Bescheidbeschwerde – Senat – Erkenntnis, BFG vom 29.04.2021, RV/7103484/2019

Beschwerde gegen Pfändungsbescheid, Beitreibungsersuchen aus Bulgarien, Einwendungen gegen Abgabenanspruch, Verjährung, Art. 17 der Charta der Grundrechte

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch -***R1***, den Richter***R2*** sowie die fachkundigen Laienrichter ***L1*** und ***L2*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Rechtsanwalt MMag. Dr Gerhard Rettenbacher, Stoß im Himmel 1/11, 1010 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des ehemaligen Finanzamtes Wien 1/23 vom betreffend Pfändung einer Geldforderung, Steuernummer ***BF1StNr1***, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am in Anwesenheit des Vertreters der Bf., ***V1***, des Amtsbeauftragten ***AB*** und der Schriftführerin ***Sf*** zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Mit dem hierfür nach Art. 21 der Richtlinie 2010/24/EU des Rates vom über die Amtshilfe bei der Beitreibung von Forderungen in Bezug auf bestimmte Steuern, Abgaben und sonstige Maßnahmen (Beitreibungsrichtlinie - BeitrRL) vorgesehenen Standardformblatt ersuchte die Republik Bulgarien, Territorial Directorate of Sofia, National Revenue Agency, am unter Beifügung des einheitlichen Vollstreckungstitels um Beitreibung der Abgabenschuldigkeiten der Beschwerdeführerin (in der Folge Bf. genannt) in Höhe von insgesamt € 19.679.996,66.

Mit Bescheid des Finanzamtes Wien 1/23 vom wurden aufgrund von Abgabenschulden der Bf. in Höhe von € 19.679.996,66 der dieser angeblich gegen die Unicredit Bank Austria AG zustehenden beschränkt pfändbaren Forderungen aus sämtlichen Kontokorrent- oder Kreditkonten gemäß § 65 AbgEO gepfändet.

Am legte die Bf. gegen diesen Bescheid Beschwerde ein, beantragte dessen ersatzlose Aufhebung und unverzügliche Aufhebung aller exekutiver Maßnahmen und führte aus:

A. Die Forderung habe niemals zu Recht bestanden

1. Das Bundesministerium für Finanzen habe bereits mit EAS.3169 vom (!) völlig eindeutig bestätigt, dass die Forderung der Republik Bulgarien auf Grund des DBA mit Bulgarien nicht bestehe.

Beweis: EAS.3169 (Beilage 1)

2. Das Bundesministerium für Finanzen habe diese Rechtsmeinung im Verständigungsverfahren mit Bulgarien (GZ. BMF -010221/0682-VI/8/2013 bzw. BMF-010221/0262-IV/4 /2013) aufrecht gehalten.

Beweis: Michael Reither, BA BA MA, c/o BMF, Abteilung IV/8, 1010 Wien, Johannesgasse 5

3. Jegliches Besteuerungsrecht hinsichtlich der Veräußerung stehe allein der Republik Österreich zu, sodass für einen Anspruch der Republik Bulgarien keinerlei Raum bleibe (siehe schon EAS.3169).

4. Dies gelte auch für einen Zinsenanspruch, und umso mehr, wenn sich der Zinsenanspruch auf einen unstrittig wegen des DBA nicht bestehenden Steueranspruch beziehen würde.

5. Die Republik Bulgarien habe ja selbst eingeräumt, dass kein Steueranspruch der Republik Bulgarien hinsichtlich des Veräußerungsgewinnes bestehe.

6. Dennoch sei nach Auffassung der Republik Bulgarien ein (Straf-)Zinsenanspruch - hinsichtlich der unstrittig nicht existierenden Steuer auf den Veräußerungsgewinn - entstanden.

7. Zinsen auf eine nicht bestehende Forderung seien freilich evident unmöglich.

8. Die Bf. sei als österreichische und damit nicht in Bulgarien ansässige Gesellschaft von den bulgarischen Behörden einer diskriminierenden Behandlung unterworfen worden, die den im Recht der Europäischen Union festgesetzten Grundrechten der Freiheit des Kapitalverkehrs und der Niederlassungsfreiheit und den Grundsätzen der Gleichbehandlung eklatant widerspreche. Der Europäische Gerichtshof habe in seiner Entscheidung vom , C-553/16 bestätigt, dass die dem angeblichen Anspruch zugrundeliegende Bestimmung des bulgarischen Rechts nicht mit den Grundfreiheiten des europäischen Rechts vereinbar sei.

B. Die Forderung sei mit Ablauf des verjährt:

9. Die von der Republik Bulgarien gegen die Bf. geltend gemachte Forderung sei verjährt.

10. Die bulgarischen Behörden hätten in ihrem ersten Ersuchen um Betreibung im Jahr 2012 selbst angeführt und eingeräumt, dass die Forderung seit Ablauf des verjährt sei.

Siehe das Ersuchen um Betreibung, Seite 2 ganz unten Punkt 4. B. und Seite 5 ganz oben Punkt 7.

Beweis: Ersuchen der bulgarischen Behörden um Betreibung aus 2012 (Beilage 2)

11. Die Verjährung mit sei konsistent mit der Angabe der bulgarischen Behörden, dass sich die Abgabe auf den Zeitraum bis beziehe (Ersuchen der bulgarischen Behörden um Betreibung aus 2012, Seite 4 unten Punkt C. 4.; Ersuchen der bulgarischen Behörden um Betreibung aus 2016, Seite 3 unten Punkt C. 4.), zumal die absolute Verjährungsfrist in Bulgarien 10 Jahre betrage.

12. Die Rechtsanwälte der Gesellschaft in Bulgarien hätten dementsprechend am beantragt, dass die bulgarischen Behörden die Verjährung bestätigen mögen.

Beweis: Antrag vom auf Bestätigung der Verjährung samt beglaubigter Übersetzung (Beilage 3).

13. Die Verjährungsfrist sei im Jahr 2012 an zwei Stellen des Vollstreckungsersuchens, also einen Irrtum völlig ausschließend, mit angegeben.

