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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 03.05.2021, RV/7105612/2018

Kein Vorsteuerabzug mangels Zurechnung der Leistungen zum Rechnungsaussteller; fehlende Gutgläubigkeit

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch CONFIDA Wirtschaftstreuhandgesellschaft m.b.H., Reithlegasse 4, 1190 Wien, über die gemäß § 253 BAO auch als gegen den Umsatzsteuerbescheid 2016 gerichtet geltende Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Wien 3/6/7/11/15 Schwechat Gerasdorf vom betreffend Festsetzung von Umsatzsteuer für die Zeiträume Juli, Oktober, November und Dezember 2016, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Im Zuge einer bei der beschwerdeführenden GmbH (Bf.) von der Abgabenbehörde durchgeführten USO-Prüfung betreffend den Zeitraum 07/2016-04/2017 wurden nachstehende Feststellungen getroffen:

"Tz. 1 Fremdleistungen Fa. ***GmbH*** GmbH

Die Fa. ***Bf1*** ist Eigentümer eines Zinshauses in ***Adr***. Dieses wird zur Zeit generalsaniert (incl. DG-Ausbau,etc.).

Im Zuge der USO wurde festgestellt, dass sich unter den beauftragten Firmen auch die Firma ***GmbH*** GmbH (FN ***1***) befand, welche aufgrund diverser dem ho Finanzamt bekannter Umstände (wie z.B. Verflechtung mit anderen betrugsverdächtigen Firmen hinsichtlich Missbrauch als Rechnungsschreiber und Anmeldevehikel, massives Ansteigen von Bauleistungsumsätzen und Fremdleistungen durch Scheinrechnungen Dritter auf Millionenbeträge, Anmeldung von mehreren hundert Arbeitnehmern,etc.) und aufgrund einer bei der Fa. ***GmbH*** GmbH durchgeführten Betriebsprüfung als in ein Betrugsszenario involviertes "Unternehmen" qualifiziert wurde.

Der Vorsteuerabzug aus sämtlichen Eingangsrechnungen der Fa. ***GmbH*** GmbH im Prüfungszeitraum wird nicht anerkannt.

Begründung: Die Rechnungen weisen nicht alle zum Vorsteuerabzug erforderlichen Merkmale auf (so fehlen teilweise Leistungszeitraum und Leistungsbeschreibungen). Außerdem kann nicht davon ausgegangen werden, dass es sich beim Rechnungsaussteller auch um den Leistungserbringer handelt (s. obige Ausführungen zur Fa. ***GmbH*** GmbH).

Im Zuge der USO wurde immer wieder beteuert, dass die Leistungen doch erbracht worden wären und diese auch vom beauftragten Architekturbüro ***A*** überprüft worden wären. Aus wirtschaftlichen Gründen wurden natürlich immer die Bestbieter, sprich Billigstbieter beauftragt.

Außerdem wollte man versuchen, vom Masseverwalter der Fa. ***GmbH*** GmbH berichtigte Rechnungen (wg. fehlender Leistungsbeschreibungen, etc.) zu erwirken, was nie geschehen ist.

Eine Überprüfung der gemeldeten Umsatzzahlen der Fa. ***GmbH*** GmbH ergab jedoch, dass keine steuerpflichtigen Umsätze gemeldet worden sind, die von der Fa. ***Bf1*** vorgelegten Rechnungen mit USt-Ausweis also nicht im Rechenwerk der Fa. ***GmbH*** GmbH Eingang gefunden haben, weshalb allein schon deshalb keine Korrektur durch den Masseverwalter erfolgen hätte können.

Am 28.6. erging an die Fa. ***Bf1*** bzw. an deren steuerl. Vertretung eine Fragenliste mit u.a. folgenden die Fa. ***GmbH*** GmbH betreffenden Fragen:

- Wie wurde der Kontakt zur Fa. ***GmbH*** GmbH (zu welchen handelnden Personen) hergestellt?

- Welche Unterlagen betr. ***GmbH*** GmbH wurden vor der Auftragserteilung überprüft?

- Wie hat man sich davon überzeugt, ob die Fa. ***GmbH*** GmbH befugt und auch in der Lage war, die fakturierten Leistungen auszuführen?

Die Beantwortung erfolgte am : "Seit Beginn der 2000er Jahre hat die Familie ***J***, ***B*** und ***C******J***, das Objekt ***Gasse** (dabei handelt es sich um ein im Privateigentum von Hr. ***M***, GF + Mehrheitsgesellschafter der ***Bf1*** befindliches Objekt) betreut. Die damalige ***HV***, hat die Familie ***J*** empfohlen. Die Familie ***J*** wurde damals über die ***HV*** mit der Hausbesorgung und kleineren Sanierungsarbeiten beauftragt. Da die Arbeiten immer zur Zufriedenheit durchgeführt wurden, kam die Familie ***J*** auch in der ***Adr** mit der Firma ***KG1*** bei diversen Arbeiten zum Zug. Da die beauftragten Arbeiten im Laufe der Jahre stetig zunahmen, und auch die Komplexität der Bautätigkeiten stieg, unterrichtete die Familie ***J***, dass zukünftig über eine neue Partnerfirma ***GmbH***, für die sie wiederum als Subfirma tätig sind, die Rechnungslegung von statten gehen soll. Frau ***C******J***, die zur damaligen Zeit ein Angestelltenverhältnis mit der Fa. ***GmbH*** hatte, versicherte mir, dass es zu keinerlei Veränderungen in der Kommunikation und im Ablauf kommen wird. Ich (***M***) hatte zu keiner Zeit persönlichen Kontakt zur Fa. ***GmbH***, mit Ausnahme von Fr. ***J***, die weiterhin meine Ansprechpartnerin für allfällige Korrespondenz und Rechnungslegung war.

Im Zuge der Ausschreibung ***Adr** des Architekturbüro ***A***, teilte mir die Familie ***J*** mit, dass sie sich von der Fa. ***GmbH*** getrennt haben und nunmehr mit der Fa. ***KG2*** zusammen arbeiten würden."

Die Sorfaltspflicht eines Unternehmers beinhaltet auch, sich von der Seriosität der gewählten Gechäftspartner zu überzeugen, und zwar persönlich. Sich auf die Aussagen Dritter - wenn auch Bekannter - zu verlassen, reicht keinesfalls aus. Verletzungen der Sorgfaltspflicht wie im gegenständlichen Fall gehen zu Lasten desjenigen, dem die Verletzung vorzuwerfen ist, weshalb in diesem Fall für die Fa. ***Bf1*** ein Vorsteuerabzug aus den Rechnungen der Fa. ***GmbH*** GmbH nicht zulässig ist."

Das Finanzamt folgte den Prüfungsfeststellungen und anerkannte im Zuge der mit Bescheiden vom erfolgten Umsatzsteuerfestsetzungen für die Monate Juli 2016 und Oktober bis Dezember 2016 die geltend gemachten Vorsteuern aus den Eingangsrechnungen der ***GmbH*** GmbH iHv € 2.800,00 (07/2016), € 6.031,56 (10/2016), € 4.000,00 (11/2016) und € 3.808,00 (12/2016) nicht.

Gegen die Bescheide betreffend Festsetzung von Umsatzsteuer für die Zeiträume 07/2016, 10/2016, 11/2016 und 12/2016 wurde innerhalb der verlängerten Rechtsmittelfrist mit nachstehender Begründung Beschwerde eingebracht:

"Im Betriebs Prüfungsbericht hat sich die Finanzverwaltung bemüht gleich mehrere scheinbare Argumente für die Versagung des Vorsteuerabzuges anzuführen (Betrugsszenario, Rechnungsmerkmale, Sorgfaltspflicht). Offensichtlich um alle denkbaren Argumente aufzuzählen und den Anschein einer erdrückenden Indizienkette zu erzeugen. Der oberflächlichen und einseitigen Betrachtungsweise der Finanzverwaltung ist entschieden entgegenzutreten. Tatsächlich sind die im Betriebsprüfungsbericht angeführten Argumente, bei näherer Betrachtung, in keiner Weise geeignet, den Vorsteuerabzug zu versagen.

