechtskraft des Beschlusses, durch den das Insolvenzverfahren mangels kostendeckenden Vermögens (§ 71b IO) eröffnet oder aufgehoben wird, als aufgelöst gilt und daher mangels Vermögens von Amts wegen zu löschen ist (Ritz, BAO6, § 81 Tz 15).

Die Löschung gemäß § 40 Abs. 1 FBG sowie die im Firmenbuch gemäß § 39 Abs. 2 FBG einzutragende Auflösung gelten zwar nur als deklarativ und führen grundsätzlich nicht zur Vollbeendigung der Gesellschaft (), jedoch ist mit der nur deklarativ wirkenden Löschung der Gesellschaft im Firmenbuch nach der Rechtsprechung des OGH konstitutiv auch der Wegfall der organschaftlichen Vertretung der Gesellschaft verbunden (; ; ), sodass in diesem Fall an eine im Firmenbuch gelöschte juristische Person mangels Handlungsfähigkeit keine Bescheide mehr wirksam erlassen werden können. Eine Zustellung etwa an den früheren Geschäftsführer wäre unwirksam ().

3.) Erwägungen:
Der Verwaltungsgerichtshof hob unter Hinweis auf Literatur hervor, mit der Löschung verliere die Gesellschaft ihre organschaftliche Vertretung. Die Funktion der Liquidatoren sei erloschen und ihre Legitimation lebe von selbst für keine Rechtshandlung auf (). Im gegebenen Fall kann damit der Gesellschaft eine Entscheidung über die Beschwerde bzw. über den streitgegenständlichen Antrag nicht mehr rechtswirksam zugestellt werden. Eine andere Person, der ein Bescheid zugestellt werden kann, besteht auf Grund der vorstehenden Ausführungen nicht, zumal nach vorliegender Aktenlage auch kein Nachtragsliquidator bzw. kein Abwickler iSd § 40 FBG bestellt ist bzw. Person_A nicht von einem solchen zur Vertretung beauftragt wurde.

Im vorliegenden Fall fehlt den Geschäftsführern bzw. der Gesellschaft_A (als im Firmenbuch nach § 40 FBG gelöschte juristische Person) die Fähigkeit der Vornahme rechtswirksamer Handlungen. Es besteht somit keine Befugnis, eine Säumnisbeschwerde einzubringen.
Der steuerliche Vertreter, der namens der Gesellschaft die gegenständliche Säumnisbeschwerde eingebracht hat, verweist in seinem Vorbringen auf eine von der Gesellschaft erteilte Vollmacht. Der die Vollmacht erteilende Geschäftsführer ist jedoch kein Organ der GmbH mehr; die Geschäftsführer sind nicht befähigt, die Gesellschaft Gesellschaft_A rechtswirksam zu vertreten und dem einschreitenden Steuerberater eine Vollmacht zu erteilen. Die von der Gesellschaft vor der Löschung im Firmenbuch erteilte Vollmacht ist durch die Löschung der Gesellschaft untergegangen. Daraus ergibt sich, dass Person_A diese Gesellschaft nach der Löschung derselben nicht mehr vertritt.
Der Gesellschaft bzw. dem einschreitenden Steuerberater (namens der gelöschten Gesellschaft) fehlt somit die Aktivlegitimation zur Einbringung einer Säumnisbeschwerde, sodass die Beschwerde zurückzuweisen ist.

Ergänzend wird bemerkt, dass - bei einer etwaigen Stattgabe des Antrages - die begehrte Rückvergütung der NoVA die Vermögenslosigkeit der gegenständlichen Gesellschaft nicht beenden würde, da in dem Falle diese mit den aushaftenden Abgabennachforderungen der Republik Österreich (gegenüber der Gesellschaft) gegen zu verrechnen wäre. Es käme somit nicht zu der im Antrag begehrten Auszahlung an die Gesellschaft bzw. an Person_A.

4.) Zulässigkeit einer Revision:
Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im vorliegenden Beschwerdefall wurden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Das Bundesfinanzgericht orientierte sich bei den zu lösenden Rechtsfragen an der zitierten einheitlichen höchstgerichtlichen Judikatur, darüber hinaus hing die Entscheidung im Wesentlichen von den Umständen des Einzelfalles ab. Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist daher unzulässig.

Innsbruck, am

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