14. Die bulgarischen Behörden würden das nunmehr willkürlich und ohne jede Begründung verdrehen, indem sie in ihrem Ersuchen um Betreibung aus dem Jahr 2016 als Ende der Verjährungsfrist den angegeben hätten.

Beweis: Ersuchen der bulgarischen Behörden um Betreibung aus 2016 (Beilage 4)

15. Da die Verjährungsfrist von 10 Jahren absolut sei, sei die Verjährung durch die diversen Verfahren nicht gehemmt.

16. Eine Hemmung der Verjährung durch österreichische Maßnahmen trete nicht ein, weil sich § 16 Abs. 4 des EU-VAHG nur auf österreichische Vollstreckungsersuchen beziehe. Siehe Erl RV zu § 16, vierter Absatz ("die ersuchende österreichische Behörde").

17. Auch § 16 Abs. 2 und Abs. 3 EU-VAHG bezögen sich nach ihrem klaren Wortlaut NUR auf österreichische Ersuchen.

18. Dies sei schon deswegen logisch, weil § 16 Abs. 1 EU-VAHG vorsehe, dass bei einem ausländischen Ersuchen an Österreich für die Verjährung ausschließlich das Recht des ersuchenden Mitgliedsstaates maßgeblich sei. Vollstreckungsmaßnahmen in Österreich als ersuchtem Staat könnten vor diesem Hintergrund auf die Verjährung keinen Einfluss haben. Das BMF habe diese Rechtsansicht mündlich bestätigt.

19. Die bulgarischen Behörden hätten auch keinerlei Grund nennen können, warum die Verjährungsfrist nunmehr länger dauern solle. Auch das zeige, dass deren Behauptung nicht richtig sein könne, zumal die bulgarischen Behörden gemäß § 16 Abs. 5 EU-VAHG zur Nennung von hemmenden Maßnahmen verpflichtet seien.

20. Selbst durch eine Hemmung der Verjährung wäre eine verlängerte Verjährungsfrist mit nicht erklärbar. Insbesondere - welche hemmenden Ereignisse hätten zu der Verlängerung um ausgerechnet genau ein Jahr geführt?

21. Auch daraus werde ersichtlich, dass die nunmehrige Angabe der bulgarischen Behörden rein willkürlich sei.

22. Das erste Rechtsmittel sei in Bulgarien am eingebracht worden. Hätten Rechtsmittel die Verjährung unterbrochen, so wäre das bereits im ersten Vollstreckungsersuchen vom berücksichtigt worden.

23. Wie man es drehe und wende, selbst bei wohlwollender Betrachtung - es gebe nicht einmal eine denkbare Begründung dafür, dass die Verjährungsfrist zu einem anderen Zeitpunkt als dem enden könnte.

24. Es dränge sich daher der Verdacht auf, dass von den bulgarischen Behörden nunmehr missbräuchlich und bewusst die Verjährungsfrist falsch mit angegeben worden sei.

25. Die Bf. habe daher den nunmehrigen rechtsfreundlichen Vertreter ersucht, auf Grund von vermutlichen missbräuchlichen und betrügerischen Handlungen Strafanzeige gegen die bulgarischen Behörden und deren handelnde Personen einzubringen.

26. Die Verjährung sei jedenfalls spätestens mit Ablauf des eingetreten.

27. Selbst nach den falschen Angaben der bulgarischen Behörden sei spätestens mit Ablauf des Verjährung eingetreten.

28. Auf Grund der spätestens seit Ablauf des unstrittigen Verjährung könne keine Amtshilfe geleistet werden und dürfe keine Exekution stattfinden.

29. Daher sei jegliche Exekution einzustellen, und es seien bisher gesetzte exekutive Maßnahmen ersatzlos aufzuheben.

C. Ablehnung der Amtshilfe mangels jeglicher Rechtfertigung eines diskriminierenden und überholten Anspruches

30. Es werde ersucht, schon deswegen keine Amtshilfe zu leisten, die Exekution einzustellen und bisher gesetzte exekutive Maßnahmen ersatzlos aufzuheben, weil der Anspruch überholt sei (§ 15 Abs 2 letzter Satz EU-VAHG).

31. Der Anspruch sei mit Ablauf des (Ersuchen der bulgarischen Behörden um Betreibung aus 2012, Seite 4 unten Punkt 4.; Ersuchen der bulgarischen Behörden um Betreibung aus 2016, Seite 3 unten Punkt 4.) entstanden. (Anm. des BFG: gemeint wohl mit Ablauf des )

32. Damit sei der Abgabenanspruch älter als 10 Jahre.

33. § 15 Abs. 2 EU-VAHG sehe vereinfacht gesagt Folgendes vor:

(i) Amtshilfe werde nicht geleistet, wenn sich das ursprüngliche Ersuchen auf Ansprüche beziehe, die älter als 5 Jahre seien.

(ii) Im Falle der Anfechtung laufe die Frist von 5 Jahren ab Rechtskraft.

(iii) Im Falle eines Zahlungsaufschubes laufe die Frist von 5 Jahren ab Ende der Zahlungsfrist.

(iv) "In diesen Fällen" sei die ersuchte Behörde nicht zur Amtshilfe verpflichtet, wenn der Anspruch älter als 10 Jahre sei.

Es erscheine logisch, dass sich diese Maximalfrist von 10 Jahren auf beide Fälle der später beginnenden Fünfjahresfrist beziehe; es sei kein Grund für eine Differenzierung erkennbar.

Völlig klar werde das freilich aus der Text-Gliederung des Artikel 18 Abs. 2 der Betreibungs-Richtlinie des Rates der Europäischen Union vom , RL 2010/24/EU, der im Wesentlichen gleichlaute und daher für die Interpretation der österreichischen Bestimmung herangezogen werden müsse:

(i) Hätte der Gesetzgeber beabsichtigt, dass sich die Maximalfrist von 10 Jahren nur auf den Fall des Zahlungsaufschubes beziehe, hätte man den Text des letzten Unterabsatzes des Artikel 18 Absatz 2 unmittelbar an den vorletzten Unterabsatz angefügt.