Betrugsszenario und Sorgfaltspflicht

Richtig ist, dass nach dem UStG und der Rechtsprechung des EuGH einem Unternehmer kein Recht auf Vorsteuerabzug zusteht, wenn er wusste oder hätte wissen müssen, dass der betreffende Umsatz mit einem Mehrwertsteuerbetrug behaftet war. Die Finanzverwaltung hält im Betriebsprüfungsbericht fest, dass auf Grund einer bei der Fa. ***GmbH*** durchgeführten Betriebsprüfung und diverser dem Finanzamt bekannter Umstände die Fa. ***GmbH*** als ein in ein Betrugsszenario involviertes Unternehmen zu qualifizieren ist. Mit keinem Wort erwähnt ist, auf Grund welcher Umstände dies der Beschwerdeführer wusste oder hätte wissen müssen, oder wie die amtsinternen Informationen und Vorgänge dem Beschwerdeführer hätten bekannt sein müssen.

Die genannte Bestimmung zum Ausschluss des Vorsteuerabzuges im UStG ist derart unbestimmt, dass sie selbst in den erläuternden Bemerkungen, bis auf die Wiederholung des Gesetzestextes und Verweisen auf die EuGH-Judikatur, nicht weiter erläutert wird. Nach der Rechtsprechung des EuGH und auch des VwGH ist die Wortfolge "wusste oder hätte wissen müssen" einschränkend auszulegen, da eine Ausnahme vom grundsätzlich bestehenden Recht auf Vorsteuerabzug normiert wird. Der VwGH hat sich in dem Erk. vom , 2009/13/0172 mit der Versagung des Vorsteuerabzugs im Zusammenhang mit "Wissen müssen" um den Umsatzsteuerbetrug in der Lieferantenkette auseinandergesetzt und dabei unter Hinweis auf die ständige Rechtsprechung des EuGH einige wesentliche Aussagen getroffen. Nach Ansicht des VwGH ist die Versagung des Vorsteuerabzugsrechts eine Ausnahme vom Grundprinzip. Daher obliegt es der Steuerbehörde, die objektiven Umstände hinreichend nachzuweisen, die belegen, dass der Steuerpflichtige vom Mehrwertsteuerbetrug wusste oder hätte wissen müssen (Scheiner/Kolacny/Caganek, Kommentar zur Mehrwertsteuer - UStG 1994, zu § 12 Anm. 80/4). Der VwGH folgt damit dem EuGH hinsichtlich der Festlegung der Beweislast. Die Behörde hat das Wissen oder Wissen Müssen nachzuweisen. Dies wird im gegenständlichen Fall von der Finanzverwaltung nicht einmal versucht.

Nach h.A. gibt es keine abschließenden Kriterien für das "Kennen" bzw "Kennen Müssen" einer Einbeziehung in ein Mehrwertsteuerkarussell (Scheiner/Kolacny/Caganek, Kommentar zur Mehrwertsteuer - UStG 1994, zu § 12 Anm. 80/9). Aus dem Erkenntnis des sind Umstände ersichtlich, die auf ein Wissen müssen des Unternehmers vom Umsatzsteuerbetrug hinweisen können (zu den vom VwGH genannten Umständen siehe die Aufzählung in Scheiner/Kolacny/Caganek, Kommentar zur Mehrwertsteuer - UStG 1994, zu § 12 Anm. 80/9). Keiner der dort angeführten Umstände liegt im gegenständlichen Fall vor. Vielmehr stand dem Beschwerdeführer ein leistungserbringender Unternehmer gegenüber, ausgewiesen durch Firmenbucheintrag, UID-Nr. und ordnungsgemäße Leistungserbringung. Sämtliche erbrachten Leistungen wurden von einem Sachverständigen kontrolliert und frei gegeben. Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass die Finanzverwaltung nicht einmal den Versuch unternommen hat darzutun, dass unser Mandant von Umsatzsteuerbetrug wusste oder wissen musste oder Sorgfaltspflichten verletzt hat.

Dasselbe gilt für den Vorwurf der Verletzung der Sorgfaltspflicht. Nach dem Betriebsprüfungsbericht beinhaltet die Sorgfaltspflicht auch, sich von der Seriosität der gewählten Geschäftspartner zu überzeugen und zwar persönlich. Was dies bedeuten soll, bleibt wiederum offen. Insbesondere ist es in den meisten Fällen gar nicht möglich, sich persönlich zu überzeugen (Geschäftspartner im Ausland etc.). Die Sorgfaltspflichten werden in der Literatur und Judikatur völlig anders interpretiert und definiert. Der VwGH spricht im Erkenntnis vom , 2009/13/0172 von der "Verpflichtung des Unternehmers zur Einhaltung der ihm zumutbaren Sorgfalt iZm umsatzsteuerpflichtigen Geschäften", ohne diese genauer zu definieren. Was zulässigerweise vom Unternehmer erwartet werden kann, entspricht der Sorgfaltspflicht. Dies entspricht dem Grundsatz der Zumutbarkeit und dem Grundsatz, dass der Mitwirkungspflicht Grenzen gesetzt sind. Es darf nichts Unmögliches, Unzumutbares oder Unnötiges verlangt werden (EAS 604, -F/03).

Nach der Rechtsprechung des EuGH (siehe dazu Ruppe/Achatz, UStG § 12 Tz 52 und 92) kommt eine Haftung des Abnehmers für die Besteuerung des Leistenden nicht in Betracht, wenn der Abnehmer alle Maßnahmen trifft, die von ihm vernünftiger Weise verlangt werden können. Hier kommt wiederum der Grundsatz der Zumutbarkeit und Verhältnismäßigkeit zum Ausdruck. Nochmals dürfen wir darauf hinweisen, dass der Beschwerdeführer alle zumutbaren und verhältnismäßigen Maßnahmen gesetzt hat: Überprüfung von Firmenbucheintragung und UID-Nummer sowie Kontrolle der erbrachten Leistungen von einem sachverständigen Architekten.

Die Feststellungslast für das Nichtwissen oder Nichtwissenkönnen wird den Abnehmer nur dann treffen, wenn die Abgabenbehörde zuvor substantiiert Tatsachen und Umstände vorgetragen hat, die die Gutgläubigkeit des Abnehmers in Frage stellen. Die Verpflichtung zur Nachforschung findet bei geschäftsüblichen Transaktionen ihre Grenze in jenen Informationsquellen, deren Ausschöpfung dem Steuerpflichtigen zumutbar ist. Nachforschungen, die über dieses Maß hinausgehen, führen zu einer erheblichen Beeinträchtigung des Wirtschaftsverkehrs und sind bei unverdächtig verlaufender Geschäftsabwicklung unverhältnismäßig (Ruppe/Achatz, UStG § 12 Tz 99). Dabei darf der Leistungsempfänger auf die Richtigkeit der Angaben im UID-Bescheid vertrauen (Taucher, SWK 2007, 74; ). Wir dürfen nochmals darauf hinweisen, dass dem Beschwerdeführer ein durch Firmenbucheintrag und das UID-System legitimierter Unternehmer mit jahrelanger, ordnungsgemäßer Leistungserbringung gegenüberstand.

Zum Vorwurf der Verletzung der Sorgfaltspflicht und dem Betrugsszenario ist insbesondere auch auf folgende Entscheidungen des EuGH zu verweisen:

und C-142/11

Die MwSt-RL steht einer nationalen Praxis entgegen, nach der die Steuerbehörde einem Steuerpflichtigen das Vorsteuerabzugsrecht, mit der Begründung verweigert, der Aussteller der Rechnung über diese Dienstleistungen oder einer der Dienstleistungserbringer des Rechnungsausstellers habe Unregelmäßigkeiten begangen, ohne dass diese Behörde anhand objektiver Umstände nachweist, dass der betroffene Steuerpflichtige wusste oder hätte wissen müssen, dass der zur Begründung dieses Rechts geltend gemachte Umsatz in eine vom Rechnungsaussteller oder einem anderen Wirtschaftsteilnehmer auf einer vorhergehenden Umsatzstufe der Leistungskette begangene Steuerhinterziehung einbezogen war.

