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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 21.05.2021, RV/1100240/2018

Kommt für ein mittels "Wohnraumvorbezug" zur Auszahlung gebrachtes Vorsorgekapital (obligatorischer und überobligatorischer Anteil) die Drittelbegünstigung des § 124b Z 53 letzter Satz EStG 1988 zur Anwendung?

Beachte

Revision (Amtsrevision) beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2021/15/0075. Mit Erk. v. wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufgehoben. Fortgesetztes Verfahren mit Erkenntnis zur Zahl RV/1100053/2023 erledigt.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Geser & Partner, Wirtschaftstreuhand- und Steuerberatungs GmbH & Co KG, Hof 320 Tür 9, 6866 Andelsbuch, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Bregenz vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2016 zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer (im Folgenden abgekürzt Bf.) beendete im Streitjahr 2016 aufgrund einer konzerninternen Umstrukturierung seine Grenzgängertätigkeit und wechselte zu einer österreichischen Konzerngesellschaft. Das in der gesetzlichen Altersversorgung BVG (2. Säule) angesparte Vorsorgeguthaben wurde bei Verlassen der Schweiz auf ein Freizügigkeitskonto überwiesen und auf Antrag des Bf. als Wohnraumvorbezug ausbezahlt.

Mit Einkommensteuerbescheid 2016 vom wurde das dem Bf. ausbezahlte Vorsorgeguthaben in Höhe von 208.450,71 € zur Gänze zum Tarif besteuert.

Die fristgerecht eingebrachte Beschwerde richtet sich gegen die nicht begünstigte Besteuerung des Vorsorgeguthabens. Begründend führte die steuerliche Vertretung des Bf. Folgendes aus:

"Das Bundesgesetz über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVG) ist als zweite Säule der positive Ausdruck des in der schweizerischen Bundesverfassung niedergelegten Drei-Säulen-Konzepts. Es regelt die berufliche Vorsorge und soll die Fortsetzung der gewohnten Lebenshaltung in angemessener Weise ermöglichen, was allein durch die erste Säule nicht gewährleistet wäre. Nach dem BVG unterstehen alle bei der AHV versicherten Arbeitnehmer, die das 17. Lebensjahr vollendet haben und bei einem Arbeitgeber den bestimmten Mindestlohn beziehen, der obligatorischen Versicherung. Andere Arbeitnehmer können sich freiwillig versichern lassen.

Die obligatorische Versicherung betrifft einen nach oben und unten begrenzten Arbeitslohn. Im überobligatorischen Bereich sind Ergänzungen auf freiwilliger Basis zulässig. Die Finanzierung der Vorsorgeeinrichtung erfolgt durch Beiträge des Arbeitgebers und der Arbeitnehmer. Die Leistungen der Vorsorgeeinrichtungen im Fall von Alter oder Invalidität an die ehemaligen Arbeitnehmer und ihre Hinterbliebenen bestehen in der Regel in Form einer Rente.

Pensionsabfindungen von Pensionskassen auf Grund gesetzlicher und statutenmäßiger Regelungen sind nach Abzug der darauf entfallenden Pflichtbeiträge ab dem Jahr 2001 und in den folgenden Jahren zu einem Drittel steuerfrei zu belassen. Bei dieser Begünstigung wird darauf abgestellt, dass den Anspruchsberechtigten keine andere Möglichkeit als die Inanspruchnahme der Pensionsabfindung eingeräumt ist.

Für den Bf. liegen diese Voraussetzungen vor, da die Firma ***1*** die gesamte Abteilung aus wirtschaftlichen Gründen nach Österreich verlagert hat. Der Bf. ist also weiterhin beim gleichen Dienstgeber beschäftigt, jedoch nicht mehr als Grenzgänger. Der Bf. hatte deshalb keine andere Möglichkeit als die Inanspruchnahme der Pensionsabfindung. Der Wechsel des Beschäftigungsortes von der Schweiz nach Österreich konnte von ihm nicht beeinflusst werden."

