Polizeigrundausbildung im Exekutivdienst, kein gemeinsamer Haushalt, keine überwiegende Tragung der Unterhaltskosten
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom 19 gegen den Abweisungsbescheid des Finanzamtes Klagenfurt vom 19 betreffend Familienbeihilfe für ***1***, geb. xx.xx..1997, ab September 2019 zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerdeführerin (Bf.) beantragte am über Finanzonline Familienbeihilfe für ihren Sohn ***1***, geb. xx.xx..1997, ab September 2019. Der Sohn mache eine Ausbildung bei der Landespolizeidirektion Wien und die Bf. trage die überwiegenden Unterhaltskosten für ihn.
Mit Bescheid vom wurde der Antrag der Beschwerdeführerin ab September 2019 abgewiesen und begründend unter Hinweis auf § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 ausgeführt, dass laut VwGH-Erkenntnis vom , Ra 2018/16/0203, die Ausbildung für Exekutivbedienstete keine Ausbildung darstelle.
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin die Beschwerde mit der Begründung, dass das angeführte VwGH-Erkenntnis - insbesondere die Annahme einer gegebenen Berufsausübung während der Grundausbildung - nicht anzuwenden sei. Nach Wiedergabe von Auszügen aus diesem Erkenntnis, vermeint die Beschwerdeführerin, dass im Unterschied dazu man sich während des Zeitraums der antragsgegenständlichen Grundausbildung zum Exekutivdienst zu keiner Zeit in einer Phase der praktischen Berufsausübung befinde und die gesamte Ausbildungszeit auf die Erlangung entsprechender Qualifikationen abziele, durchgehend begleitet von der Notwendigkeit der Ablegung von Prüfungen mit dem Zweck der Überstellung auf ein anderes (öffentliches bzw. öffentlich-rechtliches) Dienstverhältnis iSd FLAG. Demgemäß erhalte man während dieses Zeitraums durchgehend einen Ausbildungsbeitrag und werde eben nicht - auch nicht vorübergehend - in eine Entlohnungsgruppe/Bewertungsgruppe eingestuft.
In der Entscheidung des , werde festgestellt, dass unter der Grundausbildung zum Exekutivdienst ein "anerkanntes Lehrverhältnis" iSd § 5 Abs. 1 lit. b FLAG zu verstehen sei.
Somit sei davon auszugehen, dass die angeführte Entscheidung des VwGH nur für den "Spezialfall" der praktischen Verwendungsdauer im Zuge der exekutivdienstlichen Ausbildung zum fremden- und grenzpolizeilichen Bereich Geltung haben kann. Eine Anwendung auf den Fall der Bf. gemäß der von ihr bekämpften Auslegung des zitierten VwGH-Erkenntnisses stehe jedoch eindeutig im Widerspruch zur Rechtsposition des VfGH.
Ergänzend legte die Beschwerdeführerin die Ausbildungsbestätigung der Sicherheitsakademie (SIAK) vom vor, dass ihr Sohn seit in einem Dienstverhältnis zur polizeilichen Grundausbildung mit der Landespolizeidirektion Wien steht. Die polizeiliche Grundausbildung wird im Bildungszentrum der Sicherheitsakademie Wien versehen.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde abgewiesen. In der Begründung wurde unter Hinweis auf § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 ausgeführt, dass eine Grundausbildung oder sonstige Ausbildung, die öffentlich Bedienstete in der ersten Zeit ihres Dienstverhältnisses absolvieren, als Berufsausübung und nicht als Berufsausbildung iSd FLAG 1967 anzusehen sei, weshalb ein Anspruch auf Familienbeihilfe nicht gegeben sei.
Daraufhin stellte die Bf. den Antrag auf Entscheidung über die Beschwerde an das Bundesfinanzgericht (Vorlageantrag) mit der ergänzenden Begründung, dass ihr Sohn am die Polizeigrundausbildung im Bildungszentrum Wien auf Grund eines mit Sondervertrag nach § 36 VBG 1948 für die exekutivdienstliche Ausbildung begründeten privatrechtlichen Dienstverhältnis zum Bund begonnen habe. Es handle sich bei dieser Ausbildung nicht um die fremden- und grenzpolizeiliche exekutivdienstliche Ausbildung, sondern um die 24-monatige durchgehende Grundausbildung im Exekutivdienst.
