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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 07.04.2021, RV/2100412/2020

Basisausbildung der Polizeigrundausbildung im Exekutivdienst ist als Berufsausbildung iSd FLAG 1967 anzusehen

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Rückforderungsbescheid des Finanzamtes Graz-Stadt vom betreffend Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag für ***1***, geb. xx.xx..1996, für den Zeitraum Oktober 2018 bis Dezember 2018 zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird - ersatzlos - aufgehoben.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Mit Bescheid über die Rückforderung zu Unrecht bezogener Beträge vom forderte das Finanzamt den Beschwerdeführer auf, den Betrag von 670,50 € für Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag für ***1***, geb. xx.xx..1996, für den Zeitraum Oktober 2018 bis Dezember 2018 zurückzuzahlen. Begründend wurde unter Hinweis auf § 2 Abs. 1 lit. b bis e FLAG 1967 ausgeführt, dass die Tochter das Bachelorstudium Biologie mit Ende des Sommersemesters 2018 abgebrochen habe und sich seither nicht mehr in Berufsausbildung befinde.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer die Beschwerde mit der Begründung, dass sich seine Tochter ab wieder in Berufsausbildung befinde. Lt. Studienzeitbestätigung der Universität Graz vom war sie zum Bachelorstudium Biologie vom bis gemeldet.

Das Finanzamt gab der Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung teilweise statt. In der Begründung wurde ausgeführt:
"Sachverhalt
Die volljährige Tochter war bis als Studierende an der Universität Graz eingeschrieben.
Am wurde der Ausbildungswechsel der Tochter gemeldet.
Im Formular wurden keine näheren Angaben zur aktuellen Ausbildung der Tochter getätigt und es wurden keine Nachweise über die aktuelle bzw. geplante weitere Ausbildung vorgelegt.
Mit Bescheid vom wurden die Familienbeihilfen- und Kinderabsetzbeträge für die Monate Oktober, November und Dezember 2018 rückgefordert.
Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht am eine Beschwerde eingebracht
."
Unter Hinweis auf § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 wurde weiters ausgeführt:
"Rechtliche Beurteilung
Für die Monate Oktober und November 2018:
Bei Studienmeldung bis wird der Beschwerde für die Monate Oktober und November 2018 stattgegeben.
Die Rückforderung der Familienbeihilfe - Kinderabsetzbeträge für diese Monate wird aufgehoben.
Für den Monat Dezember 2018:
Der VwGH vertritt in seinem Erkenntnis vom , Ra 2018/16/0203, die Auffassung, dass Grundausbildungen oder sonstige Ausbildungsphasen, die öffentlich Bedienstete in der ersten Zeit ihres Dienstverhältnisses absolvieren als Berufsausübung und nicht als Berufsausbildung im Sinne des FLAG 1967 anzusehen sind, weshalb ein Anspruch auf Familienbeihilfe nicht gegeben ist.
Ab Dezember 2018 besteht somit kein Anspruch auf Familienbeihilfe, da das Arbeitsverhältnis bei der Landespolizeidirektion nicht als Berufsausbildung anzusehen ist.
Da ab das volljährige Kind keine Berufsausbildung im Sinne des
§ 2 Abs. 1 FLAG 1967 absolviert, war die Beschwerde für den Monat Dezember 2018 abzuweisen
."

Daraufhin stellte der Bf. den Antrag auf Entscheidung über die Beschwerde an das Bundesfinanzgericht (Vorlageantrag) mit der Begründung, dass seine Tochter ***1*** am die Polizeigrundausbildung im Bildungszentrum Graz auf Grund eines mit Sondervertrag nach § 36 VBG 1948 für die exekutivdienstliche Ausbildung begründeten privatrechtlichen Dienstverhältnis zum Bund begonnen habe. Es handle sich bei dieser Ausbildung nicht um die fremden- und grenzpolizeiliche exekutivdienstliche Ausbildung, sondern um die 24-monatige durchgehende Grundausbildung im Exekutivdienst. Als Beilage wurde das Schreiben der LPD Steiermark vom an die Tochter des Beschwerdeführers, dass sie mit Wirksamkeit vom zur theoretischen und praktischen Ausbildung in den Exekutivdienst aufgenommen werde und die Aufnahme als Vertragsbedienstete mit Sondervertrag auf 24 Monate befristet erfolge, übermittelt.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Gemäß § 2 Abs. 1 lit. b Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG) idgF haben Personen Anspruch auf Familienbeihilfe, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist. ……………..

Gemäß § 2 Abs. 2 FLAG 1967 idgF hat die Person, zu deren Haushalt das Kind gehört, Anspruch auf Familienbeihilfe. Eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, die jedoch die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt, hat dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person nach dem ersten Satz anspruchsberechtigt ist.