(ii) Aus der Abtrennung und gesonderten Stellung des letzten Unterabsatzes sei aber klar, dass sich die Maximalfrist von 10 Jahren auf BEIDE Fälle der später beginnenden Fünfjahresfrist (Anfechtung und Zahlungsaufschub) beziehen müsse.

Auch die Erl RV zum EU-AHVG (auf Seite 8 des Dokumentes, zu § 15, dritter Absatz) sähen vor, dass eine Ablehnung der Amtshilfe in allen Fällen nach einer Maximalfrist von 10 Jahren möglich sei. Das ergebe sich auch aus der Bezeichnung der 10-Jahres-Frist als "Maximalfrist" (nur für die Fünfjahresfrist könne es einen späteren Beginn geben).

34. Die formlose Erklärung der Republik Bulgarien, dass sich die Verjährungsfrist auf Grund der bulgarischen Rechtslage geändert habe, sei völlig unbestimmt und daher nicht nachvollziehbar. Gäbe es tatsächlich einen solchen Grund, hätte dieser zumindest durch Angabe einer gesetzlichen Bestimmung ganz leicht spezifiziert werden können. So aber sei die Erklärung ganz offensichtlich eine bewusste Scheinerklärung und könne daher nicht rechtlich relevant sein.

35. Aber schon nach dem Wortlaut des Gesetzes sei die Erklärung unbeachtlich. Beachtlich könnte nur eine Erklärung im Sinne des § 16 Abs. 5 sein. Eine solche Erklärung müsste aber eine Maßnahme nennen, welche die Verjährung unterbreche oder hemme. Eine derartige Erklärung liege freilich nicht vor. Auch das zeige wieder, dass die Erklärungen der bulgarischen Behörde nicht ernsthaft sein könnten.

36. Es sei im Interesse der österreichischen Behörden, österreichische Gesellschaften vor völlig ungerechtfertigten, unverständlichen, diskriminierenden und vermutlich sogar betrügerischen Abgabenforderungen ausländischer Behörden zu schützen.

37. Die Bf. appelliere, diese Schutzfunktion wahrzunehmen.

38. Auch aus diesem Grund werde ersucht, keine Amtshilfe zu leisten und die Exekution einzustellen (§ 15 Abs. 2 letzter Satz EU-VAHG).

D. Die Forderung stehe in evidentem Widerspruch zu Artikel 17 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union

39. Artikel 17 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union schütze das Eigentumsrecht jeder Person.

40. Artikel 17 leg. cit. schütze das Eigentumsrecht auch von juristischen Personen (Erläuterungen zu Artikel 17 der Charta, 2007/C 303/02).

41. Beschränkungen des Eigentumsrechtes seien nur soweit möglich, sofern diese Beschränkungen tatsächlich dem Gemeinwohl dienenden Zielen entsprechen und nicht einen im Hinblick auf den verfolgten Zweck unverhältnismäßigen und nicht tragbaren Eingriff darstellen würden, der das so gewährleistete Recht in seinem Wesensgehalt antasten würde. Das gelte ganz allgemein und somit auch für den Bereich der Besteuerung (ständige Rechtsprechung, vgl. etwa EuGH C-8/15 (Ledra) Rn 70 mwN; 0210/03 (Swedish Match) Rn 72, 038/02 (Dilexport) Rn 82; Schlussanträge zu 0246/16 (Di Maura) Rn 45 bis 52).

42. Die Grundrechte der Europäischen Union seien naturgemäß auch im Vollstreckungsverfahren zu beachten.

43. Die Republik Bulgarien habe in dem Verfahren eingeräumt, dass auf Grund des Doppelbesteuerungsabkommens zwischen Österreich und Bulgarien kein Abgabenanspruch bestehe.

44. Es sei jedoch eine "Zinsenforderung" auf den fiktiven (!) Abgabenanspruch entstanden. Begründet worden sei dies mit der verspäteten Vorlage von Dokumenten.

45. Dies ist freilich falsch. Die Steuerbefreiung gemäß dem DBA sei absolut und beziehe sich nicht nur auf Zeiträume nach Erfüllen der Formalvoraussetzungen (die Punkte 43. bis 45. in diesem Schreiben würden auch sehr deutlich von EAS.3169 ausgeführt).

46. Eine Zinsenforderung sei zudem nicht rational begründbar, wenn gar keine Abgabenforderung bestehe.

47. Da keine Abgabenforderung bestehe (siehe nochmals EAS 3169), wäre auch eine Sanktion nicht rational begründbar, welche die verspätete Dokumentation einer - ohnehin und auch ohne rechtzeitige Vorlage einer solchen Dokumentation - bestehende Steuerbefreiung bestrafe.

48. Auch vor diesem Hintergrund und vor allem in Anbetracht der völligen Steuerbefreiung des Veräußerungsgewinnes wären "Zinsen" oder eine Sanktion in Höhe von etwa EUR 20 Millionen völlig unverhältnismäßig, ja geradezu absurd.

49. Zum Vergleich: die Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeigepflicht werde in Österreich mit einer Geldstrafe von höchstens EUR 5.000 geahndet (§ 51 FinStrG). Auch daran zeigt sich, dass die von den bulgarischen Behörden verlangten "Zinsen" völlig unverhältnismäßig und absurd seien.

50. Der Anspruch der Republik Bulgarien stehe somit in evidentem Widerspruch zu Artikel 17 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union und sei damit nichtig.

51. Auch deswegen könne keine Amtshilfe geleistet werden.

Die Bf. verweise ergänzend und zur Vermeidung von Wiederholungen auf die mit Schreiben vom , vom , vom , vom und vom 11. Dezember 2618 geltend gemachten Argumente.

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Am berichtete die ersuchende Behörde zur Frage der Verjährung:

"Zu Ihrer Frage zur Änderung des Verfallsdatums vom auf den möchten wir Sie über Folgendes informieren: Die von der CCN-E-Mail vom nach Österreich mitgeteilte Änderung wurde durch einen technischen Fehler verursacht, der als letzter Verjährungszeitpunkt bis zum korrigiert wurde.