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde abgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, der Vorbezug für Wohneigentum stelle die Ausübung eines schädlichen Wahlrechtes dar, weshalb keine begünstigte Pensionsabfindung iSd § 124b Z 53 EStG 1988 vorliege. Wie bereits aus dem Wortlaut des Art. 30c BVG hervorgehe, könne der Versicherte von seiner Vorsorgeeinrichtung einen Betrag für Wohneigentum zum eigenen Bedarf geltend machen. Ein Zwang zur Inanspruchnahme der Barauszahlung liege daher nicht vor (vgl. ; , 2015/15/0033), umso weniger als das angesparte Alterskapital einem EU-rechtlichen Auszahlungsverbot unterliege, solange der Arbeitnehmer pensionspflichtversichert sei und die primäre Möglichkeit des Verbringens des Vorsorgeguthabens in eine Freizügigkeitseinrichtung gegeben sei, wo das Kapital bis zur neuerlichen Aufnahme eines Dienstverhältnisses in der Schweiz bzw. allenfalls bis zum gesetzlichen Rentenantritt für die Altersversorgung gesichert werde (VwGh , 2009/15/0188).

Im am fristgerecht eingebrachten Vorlageantrag führte die steuerliche Vertretung des Bf. unter Bezugnahme auf die Ausführungen in der Beschwerdevorentscheidung ergänzend aus, die angeführte Möglichkeit des Verbringens auf ein Freizügigkeitskonto gehe deshalb ins Leere, weil in diesem Fall die Drittelbegünstigung nicht mehr anwendbar gewesen wäre (keine Pensionsabfindung durch eine Pensionskasse). Auch habe keine Möglichkeit bestanden, das angesparte Alterskapital in das österreichische Pensionssystem zu überführen. Das EU-rechtliche Auszahlungsverbot gelte daher nicht für Pensionsabfindungen aus dem Drittland (Schweiz).

Im Vorlagebericht vom nahm das Finanzamt zur Rechtsfrage, ob im Beschwerdefall hinsichtlich des im Streitjahr ausbezahlten Vorsorgeguthabens die Drittelbegünstigung des § 124b Z 53 EStG zur Anwendung komme, wie folgt Stellung: "Im Zurückweisungsbeschluss vom , Ra 2015/15/0033, hat der VwGH seine "ständige Rechtsprechung" bestätigt, dass bei der Pensionsabfindung eines Grenzgängers keine Drittelbegünstigung zusteht, wenn eine alternative Wahlmöglichkeit zwischen einem Rentenbezug und einer Barabfindung besteht.

Im Zurückweisungsbeschluss vom betreffend den relativ seltenen Sachverhalt einer

51-jährigen Arbeitnehmerin, welche sich

im Zuge des "endgültigen Verlassens der Schweiz" (heißt "nach der Kündigung")

direkt von der Pensionskasse

den sogenannten überobligatorischen Teil hat auszahlen lassen,

sah der VwGH die Voraussetzungen für die Drittelbegünstigung gemäß § 124b Z 53 EStG 1988 als gegeben an, zumal der Dienstaustritt vor Eintritt des Versorgungsfalles (Anmerkung: Früh-/Pensionierung, Tod, Invalidität) ex lege die Beendigung des Vorsorgeverhältnisses zur Folge habe und gemäß Art. 2 des Schweizer Freizügigkeitsgesetzes den gesetzlichen Anspruch auf die Austrittsleistung auslöse. Ein alternativer Anspruch gegenüber der Pensionskasse des bisherigen Dienstgebers auf Verbleib in der Pensionskasse und auf spätere Zahlung einer Altersrente aus dem bei dieser Pensionskasse angesparten Guthaben bestehe nicht (vgl. ).

Das Finanzamt Bregenz vertritt die Ansicht, dass dieser Beschluss nur auf diesen eingeschränkten Sachverhalt Anwendung finden kann (d. h. Drittelbegünstigung steht zu, wenn eine Person - in noch nicht zu einem (Früh-)Pensionsbezug berechtigenden Alter (meist 58) - mit Beendigung des schweizerischen Dienstverhältnisses direkt von der Pensionskasse das nicht vom gemeinschaftsrechtlichen Auszahlungsverbot umfasste Überobligatorium als Austrittsleistung ausbezahlt bekommt.

Im vorliegenden Beschwerdefall liegt keine detaillierte Abrechnung der ***4*** vor. Aus den Auszahlungsunterlagen geht jedoch hervor, dass sich der Bf. das gesamte Freizügigkeitskapital im Rahmen eines Wohnraumvorbezuges hat auszahlen lassen, somit auch das Obligatorium. Er hätte aber auch die Möglichkeit gehabt, sich das Kapital auf ein Freizügigkeitskonto überweisen zu lassen, damit es beim Rückwechsel in die Schweiz wieder in die Pensionskasse einbezahlt werden kann (Art. 3 FZG).