Die MwSt-RL steht einer nationalen Praxis entgegen, nach der die Steuerbehörde das Recht auf Vorsteuerabzug mit der Begründung verweigert, der Steuerpflichtige habe sich nicht vergewissert, dass der Aussteller der Rechnung über die Gegenstände, für die das Recht auf Vorsteuerabzug geltend gemacht werde, Steuerpflichtiger sei, dass er über die fraglichen Gegenstände verfügt habe und sie habe liefern können und dass er seinen Verpflichtungen hinsichtlich der Erklärung und Abführung der Mehrwertsteuer nachgekommen sei, oder mit der Begründung, der Steuerpflichtige verfüge neben der Rechnung über keine weiteren Unterlagen, mit denen nachgewiesen werden könnte, dass die genannten Umstände vorlägen, obgleich die in der MwSt-RL vorgesehenen materiellen und formellen Voraussetzungen für die Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug vorliegen und der Steuerpflichtige über keine Anhaltspunkte verfügte, die Unregelmäßigkeiten oder Steuerhinterziehung in der Sphäre des Rechnungsausstellers vermuten ließen.

Die MwSt-RL und der Grundsatz der Steuerneutralität sind dahin auszulegen, dass es der Steuerbehörde untersagt ist, einem Steuerpflichtigen den Vorsteuerabzug für ihm erbrachte Dienstleistungen allein mit der Begründung zu verweigern, dass dem Aussteller der Rechnung die Einzelunternehmerlizenz entzogen worden sei, bevor er die fraglichen Dienstleistungen erbracht oder die betreffende Rechnung ausgestellt habe, wenn diese alle nach Art 226 der RL vorgeschriebenen Angaben enthält, insbesondere diejenigen, die zur Bestimmung des Ausstellers der Rechnung und der Art der erbrachten Dienstleistungen erforderlich sind.

Die MwSt-RL ist dahin auszulegen, dass es der Steuerbehörde untersagt ist, einem Steuerpflichtigen den Vorsteuerabzug für ihm erbrachte Dienstleistungen mit der Begründung zu verweigern, dass der Aussteller der Rechnung über diese Dienstleistungen die von ihm eingesetzten Arbeitnehmer nicht angemeldet habe, ohne dass diese Behörde anhand objektiver Umstände nachweist, dass der Steuerpflichtige wusste oder hätte wissen müssen, dass der zur Begründung des Rechts auf Vorsteuerabzug angeführte Umsatz in eine vom Rechnungsaussteller oder einem anderen Wirtschaftsteilnehmer auf einer vorhergehenden Umsatzstufe der Leistungskette begangene Steuerhinterziehung einbezogen war.

Die MwSt-RL ist dahin auszulegen, dass die Tatsache, dass der Steuerpflichtige nicht überprüft hat, ob zwischen den auf der Baustelle beschäftigten Arbeitnehmern und dem Rechnungsaussteller eine Rechtsbeziehung besteht und ob Letzterer diese Arbeitnehmer angemeldet hat, keinen objektiven Umstand darstellt, der den Schluss zulässt, dass der Empfänger der Rechnung wusste oder hätte wissen müssen, dass er sich an einem Umsatz beteiligte, der in eine Mehrwertsteuerhinterziehung einbezogen war, wenn er über keine Anhaltspunkte verfügte, die Unregelmäßigkeiten oder Steuerhinterziehung in der Sphäre des Rechnungsausstellers vermuten ließen. Daher kann das Recht auf Vorsteuerabzug aufgrund des genannten Umstands nicht verweigert werden, wenn die in der RL vorgesehenen materiellen und formellen Voraussetzungen für die Ausübung dieses Rechts erfüllt sind.

Liefert die Steuerbehörde konkrete Anhaltspunkte für einen Betrug, verbieten die MwSt-RL und der Grundsatz der Steuerneutralität es nicht, dass das nationale Gericht auf der Grundlage einer umfassenden Beurteilung des konkreten Falles prüft, ob der Aussteller der Rechnung den fraglichen Umsatz selbst ausgeführt hat. Bei einem Sachverhalt wie dem des Ausgangsverfahrens darf das Recht auf Vorsteuerabzug jedoch nur dann verweigert werden, wenn die Steuerbehörde anhand objektiver Umstände nachweist, dass der Rechnungsempfänger wusste oder hätte wissen müssen, dass der zur Begründung des Rechts auf Vorsteuerabzug angeführte Umsatz in eine vom Rechnungsaussteller oder einem anderen Wirtschaftsteilnehmer auf einer vorhergehenden Umsatzstufe der Leistungskette begangene Steuerhinterziehung einbezogen war.

, LVK - 56 EOOD

Art 203 MwSt-RL ist dahin auszulegen, dass

• die von einer Person in einer Rechnung ausgewiesene Mehrwertsteuer von dieser Person unabhängig davon geschuldet wird, ob ein steuerpflichtiger Umsatz tatsächlich vorliegt;

• allein aus dem Umstand, dass die Steuerverwaltung in einem an den Aussteller dieser Rechnung ergangenen Steuerprüfungsbescheid die von diesem erklärte Mehrwertsteuer nicht berichtigt hat, nicht geschlossen werden kann, dass diese Verwaltung anerkannt hat, dass der Rechnung ein tatsächlich bewirkter steuerpflichtiger Umsatz gegenübersteht.

Das Unionsrecht ist dahin auszulegen, dass die Art 167 und 168 Buchst a MwSt-RL sowie die Grundsätze der steuerlichen Neutralität, der Rechtssicherheit und der Gleichbehandlung es nicht verwehren, dass dem Empfänger einer Rechnung mangels Vorliegens eines tatsächlich bewirkten steuerpflichtigen Umsatzes das Recht auf Vorsteuerabzug versagt wird, obwohl die vom Aussteller der Rechnung erklärte Mehrwertsteuer in dem an diesen ergangenen Steuerprüfungsbescheid nicht berichtigt wurde. Wird jedoch in Anbetracht von Steuerhinterziehungen oder Unregelmäßigkeiten, die dieser Aussteller begangen hat oder die dem Umsatz, auf den das Recht auf Vorsteuerabzug gestützt wird, vorausgegangen sind, davon ausgegangen, dass dieser Umsatz tatsächlich nicht bewirkt wurde, ist anhand objektiver Gesichtspunkte und ohne dass vom Rechnungsempfänger Nachprüfungen verlangt werden, die ihm nicht obliegen, nachzuweisen, dass der Rechnungsempfänger wusste oder wissen musste, dass dieser Umsatz in eine Hinterziehung von Mehrwertsteuer einbezogen war, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist.

Aus den angeführten EuGH Entscheidungen ergibt sich mit Deutlichkeit, dass Wissen oder wissen müssen von der Behörde nachzuweisen ist und Nachprüfungen nicht dem Rechnungsempfänger obliegen.

Rechnungsmerkmale

Auch der Hinweis auf angeblich fehlende Rechnungsmerkmale ist ein Scheinargument der Finanzverwaltung. Nach Ansicht der Finanzverwaltung im Betriebsprüfungsbericht fehlen teilweise Leistungszeitraum und Leistungsbeschreibungen. Abgesehen davon, dass alle Rechnungsmerkmale vorliegen, ist die Rechtsprechung zu überzogenen Formalanforderungen zahllos.

Zu den angeblich teilweise fehlenden Leistungsbeschreibungen ist zu bemerken, dass die Angabe von Art und Umfang der Leistung die Kontrolle darüber erleichtern soll, ob die abgerechneten Leistungen tatsächlich für das Unternehmen ausgeführt werden bzw. ob sie allenfalls im Zusammenhang mit steuerfreien Umsätzen stehen (vgl. Ruppe/Achatz, UStG4, § 11 Tz. 68). Welche Bezeichnungen genügen, hängt nach Auffassung des VwGH von den Umständen des Einzelfalls ab (). Von einer Verletzung von Verfahrensvorschriften ist auszugehen, wenn die Begründung jegliche sachverhaltsmäßige Feststellungen vermissen lässt, aus denen sich ergibt, dass die in den Rechnungen verwendeten Bezeichnungen nicht solche sind, die im allgemeinen Geschäftsverkehr verwendet werden (). Die Bezeichnung der Leistung in der Rechnung kann immer nur ein Indiz (und nicht mehr) dafür sein, ob die Leistung für das Unternehmen ausgeführt wurde. Bestehen daher aus anderen Gründen keine Zweifel daran, wäre es unsachlich, den Vorsteuerabzug an der Leistungsbezeichnung scheitern zu lassen (vgl. Ruppe/Achatz, UStG4, § 11 Tz. 68).

