Versagung der Wiedereinsetzung durch das Finanzamt wegen mangelnder Organisation des Steuerpflichtigen
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerden vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Deutschlandsberg Leibnitz Voitsberg vom betreffend
Zurückweisung des Antrages vom auf Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2014 und
Abweisung des Antrages vom auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand des Verfahrens gemäß § 308 BAO,
Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:
Den Beschwerden wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.
Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand des Verfahrens gemäß § 308 BAO wird bewilligt.
Der Bescheid betreffend die Zurückweisung des Antrages vom auf Durchführung der ArbeitnehmerInnenveranlagung für das Jahr 2014 wird aufgehoben.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang
Die Beschwerdeführerin (Bf) reichte am ihre Erklärung zur ArbeitnehmerInnenveranlagung 2014 und die Beilage zur Erklärung zur ArbeitnehmerInnenveranlagung (L1) beim Finanzamt in Papierform ein. Darin machte sie Aufwendungen für Sonderausgaben, Werbungskosten und außergewöhnliche Belastungen geltend.
Gleichzeitig stellte sie den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand des Verfahrens gemäß § 308 BAO und führte hierzu aus, dass wegen unvorhergesehener technischer Probleme bei der Durchführung ihres Steuerausgleiches für das Jahr 2014 über FinanzOnline, nämlich Unterbrechung ihres Internetzuganges am , es ihr nicht möglich gewesen sei, fristgerecht die Erklärung zur ArbeitnehmerInnenveranlagung 2014 einzureichen. Da sie nicht mit einem derartigen technischen Gebrechen gerechnet habe und nicht rechnen hätte können, sondern sich gerade auf die Möglichkeit, kurzfristig die Erklärung per FinanzOnline durchführen zu können, verlassen habe, hätte sie die ArbeitnehmerInnenveranlagung nicht bereits zu einem früheren Zeitpunkt bzw. in händisch-schriftlicher Form erstattet.
Das Finanzamt wies mit Bescheid vom den Antrag betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand des Verfahrens gemäß § 308 BAO ab und führte aus, dass ein Ereignis dann "unvorhergesehen" sei, wenn die Partei es nicht einberechnet habe und seinen Eintritt auch unter Bedachtnahme auf die ihr zumutbare Aufmerksamkeit und Voraussicht nicht erwarten hätte können. Es sei "unabwendbar", wenn es die Partei mit den einem Durchschnittsmenschen zur Verfügung stehenden Mitteln nicht verhindern hätte können, auch wenn sie dessen Eintritt vorausgesehen habe. Die Gründe für die Fristversäumnis würden bei der Bf in der unterlassenen organisatorischen Vorbereitung auf die gesetzliche Regelung liegen, wonach die Fünfjahresfrist für die Einreichung der ArbeitnehmerInnenveranlagung 2014 am abgelaufen sei.
Mit weiterem Bescheid vom wies das Finanzamt den Antrag vom auf Durchführung der ArbeitnehmerInnenveranlagung für das Jahr 2014 als verspätet zurück, da der Antrag nicht innerhalb der gesetzlichen Frist bis Ende des fünften Jahres, für das der Antrag gestellt werde, eingebracht worden sei.
In den dagegen fristgerecht erhobenen Beschwerden brachte die Bf vor, dass das Ereignis für sie sowohl unabwendbar als auch unvorhergesehen gewesen sei, da die Unterbrechung ihres Internetzugangs nicht verhindert hätte werden können und von ihr auch nicht erwartet worden sei, da ihr Internetzugang bisher stabil funktioniert habe und ein anhaltender Ausfall zuvor noch nicht erfolgt sei.
Tatsächlich werde ihr ein Verschulden an der Versäumung der Frist angelastet, nämlich eine unterlassene organisatorische Vorbereitung. Richtig sei, dass nur ein minderer Grad des Versehens vorliegen dürfe, was mit der geläufigeren Wendung "leichte Fahrlässigkeit" gleichzusetzen sei. Leichte Fahrlässigkeit beschreibe nach der Rechtsprechung ein Verhalten, das auf einem Fehler beruhen würde, der gelegentlich auch einem sorgfältigen Menschen unterlaufen könne. Grobe Fahrlässigkeit liege hingegen vor, wenn ein solcher Fehler einem ordentlichen Menschen in dieser Situation keinesfalls unterlaufen wäre, ein strengerer Maßstab sei nur dann anzulegen, wenn es sich um berufliche Parteienvertreter oder Unternehmer handeln würde. Die Frage, ob im Einzelfall grobe oder leichte Fahrlässigkeit vorliege, könne nur unter Bedachtnahme auf die Person des Antragstellers beantwortet werden. An einen Rechtsanwalt oder Unternehmer sei ein anderer Sorgfaltsmaßstab anzulegen als an eine Privatperson. Insofern müsse auch bei der Verschuldensprüfung entsprechend unterschieden werden.