Das Bundesfinanzgericht führte weitere Ermittlungen durch, bei denen Folgendes festgestellt wurde:
1) Lt. Abfrage im Zentralen Melderegister ist der Sohn der Bf. bis mit Nebenwohnsitz in Ort1 und vom bis an der Adresse Ort2 und seit in Ort3 gemeldet und mit Hauptwohnsitz an der Adresse der Beschwerdeführerin.
2) Lt. Angaben der Beschwerdeführerin betragen die monatlichen Unterhaltskosten ihres Sohnes durchschnittlich 1.728,41 € (27.654,59 € : 16 Monate). Die Bf. hat angegeben, dass sie ihrem Sohn nur unregelmäßig Zuwendungen aus ihren Ersparnissen zukommen habe lassen können, ihr Sohn sich die laufenden Kosten während der Ausbildungszeit aus Ersparnissen decken habe müssen, die sie während seiner Kindheit angespart habe, und er seinen Unterhalt seit seinem 19. Lebensjahr selbstständig verwalte.
3) Lt. Einkommensteuerbescheid für 2019 erhielt der Sohn des Bf. von der LPD Wien einen Nettobezug (ohne Sonderzahlungen) von September bis Dezember 2019 von mehr als 1.300 € monatlich und lt. Einkommensteuerbescheid für 2020 einen Nettobezug (ohne Sonderzahlungen) von mehr als 1500 € monatlich.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Gemäß § 2 Abs. 1 lit. b Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG) idgF haben Personen Anspruch auf Familienbeihilfe, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist. ……………..
Gemäß § 2 Abs. 2 FLAG 1967 idgF hat die Person, zu deren Haushalt das Kind gehört, Anspruch auf Familienbeihilfe. Eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, die jedoch die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt, hat dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person nach dem ersten Satz anspruchsberechtigt ist.
Die Polizeigrundausbildung ist in der Verordnung des Bundesministers für Inneres über die Grundausbildungen für den Exekutivdienst (Grundausbildungsverordnung - Exekutivdienst BMI), BGBl. II Nr. 153/2017, geregelt. Diese Verordnung wurde aufgrund der Bestimmungen der §§ 26 und 144 BDG, des § 67 VBG und des §§ 1 Abs. 4 SPG erlassen.
Diese Verordnung regelt gemäß § 1 Z 1 für den Ressortbereich des Bundesministeriums für Inneres (BMI) die Grundausbildung für den Exekutivdienst - Polizeigrundausbildung.
Laut dem Ausbildungsplan der Sicherheitsakademie des Bundesministeriums für Inneres zur Grundausbildung für den Exekutivdienst gliedert sich die zweijährige Grundausbildung in die
Basisausbildung (12 Monate Theorie),
das Berufspraktikum I (3 Monate),
die Vertiefung der Ausbildung (5 Monate Theorie mit anschließender Dienstprüfung)
und das viermonatige Berufspraktikum II:
- BASISAUSBILDUNG - 12 MONATE
Die Polizeibediensteten sollen jenes rechtliche sowie einsatztaktische und -technische Basiswissen erlangen, das sie für den Dienst in einer Polizeiinspektion (PI) benötigen. Die Wissensvermittlung soll kompetenzorientiert und praxisnah unter Vernetzung aller Ausbildungsinhalte erfolgen.
- BERUFSPRAKTIKUM I - KENNENLERNEN DES DIENSTBETRIEBES - 3 MONATE
Das Berufspraktikum dient zur Vermittlung des für die Verwendung in einer Polizeiinspektion nötigen dienstbetrieblichen Wissens sowie der Beurteilung der persönlichen und fachlichen Eignung für den exekutiven Außendienst. Die Polizeibediensteten werden dabei, ohne zum Personalstand der Praktikumsdienststelle zu zählen, von Exekutivbediensteten geschult und betreut.