Welche sachverhaltsmäßige Feststellung die Betriebsprüfung veranlasste anzunehmen, dass es sich bei den verwendeten Bezeichnungen nicht um solche handelt, die im allgemeinen Geschäftsverkehr verwendet werden, ist weder dem Bericht, noch der Bescheidbegründung zu entnehmen. Abgesehen davon enthalten sämtliche gegenständlichen Rechnungen Leistungsbeschreibungen und auch Verweise auf Anbote.

Auch enthalten sämtliche Rechnungen den Leistungszeitraum, bei Anzahlungsrechnungen (die begrifflich vor Ausführung der Leistung gestellt werden) ist die Angabe des Leistungszeitraumes schwierig.

Abgesehen davon ist die Judikatur zu den Auswirkungen etwaiger formeller Rechnungsmängel zahlreich. Vor dem Hintergrund des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und insbesondere des zentralen Grundsatzes der Neutralität der Mehrwertsteuer verbietet der EuGH den Vorsteuerabzug nur aus formalrechtlichen Gründen zu verweigern (siehe ausführlich Ruppe/Achatz, UStG, § 12 Anm. 51ff; Mayr, SWK 2016/33 1408ff und die dort zitierte Judikatur; , Schinnerl, ÖStZ 2014/963). Auch der Hinweis auf angeblich fehlende Rechnungsmerkmale entpuppt sich daher als Scheinargument der Finanzverwaltung.

Ergebnis

Keines der im Prüfungsbericht angeführten Scheinargumente der Finanzverwaltung ist geeignet den Vorsteuerabzug zu verweigern. Die von der Betriebsprüfung vorgenommene Interpretation ist weit überschießend, unverhältnismäßig und widerspricht der Judikatur des EuGH. Umgangssprachlich formuliert ist die Ansicht der Betriebsprüfung ein Schuss ins Blaue, ohne fundierte rechtliche Grundlage, einseitig zu Lasten des Steuerpflichtigen und geht weit über das Ziel hinaus. Einem österreichischen unbescholtenen Steuerzahler wird auch die Beweislast für rechtsrichtiges Handeln seines Geschäftspartners auferlegt. De facto ist die Grenze zur Willkür überschritten, insbesondere da nicht einmal versucht wurde die Scheinargumente zu begründen. Es wird das Kind mit dem Bade ausgeschüttet und versucht die Konsequenzen der Handlungen weniger schwarzer Schafe unbescholtenen Steuerpflichtigen aufzubürden bzw. die Verantwortung mit ungeeigneten Mitteln auf den Beschwerdeführer abzuwälzen.

Bestimmte Formalanforderungen (auch zur Missbrauchsvermeidung) sind notwendig. Die Interpretation und Anwendung darf aber nicht überschießend sein und dem Steuerpflichtigen - unter dem Deckmantel der Sorgfaltspflichten oder Missbrauchsvermeidung - Unzumutbares und Unerfüllbares auferlegen. Die Grenze ist durch die Begriffe Übermaß, Unzumutbarkeit und Verhältnismäßigkeit definiert. Außerhalb der gesetzlichen Sorgfaltspflichten und substantiierter behördlicher Feststellungen gibt es keine Beweislastumkehr dahingehend, dass der Steuerpflichtige jedwedes steuerliche Risiko trägt.

Insbesondere kommt eine de facto Haftung des Beschwerdeführers für die Besteuerung des Leistenden nach der Rechtsprechung des EuGH nicht in Betracht. Der Beschwerdeführer wusste nicht und konnte auch nicht wissen, dass der Leistende Teil eines Betrugsszenarios geworden ist. Die Finanzverwaltung versucht auch gar nicht dies darzutun. Es dürfen vom Rechnungsempfänger nach der Judikatur keine Nachprüfungen verlangt werden, die ihm nicht obliegen. Die Ansicht der Betriebsprüfung widerspricht auch der Rechtsprechung des EuGH zum zentralen Grundsatz der Neutralität der Umsatzsteuer und der Bedeutung der formalen Betrachtungsweise bei der Beurteilung umsatzsteuerlicher Sachverhalte."

Abschließend wurde der Antrag gestellt, der Beschwerde stattzugeben, die bekämpften Bescheide aufzuheben und den Vorsteuerabzug anzuerkennen.

Am wurde der Umsatzsteuerjahresbescheid 2016 erlassen und die geltend gemachten Vorsteuern entsprechend den Ergebnissen der USO 07-12/2016 angepasst.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde gegen den Umsatzsteuerbescheid 2016 als unbegründet abgewiesen und nach Darlegung des Verfahrensblaufes ausgeführt:

"Das Recht auf Vorsteuerabzug entfällt, wenn der Unternehmer wusste oder wissen musste, dass der betreffende Umsatz im Zusammenhang mit Umsatzsteuerhinterziehungen oder sonstigen, die Umsatzsteuer betreffenden Finanzvergehen steht (nunmehr § 12 Abs. 14 UStG).

Ist die Leistung dem Rechnungsaussteller nicht zuzurechnen, so steht der Vorsteuerabzug nicht zu (, Ruppe, UStG3 § 12 Rz 36).

Als Aussteller einer Rechnung kommt nur der leistende Unternehmer oder dessen gesetzlicher Vertreter (z.B. Ausstellung der Rechnung durch den Insolvenzverwalter im Insolvenzverfahren) in Betracht. Die Berichtigung einer hinsichtlich des Steuerbetrages unrichtig ausgestellten Rechnung kann nur der Rechnungsaussteller vornehmen. Eine einseitige Berichtigung der Angaben in einer Rechnung durch den Leistungsempfänger im Allgemeinen und hinsichtlich des ausgewiesenen Steuerbetrages im Besonderen hat nicht die Wirkung einer Berichtigung der Rechnung im Sinne des Umsatzsteuergesetzes (§ 11 Abs. 12 iVm § 16 Abs. 1 UStG).

Die Leistungsbezeichnung gemäß § 11 Abs. 1 Z 3 lit. c) UStG muss bei sonstigen Leistungen die Art und den Umfang der Leistung ersichtlich machen (vgl. ). Gattungsbezeichnungen wie Reparaturen, Lohnarbeit, Fuhrleistungen ohne weitere Angaben sind nicht ausreichend.

Tritt ein Bescheid an die Stelle eines mit Bescheidbeschwerde angefochtenen Bescheides, so gilt die Bescheidbeschwerde auch als gegen den späteren Bescheid gerichtet. Dies gilt auch dann, wenn der frühere Bescheid einen kürzeren Zeitraum als der ihn ersetzende Bescheid umfasst (§ 253 BAO).

Die ***GmbH*** GmbH wurde am errichtet. Im Zuge einer Betriebsprüfung bei der ***GmbH*** GmbH wurde festgestellt, dass diese in Verdacht stehe, Scheinrechnungen auszustellen und Dienstnehmer zum Schein anzumelden. Von bis waren 190 Dienstnehmer bei der ***GmbH*** GmbH gemeldet. Beim Sitz der ***GmbH*** GmbH in ***Str***/TG, handelt es sich um ein Kellerlokal mit straßenseitigem Eingang, an dessen Tür sich zwar die Aufschrift ***GmbH*** GmbH findet, ansonsten aber mit Gerümpel vollgeräumt war. Es war kein Licht eingeschaltet. Der Gesellschafter der ***GmbH*** GmbH, ***H***, hat erstmalig am - also 2 Wochen vor der Errichtung der ***GmbH*** GmbH - einen Hauptwohnsitz in Österreich begründet. Ab dem bis zur Abmeldung am war ***H*** stets am Sitz der ***GmbH*** GmbH in ***S-Gasse*** bzw. ***Str*** gemeldet. ***H*** war ab nicht mehr zur gewerblichen Sozialversicherung gemeldet, obwohl er noch bis Anfang 2017 als Geschäftsführer der ***GmbH*** GmbH im Firmenbuch eingetragen war. Es ist auch kein Lohnzettel für ***H*** für das Jahr 2016 aktenkundig. Daraus ist für die Finanzverwaltung abzuleiten, dass ***H*** zumindest ab dem nicht mehr für die ***GmbH*** GmbH tätig war und die ***GmbH*** GmbH somit faktisch über keinen Geschäftsführer mehr verfügte.