Einer Privatperson könne nicht abverlangt werden, eine möglichst effiziente Organisation mit Kontrollmechanismen einzurichten, um zu verhindern, dass es zu Fristversäumnissen kommt (vgl VwGH 2013/03/0094). Nach VwGH 89/17/0116 vom dürfe der Wiedereinsetzungswerber nur nicht auffallend sorglos gehandelt haben.
Im gegenständlichen Fall habe sie Vorsorge für die Durchführung ihrer Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2014 insoferne getroffen, als sie diese anhand der aufliegenden Formulare vorbereitet habe und diese am , also noch innerhalb offener Frist online einreichen wollte, da sie sich gerade auf diese Möglichkeit, kurzfristig die Erklärung per FinanzOnline durchführen zu können, verlassen habe. Durch die unerwartete und außergewöhnliche Unterbrechung ihrer Internetverbindung sei dies jedoch nicht möglich gewesen. Eine andere technische Ausrüstung stehe ihr als Privatperson nicht zu Verfügung. Sie habe daher unverzüglich ihren Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erklärung zur ArbeitnehmerInnenveranlagung 2014 formuliert und zum nächstmöglichen Zeitpunkt, dem nächsten Werktag, diesen, sowie ihren Antrag auf Durchführung der ArbeitnehmerInnenveranlagung für das Jahr 2014 beim Wohnsitzfinanzamt in Schriftform eingebracht.
Die Behörde hätte daher in Beurteilung ihres Antrages im Hinblick auf das unabwendbare und unvorhergesehene Ereignis, sowie den bloß minderen Grad des Versehens, der ihr an der Versäumung der Frist allenfalls zur Last liegen würde, ihren Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erklärung zur ArbeitnehmerInnenveranlagung 2014 stattgeben und ihren Antrag auf Durchführung der ArbeitnehmerInnenveranlagung für das Jahr 2014 inhaltlich erledigen müssen.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde gegen den Bescheid vom betreffend die Abweisung des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand des Verfahrens gemäß § 308 BAO vom als unbegründet ab und wiederholte die im angefochtenen Bescheid wiedergegeben Ansicht, wonach die Gründe für die Fristversäumnis in der unterlassenen organisatorischen Vorbereitung auf die gesetzliche Regelung, dem Ablauf der Fünf-Jahresfrist, liegen würden.
Von der Beschwerdeführerin behauptete unvorhergesehene technische Probleme in Form der Unterbrechung ihres Internetzuganges am könnten zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung führen.
Sie würden ebenso ins Leere gehen, wie die Angabe, dass ihr als Privatperson keine andere technische Ausrüstung zur Verfügung gestanden habe, da alternativ zur elektronischen Einbringung über FinanzOnline die Möglichkeit der körperlichen Antragseinbringung bestanden habe. Dies wäre während der Öffnungszeiten direkt in der Abgabenbehörde, als auch über den "Finanzamtsbriefkasten", der rund um die Uhr, 365 Tage im Jahr, öffentlich zugänglich sei, fristgerecht möglich gewesen. Eine persönliche Vorsprache beim Finanzamt sei dafür nicht erforderlich gewesen. Die Beschwerdeführerin sei somit - entgegen ihren Angaben - nicht daran gehindert gewesen, die Frist zu wahren. Damit sei das Schicksal der Beschwerde entschieden.
Da die im Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen worden sei, liege keine leichte Fahrlässigkeit vor. Die Beschwerde gegen die Abweisung des Antrags auf Wiedereinsetzung für die ArbeitnehmerInnenveranlagung 2014 sei somit als unbegründet abzuweisen gewesen.