In Bezug auf die Frage, ob die Verjährungsfrist abgelaufen ist, möchten wir Sie darauf hinweisen, dass die Bestimmungen der bulgarischen Gesetzgebung in Artikel 171 Absatz 2 der Steuer- und Sozialversicherungsgesetzordnung die anwendbaren Bestimmungen der Verjährungsfrist regeln. Demnach erlöschen mit Ablauf einer Verjährungsfrist von 10 Jahren alle öffentlichen Forderungen, außer in den Fällen, in denen die Verpflichtung aufgeschoben oder verschoben oder die Vollstreckung auf Antrag des Schuldners ausgesetzt wird. Die Republik Österreich hat die Republik Bulgarien am ausdrücklich darüber informiert, dass das Vollstreckungsverfahren auf Antrag der Schuldnerfirma aufgrund des gegenseitigen Vertragsverfahrens zwischen Bulgarien und Österreich ausgesetzt wurde. Bei nachfolgender elektronischer Korrespondenz im Zeitraum vom bis teilten die österreichischen Behörden der bulgarischen Direktion für Steuerbeträge der NRB mit, dass die Vollstreckung weiter ausgesetzt ist. Am und am forderte der öffentliche Vollstreckungsbeamte das Dokument an, auf Grund dessen die Vollstreckung ausgesetzt wurde, da dieser Umstand Auswirkungen auf die Berechnung der Verjährungsfrist hatte. Bitte geben Sie uns die angeforderten Informationen sowie den Zeitraum für den die Vollstreckung ausgesetzt wurde."

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Am teilte die ersuchte Behörde zur Anfrage mit:

Attaches please find the reports (dated and ) from our ministry of finance in this matter the Mutual Agreenent Procedere was closed on "

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Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab.

Gem. § 65 Abs. 1 AbgEO erfolge die Vollstreckung auf Geldforderungen des Abgabenschuldners mittels Pfändung derselben. Im Pfändungsbescheid seien die Höhe der Abgabenschuld und der Gebühren und Auslagenersätze (§ 26) anzugeben. Sofern nicht die Bestimmung des § 67 zur Anwendungen komme, geschehe die Pfändung dadurch, dass das Finanzamt dem Drittschuldner verbiete, an den Abgabenschuldner zu bezahlen. Zugleich sei dem Abgabenschuldner selbst jede Verfügung über seine Forderung sowie über das für dieselbe etwa bestellte Pfand und insbesondere die Einziehung der Forderung zu untersagen. Ihm sei aufzutragen, bei beschränkt pfändbaren Geldforderungen unverzüglich dem Drittschuldner allfällige Unterhaltsverpflichtungen und das Einkommen der Unterhaltsberechtigten bekannt zu geben.

Gem. Abs. 3 sei die Pfändung mit Zustellung des Zahlungsverbotes an den Drittschuldner als bewirkt anzusehen.

Dieser Pfändung sei das Beitreibungsersuchen der bulgarischen Behörde Territorial Directorate of Sofia, National Revenue Agency zugrunde gelegen, dem ein einheitlicher Vollstreckungstitel für die gegenständlichen Abgaben vom angefügt gewesen sei.

Mit dem EU-Vollstreckungs-Amtshilfegesetz (EU-VAHG; BGBl. I Nr. 112/2011) sei die Betreibungsrichtlinie der Europäischen Union 2010/24/EU in das nationale Recht umgesetzt worden.

§ 10 Abs. 1 EU-VAHG laute:

"Auf Ersuchen eines anderen Mitgliedstaates nimmt die Vollstreckungsbehörde die Vollstreckung von Abgabenansprüchen vor, für die im anderen Mitgliedstaat ein Exekutionstitel besteht.

Der ausländische Abgabenanspruch wird wie ein inländischer Abgabenanspruch behandelt.

Als vollstreckbarer Exekutionstitel gilt der dem Ersuchen beigefügte einheitliche Vollstreckungstitel im Sinne des Art. 12 Abs. 1 der Beitreibungsrichtlinie. Er muss in Österreich weder durch einen besonderen Akt anerkannt noch ergänzt werden. Dem Vollstreckungsersuchen können weitere, im ersuchenden Mitgliedstaat ausgestellte Dokumente beigefügt werden."

Aus den zitierten Gesetzesbestimmungen ergebe sich somit, dass die gegenständliche Pfändung von Geldforderungen der Firma ***Bf1*** im Rechtshilfeweg aufgrund des Vorliegens eines einheitlichen Vollstreckungstitels vom zu Recht erfolgt sei.

Des Weiteren wären keine die zwangsweise Einbringung hemmenden Umstände vorgelegen.

Aufgrund des vorliegenden aufrechten Vollstreckungstitels komme daher der Beschwerde keine Berechtigung zu, sodass spruchgemäß zu entscheiden gewesen sei.

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Mit Schriftsatz vom wurde die Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht und weiters die Durchführung einer mündlichen Senatsverhandlung beantragt.

Die Beschwerdevorentscheidung gehe in keiner Weise auf die Beschwerdegründe ein. Insbesondere gehe die BVE nicht einmal im Ansatz darauf ein, dass die Forderung schon gemäß den Angaben der bulgarischen Behörden verjährt und daher schon aufgrund der österreichischen Vorschriften (§ 16 EU-VAHG) nicht zu vollstrecken gewesen seien.

Die BVE gehe ferner in keiner Weise darauf ein, dass keine Amtshilfe zu leisten gewesen sei, weil der Anspruch überholt sei (§ 15 Abs. 2 letzter Satz EU-VAHG).

Schließlich gehe die BVE nicht darauf ein, dass die Forderung in evidentem Widerspruch zu Art. 17 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union sehe und daher nichtig sei.

Es werde ersucht, die Entscheidung der Bf. direkt zuzustellen.

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Mit Follow-up vom erfolgte durch die bulgarische Finanzbehörde eine ausführliche Stellungnahme zur Frage der Verjährung, sowie am eine weitere Ergänzung.

Der Inhalt wird im Erwägungsteil vollständig wiedergegeben.