Auch der spätere Gesellschafter ***R*** war ab am Sitz der ***GmbH*** GmbH gemeldet. Auf die Ankündigung einer Betriebsprüfung im März 2017 erfolgte keine Reaktion seitens der ***GmbH*** GmbH, nur kurze Zeit nach der Ankündigung wurde der Konkurs eröffnet.

In den Monaten 09/2016 bis 12/2016 - und somit genau ab dem Monat, in dem das vorgebliche Angebot für das Projekt ***Adr** von der ***GmbH*** GmbH an die ***Bf1*** gelegt worden sein soll - wurden keine Umsatzsteuervoranmeldungen (UVAs) abgegeben. In den letzten Monaten für die noch UVAs abgegeben wurden, haben sich die Umsätze der ***GmbH*** GmbH von etwa € 230.000 im Jahr 2013 auf über € 7.000.000 im Zeitraum 01/2016 bis 08/2016 erhöht. Diese plötzlichen Umsatzsteigerungen sind der Finanzverwaltung bei Betrugsunternehmen in der Baubranche bekannt. Der Finanzverwaltung liegt eine Kontrollmitteilung über zwei von der ***GmbH*** GmbH ausgestellte Rechnungen vom April 2013 vor, die vom damaligen Geschäftsführer-GeselIschafter ***H*** unterzeichnet und mit einem Stempel des Unternehmens versehen sind. Das von der ***GmbH*** GmbH vorgeblich gelegte "Angebot Musterwohnung" vom ist hingegen ebenso wie die vorgeblich von der ***GmbH*** GmbH ausgestellten Rechnungen nicht unterschrieben und nennt auch keinen Ansprechpartner bei der ***GmbH*** GmbH. Wie oben ausgeführt geht die Finanzverwaltung davon aus, dass der eingetragene Geschäftsführer ***H*** ab dem nicht mehr für die ***GmbH*** GmbH tätig war. Der Umstand, dass ***H*** im Jahr 2013 noch Rechnungen abgestempelt und unterschrieben hat, bekräftigt den Eindruck, dass die vorgeblich von der ***GmbH*** GmbH gelegten Rechnungen tatsächlich nicht von dieser gelegt worden sind.

Von den vorgeblich von der ***GmbH*** GmbH fakturierten Rechnungen fällt lediglich eine einzige in den Zeitraum, in dem von der ***GmbH*** GmbH UVAs abgegeben wurden (Rechnung Nr. 182/2016 vom ). Alle anderen Rechnungen wurden in einem Zeitraum gelegt, in dem von der ***GmbH*** GmbH keine UVAs mehr abgegeben wurden. In Anbetracht der Umstände geht die Finanzverwaltung davon aus, dass die ***GmbH*** GmbH zumindest ab den Jahren 2015 und 2016 nur noch zur Ausstellung von Rechnungen und zur Anmeldung von Dienstnehmern verwendet wurde, jedoch nicht mehr operativ tätig war und somit auch nicht der Leistungserbringer beim Bauprojekt ***Adr** 25 war. Daher steht der ***Bf1*** das Recht auf Vorsteuerabzug aus den gegenständlichen Rechnungen nicht dazu.

Die Baubranche ist - vor allem was die arbeitsintensiven Leistungsbereiche betrifft - aus Sicht der Finanzverwaltung als Hochrisikobranche einzustufen. An die Befolgung der Abgabengesetze sowie der sozialversicherungs- und unternehmensrechtlichen Bestimmungen und auch an die Einhaltung der Sorgfaltspflichten eines ordentlichen Unternehmers sind besondere Maßstäbe anzulegen und mit der angemessenen Genauigkeit zu kontrollieren. In der Baubranche kann sich der Abgabenpflichtige nicht lediglich darauf berufen, dass mit der Anforderung von Firmenbuchauszug, Gewerbeberechtigung und Steuernummer sämtliche steuerliche Vorschriften erfüllt und der Abgabenpflichtige allenfalls im guten Glauben über die fakturierende Gesellschaft geblieben sei (z.B. ; ). Einem Auftraggeber ist es zumutbar und möglich, sich anlässlich einer Auftragsvergabe von der Seriosität des Auftragnehmers zu überzeugen ( mwN). Das Handeln im bloßen Vertrauen auf einen bisherigen Geschäftspartner reicht für die Gutgläubigkeit des Unternehmers in der Baubranche keinesfalls aus. Bei Vorliegen weiterer Auffälligkeiten wird ein ordentlicher Unternehmer weitere Nachforschungen durchführen.

Der Kontakt mit der ***GmbH*** GmbH kam nach der Aussage von ***M*** über Frau ***C******J*** zustande. Es bestand zu keiner Zeit ein persönlicher Kontakt zur ***GmbH*** GmbH, auch deren Geschäftsräumlichkeiten wurden durch den Steuerpflichtigen niemals aufgesucht. Die Ansprechpartnerin für die Kommunikation und Rechnungslegung war ***C******J***. Aus der oben zitierten Vorhaltsbeantwortung ist ersichtlich, dass seitens der ***Bf1*** kein Kontakt zur ***GmbH*** GmbH bestand und dass von der ***Bf1*** auch nicht versucht wurde, Kontakt zur ***GmbH*** GmbH aufzunehmen, wodurch die unternehmerischen Sorgfaltspflichten verletzt worden sind. Für die Finanzverwaltung ist schon aus eigenwirtschaftlichen Interessen des Unternehmers nicht nachvollziehbar, dass die gesamte Geschäftsanbahnung und Abrechnung über eine einzelne Dienstnehmerin eines Unternehmens laufen sollte und man sich nicht zumindest einmal mit der Geschäftsleitung des neuen Geschäftspartners in Verbindung gesetzt hat.

Insbesondere in der für Steuerbetrug hochanfälligen Baubranche hat sich der Unternehmer unter Einhaltung unternehmerischer Sorgfaltspflichten persönlich von der Seriosität des vermeintlichen Geschäftspartners zu überzeugen. Dies wäre der Beschwerdeführerin zweifellos zumutbar gewesen, da sich der Sitz der ***GmbH*** GmbH ebenso wie das gegenständliche Bauvorhaben in 1110 Wien befunden hat. Bei versuchter Kontaktaufnahme mit den verantwortlichen Organen der ***GmbH*** GmbH seitens der ***Bf1*** wäre leicht festzustellen gewesen, dass es sich bei der ***Bf1*** um ein nicht mehr real wirtschaftendes Unternehmen handelt. Wenn die Beschwerdeführerin vorbringt, es sei der Firmenbuchauszug und die UID-Nummer überprüft worden, so sei zunächst auf das oben genannte Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts zu verweisen. Überdies hat die UID-Nummer keine Indizwirkung für die Frage, ob ein Unternehmen seinen steuerlichen Verpflichtungen nachkommt, also ob es etwa regelmäßig Umsatzsteuervoranmeldungen abgibt. Aus der Erteilung einer UID-Nummer kann bezüglich des Umfangs einer unternehmerischen Tätigkeit nichts abgeleitet werden (). Der Unternehmer benötigt eine UID-Nummer für die Teilnahme am innergemeinschaftlichen Handel (). Die UID-Nummer hat primär den Zweck, die ordnungsgemäße Besteuerung des innergemeinschaftlichen Handels sicherzustellen, indem sie einerseits dem Steuerpflichtigen das Vorliegen von Tatbestandselementen signalisiert, deren Kenntnis er für die richtige Besteuerung benötigt, andererseits den Finanzbehörden die Kontrolle der korrespondierenden steuerlichen Behandlung des innergemeinschaftlichen Handels erlaubt. Zusätzlich dient die UID-Nummer dazu, in einzelnen Fällen die Besteuerung praktikabler zu gestalten bzw. Steuerhinterziehungen hintanzuhalten ().

Dass einem Unternehmen möglicherweise Jahre vor einer Geschäftsanbahnung eine UIDNummer vergeben wurde, besagt noch nicht, dass es sich bei diesen Unternehmen im Streitzeitraum um real wirtschaftende Unternehmen gehandelt hat.