Die Polizeigrundausbildung ist in der Verordnung des Bundesministers für Inneres über die Grundausbildungen für den Exekutivdienst (Grundausbildungsverordnung - Exekutivdienst BMI), BGBl. II Nr. 153/2017, geregelt. Diese Verordnung wurde aufgrund der Bestimmungen der §§ 26 und 144 BDG, des § 67 VBG und des §§ 1 Abs. 4 SPG erlassen.
Diese Verordnung regelt gemäß § 1 Z 1 für den Ressortbereich des Bundesministeriums für Inneres (BMI) die Grundausbildung für den Exekutivdienst - Polizeigrundausbildung.

Laut dem Ausbildungsplan der Sicherheitsakademie des Bundesministeriums für Inneres zur Grundausbildung für den Exekutivdienst gliedert sich die zweijährige Grundausbildung in die
Basisausbildung (12 Monate Theorie),
das Berufspraktikum I (3 Monate),
die Vertiefung der Ausbildung (5 Monate Theorie mit anschließender Dienstprüfung)
und das viermonatige Berufspraktikum II:

- BASISAUSBILDUNG - 12 MONATE
Die Polizeibediensteten sollen jenes rechtliche sowie einsatztaktische und -technische Basiswissen erlangen, das sie für den Dienst in einer Polizeiinspektion (PI) benötigen. Die Wissensvermittlung soll kompetenzorientiert und praxisnah unter Vernetzung aller Ausbildungsinhalte erfolgen.
- BERUFSPRAKTIKUM I - KENNENLERNEN DES DIENSTBETRIEBES - 3 MONATE
Das Berufspraktikum dient zur Vermittlung des für die Verwendung in einer Polizeiinspektion nötigen dienstbetrieblichen Wissens sowie der Beurteilung der persönlichen und fachlichen Eignung für den exekutiven Außendienst. Die Polizeibediensteten werden dabei, ohne zum Personalstand der Praktikumsdienststelle zu zählen, von Exekutivbediensteten geschult und betreut.
- VERTIEFUNG - 5 MONATE
Die Polizeibediensteten sollen die Ausbildungsinhalte, Erlebnisse und Erfahrungen des Berufspraktikums reflektieren. Darüber hinaus sollen sie das in der Basisausbildung erworbene Wissen vertiefen und mit den Ausbildungsinhalten des Berufspraktikums vernetzen.
- BERUFSPRAKTIKUM II - EINFÜHRUNG IN DEN DIENSTBETRIEB - 4 MONATE
Während der Einführung in den Dienstbetrieb werden die Auszubildenden von Exekutivbediensteten kontinuierlich in den Dienstbetrieb ihrer Polizeidienststelle eingeführt.

In der im Ausbildungsplan enthaltenen Stundentafel werden die zur Ausbildungsverordnung angeführten Lehrgegenstände und Unterrichtseinheiten näher aufgegliedert.

Im Erkenntnis , wies der Verwaltungsgerichtshof darauf hin, "dass nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH unter den im Gesetz nicht definierten Begriff der Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG jedenfalls alle Arten schulischer oder kursmäßiger Ausbildungen fallen, in deren Rahmen noch nicht berufstätigen Personen ohne Bezugnahme auf die spezifischen Tätigkeiten an einem konkreten Arbeitsplatz das für das künftige Berufsleben erforderliche Wissen vermittelt wird (vgl. etwa ; ; ; ; und ). Diese der Rechtsprechung des VwGH entnehmbare Definition der Berufsausbildung trifft nur auf die Fälle zu, welche außerhalb des in § 2 Abs. 1 lit. b FLAG besonders geregelten Bereichs des Besuchs einer Einrichtung im Sinne des § 3 des Studienförderungsgesetzes (StudFG) liegen (vgl. etwa nochmals ; und ). Nach der zitierten ständigen Rechtsprechung des VwGH fallen die genannten Ausbildungen, in deren Rahmen noch nicht berufstätigen Personen das für das künftige Berufsleben erforderliche Wissen vermittelt wird, jedenfalls unter den Begriff einer Berufsausbildung iSd § 2 FLAG."
Und weiters: "Hat die von der Revisionswerberin (Antragstellerin betreffend Familienbeihilfe) angesprochene Ausbildung ihres Sohnes - wie in der Beschwerde vorgebracht - in einer unter Rz 4 des Erkenntnisses , erwähnten "Basisausbildung" mit einem Lehrplan und einer Stundentafel bestanden und hat diese - abgesehen allenfalls von einer Ausbildung im Waffengebrauch, in Selbstverteidigung oder im Sport - in theoretischen Unterweisungen, Aufgabenstellungen, Übungen und Arbeiten bestanden, dann läge darin noch eine Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG. (Hier: Nach Angabe der Revisionswerberin befand sich ihr Sohn seit , also seit dem ersten Tag der Dauer des Vertragsverhältnisses zum Bund, in der Polizeigrundausbildung im Bildungszentrum)".