Mit weiterer Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde vom gegen den Bescheid vom , mit dem der Antrag auf Durchführung der ArbeitnehmerInnenveranlagung für das Jahr 2014 zurückgewiesen wurde, ab und führte begründend aus, dass es unstrittig sei, dass die Erklärung zur ArbeitnehmerInnenveranlagung 2014 am körperlich und damit objektiv verspätet eingebracht worden sei. Die Bf wäre nicht daran gehindert gewesen, alternativ zur elektronischen Einbringung über FinanzOnline die Möglichkeit der körperlichen Antragstellung bzw. über den "Finanzamtsbriefkasten", der rund um die Uhr 365 Tage im Jahre öffentlich zugänglich sei, in Anspruch zu nehmen.
In den dagegen fristgerecht erhobenen Vorlageanträgen verwies die Bf darauf, dass ihrem Antrag auf ArbeitnehmerInnenveranlagung nach Wiedereinsetzung in den vorigen Stand des Verfahrens gemäß § 308 BAO stattzugeben gewesen wäre, zumal die Möglichkeit des Einwurfes der ArbeitnehmerInnenveranlagung in den Briefkasten des Finanzamtes außerhalb der Öffnungszeiten des Finanzamtes ihr nicht bekannt gewesen sei bzw. auch diese Handlung verspätet erfolgt wäre.
Das Finanzamt legte die Beschwerden an das Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor und beantragte die Abweisung der Beschwerden.
Mit Schreiben vom brachte die Bf ergänzend zu ihrem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand des Verfahrens gemäß § 308 BAO vor, dass sie überzeugt gewesen sei, die Erklärung zur ArbeitnehmerInnenveranlagung vorrangig über FinanzOnline durchführen zu müssen. Erst als ihr am Abend des bewusst geworden sei, dass sie dies aufgrund des anhaltenden Ausfalls des Internetzuganges nicht fristgerecht bewerkstelligen können werde, hätte sie versucht, sich über die mögliche Vorgehensweise kundig zu machen. Bei ihren Recherchen hätte sie zwar die ihr aus Gerichtsverfahren bekannte Möglichkeit, einen Antrag auf Wiedereinsetzung gegen die versäumte Frist zu stellen, gefunden, nicht jedoch, dass es möglich wäre, auch nach Dienstschluss des Finanzamtes die Erklärung in Papierform einzubringen. Sie sei der Überzeugung gewesen, dass ihre Erklärung in Papierform jedenfalls erst am , also objektiv verspätet, in Bearbeitung genommen werden würde, weshalb sie die Erklärung in dieser Form vorbereitet habe und gleichzeitig mit dem Antrag auf Wiedereinsetzung gegen die versäumte Frist verbunden habe und zur Glaubhaftmachung einen Ausdruck der Fehlermeldung hergestellt habe. Grundsätzlich sei ihr weder bekannt, dass ein Briefkasten beim Finanzamt zur Abgabe zur Verfügung gestanden sei, noch, dass eine eingeworfene Briefsendung nach Dienstschluss des , die naturgemäß erst am ausgehoben hätte werden können, als fristgerecht gewertet werden würde. Objektiv betrachtet hätte ihr Antrag ebenso weder vor Ablauf der Frist noch zu einem früheren Zeitpunkt ihrer Überreichung am zur Öffnungszeit bearbeitet werden können, wenn ein Einwurf in den Briefkasten erfolgt wäre.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Gemäß § 308 Abs. 1 BAO ist gegen die Versäumung einer Frist (§§ 108 bis 110) oder einer mündlichen Verhandlung auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
Wie dem oben zitieren Gesetzestext entnommen werden kann, genügt für die Verhinderung der Einhaltung einer Frist die Glaubhaftmachung des unvorhergesehenen oder unabwendbaren Ereignisses.
Die Bf bringt vor, dass es ihr wegen unvorhergesehener technischer Problem bei der Durchführung ihres Steuerausgleiches für das Jahr 2014 über FinanzOnline, nämlich Unterbrechung ihres Internetzuganges am , nicht möglich gewesen sei, fristgerecht die Erklärung zur ArbeitnehmerInnenveranlagung 2014 einzureichen.
Das Finanzamt geht in der Beschwerdevorentscheidung vom ohne nähere Ausführungen davon aus, dass die Bf unvorhergesehene technische Probleme behaupten würde.
Nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes kann das Vorbringen der Bf im Zusammenhang mit ihrem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand des Verfahrens gemäß § 308 BAO, dass sie auf Grund eines unvorhergesehenen unabwendbaren Ereignisses am , nämlich der Unterbrechung des Internetzuganges, nicht in der Lage war, ihre Erklärung zur ArbeitnehmerInnenveranlagung 2014 über FinanzOnline fristgerecht beim Finanzamt einzureichen, nicht begründungslos als "Behauptung" abgetan werden, sondern ist im Hinblick auf die Literatur- und Judikaturmeinung zur Glaubhaftmachung zu betrachten.
Nach Ritz, BAO Kommentar, Tz 5 und 6 zu § 138, hat die Glaubhaftmachung den Nachweis der Wahrscheinlichkeit zum Gegenstand (zB ; , 2006/15/0125) und unterliegt den Regeln der freien Beweiswürdigung (; , 97/13/0051; , 2006/15/0125). Ein Sachverhalt ist glaubhaft gemacht, wenn die Umstände des Einzelfalles dafür sprechen, der vermutete Sachverhalt habe von allen anderen denkbaren Möglichkeiten die größte Wahrscheinlichkeit für sich (). Die Glaubhaftmachung setzt die schlüssige Behauptung der maßgeblichen Umstände durch den Abgabepflichtigen voraus ().
Nach Stoll, BAO Kommentar, § 138, Seite 1565, hat die Glaubhaftmachung das Ziel, die Überzeugung von der Wahrscheinlichkeit bestimmter Tatsachenbehauptungen zu vermitteln. Glaubhaftmachung ist somit der Nachweis einer Wahrscheinlichkeit.
Nach Reger - Stoll, BAO, Rz 5 zu § 138, besteht die Glaubhaftmachung darin, dass die Richtigkeit einer Behauptung bloß wahrscheinlich gemacht wird. Bei der Glaubhaftmachung kommt es wesentlich auf die Vertrauenswürdigkeit des Abgabepflichtigen an ( Zl. 44/64).
Das Vorbringen der Bf hinsichtlich der Unterbrechung ihres Internetzuganges ist in Verbindung mit ihrer weiteren Vorgehensweise zu beurteilen, nämlich der Einbringung der Erklärung samt Beilage in Papierform bereits am nächsten Werktag, dem . Dieser Umstand, dass zwischen dem Ende der versäumten Frist und der Nachholung der versäumten Handlung nicht einmal 2 Tage liegen, spricht dafür, dass die Bf ihre Erklärung zur ArbeitnehmerInnenveranlagung 2014 samt Beilage, wie von ihr vorgebracht, bereits am fertig für die Übermittlung per FinanzOnline an das Finanzamt bereitgehalten hat, jedoch durch ein technisches Gebrechen an ihrem Vorhaben gehindert wurde. In Kenntnis der Vorgangsweise des Finanzamtes, den Eingang der aus dem Finanzamtsbriefkasten entnommenen Schriftstücke auf den vorangegangenen Werktag zu datieren, hätte die Bf, um die Frist gemäß § 41 Abs. 2 Z 1 EStG 1988 zu wahren, ihre Erklärung zur ArbeitnehmerInnenveranlagung 2014 in den frühen Morgenstunden des oder schon früher in den Finanzamtsbriefkasten einwerfen können und hätte sich somit den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand des Verfahrens gemäß § 308 BAO bzw. das gegenständliche Beschwerdeverfahren erspart.
Das von der Bf vorgebrachte und zur Versäumung der Frist führende Ereignis entspricht in der gegenständlich vorliegenden Konstellation somit mit hoher Wahrscheinlichkeit den tatsächlichen Gegebenheiten und ist nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes auch hinsichtlich der Beurteilung der Vertrauenswürdigkeit der Bf (vgl. Zl. 44764) als glaubhaft anzusehen.
Wie dem oben zitierten Gesetzestext zu entnehmen ist, hindert ein minderer Grad des Versehens die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand des Verfahrens gemäß § 308 BAO nicht.
Das Finanzamt sieht in der Vorgehensweise der Bf keinen minderen Grad des Versehens und wirft ihr im angefochtenen Bescheid über die Abweisung des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand des Verfahrens gemäß § 308 BAO vor, dass die Gründe für die Fristversäumnis in der unterlassenen organisatorischen Vorbereitung auf die gesetzliche Regelung liegen würden, womit offensichtlich zum Ausdruck kommen soll, dass die Bf nicht bis zum letzten Tag der Frist hätte warten dürfen, um ihre Erklärung einzureichen.