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Zu der am durchgeführten mündlichen Senatsverhandlung wird auf das Erkenntnis des GZ.RV/7102855/2019 verwiesen, in dem der Inhalt der Niederschrift über die mündliche Verhandlung in beiden Rechtssachen wiedergegeben wird.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

§ 1 des Bundesgesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2010/24/EU über die Amtshilfe bei der Beitreibung von Forderungen in Bezug auf bestimmte Steuern, Abgaben und sonstige Maßnahmen (EU-Vollstreckungsamtshilfegesetz - EU-VAHG) lautet:

"(1) Dieses Bundesgesetz regelt die Durchführung der Amtshilfe zwischen Österreich und den anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union (Mitgliedstaaten) bei der Vollstreckung der in den Mitgliedstaaten entstandenen Abgabenansprüche auf Grund der Richtlinie 2010/24/EU über die Amtshilfe bei der Beitreibung von Forderungen in Bezug auf bestimmte Steuern, Abgaben und sonstige Maßnahmen, ABl. Nr. L 84 vom S. 1 (im Folgenden: Beitreibungsrichtlinie).

(2) Abgabenansprüche im Sinne dieses Bundesgesetzes sind Steuern und Abgaben aller Art, die von einem Mitgliedstaat oder dessen gebiets- oder verwaltungsmäßigen Gliederungseinheiten, einschließlich der lokalen Behörden, oder für diesen oder diese oder für die Europäische Union erhoben werden, ausgenommen Einfuhr- und Ausfuhrabgaben sowie die Einfuhrumsatzsteuer, soweit diese von den Zollämtern erhoben wird.

(3) Der Anwendungsbereich dieses Bundesgesetzes umfasst auch:

1. Geldstrafen, Geldbußen, Gebühren und Zuschläge in Bezug auf Abgabenansprüche, für deren Vollstreckung gemäß Abs. 1 um Amtshilfe ersucht werden kann und die von den für die Erhebung der betreffenden Steuern oder Abgaben oder die Durchführung der dafür erforderlichen behördlichen Ermittlungen zuständigen Behörden verhängt oder von Verwaltungsorganen oder Gerichten auf Antrag dieser Behörden bestätigt wurden;

2. Gebühren für Bescheinigungen und ähnliche Dokumente, die in Zusammenhang mit Verwaltungsverfahren in Bezug auf Steuern oder Abgaben ausgestellt werden;

3. Zinsen und Kosten im Zusammenhang mit Abgabenansprüchen, für deren Vollstreckung gemäß Abs. 1 oder gemäß den Z 1 und 2 um Amtshilfe ersucht werden kann.

(4) Dieses Bundesgesetz ist nicht anzuwenden auf:

1. Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung, die an den Mitgliedstaat oder die Gliederungseinheit eines Mitgliedstaates bzw. an öffentlich-rechtliche Sozialversicherungseinrichtungen zu leisten sind;

2. andere als die in Abs. 3 genannten Gebühren;

3. vertragliche Gebühren, wie Zahlungen an öffentliche Versorgungsbetriebe;

4. strafrechtliche Sanktionen, die auf der Grundlage einer Anklageerhebung im Strafverfahren verhängt werden, oder andere strafrechtliche Sanktionen, die nicht von Abs. 3 Z 1 erfasst sind.

(5) Abgabenansprüche nach Abs. 2 samt den in Abs. 3 genannten sonstigen Ansprüchen werden nach den Bestimmungen der Abgabenexekutionsordnung, BGBl. Nr. 104/1949 in der jeweils geltenden Fassung, vollstreckt, soweit dieses Bundesgesetz nicht etwas anderes bestimmt."

§ 10 EU-VAHG lautet auszugsweise:

"§ 10. (1) Auf Ersuchen eines anderen Mitgliedstaates nimmt die Vollstreckungsbehörde die Vollstreckung von Abgabenansprüchen vor, für die im anderen Mitgliedstaat ein Exekutionstitel besteht. Der ausländische Abgabenanspruch wird wie ein inländischer Abgabenanspruch behandelt. Als vollstreckbarer Exekutionstitel gilt der dem Ersuchen beigefügte einheitliche Vollstreckungstitel im Sinne des Art. 12 Abs. 1 der Beitreibungsrichtlinie. Er muss in Österreich weder durch einen besonderen Akt anerkannt noch ergänzt oder ersetzt werden. Dem Vollstreckungsersuchen können weitere, im ersuchenden Mitgliedstaat ausgestellte Dokumente zum Abgabenanspruch beigefügt werden.

(2) Die Vollstreckung erfolgt nach den Vorschriften, die für Abgabenansprüche aus gleichen oder, in Ermangelung gleicher, aus vergleichbaren Steuern oder Abgaben vorgesehen sind. Die Prüfung der Vergleichbarkeit obliegt dem zentralen Verbindungsbüro. Ist dieses der Auffassung, dass in Österreich keine gleichen oder vergleichbaren Steuern oder Abgaben erhoben werden, so leitet es das Ersuchen an die zuständige Vollstreckungsbehörde mit dem Hinweis weiter, dass die Vollstreckung nach den Vorschriften, die für die Vollstreckung von Einkommensteueransprüchen gelten, vorzunehmen ist. Die Abgabenansprüche werden in Euro vollstreckt.

(3) Das zentrale Verbindungsbüro teilt dem anderen Mitgliedstaat die Maßnahmen mit, die die Vollstreckungsbehörde in Bezug auf das Vollstreckungsersuchen ergriffen hat.

(4) ..."

§ 14 EU-VAHG lautet auszugsweise:

"§ 14. (1) Einwendungen in Bezug auf den Abgabenanspruch, auf den ursprünglichen Exekutionstitel für die Vollstreckung im ersuchenden Mitgliedstaat oder auf den einheitlichen Vollstreckungstitel für die Vollstreckung im ersuchten Mitgliedstaat sowie Einwendungen in Bezug auf die Gültigkeit einer Zustellung durch eine zuständige Behörde des ersuchenden Mitgliedstaates fallen in die Zuständigkeit der Rechtsmittelbehörden bzw. Instanzen des ersuchenden Mitgliedstaates. Wird im Verlauf des Vollstreckungsverfahrens der Abgabenanspruch, der ursprüngliche Exekutionstitel oder der einheitliche Vollstreckungstitel von einer betroffenen Partei angefochten, so unterrichtet die ersuchte Behörde diese Partei darüber, dass sie das Rechtsmittel bei der zuständigen Instanz des ersuchenden Mitgliedstaates nach dessen Recht einzulegen hat.