Das Finanzamt erblickt darin aus folgenden Erwägungen einen nicht begünstigungsfähigen Sachverhalt:

1. Der Bezug der Freizügigkeitsleistung als Wohnraumvorbezug ist die auf Antrag des Versicherten erfolgte Umsetzung einer Kann-Bestimmung (Art. 30c BVG; Art. 13f FZV), welche dem Versicherten die Wahlmöglichkeit gibt, das Vorsorgekapital ungeachtet des gemeinschaftsrechtlichen Auszahlungsverbots für das Obligatorium zur Auszahlung zu bringen und dadurch das in der Altersvorsorge angesparte Kapital für vorsorgefremde Zwecke zu verwenden, anstatt

2. das Kapital zwecks Sicherung des Lebensstandards im Alter (vgl. Art. 1 BVG) verzinst auf dem Freizügigkeitsskonto zu belassen.

3. Begünstigt der Abgabengesetzgeber eine derart erwirkte Auszahlung des vom Auszahlungsverbot (vgl. z.B. Art. 25 FZG) umfassten Obligatoriums, wird die zweckentfremdete Verwendung des Vorsorgekapitals sogar noch gefördert und forciert,

4. obwohl der (Knauer) und darauffolgend der VwGH mit Erkenntnis vom , Ro 2014/08/0047, zu Recht erkannt haben, dass das gesamte schweizerische (bzw. liechtensteinische) Vorsorgekapital (obligatorisch, überobligatorisch, vorobligatorisch) als Einheit zu betrachten ist, ebenso wie das ASVG-System der Sicherung des Lebensstandards im Alter dient und deshalb die gesamten Bezüge aus der 2.Säule BVG der Sozialversicherungspflicht gemäß § 73a ASVG unterliegen.

5. Ein Missachten/Umschiffen des Auszahlungsverbots gefährdet die lebenslange Vorsorge, zum Schutze welcher das schweizerische Freizügigkeitsgesetz extra bestimmt, dass das Guthaben primär bis zum Neueintritt in die Pensionskasse des nächsten Arbeitgebers einzuzahlen ist (Art. 3 FZG), bzw. bis zu dem Zeitpunkt sicher verwahrt werden möge, indem sich der Versicherte das Vorsorgeguthaben auszahlen lassen darf (bei Männern gemäß Art. 16 FZV im Zeitraum von fünf Jahren vor der gesetzlichen Rentenantrittsalter bis fünf Jahre danach = 60 bis 70).

6. Nicht zuletzt deswegen lehnt Liechtenstein diese Möglichkeit des Wohnraumvorbezugs ab, weil es die Altersvorsorge schmälern und im Endeffekt zum Erhalt einer geringeren Rente führen würde.

7. Pensionsexperten haben die Einschränkung der begünstigten Besteuerung eines den Barwert im Sinne des § 1 Abs. 2 Z 1 PKG übersteigenden Betrages schon im Jahr 2001 als vorsorgefördernden Gesetzeszweck gesehen, und der VwGH hat dies in seinem Erkenntnis vom , 2009/15/0188, sogar in einem Rechtssatz (RS 1) aufgenommen und bestätigt.

8. Das Finanzamtvertritt daher die Meinung, dass ein Wohnraumvorbezug keinen Sachverhalt darstellt, den der Abgabengesetzgeber fördern wollte.

9. Dies umso weniger, als es zu einer krassen Ungleichbehandlung mit jenen Grenzgängern käme, welche sich im Aktivstand für einen Wohnraumvorbezug entscheiden, diesen aber nicht steuerbegünstigt erhalten, weil sie im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Vorbezugs wissentlich auf ihren alternativen Rentenanspruch verzichten und folglich nicht in den Genuss der Drittelbegünstigung kommen können.

10. Außerdem ist es auch im Inland pflichtversicherten Arbeitnehmern nicht möglich, Teile ihres angesparten bzw. einbezahlten Pensionskapitals für Wohnraumzwecke zu beziehen; noch weniger wäre daher eine derartige Auszahlung unter einem begünstigten Steuerregime zu veranlagen.

11. So führt die begünstigte Besteuerung einer Auszahlung des Vorsorgekapitals dazu, dass in Zeiten des abgeschafften Pflegeregresses die "Bezüger" einer Kapitalabfindung besser gestellt werden als jene, die eine lebenslange Rente beziehen. Denn als Renten erhaltene Pensionsbezüge stellen laufendes Einkommen dar und werden zur Bezahlung der Pflegeheimkosten herangezogen, während das als Einmalbetrag bezogene Pensionskapital nicht berücksichtigt werden soll.