- VERTIEFUNG - 5 MONATE
Die Polizeibediensteten sollen die Ausbildungsinhalte, Erlebnisse und Erfahrungen des Berufspraktikums reflektieren. Darüber hinaus sollen sie das in der Basisausbildung erworbene Wissen vertiefen und mit den Ausbildungsinhalten des Berufspraktikums vernetzen.
- BERUFSPRAKTIKUM II - EINFÜHRUNG IN DEN DIENSTBETRIEB - 4 MONATE
Während der Einführung in den Dienstbetrieb werden die Auszubildenden von Exekutivbediensteten kontinuierlich in den Dienstbetrieb ihrer Polizeidienststelle eingeführt.
In der im Ausbildungsplan enthaltenen Stundentafel werden die zur Ausbildungsverordnung angeführten Lehrgegenstände und Unterrichtseinheiten näher aufgegliedert.
Im Erkenntnis , wies der Verwaltungsgerichtshof darauf hin, "dass nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH unter den im Gesetz nicht definierten Begriff der Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG jedenfalls alle Arten schulischer oder kursmäßiger Ausbildungen fallen, in deren Rahmen noch nicht berufstätigen Personen ohne Bezugnahme auf die spezifischen Tätigkeiten an einem konkreten Arbeitsplatz das für das künftige Berufsleben erforderliche Wissen vermittelt wird (vgl. etwa Ra 2020/16/0017; Ra 2017/16/0030; 2009/16/0315; 2009/13/0127; und 2007/13/0125). Diese der Rechtsprechung des VwGH entnehmbare Definition der Berufsausbildung trifft nur auf die Fälle zu, welche außerhalb des in § 2 Abs. 1 lit. b FLAG besonders geregelten Bereichs des Besuchs einer Einrichtung im Sinne des § 3 des Studienförderungsgesetzes (StudFG) liegen (vgl. etwa nochmals Ra 2020/16/0017; und Ro 2015/16/0033). Nach der zitierten ständigen Rechtsprechung des VwGH fallen die genannten Ausbildungen, in deren Rahmen noch nicht berufstätigen Personen das für das künftige Berufsleben erforderliche Wissen vermittelt wird, jedenfalls unter den Begriff einer Berufsausbildung iSd § 2 FLAG."
Und weiters: "Hat die von der Revisionswerberin (Antragstellerin betreffend Familienbeihilfe) angesprochene Ausbildung ihres Sohnes - wie in der Beschwerde vorgebracht - in einer unter Rz 4 des Erkenntnisses Ra 2018/16/0203, erwähnten "Basisausbildung" mit einem Lehrplan und einer Stundentafel bestanden und hat diese - abgesehen allenfalls von einer Ausbildung im Waffengebrauch, in Selbstverteidigung oder im Sport - in theoretischen Unterweisungen, Aufgabenstellungen, Übungen und Arbeiten bestanden, dann läge darin noch eine Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG. (Hier: Nach Angabe der Revisionswerberin befand sich ihr Sohn seit , also seit dem ersten Tag der Dauer des Vertragsverhältnisses zum Bund, in der Polizeigrundausbildung im Bildungszentrum)".
Weiters hob der Verwaltungsgerichtshof in dieser Entscheidung hervor, dass das von einer Absolventin eines Lehramtsstudiums absolvierte Unterrichtspraktikum eine Einschulung am Arbeitsplatz im Beruf eines Lehrers und keine Berufsausbildung mehr darstelle. Dagegen stelle die Ableistung der Gerichtspraxis durch einen Rechtspraktikanten eine Berufsausbildung dar, da es sich dabei um eine Berufsvorbildung und keine Einschulung am Arbeitsplatz handle.
Angesichts dieser höchstgerichtlichen Rechtsprechung stellen jedenfalls die oben näher dargestellte zwölfmonatige Basisausbildung (laut Ausbildungsplan "12 Monate Theorie") und die fünfmonatige Vertiefung dieser Basisausbildung (laut Ausbildungsplan "5 Monate Theorie mit anschließender Dienstprüfung") eine Berufsausbildung im Sinne des FLAG dar.