(2) Einwendungen in Bezug auf die im ersuchten Mitgliedstaat ergriffenen Vollstreckungsmaßnahmen oder in Bezug auf die Gültigkeit einer Zustellung durch eine zuständige Behörde des ersuchten Mitgliedstaates fallen in die Zuständigkeit der Rechtsmittelbehörden bzw. Instanzen dieses Mitgliedstaates.

(3) Wurde ein Rechtsmittel gemäß Abs. 1 bei der zuständigen Rechtsmittelbehörde bzw. Instanz des ersuchenden Mitgliedstaates eingelegt, so teilt die ersuchende Behörde dies der ersuchten Behörde mit und gibt an, in welchem Umfang der Abgabenanspruch nicht angefochten wird.

(4) Sobald die ersuchte Behörde die Mitteilung nach Abs. 3 entweder durch die ersuchende Behörde oder durch die betroffene Partei erhalten hat, setzt sie in Erwartung einer Entscheidung der zuständigen Rechtsmittelbehörde bzw. Instanz das Vollstreckungsverfahren für den angefochtenen Teilbetrag des Abgabenanspruchs aus, es sei denn, die ersuchende Behörde wünscht in Einklang mit § 10 Abs. 6 oder § 11 Abs. 2 ein anderes Vorgehen.

(5) ..."

§ 15. EU-VAHG lautet:

(1) Die in den §§ 10 bis 13 vorgesehene Amtshilfe wird nicht geleistet, wenn die Vollstreckung oder die Anordnung von Sicherungsmaßnahmen aus Gründen, die auf die Verhältnisse des Schuldners zurückzuführen sind, erhebliche wirtschaftliche oder soziale Schwierigkeiten in dem ersuchten Mitgliedstaat bewirken könnte, sofern die in diesem Mitgliedstaat geltenden Rechts- und Verwaltungsvorschriften sowie die dort übliche Verwaltungspraxis eine solche Ausnahme für innerstaatliche Abgabenansprüche zulassen.

(2) Die in § 5 und in den §§ 7 bis 13 vorgesehene Amtshilfe wird nicht geleistet, wenn sich das ursprüngliche Ersuchen um Amtshilfe auf Abgabenansprüche bezieht, die - gerechnet ab dem Zeitpunkt, zu dem sie in dem ersuchenden Mitgliedstaat fällig wurden - zum Datum des ursprünglichen Amtshilfeersuchens älter als fünf Jahre waren. Im Falle der Anfechtung des Abgabenanspruchs oder des ursprünglichen Exekutionstitels für die Vollstreckung im ersuchenden Mitgliedstaat läuft die Fünfjahresfrist ab dem Zeitpunkt, zu dem im ersuchenden Staat festgestellt wird, dass eine Anfechtung des Abgabenanspruchs oder des Exekutionstitels nicht mehr möglich ist. Gewähren die zuständigen Behörden des ersuchenden Mitgliedstaates einen Zahlungsaufschub oder einen Aufschub des Ratenzahlungsplans, so läuft die Fünfjahresfrist ab dem Zeitpunkt des Endes der gesamten Zahlungsfrist. In diesen Fällen ist die ersuchte Behörde allerdings nicht verpflichtet, Amtshilfe bei Abgabenansprüchen zu leisten, die - gerechnet ab dem Zeitpunkt, zu dem der Abgabenanspruch in dem ersuchenden Mitgliedstaat fällig wurde - älter als zehn Jahre sind.

(3) Amtshilfe gemäß §§ 10 bis 13 wird weiters nicht geleistet, wenn die Abgabenansprüche, für die um Amtshilfe ersucht wird, insgesamt weniger als 1 500 Euro betragen.

(4) Das zentrale Verbindungsbüro teilt dem anderen Mitgliedstaat die Gründe für die Ablehnung eines Ersuchens um Amtshilfe mit.

§ 16 EU-VAHG lautet:

(1) Für die Verjährung von Abgabenansprüchen, hinsichtlich derer um Amtshilfe ersucht wird, ist ausschließlich das Recht des ersuchenden Mitgliedstaates maßgeblich.

(5) Die Vollstreckungsbehörden teilen im Wege des zentralen Verbindungsbüros dem anderen Mitgliedstaat jede Maßnahme mit, die die Verjährung des Abgabenanspruchs, hinsichtlich dessen um Vollstreckung oder Sicherungsmaßnahmen ersucht wurde, unterbricht oder hemmt.

Auszug aus der Beitreibungsrichtlinie 2010/24/EU vom :

Art. 12 Abs. 1: Jedem Beitreibungsersuchen ist ein einheitlicher Vollstreckungstitel beizufügen, der zur Vollstreckung im ersuchten Mitgliedstaat ermächtigt.

Dieser einheitliche Vollstreckungstitel, dessen Inhalt im Wesentlichen dem des ursprünglichen Vollstreckungstitels entspricht, ist die alleinige Grundlage für die im ersuchten Mitgliedstaat zu ergreifenden Beitreibungs- und Sicherungsmaßnahmen. Er muss im ersuchten Mitgliedstaat weder durch einen besonderen Akt anerkannt noch ergänzt oder ersetzt werden.

Der einheitliche Vollstreckungstitel enthält mindestens die nachstehenden Angaben:

a) Angaben zur Feststellung des ursprünglichen Vollstreckungstitels, eine Beschreibung der Forderung, einschließlich Angaben zur Art der Forderung, des von der Forderung abgedeckten Zeitraums, sämtliche für die Beitreibung wichtigen Termine, den Betrag der Forderung und ihrer Bestandteile wie Hauptsumme, aufgelaufene Zinsen usw.;

b) Name und andere einschlägige Angaben zur Feststellung des Schuldners;

c) Name Anschrift und sonstige Verbindungsdaten bezüglich der für die Festsetzung der Forderung zuständigen Stelle ...