Weiters hob der Verwaltungsgerichtshof in dieser Entscheidung hervor, dass das von einer Absolventin eines Lehramtsstudiums absolvierte Unterrichtspraktikum eine Einschulung am Arbeitsplatz im Beruf eines Lehrers und keine Berufsausbildung mehr darstelle. Dagegen stelle die Ableistung der Gerichtspraxis durch einen Rechtspraktikanten eine Berufsausbildung dar, da es sich dabei um eine Berufsvorbildung und keine Einschulung am Arbeitsplatz handle.

Angesichts dieser höchstgerichtlichen Rechtsprechung stellen jedenfalls die oben näher dargestellte zwölfmonatige Basisausbildung (laut Ausbildungsplan "12 Monate Theorie") und die fünfmonatige Vertiefung dieser Basisausbildung (laut Ausbildungsplan "5 Monate Theorie mit anschließender Dienstprüfung") eine Berufsausbildung im Sinne des FLAG dar.

Das zwischen diesen beiden Theorie-Ausbildungsblöcken zu absolvierende Berufspraktikum I dient nach dem Ausbildungsplan der Vermittlung des für die Verwendung in einer Polizeiinspektion nötigen dienstbetrieblichen Wissens sowie der Beurteilung der persönlichen und fachlichen Eignung für den exekutiven Außendienst. Die Polizeibediensteten werden dabei, ohne zum Personalstand der Praktikumsdienststelle zu zählen, von Exekutivbediensteten geschult und betreut. Dieser Teil der Ausbildung stellt somit eine typische Form der Vermittlung praktischer Grundkenntnisse dar, die nach der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ebenfalls unter die Berufsausbildung fällt (vgl. ). Auch der Umstand, dass dieses Praktikum vor Ablegung der Dienstprüfung geleistet wird, spricht dafür, dass das Berufspraktikum I noch keine Berufsausübung darstellt.

Anderes gilt dagegen für das Berufspraktikum II. In diesem werden "während der Einführung in den Dienstbetrieb die Auszubildenden von Exekutivbediensteten kontinuierlich in den Dienstbetrieb ihrer Polizeidienststelle eingeführt". Dieses nach Ablegung der Dienstprüfung zu absolvierende Praktikum ist damit vergleichbar mit dem von einer Absolventin eines Lehramtsstudiums geleisteten Unterrichtspraktikums am Arbeitsplatz. Insofern liegt keine Berufsausbildung mehr vor, sondern bereits eine Einschulung im Beruf des Polizisten am Arbeitsplatz.

Im vorliegenden Fall kann nur über die Rückforderung der Familienbeihilfe und des Kinderabsetzbetrages im bekämpften Bescheid für den Zeitraum Oktober bis September 2018 abgesprochen werden. In diesem Zeitraum war die Tochter des Beschwerdeführers, die in diesem Zeitraum bei ihm haushaltszugehörig war, bis für das Bachelorstudium Biologie gemeldet und begann am die 12-monatigen Basisausbildung der Polizeigrundausbildung im Exekutivdienst mit Lehrplan und Stundentafel. Wie aus der jüngsten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hervorgeht, liegt für diese Phase der Grundausbildung im Exekutivdienst Berufsausbildung iSd FLAG 1967 vor.

Informativ wird noch mitgeteilt, dass bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen für die Familienbeihilfe das Finanzamt gemäß § 12 Abs. 1 FLAG eine Mitteilung ausstellt, dass ein Anspruch auf Bezug der Familienbeihilfe besteht. Dieser Mitteilung kommt jedoch kein Bescheidcharakter zu (vgl. Lenneis in Lenneis/Wanke, FLAG, 2. Aufl., § 12 Rz 5); eine bescheidmäßige Zuerkennung der Familienbeihilfe ist im FLAG nicht vorgesehen, weshalb eine solche auch im Rahmen einer Beschwerdeentscheidung nicht in Betracht kommt. Nur insoweit einem Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe nicht oder nicht vollinhaltlich stattgegeben wird, ist ein Bescheid zu erlassen (§ 13 zweiter Satz FLAG).

Es war wie im Spruch zu entscheiden.

Zulässigkeit einer Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Da im vorliegenden Fall eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht vorliegt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht abweicht (siehe zitierte VwGH-Judikatur), ist eine (ordentliche) Revision nicht zulässig.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.2100412.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at