12. Daher sollte der begünstigte Bezug einer Barauszahlung frühestens in jenem Zeitpunkt erlaubt sein und steuerbegünstigt bezogen werden können, wenn das gemeinschaftsrechtliche Auszahlungsverbot aufgrund des Wegfalls der Pensionsversicherungspflicht nicht mehr besteht - somit ab jenem Zeitpunkt, in dem der Versicherte eine (AHV u/o ASVG-) Alterspension bezieht.

13. Schließlich liegt in der Auszahlung eines Wohnraumvorbezugs durch eine Freizügigkeitseinrichtung gar keine "Pensionsabfindung" vor. Im Zeitpunkt der Auszahlung hatte der Empfänger gar keinen Rentenanspruch gegenüber der Freizügigkeitseinrichtung, weshalb auch keine Pensionsabfindung mehr vorliegen kann."

Mit Schreiben vom ersuchte das BFG den Bf. um Vorlage einer Bestätigung der ***4***, in der der obligatorische Anteil sowie der überobligatorische Anteil der ausbezahlten Freizügigkeitsleistung gesondert dargestellt werden.

Mit Schreiben vom übermittelte der Bf. eine Austrittsabrechnung der Pensionskasse, aus der ersichtlich ist, dass sich die ausbezahlte Freizügigkeitsleistung aus einem obligatorische Anteil in Höhe von 105.183,20 CHF und einem überobligatorischen Anteil in Höhe von 125.530,45 CHF zusammensetzt.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt und Beweiswürdigung

Der im Inland wohnhafte und am ***2*** geborene Bf. war bis zum bei der ***1***, ***3***, nichtselbständig tätig. Aufgrund von konzerninternen Umstrukturierungen wurde die gesamte Abteilung nach Österreich verlagert, sodass der Bf. nunmehr beim selben Arbeitgeber im Inland nichtselbständig tätig ist.

Das in der gesetzlichen Altersversorgung BVG (2. Säule) angesparte Guthaben in Höhe von 208.450,71 € (230.713,65 CHF inklusive rückerstatteter Quellensteuer), das sich aus einem obligatorischen Anteil in Höhe von 95.033,44 € (105.183,20 CHF) und einem überobligatorischen Anteil in Höhe von 113.417,26 € (125.530,45 CHF) zusammensetzt, ließ sich der Bf. als Wohnraumvorbezug iSd Art. 30c BVG ausbezahlen.

Für diese Sachverhaltsfeststellungen stützt sich das BFG auf die im Finanzamtsakt befindlichen Unterlagen sowie auf die Angaben in der mit Schreiben des Bf. vom übermittelten Austrittsabrechnung der Pensionskasse samt Begleitschreiben.

2. Rechtliche Beurteilung

2.1. Zu Spruchpunkt I. (Teilweise Stattgabe)

Strittig ist, ob das mittels "Wohnraumvorbezug" zur Auszahlung gebrachte Vorsorgekapital (obligatorischer und überobligatorischer Anteil) wie ein laufender Bezug zur Gänze der Tarifsteuer zu unterziehen ist oder ob im Beschwerdefall die Drittelbegünstigung des § 124b Z 53 letzter Satz EStG 1988 idF BGBl. I, 54/2002, zur Anwendung kommt.

Gemäß § 124b Z 53 EStG 1988 sind Zahlungen für Pensionsabfindungen, deren Barwert den Betrag im Sinne des § 1 Abs. 2 Z 1 des Pensionskassengesetzes übersteigt, gemäß § 67 Abs. 10 im Kalendermonat der Zahlung zu erfassen. Dabei ist bei Pensionsabfindungen, die im Jahre 2001 zufließen, nach Abzug der darauf entfallenden Beiträge im Sinne des § 62 Z 3, 4 und 5 ein Viertel steuerfrei zu belassen. Zahlungen für Pensionsabfindungen von Pensionskassen auf Grund gesetzlicher oder statutenmäßiger Regelungen sind nach Abzug der darauf entfallenden Pflichtbeiträge ab dem Jahr 2001 und in den folgenden Jahren zu einem Drittel steuerfrei zu belassen.