§ 65 Abs. 1 Abgabenexekutionsordnung (AbgEO) lautet:

(1) Die Vollstreckung auf Geldforderungen des Abgabenschuldners erfolgt mittels Pfändung derselben. Im Pfändungsbescheid sind die Höhe der Abgabenschuld und der Gebühren und Auslagenersätze (§ 26) anzugeben. Sofern nicht die Bestimmung des § 67 zur Anwendung kommt, geschieht die Pfändung dadurch, daß das Finanzamt dem Drittschuldner verbietet, an den Abgabenschuldner zu bezahlen. Zugleich ist dem Abgabenschuldner selbst jede Verfügung über seine Forderung sowie über das für dieselbe etwa bestellte Pfand und insbesondere die Einziehung der Forderung zu untersagen. Ihm ist aufzutragen, bei beschränkt pfändbaren Geldforderungen unverzüglich dem Drittschuldner allfällige Unterhaltspflichten und das Einkommen der Unterhaltsberechtigten bekanntzugeben"

Dieser Pfändung lag das Beitreibungsersuchen der bulgarischen Behörde Territorial Directorate of Sofia, National Revenue Agency, zugrunde, dem ein einheitlicher Vollstreckungstitel für die gegenständlichen Abgaben vom angefügt war.

Der dem Exekutionsantrag zugrunde liegende einheitliche Vollstreckungstitel vom beinhaltet zum einen die Einkommenssteuer und zum anderen "bis zum Datum der Übermittlung des Ersuchens angefallene Zinsen" in Höhe von € 19.679.996,66. Dieser Abgabenanspruch fällt unbestrittenermaßen in den Anwendungsbereich des EU-VAHG (§ 1 Abs. 2 und 3 z 1 leg. cit.). Der einheitliche Vollstreckungstitel geht zurück auf entsprechende Festsetzungen der aushaftenden Steuern durch die bulgarische Finanzbehörde und weist alle Bestandteile im Sinne des Art. 12 Abs. 1 der Beitreibungsrichtlinie auf.

Zu den Beschwerdepunkten:

A. Die Forderung habe niemals zu Recht bestanden.

Das Vorbringen, dass die dem Beitreibungsersuchen zugrundeliegende Abgabenforderung wegen des angeblichen Verstoßes gegen das Zitiergebot des Art. 19 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz verfassungswidrig vorgeschrieben worden seien, richtet sich im Ergebnis gegen den Bestand der im einheitlichen Vollstreckungstitel angeführte Abgabenschuldigkeit. Derartige Einwendungen sind jedoch nach § 14 Abs. 1 EU-VAHG, womit die Bestimmung des Art. 14 Abs. 1 der BeitrRL umgesetzt worden ist, bei den zuständigen Behörden in Bulgarien geltend zu machen. Der als vollstreckbarer Exekutionstitel geltende einheitliche Vollstreckungstitel muss nach § 10 Abs. 1 dritter Satz EU-VAHG weder durch einen besonderen Akt anerkannt noch ergänzt werden.

B. Die Forderung sei mit Ablauf des verjährt.

Der gegenständlichen Pfändung beruht auf dem Ersuchen um Betreibung der National Revenue Agency, CLO Directorate (Bulgarien) vom , in dem der als letzter Tag der Verjährungsfrist ausgewiesen ist. Das in der Beschwerde angeführte Betreibungsersuchen aus dem Jahr 2012 war (ist) somit nicht mehr relevant, da dies durch das neue (berichtigte) Ersuchen aus 2016 ersetzt wurde.

Die Pfändung erfolgte am somit vor dem von der Bf. angeführten Frist , weshalb eine Verjährung nicht eingetreten war.

Mit Follow-up vom führte die bulgarische Finanzbehörde zu VOAH-12-1067, ***Bf1*** aus:

"Bezüglich Ihres Schreibens vom betreffend Ablauf der Verjährungsfrist für die Beitreibung von öffentlichen Forderungen, welche mit Steuerbescheid Nr. ***1*** der Fa. ***Bf1*** am vorgeschrieben wurden, darf ich Sie wie folgt informieren: Im Zusammenhang mit dem Beitreibungsersuchen gem Kapitel 27a der Steuer und Sozialversicherungs Vorschrift/Gesetz (TSSPC) hat ein Schriftwechsel betreffend eines Verständigungsverfahrens zw. Bulgarien und Österreich gem. DBA stattgefunden.

Gem. Artikel 269 Absatz 6 des TSSPC für den Zeitraum der Einleitung () bis zum Abschluss des Verständigungsverfahrens () wurde die Vollstreckung ausgesetzt.

Mit Schreiben vom teilte die österreichische Steuerverwaltung der NRB mit, dass ein Verständigungsverfahren auf der Grundlage von Artikel 25 des DBA zwischen Bulgarien und Österreich eingeleitet worden sei, in dem darauf hingewiesen wurde, dass das Verfahren aufgrund einer von ***Bf1*** eingereichten Beschwerde eingeleitet worden sei.

In Anbetracht dessen bin ich der Ansicht, dass auf Antrag des Steuerpflichtigen im Rahmen des Verfahrens der gegenseitigen Beitreibungshilfe nach Kapitel 27a des TSSPC ein Vollstreckungsaufschub in Österreich gewährt worden ist und so bei der Berechnung der Verjährungsfrist für die Beitreibung der Artikel 171 Absatz 2 TSSPC anzuwenden ist.

Die Bestimmung schließt die Anwendung der absoluten Verjährung von 10 Jahren aus, wenn das Beitreibungsverfahren auf Antrag des Steuerschuldners ausgesetzt wird. In Anbetracht auf Art. 269t des TSSPC (tax and Social Security Procedure Code) sollten die von der österr. Steuerbehörde ergriffenen Beitreibungsmaßnahmen bei der Berechnung der Verjährungsfirst den bulgarischen Rechtsvorschriften entsprechen.