Die Überprüfung der angeblich von der ***GmbH*** GmbH erbrachten Leistungen durch einen Architekten vermögen nicht die Seriosität des Vertragspartners zu belegen, da die ausgeführte Bauleistung in keinem Zusammenhang mit der Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten steht. Im Ergebnis wurden die unternehmerischen Sorgfaltspflichten von der ***Bf1*** nicht eingehalten, weshalb der Vorsteuerabzug auch gemäß § 12 Abs. 14 UStG nicht zusteht.

Da es sich bei der ***GmbH*** GmbH nach Ansicht der Finanzverwaltung nicht um den Leistungserbringer beim gegenständlichen Bauprojekt handelt, sind der vorgebliche Leistungserbringer und der vorgebliche Rechnungsaussteller nicht ident, weshalb der Vorsteuerabzug auch gemäß §§ 11 iVm 12 Abs. 1 Z 1 UStG nicht zusteht.

Bei Rechnung Nr. 182/2016 über € 16.800 ist keine Leistungsbeschreibung ermittelbar. Es werden lediglich Baumeisterarbeiten, Elektroarbeiten und Installationsarbeiten angeführt, welche weder über die exakte Art noch über den Umfang der vorgeblich erbrachten Leistungen Aufschluss geben. Auch die Angabe des Leistungszeitraums fehlt. Die 1. Teilrechnung Nr. 385/2016 über € 15.240 beinhaltet keine Leistungsbezeichnung, es sind lediglich Gattungsbegriffe angeführt, die über Art und Umfang der vorgeblich abgerechneten Leistungen keine Auskunft geben. Bei den Rechnungen Nr. 331/2016 über € 30.189,33 sowie Nr. 359/2016 über € 24.000 ergibt sich die Leistungsbeschreibung aus dem Verweis auf das Angebot vom . Auch Rechnung Nr. 384/2016 über € 7.608 beinhaltet eine Leistungsbeschreibung. Hinsichtlich der drei letztgenannten Rechnungen kann der Vorsteuerabzug somit nicht wegen formaler Mängel, jedoch aufgrund der Verletzung unternehmerischer Sorgfaltspflichten versagt werden."

Mit Eingabe vom wurde der Antrag auf Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht gestellt und darin eingewendet, dass sich die Begründung zur Beschwerdevorentscheidung im Wesentlichen auf die Wiedergabe des bisherigen Verfahrens und die Darstellung der amtsinternen Ermittlungen und Feststellungen zur Fa. ***GmbH*** GmbH beschränke. Sie enthalte keinerlei Ausführungen darüber, wie die Wahrnehmungen der Finanzverwaltung bezüglich der ***GmbH*** GmbH der Bf. bekannt sein hätten können oder müssen und wodurch genau und in welcher Weise eine Verletzung der Sorgfaltspflichten durch die Beschwerdeführerin eingetreten sei. Die Finanzverwaltung vertrete eine weit überschießende Interpretation, die nicht den gesetzlichen Vorgaben und nicht der Judikatur entspreche und die dem Unternehmer ungebührliche, nicht aus dem Gesetz und der Judikatur ableitbare, und in der Regel de facto nicht durchführbare Verpflichtungen auferlege.

Die Begründung zur Beschwerdevorentscheidung gehe auf die in der Beschwerde vorgebrachten Argumente nicht ein.

Die gegenständlichen Leistungen seien zweifelsfrei erbracht worden und die Bf. habe keinen Anhaltspunkt gehabt, dass der Rechnungsaussteller nicht die leistende Gesellschaft sei. Der Beschwerdevorentscheidung sei auch nicht zu entnehmen, welches gesetzliche Kriterium die "Seriosität" des Vertragspartners für den Vorsteuerabzug sein solle.

Die vermeintliche Verletzung der Sorgfaltspflicht habe nicht stattgefunden. Auch die angeführten vermeintlichen formellen Rechnungsmängel seien de facto keine solchen. Dazu werde auf die Ausführungen in der Beschwerde verweisen. Die Finanzverwaltung habe sich mit den vorgebrachten Argumenten und der in der Beschwerde angeführten Judikatur in keiner Weise auseinandergesetzt.

Mit Eingabe vom wurden die Anträge auf Entscheidung durch den Senat und Durchführung einer mündlichen Verhandlung zurückgezogen.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Die Bf. ist Eigentümerin eines Zinshaus in ***Adr***, das in den Jahren 2016 und 2017 generalsaniert wurde.

Im Jahr 2016 wurde - über Vermittlung der dem Geschäftsführer der Bf., ***M***, persönlich bekannten Familie ***J*** - die Fa. ***GmbH*** GmbH (Fa. ***GmbH***), mit der Durchführung diverser Sanierungsarbeiten beauftragt. ***M*** hatte zu keiner Zeit persönlichen Kontakt zur Fa. ***GmbH***, seine Ansprechpartnerin war ***C*** ***J***, die zum damaligen Zeitpunkt bei der Fa. ***GmbH*** angestellt war.

Im Zuge der Ausschreibung der Sanierungsarbeiten durch das mit der Planung des Bauvorhabens befasste Architekturbüro ***A*** zu Beginn des Jahres 2017 wurde - ebenfalls über Vermittlung durch die Familie ***J*** - die ***KG2*** mit der Durchführung der Generalsanierung beauftragt.

Die Abgabenbehörde verweigerte die Anerkennung der geltend gemachten Vorsteuern aus nachstehenden Eingangsrechnungen der ***GmbH*** GmbH:

Rechnung Nr. 182/2016 vom über € 16.800,00
Rechnung Nr. 331/2016 vom über 36.189,33
Rechnung Nr. 359/2016 vom über € 24.000,00
Rechnung Nr. 384/2016 vom über € 7.608,00
1. Teilrechnung Nr. 385/2016 vom über € 15.240,00

Die Fa. ***GmbH*** wurde am errichtet. Als Geschäftsführer fungierte ***H***, der erstmalig am einen Hauptwohnsitz in Österreich begründet hat. Mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom ***Datum***, ***Zahl***, wurde über das Vermögen der Gesellschaft das Konkursverfahren eröffnet. Am wurde die Firma infolge Vermögenslosigkeit von Amts wegen gemäß § 40 FBG gelöscht 005.

Bei der Fa. ***GmbH*** handelt es sich um ein in ein Betrugsszenario verwickeltes Unternehmen.

Die den strittigen Rechnungen zu Grunde liegenden Leistungen wurden nicht von der rechnungsausstellenden Fa. ***GmbH*** erbracht.

Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt gründet - soweit er die Fa. ***GmbH*** betrifft - auf einer Abfrage im Firmenbuch; die Feststellungen betreffend Geschäftsanbahnung der Bf. mit der Fa. ***GmbH*** ergeben sich aus dem dem BFG vorliegenden Akteninhalt, insbesondere den Angaben des Geschäftsführers der Bf.

Die Feststellung, dass die Fa. ***GmbH*** in ein Betrugsszenario involviert war, wird von der Bf. nicht bestritten.

Die Feststellung, dass die fakturierten Leistungen nicht von der Fa. ***GmbH*** erbracht wurden, beruht auf nachstehenden Erwägungen:

Ermittlungen der Abgabenbehörde sowie eine bei der Fa. ***GmbH*** durchgeführte Betriebsprüfung haben ergeben, dass die Fa. ***GmbH*** vom bis insgesamt 190 Dienstnehmer bei der Sozialversicherung angemeldet hat. Ab September 2016 wurden keine Umsatzsteuervoranmeldungen mehr abgegeben. In den Monaten 01-08/2016, für die noch Umsatzsteuervoranmeldungen abgegeben wurden, ist es zu einer Umsatzsteigerung gegenüber 2013 von € 7,000.000 gekommen (2013: € 230.000).

Das an die Bf. gelegte "Angebot Musterwohnung" der Fa. ***GmbH*** vom ist nicht unterschrieben und enthält auch keinen Ansprechpartner. Ebenso fehlt auf den an die Bf. von der Fa. ***GmbH*** gelegten Rechnungen eine Unterschrift. Hingegen sind zwei der Abgabenbehörde vorliegende, im Jahr 2013 (an die Fa. ***KG3***) ausgestellte Rechnungen vom damaligen Geschäftsführer ***H*** unterzeichnet und mit dem Firmenstempel versehen. Mit Ausnahme der Rechnung Nr. 182/2016 vom wurden alle Rechnungen in einem Zeitraum gelegt, als die Fa. ***GmbH*** keine Umsatzsteuervoranmeldungen mehr abgegeben hat.