Gemäß Art. 30a des Schweizer Bundesgesetzes über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge vom , im Folgenden: BVG, 2. Säule) gelten als Vorsorgeeinrichtung im Sinne dieses Abschnittes alle Einrichtungen, die im Register für die berufliche Vorsorge eingetragen sind oder die den Vorsorgeschutz nach Artikel 1 des FZG in anderer Form erhalten.

Gemäß Art. 30c Abs. 1 BVG kann der Versicherte bis drei Jahre vor Entstehung des Anspruchs auf Altersleistungen von seiner Vorsorgeeinrichtung einen Betrag für Wohneigentum zum eigenen Bedarf geltend machen.

Gemäß Art. 30d Abs. 1 BVG muss der bezogene Betrag vom Versicherten oder von seinen Erben an die Vorsorgeeinrichtung zurückbezahlt werden, wenn das Wohneigentum veräussert wird (lit. a), wenn Rechte an diesem Wohneigentum eingeräumt werden, die wirtschaftlich einer Veräusserung gleichkommen (lit. b) oder wenn beim Tod des Versicherten keine Vorsorgeleistung fällig wird (lit. c).

Gemäß Art. 30d Abs. 2 BVG kann der Versicherte im Übrigen den bezogenen Betrag unter Beachtung der Bedingungen von Absatz 3 jederzeit zurückbezahlen.

Gemäß Art. 30d Abs. 3 BVG (in der für das Streitjahr maßgeblichen Fassung) ist die Rückzahlung zulässig bis drei Jahre vor Entstehung des Anspruchs auf Altersleistungen (lit. a), bis zum Eintritt eines anderen Vorsorgefalls (lit. b) oder bis zur Barauszahlung der Freizügigkeitsleistung (lit. c).

Will der Versicherte den aus einer Veräusserung des Wohneigentums erzielten Erlös im Umfang des Vorbezugs innerhalb von zwei Jahren wiederum für sein Wohneigentum einsetzen, so kann er diesen Betrag gemäß Art. 30d Abs. 4 BVG auf eine Freizügigkeitseinrichtung überweisen.

Gemäß Art. 30e Abs. 5 BVG hat der Versicherte mit Wohnsitz im Ausland vor der Auszahlung des Vorbezugs beziehungsweise vor der Verpfändung des Vorsorgeguthabens nachzuweisen, dass er die Mittel der beruflichen Vorsorge für sein Wohneigentum verwendet.

Gemäß Art. 30e Abs. 6 BVG (in der für das Streitjahr maßgeblichen Fassung) bestehen die Pflicht und das Recht zur Rückzahlung bis drei Jahre vor Entstehung des Anspruchs auf Altersleistungen, bis zum Eintritt eines anderen Vorsorgefalles oder bis zur Barauszahlung.

Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom , Ra 2019/15/0047, bezüglich der Frage, ob das von einem ehemaligen Grenzgänger mittels "Wohnraumvorbezug" zur Auszahlung gebrachte obligatorische Vorsorgekapital als begünstigte Pensionsabfindung iSd § 124b Z 53 EStG 1988 behandelt werden darf, die Rechtsauffassung vertreten, dass primär zu klären sei, ob der Vorbezug seinem Wesen nach einer endgültigen Abfindung von Pensionsansprüchen (bzw. -anwartschaften) gleichzuhalten sei. Dies sei, wie das Höchstgericht im zitierten Erkenntnis zum Ausdruck gebracht hat, deshalb erforderlich, weil Art. 30d BVG (Schweizer Bundesgesetz über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge vom ) in bestimmten Fällen eine Rückzahlungsverpflichtung des "Vorbezuges" vorsehe und überdies dem Versicherten nach derselben Bestimmung (grundsätzlich) das Recht eingeräumt sei, den bezogenen Betrag "jederzeit" zurückzuzahlen. Würden solche Möglichkeiten auch ehemaligen Grenzgängern offenstehen, läge eine "Abfindung" iSd § 124b Z 53 EStG 1988 schon deshalb nicht vor, weil im Zeitpunkt der Auszahlung nicht feststünde, ob mit der Inanspruchnahme des Vorbezuges ein finales Verlassen des schweizerischen Vorsorgesystems erfolgt sei.