Die Schulden der ***Bf1*** wurden mit dem Steuerveranlagungsbescheid Nr. ***1*** / für den Zeitraum bis zum gem. Art. 195 CITA für fällige Steuern festgesetzt. Da die Verbindlichkeiten nach den Festellungen der Steuerveranlagung bis zum erklärungs- und zahlungspflichtig sind, beginnt die Verjährungsfrist für die Beitreibung mit . Gem. Art. 172 Abs. 2 TSSPC, wird durch die Ausstellung des Steuerbescheids die Verjährungsfrist unterbrochen, und durch die Unterbrechung wird eine neue Verjährungsfrist von fünf Jahren eingeführt.

Der Steuerbescheid wurde mit dem Beschluss Nr. 10506 / des Obersten Verwaltungsgerichts angefochten und bestätigt. Die Verjährungsfrist wurde für die Dauer der Beschwerde ausgesetzt.

Die Verjährungsfrist stellt eine Sanktion für den Gläubiger dar, der nicht gehandelt hat und daher nach Ablauf der Verjährungsfrist nicht in der Lage ist, seine Forderung zurückzufordern.

In solchen Fällen, in denen die Aussetzung der Vollstreckung auf Ersuchen des Schuldners erfolgt, ist es nicht gerechtfertigt, der Behörde das Recht zu entziehen, die Forderung zurückzufordern.

Folgedessen läuft die Zehnjahresfrist nach Wegfall des Aussetzungsgrundes für den Rest weiter, der zum Zeitpunkt der Aussetzung noch nicht abgelaufen ist.

Das Verfahren zur Aussetzung der Vollstreckung wurde am eingeleitet. Zu diesem Zeitpunkt wurde Bulgarien über das im Rahmen des DBA zw. BG und AT eingeleitete Verständigungsverfahren unterrichtet. Das Verständigungsverfahren endete am , als Bulgarien mit Schreiben an Österreich bestätige, dass das Verfahren als abgeschlossen betrachtet werden kann obwohl keine Einigung erzielt wurde.

Am waren 4 Jahre, 8 Monate und 21 Tage der gesamten zehnjährigen Verjährungsfrist abgelaufen. Für die Dauer der Aussetzung der Vollstreckung auf Antrag der haftenden Person für den Zeitraum bis ist die absolute Verjährung ausgesetzt. Das Verfahren wird am wiederaufgenommen, der Rest der Verjährung ist somit 5 Jahre, 3 Monate und 9 Tage also ist die Verjährung am ."

Am teilte die ersuchende Behörde mit:

"Gemäß den Bestimmungen des Art. 269u. Abs. 1 in Bezug auf Art. 171 Abs. 2 TSSPC wird während der Zeiträume der Aussetzung der Vollstreckung auf Initiative des Schuldners (d.h. während der Streitigkeit in Österreich) auch die Verjährung gehemmt. Für diese Zeiträume gibt es eine Aussetzung der Vollstreckung auf Antrag des Schuldners. Der letzte Tag der Verjährungsfrist ist daher nicht der , sondern wird mit Aussetzungs-bzw. Berufungsfristen verlängert."

Weiters wird darauf hingewiesen, dass Einwendungen zur Verjährung bei der betreibenden Behörde, somit in Bulgarien einzubringen sind. Auf das Erkenntnis des wird verwiesen.

C Ablehnung der Amtshilfe mangels jeglicher Rechtfertigung eines diskriminierenden und überholten Anspruches

§ 15 Abs. 2 letzter Satz EU-VAHG verbietet den Mitgliedstaaten und damit der belangten Behörde nicht, über die dort genannte Frist hinausgehend Vollstreckungsamtshilfe zu leisten. Die Bestimmung hebt lediglich die Verpflichtung zur Vollstreckungshilfe nach Ablauf dieser Frist auf, ohne jedoch die Vollstreckungsamtshilfe nach Ablauf der Frist zu verbieten (vgl. auch ).

§ 15 Abs. 2 letzter Satz EU-VAHG begründet somit kein subjektives Recht des Betroffenen auf Ablehnung des Amtshilfeersuchens oder auf Unterlassen der Amtshilfeleistung, sondern stellt die Amthilfeleistung in das Ermessen der ersuchten Behörde.

D. Die Forderung stehe in evidentem Widerspruch zu Artikel 17 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union

Gegenstand dieses Erkenntnisses ist ausschließlich die Beschwerde gegen den Pfändungsbescheid vom . Einwendungen die sich gegen den Abgabenanspruch oder die Höhe der Abgabe richten, sind im Veranlagungsverfahren und nicht im Pfändungsverfahren geltend zu machen.

Der Abgabenanspruch unterliegt bulgarischem Recht und ist in einem Verfahren vor dem österreichischen BFG nicht zu prüfen.

Insoferne geht der Einwand, dass die Forderung in evidentem Widerspruch zu Artikel 17 der Charta der Grundrechte steht, ins Leere, da der Bf. nicht behauptet hat, dass im Zusammenhang mit der Pfändung österreichisches Recht gegen Artikel 17 der Charta der Grundrechte verstosse.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben. Die Rechtsfolge ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz bzw. folgt die Entscheidung der dargestellten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.

Wien, am

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben. Die Rechtsfolge ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz bzw. folgt die Entscheidung der dargestellten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 1 EU-VAHG, EU-Vollstreckungsamtshilfegesetz, BGBl. I Nr. 112/2011
§ 10 EU-VAHG, EU-Vollstreckungsamtshilfegesetz, BGBl. I Nr. 112/2011
§ 14 EU-VAHG, EU-Vollstreckungsamtshilfegesetz, BGBl. I Nr. 112/2011
§ 16 EU-VAHG, EU-Vollstreckungsamtshilfegesetz, BGBl. I Nr. 112/2011
RL 2010/24/EU, ABl. Nr. L 84 vom S. 1
§ 65 Abs. 1 AbgEO, Abgabenexekutionsordnung, BGBl. Nr. 104/1949
§ 15 Abs. 2 EU-VAHG, EU-Vollstreckungsamtshilfegesetz, BGBl. I Nr. 112/2011
Art. 17 Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom S. 389
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.7103484.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at