Das zwischen diesen beiden Theorie-Ausbildungsblöcken zu absolvierende Berufspraktikum I dient nach dem Ausbildungsplan der Vermittlung des für die Verwendung in einer Polizeiinspektion nötigen dienstbetrieblichen Wissens sowie der Beurteilung der persönlichen und fachlichen Eignung für den exekutiven Außendienst. Die Polizeibediensteten werden dabei, ohne zum Personalstand der Praktikumsdienststelle zu zählen, von Exekutivbediensteten geschult und betreut. Dieser Teil der Ausbildung stellt somit eine typische Form der Vermittlung praktischer Grundkenntnisse dar, die nach der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ebenfalls unter die Berufsausbildung fällt (vgl. ). Auch der Umstand, dass dieses Praktikum vor Ablegung der Dienstprüfung geleistet wird, spricht dafür, dass das Berufspraktikum I noch keine Berufsausübung darstellt.
Anderes gilt dagegen für das Berufspraktikum II. In diesem werden "während der Einführung in den Dienstbetrieb die Auszubildenden von Exekutivbediensteten kontinuierlich in den Dienstbetrieb ihrer Polizeidienststelle eingeführt". Dieses nach Ablegung der Dienstprüfung zu absolvierende Praktikum ist damit vergleichbar mit dem von einer Absolventin eines Lehramtsstudiums geleisteten Unterrichtspraktikums am Arbeitsplatz. Insofern liegt keine Berufsausbildung mehr vor, sondern bereits eine Einschulung im Beruf des Polizisten am Arbeitsplatz.
Im vorliegenden Fall begann der Sohn der Beschwerdeführerin die Polizeigrundausbildung am bei der LPD Wien. Die Beschwerdeführerin beantragte ab September 2019 die Gewährung der Familienbeihilfe.
Wie aus der jüngsten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hervorgeht, liegt für die Grundausbildung im Exekutivdienst Berufsausbildung iSd FLAG 1967 vor. Somit ist zu prüfen, ob die Beschwerdeführerin die übrigen Voraussetzungen für die Gewährung der Familienbeihilfe erfüllt.
Der Sohn der Bf. ist vom bis an der Adresse Ort2 und seit in Ort3 gemeldet. Daher geht das Bundesfinanzgericht davon aus, dass der Sohn seit Beginn der Polizeigrundausbildung in Wien nicht mehr bei der Beschwerdeführerin haushaltszugehörig ist, welche ca. 300 km entfernt wohnt.
Nach Angaben der Beschwerdeführerin betragen die monatlichen Unterhaltskosten ihres Sohnes durchschnittlich 1.728,41 €. Die Bf. konnte nicht nachweisen die überwiegenden Unterhaltskosten ihres Sohnes getragen zu haben. Der Nettobezug (ohne Sonderzahlungen) des Sohnes beträgt von September bis Dezember 2019 mehr als 1.300 € monatlich und im Jahr 2020 mehr als 1500 € monatlich. Damit steht aber fest, dass der Sohn auf Grund der Höhe seines Bezuges seine Unterhaltskosten überwiegend (mehr als 50%) selbst getragen hat.
Da der Sohn der Beschwerdeführerin nicht mehr im Haushalt seiner Mutter lebt und die Beschwerdeführerin die Kosten des Unterhalts ihres Sohnes nicht überwiegend (mehr als 50%) getragen hat, besteht für die Bf. kein Anspruch auf Familienbeihilfe.
(Hinweis: es besteht jedoch die Möglichkeit, dass der Sohn einen "Eigenantrag" nach § 6 Abs. 5 FLAG 1967 stellt).
Es war wie im Spruch zu entscheiden.
Zulässigkeit einer Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Da im vorliegenden Fall eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht vorliegt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht abweicht (siehe zitierte VwGH-Judikatur), ist eine (ordentliche) Revision nicht zulässig.
Klagenfurt am Wörthersee, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer FLAG |
betroffene Normen | § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 2 Abs. 2 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2021:RV.4100171.2020 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at