Hierzu ist auszuführen, dass gemäß § 41 Abs. 2 Z 1 EStG 1988 das Finanzamt auf Antrag des Steuerpflichtigen die Veranlagung vorzunehmen hat, wenn der Antrag innerhalb von fünf Jahren ab dem Ende des Veranlagungszeitraumes gestellt wird. Wie das Finanzamt richtig in der Begründung der Beschwerdevorentscheidung vom festgestellt hat, handelt es sich bei der Frist nach § 41 Abs. 2 Z 1 EStG 1988 um eine gesetzlich determinierte Frist. Wenn ein Abgabepflichtiger diese ihm vom Gesetzgeber zugestandene Frist von fünf Jahren zur Einreichung einer Abgabenerklärung bis zum letzten Tag ausnützt und es dann zu einer Fristversäumnis kommt, kann dies nicht als höherer Grad des Verschuldens gewertet werden. Das sieht auch der Verwaltungsgerichtshof in seinen Erkenntnissen vom , Zl. 3034/54, und vom , Zl. 602/58 so: "Selbst, wenn das hindernde Ereignis erst am letzten Tag der bis dahin ungenützten Frist eintritt, genügt dies für den Anspruch auf Wiedereinsetzung, weil es der Partei nicht als Verschulden angerechnet werden kann, wenn sie die vom Gesetz zur Überlegung eingeräumte Frist voll ausnützt." Damit kann wohl nicht einmal mehr von einem minderen Grad des Verschuldens im Zusammenhang mit der Vorgehensweise der Bf gesprochen werden.
Als weitere Voraussetzung wird in § 308 Abs. 1 BAO das unvorhergesehene oder unabwendbaren Ereignis genannt. Wie bereits das Finanzamt ausgeführt hat, kann ein Ereignis dann als "unvorhergesehen" gelten, wenn die Partei es nicht einberechnet hat und seinen Eintritt auch unter Bedachtnahme auf die ihr persönlich zumutbare Aufmerksamkeit und Voraussicht nicht erwarten konnte. Ein Ereignis ist dann "unabwendbar", wenn es die Partei mit den einem Durchschnittsmenschen zur Verfügung stehenden Mitteln nicht verhindern konnte, auch wenn sie dessen Eintritt voraussah (vgl. ).
Das Finanzamt vertritt die Auffassung, dass die Bf nicht durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis an der Einhaltung der Frist gehindert war, sondern die Gründe für die Fristversäumnis in der unterlassenen organisatorischen Vorbereitung auf die gesetzliche Regelung gelegen seien. Geht man davon aus, dass das Ereignis für die Fristversäumnis, nämlich die Unterbrechung der Internetverbindung, tatsächlich eingetreten ist, kann nicht davon die Rede sein, dass es sich dabei um ein Ereignis gehandelt hat, das die Bf einberechnen bzw. erwarten hätte müssen oder verhindern hätte können. Es sind keine Umstände erkennbar und auch das Finanzamt hat diesbezüglich nichts vorgebracht, wonach sich die Bf nicht auf das einwandfreie Funktionieren ihres Internetanschlusses verlassen hätte können. Nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes stellt die Unterbrechung der Internetverbindung im gegenständlichen Fall ein Ereignis für die Bf dar, das als unvorhergesehen und unabwendbar im Sinne des § 308 Abs. 1 BAO zu beurteilen ist.
Das Finanzamt macht schließlich geltend, dass anstatt der elektronischen Übermittlung der Erklärung zur ArbeitnehmerInnenveranlagung die Möglichkeit der körperlichen Antragseinbringung bestanden habe und das nicht nur während der Öffnungszeiten direkt in der Abgabenbehörde, sondern auch über den "Finanzamtsbriefkasten" rund um die Uhr.