Der im Firmenbuch eingetragene Geschäftsführer, ***H***, war ab nicht mehr zur gewerblichen Sozialversicherung gemeldet und es wurde für das Jahr 2016 kein Lohnzettel mehr für ihn ausgestellt. ***H*** war zumindest ab dem nicht mehr für die ***GmbH*** GmbH tätig.

Das BFG geht im Rahmen einer Gesamtbetrachtung vorstehender Ausführungen in freier Beweiswürdigung davon aus, dass die Fa. ***GmbH*** im Jahr 2016 nicht mehr operativ tätig war, sondern nur noch Scheinrechnungen ausgestellt sowie Dienstnehmer bloß zum Schein angemeldet hat und daher nicht Leistungserbringer des Bauprojektes ***Adr** 25 war.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

3.1.1. Tritt ein Bescheid an die Stelle eines mit Bescheidbeschwerde angefochtenen Bescheides, so gilt die Bescheidbeschwerde auch als gegen den späteren Bescheid gerichtet. Dies gilt auch dann, wenn der frühere Bescheid einen kürzeren Zeitraum als der ihn ersetzende Bescheid umfasst (§ 253 BAO).

Ein Umsatzsteuerjahresbescheid, der im Zuge der Veranlagung erlassen wurde (§ 21 Abs 4 UStG 1994) tritt an die Stelle der diesen Veranlagungszeitraum umfassenden Umsatzsteuerfestsetzungsbescheiden (vgl ).

Demnach gilt die ursprünglich seitens der Bf. gegen die Umsatzsteuerfestsetzungsbescheide 07/2016 und 10-12/2016 vom erhobene Beschwerde auch gegen den später erlassenen Umsatzsteuerjahresbescheid 2016 vom gerichtet.

3.1.2. Gemäß § 11 Abs. 1 UStG 1994 müssen Rechnungen u.a. den Namen und die Anschrift des liefernden oder leistenden Unternehmers, die Menge und die handelsübliche Bezeichnung der gelieferten Gegenstände oder die Art und den Umfang der sonstigen Leistung sowie den Tag der Lieferung oder sonstigen Leistung oder den Zeitraum, über den sich die Leistung erstreckt; enthalten

Gemäß § 12 Abs. 1 Z 1 UStG 1994 kann der Unternehmer die von anderen Unternehmern in einer Rechnung (§11 leg.cit.) an ihn gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die im Inland für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuerbetrag abziehen

Gem. Abs. 14 leg.cit. entfällt das Recht auf Vorsteuerabzug, wenn der Unternehmer wusste oder wissen musste, dass der betreffende Umsatz im Zusammenhang mit Umsatzsteuerhinterziehungen oder sonstigen, die Umsatzsteuer betreffenden Finanzvergehen steht. Dies gilt insbesondere auch, wenn ein solches Finanzvergehen einen vor- oder nachgelagerten Umsatz betrifft.

3.1.3. Übliche Bezeichnung von Art und Umfang der sonstigen Leistung und Leistungszeitraum

Der Leistungsgegenstand wird in der Rechnung Nr. 182/2016 mit "Baumeisterarbeiten Eiektroarbeiten Installateurarbeiten" und in der 1. Teilrechnung Nr.385/2016 mit "Teilarbeiten: Elektroarbeiten, Installationsarbeiten, Abwasserverrohrung inkl. Material und Arbeitsleistung" umschrieben, ohne dass in den Rechnungen ein Verweis auf weitere Unterlagen erfolgt.

Bei den Rechnungen Nr. 331/2016 und Nr. 359/2016 ergibt sich die Leistungsbeschreibung aus dem Verweis auf das Angebot vom . Rechnung Nr. 384/2016 enthält eine Leistungsbeschreibung.

Ebenso wie die Lieferungen müssen sonstige Leistungen in einer Rechnung in einer Weise beschrieben werden, die im allgemeinen Geschäftsverkehr die hierfür allgemein verwendete Bezeichnung ist (vgl. ). Das Gesetz normiert die entsprechende Bezeichnung in der Rechnung, um die Erhebung der Mehrwertsteuer und die Überprüfung des Vorsteuerabzuges durch die Abgabenbehörde sicherzustellen (vgl. ).

Wie das Finanzamt zutreffend ausgeführt hat, geht aus den in den Rechnungen Nr. 182/2016 und Nr.385/2016 angeführten Arbeiten weder die exakte Art noch der Umfang der erbrachten Leistungen hervor. Diese Rechnungen umschreiben den jeweiligen Leistungsgegenstand - bei einem ein ganzes Mietshaus betreffenden Bauvorhaben - nicht in einer so konkreten Weise, dass die Überprüfung der Berechtigung des Vorsteuerabzugs sichergestellt ist. Auf der Rechnung Nr. 182/2016 fehlt zudem der Leistungszeitraum.

3.1.4. Leistungserbringung durch die Fa. ***GmbH***:

Gemäß § 11 Abs 1 Z 3 lit.a UStG 1994 müssen Rechnungen den Namen und die Anschrift des liefernden oder leistenden Unternehmers enthalten. Diese Angabe dient nicht nur der Kontrolle, ob der Leistungsempfänger eine zum Vorsteuerabzug berechtigende Leistung von einem anderen Unternehmer erhalten hat, sondern auch der Sicherstellung der Besteuerung beim leistenden Unternehmer. Es genügt daher nicht, dass aus der Rechnung hervorgeht, dass irgendein Unternehmer die verrechnete Leistung erbracht hat; es muss der Rechnung vielmehr eindeutig jener Unternehmer zu entnehmen sein, der die Leistung tatsächlich erbracht hat (; , 2002/15/0174; Ruppe/Achatz, UStG5, § 11 Tz 59).

Der Vorsteuerabzug ist bei unrichtigen Rechnungsangaben zu verweigern, wenn der Tatbestand eines betrügerischen oder missbräuchlichen Verhaltens erfüllt ist und aufgrund der von der Abgabenbehörde festgestellten objektiven Umstände feststeht, dass der Leistungsempfänger dies wusste oder hätte wissen müssen. Es verstößt nicht gegen das Unionsrecht, wenn von einem Wirtschaftsteilnehmer gefordert wird, dass er alle Maßnahmen ergreift, die vernünftigerweise von ihm verlangt werden können, um sicherzustellen, dass ihre Umsätze nicht in einen Betrug - sei es eine Mehrwertsteuerhinterziehung oder ein sonstiger Betrug - einbezogen sind.

Der Vorsteuerabzug setzt somit auch voraus, dass in der Rechnung jener Unternehmer ausgewiesen wird, der die Leistung tatsächlich erbracht hat.

Nach der Rechtsprechung des VwGH kommt ein Vorsteuerabzug nicht in Betracht, wenn die Rechnung als leistenden Unternehmer ein Rechtssubjekt aufweist, von dem die verrechnete Leistung nicht erbracht wurde, (vgl. Zl. 96/13/0017).

Nach dem festgestellten Sachverhalt war die Rechnungsausstellerin im angeführten Leistungszeitraum nicht mehr operativ tätig, weshalb die Bf. als Rechnungsadressatin von der Fa. ***GmbH*** keine Leistungen erhalten haben konnte. Die in Rede stehenden Rechnungen weisen daher ein Rechtssubjekt als leistenden Unternehmer auf, von welchem die verrechneten Leistungen nicht erbracht worden waren.

Hat aber die Fa. ***GmbH*** im angeführten Leistungszeitraum die verrechneten Leistungen nicht erbracht, so fehlt das in § 11 Abs. 1 Z 3 UStG 1994 geforderte Rechnungsmerkmal des leistenden Unternehmers als Voraussetzung für den Vorsteuerabzug.

3.1.5. Involvierung in einen Mehrwertsteuerbetrug

Der Vorteil des Vorsteuerabzugs kann grundsätzlich nicht versagt werden, wenn die materiellen Voraussetzungen des Art 168 lit a MwStSystRL vorliegen.