Im Erkenntnis des , wurde nun die Ansicht vertreten, dass auch ehemaligen Grenzgängern das Recht und die Pflicht zur Rückzahlung des "Vorbezuges" gemäß Art. 30e Abs. 6 BVG iVm Art. 30d Abs. 1 BVG bzw. Art. 30d Abs. 2 und 3 BVG in den dort angeführten Fällen zustehe. Begründend verwies das Finanzgericht auf die Erläuterungen zur Verordnung über die Wohneigentumsförderung mit Mitteln der beruflichen Vorsorge (WEFV) vom . Danach seien nicht nur die eigentlichen Vorsorgeeinrichtungen im engeren Sinn, die Pensionskassen, der Regelung über die Wohneigentumsförderung mit Mitteln der beruflichen Vorsorge unterstellt, sondern auch die verschiedenen Freizügigkeitseinrichtungen (Versicherungsgesellschaften, Freizügigkeitsstiftungen), die ebenfalls Einrichtungen der beruflichen Vorsorge darstellten. Verwiesen wurde weiters auf die vom Schweizer Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) erstellten Mitteilungen über die berufliche Vorsorge, bei denen es sich um Zusammenstellungen der Stellungnahmen der BSV und der Rechtsprechung zur Freizügigkeit, Bar- und Kapitalauszahlung handelt (siehe dazu unter www.bsv.admin.ch). Diesen sei explizit zu entnehmen, dass bei einem Vorbezug von Freizügigkeitsguthaben eine Rückzahlungspflicht gegenüber der auszahlenden Freizügigkeitseinrichtung bestehe (siehe dazu Mitteilung über die Berufliche Vorsorge Nr. 135 Rz. 887 und Mitteilungen über die berufliche Vorsorge Nr. 30 vom , in der unter anderem die Erläuterungen zum WEFV veröffentlicht wurden; siehe auch unter "finpension.ch › rueckzahlung-wef-vorbezug", wo ebenfalls eine Rückzahlungspflicht sowie ein Rückzahlungsrecht gegenüber der auszahlenden Freizügigkeitseinrichtung bejaht wird). Da deshalb im Zeitpunkt der Auszahlung nicht festgestanden habe, dass mit der Inanspruchnahme des Vorbezuges ein finales Verlassen des schweizerischen Vorsorgesystems erfolgt sei, liege keine "Abfindung" iSd § 124b Z 53 EStG 1988 vor.

Im Unterschied dazu sah der Verwaltungsgerichtshof in seinem Zurückweisungsbeschluss vom , Ra 2016/15/0025, die Auszahlung des überobligatorischen Vorsorgekapitals bei einer ehemaligen Grenzgängerin als begünstigte Pensionsabfindung iSd § 124b Z 53 EStG 1988 an (verwiesen wird in diesem Zusammenhang auch auf die Erkenntnisse des , vom , Ro 2019/15/0003, vom , Ra 2019/15/0065, und vom , Ra 2019/15/0064, sowie auf die Erkenntnisse des RV/1100075, vom , RV/1100260/2020, und vom , RV/1100217/2020).

In Übereinstimmung mit der obig zitierten Rechtsprechung, von der abzuweichen das BFG keine Veranlassung sieht, kommt das Finanzgericht somit zum Ergebnis, dass lediglich hinsichtlich des ausbezahlten überobligatorischen Vorsorgekapitals die Drittelbegünstigung des § 124b Z 53 letzter Satz EStG 1988 idF BGBl. I, 54/2002, zur Anwendung kommt, während der obligatorische Anteil der ausbezahlten Freizügigkeitsleistung zur Gänze der Tarifsteuer zu unterziehen ist.

Besteuerung des ausbezahlten Vorsorgekapitals


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Gesamtbetrag in CHF (Kurs 0,903504)
Gesamtbetrag in €
Zu versteuernder Betrag in €
obligatorischer Anteil
105.183,20 CHF
95.033,44 €
95.033,44 €
überobligatorischer Anteil
125.530,45 CHF
113.417,26 €
75.611,51 €
170.644,95 €

2.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Bei der Beurteilung der Frage, ob das mittels "Wohnraumvorbezug" zur Auszahlung gebrachte Vorsorgekapital (obligatorischer und überobligatorischer Anteil) wie ein laufender Bezug zur Gänze der Tarifsteuer zu unterziehen ist oder ob im Beschwerdefall die Drittelbegünstigung des § 124b Z 53 letzter Satz EStG 1988 idF BGBl. I, 54/2002, zur Anwendung kommt, folgt das Bundesfinanzgericht der im Erkenntnis angeführten höchstgerichtlichen Judikatur, sodass keine, einer (ordentlichen) Revision zugänglichen Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung vorliegen.

Gesamthaft war somit wie im Spruch ersichtlich zu entscheiden.

Feldkirch, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise


ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.1100240.2018

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at