Die Existenz eines "Finanzamtsbriefkastens" ist aus der Home-Page des Finanzamtes Österreich, Dienststelle Deutschlandsberg, nicht ersichtlich. Wenngleich zu vermuten ist, dass das Vorhandensein eines derartigen Briefkastens dem Durchschnittsbürger noch bekannt ist, kann dem steuerlich durchschnittlich versierten Bürger nicht unterstellt werden, wissen zu müssen, dass bei den sich im Finanzamtsbriefkasten befindlichen Schriftstücken bei der Entleerung der vorangegangene letzte Werktag als Eingang vermerkt wird. Hätte die Bf dies gewusst, wäre es für sie, um der Fristversäumnis zu entgehen, leicht möglich gewesen, ihre Erklärung zur ArbeitnehmerInnenveranlagung am frühen Morgen des vor dessen Entleerung oder überhaupt bereits am in den Finanzamtsbriefkasten einzuwerfen, um ihre Erklärung fristgerecht einzubringen. Dieser Umstand deutet ebenfalls darauf hin, dass das von der Bf vorgebrachte zur Fristversäumnis führende Ereignis nicht nur behauptet wurde, sondern tatsächlich eingetreten und somit glaubhaft ist.
Nach § 1 FOnErklV hat die elektronische Übermittlung der Einkommensteuererklärung nach der FinanzOnline-Verordnung 2006 im Verfahren FinanzOnline zu erfolgen. Von einer Möglichkeit des Einwurfes der Erklärung zur ArbeitnehmerInnenveranlagung in den "Finanzamtspostkasten" in Papierform ist dort ebenso wenig die Rede, wie davon, dass der Eingang der sich im Finanzamtsbriefkasten befindlichen Schriftstücke bei der Entleerung des Finanzamtsbriefkastens auf den vorangegangenen Werktag datiert wird.
Das Rechtsinstitut der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand des Verfahrens gemäß § 308 BAO verfolgt das Ziel, Rechtsnachteile zu beseitigen, die einer Partei daraus erwachsen, dass sie im Verfahren eine Frist unverschuldet oder mit einem minderen Grad des Verschuldens versäumt. Dies ist im Zusammenhang mit der vom Verwaltungsgerichtshof vertretenen Auffassung zu verstehen (vgl. ), wonach die Anforderungen bei der Anwendung und Auslegung der für die Wiedereinsetzung maßgeblichen prozessrechtlichen Vorschriften nicht überspannt werden dürfen, damit der verfassungsrechtliche Anspruch des Betroffenen auf den Zugang zu einem Höchstgericht und auf Überprüfung der Rechtssache nicht abgeschnitten wird.
Zu den Rechtsfolgen der gegenständlichen Entscheidung ist auf Stoll, BAO Kommentar, § 308 Seite 2972, zu verweisen, wonach die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand des Verfahrens gemäß § 308 BAO bewirkt, dass die Versäumung als nicht stattgefunden fingiert wird, das Verfahren also in jene Lage zurückversetzt wird, in der es sich vor Eintritt der Versäumung befunden hat. Die Partei wird somit in den vor der Versäumung stattgefundenen Verfahrensstand zurückversetzt.
Aus den oben dargestellten Gründen wird der Antrag der Bf auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand des Verfahrens gemäß § 308 BAO bewilligt. Das bedeutet, dass der Bescheid über die Zurückweisung des Antrags auf Durchführung der ArbeitnehmerInnenveranlagung zu Unrecht ergangen ist und das Finanzamt die Erklärung zur ArbeitnehmerInnenveranlagung 2014 in Bearbeitung zu nehmen und einen Einkommensteuerbescheid 2014 zu erlassen hat.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Unzulässigkeit der ordentlichen Revision
Gemäß § 25a VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist.
Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere, weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Nachdem die Beschwerde insoweit keine für die Entscheidung maßgeblichen Rechtsfragen aufwirft, denen im Sinne der zitierten Bestimmungen grundsätzliche Bedeutung zukäme, war unter Hinweis auf die zitierte eindeutige und einheitliche Rechtsprechung die Unzulässigkeit einer ordentlichen Revision auszusprechen.
Graz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 308 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | § 41 Abs. 2 Z 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 1 FOnErklV, FinanzOnline-Erklärungsverordnung, BGBl. II Nr. 512/2006 FOnV 2006, FinanzOnline-Verordnung 2006, BGBl. II Nr. 97/2006 § 308 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 Ritz, BAO Kommentar, Tz 5 und 6 zu § 138 Stoll, BAO Kommentar, § 138, Seite 1565 Reger-Stoll, BAO, Rz 5 zu § 138 Stoll, BAO Kommentar, § 308, Seite 2972 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2021:RV.2100083.2021 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at