Der Europäische Gerichtshof hat in dem von der Bf. zitierten Mahageben und David, C-80/11 und C-142/11, ausgesprochen, dass Art. 167, 168 Buchst. a, 178 Buchst. a,220 Nr. 1 und 226 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem dahin auszulegen sind, dass kein Recht auf Vorsteuerabzug besteht, wenn der "betroffene Steuerpflichtige wusste oder hätte wissen müssen, dass der zur Begründung dieses Rechts geltend gemachte Umsatz in eine vom Rechnungsaussteller oder einem anderen Wirtschaftsteilnehmer auf einer vorhergehenden Umsatzstufe der Leistungskette begangene Steuerhinterziehung einbezogen war".

Stellt sich demnach heraus, dass eine Leistung nicht tatsächlich vom rechnungsausstellenden Unternehmer ausgeführt wurde, darf der Vorsteuerabzug nur versagt werden, wenn der Tatbestand eines betrügerisches Verhaltens erfüllt ist, und aufgrund von den Steuerbehörden beigebrachter objektiver Umstände feststeht, dass der Steuerpflichtige wusste oder wissen hätte müssen, dass der betreffende Umsatz in diesem Betrug einbezogen war ( Maks Pen, C-18/13).

Von der Bf. wird im Wesentlichen eingewendet, dass sie weder wusste noch wissen hätte müssen, dass die Fa. ***GmbH*** ein in ein Betrugsszenario involviertes Unternehmen ist. Die Abgabenbehörde habe keine Feststellungen getroffen. Nach der Judikatur des EuGH sei das "Wissen oder wissen müssen" von der Behörde nachzuweisen, die Nachprüfungen würden nicht dem Rechnungsempfänger obliegen. Sämtliche gegenständlichen Rechnungen enthielten sowohl Leistungsbeschreibungen als auch den Leistungszeitraum. Außerdem verbiete der EuGH vor dem Hintergrund des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und insbesondere des zentralen Grundsatzes der Neutralität der Mehrwertsteuer den Vorsteuerabzug nur aus formalrechtlichen Gründen zu verweigern.

Ob der Steuerpflichtige vom Mehrwertsteuerbetrug wusste oder zumindest hätte wissen müssen, hängt von Tatfragen ab, die die Abgabenbehörde in freier Beweiswürdigung im Rahmen einer Gesamtbetrachtung aller maßgeblichen Umstände zu beurteilen hat ().

Ein Wissenmüssen ist dann auszuschließen, wenn der Wirtschaftsteilnehmer alle Maßnahmen getroffen hat, die vernünftigerweise von ihm verlangt werden konnten, um sicherzustellen, dass seine Umsätze nicht in einen Betrug einbezogen sind. Nur dann kann er auf die Rechtmäßigkeit dieser Umsätze vertrauen, ohne Gefahr zu laufen, sein Recht auf Vorsteuerabzug zu verlieren.

Dabei wird man in jedem Einzelfall gesondert zu prüfen haben, welche Maßnahmen angesichts der konkreten Verhältnisse im Einzelfall dem Abnehmer zumutbar sind. Allgemein wird hierbei gelten, dass ein umso höheres Maß an Wachsamkeit und entsprechenden Maßnahmen vom Abnehmer verlangt werden muss, je ungewöhnlicher sich die Geschäftsverhältnisse im Einzelfall darstellen. Je ungewöhnlicher sich die Anbahnung und Abwicklung des Geschäfts mit dem betrügerisch handelnden Leistungserbringer gestaltet, desto mehr an Maßnahmen wird der Abnehmer zu setzen haben, um letztlich in seinem Vertrauen geschützt zu sein (Achatz in SWK 2008, Heft 3, Seite 128).

Vor dem Hintergrund dieser Rechtslage war im anhängigen Fall zu beurteilen, ob der Bf. der Vorsteuerabzug zustand. Dabei ist zu prüfen, ob der Unternehmer die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes beachtet und alle Maßnahmen getroffen hat, die vernünftigerweise von ihm verlangt werden können, um sicherzustellen, dass seine Umsätze nicht in einen Betrug einbezogen sind ().

Die Sorgfaltspflicht des ordentlichen Kaufmanns umfasst die Pflicht, sich eine Kenntnis von der Existenz, Seriosität und wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Lieferanten zu verschaffen. Liegen keine ungewöhnlichen Umstände vor, genügen einfach durchführbare, den Wirtschaftsverkehr nicht beeinträchtigende branchenübliche Kontrollen (Ruppe/Achatz, UStG5, § 12 Tz 98/1).

Bei Beginn einer Geschäftsbeziehung besteht bereits per se eine erhöhte Sorgfaltspflicht (vgl Laudacher, UFSjournal 2013, 200 ff zu den sich aus der Judikatur von EuGH, VwGH und UFS ergebenden Anforderungen an die Sorgfaltspflichten des Unternehmers)

Der Geschäftsführer der Bf. ist dieser Sorgfaltspflicht insofern nicht gerecht geworden, als er es - offensichtlich aufgrund der langjährigen Geschäftsbeziehung mit ***C*** und ***B*** ***J***, über deren Vermittlung die Fa. ***GmbH*** mit der Durchführung der Sanierungsarbeiten beauftragt wurde - unterlassen hat, anlässlich der Auftragsvergabe und Auftragsdurchführung selbst mit der Fa. ***GmbH*** in Geschäftskontakt zu treten und sich auf diese Weise von deren Seriosität zu überzeugen. So hat er weder das Geschäftslokal der Fa. ***GmbH*** aufgesucht noch jemals persönlich Kontakt mit der Geschäftsleitung aufgenommen. Statt dessen beschränkte sich seine Geschäftsbeziehung im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Bauvorhaben ausschließlich auf den Kontakt mit ***C*** ***J***, die diesbezüglich seine Ansprechpartnerin war.

Indem ***M*** offensichtlich der Familie ***J*** vertraut und es aus diesem Grund nicht für notwendig erachtet hat, seinerseits in Kontakt mit seinem Geschäftspartner zu treten, hat er die - besonders in diesem Geschäftsbereich zu erwartende erhöhte - Sorgfaltspflicht als ordentlicher Kaufmann vernachlässigt; gilt doch die Baubranche allgemein seit Jahrzehnten als besonders betrugsanfällig im Mehrwertsteuerbereich. Abgesehen davon hätte bereits angesichts der Größenordnung des Auftragsvolumens iHv fast € 100.000 ein sorgfältiges Handeln durch eine persönliche Kontaktaufnahme mit den verantwortlichen Organen des Geschäftspartners geboten. Auch hätte es den geschäftlichen Gepflogenheiten entsprochen, vor der Auftragsvergabe die Vorstellungen betreffend das Bauvorhaben im Zuge einer persönlichen Besprechung mit den Verantwortlichen des leistungserbringenden Unternehmens zu erörtern.

Dem Einwand der steuerlichen Vertretung, dass nach der Rechtsprechung des VwGH und des EuGH nichts Unmögliches, Unzumutbares oder Unnötiges verlangt werden darf, ist entgegenzuhalten, dass das Erfordernis einer persönlichen Kontaktaufnahme anlässlich der Vergabe eines Auftrages in der gegenständlichen Größenordnung, weder als unzumutbar noch als unnötig oder unmöglich angesehen werden kann. Die an den Tag gelegte Sorglosigkeit im Zusammenhang mit der Vergabe des gg. Auftrages ist derart ungewöhnlich, dass sie der Bf. - das Recht auf Vorsteuerabzug betreffend - jedenfalls vorwerfbar ist.

Zum weiteren Einwand, dass durch die Überprüfung von Firmenbucheintragung und UID-Nummer sowie Kontrolle der erbrachten Leistungen von einem sachverständigen Architekten ohnehin alle zumutbaren und verhältnismäßigen Maßnahmen gesetzt wurden, ist entgegengehalten, dass formelle Abfragen grundsätzlich nicht ausreichend sind, um der Sorgfaltspflicht in angemessener Weise nachzukommen (vgl. ua ; ). So wird etwa in der sehr vorsteuermissbrauchsanfälligen Baubranche zu bedenken sein, dass auch unseriöse Unternehmen in der Regel darauf achten, Formalerfordernisse zu erfüllen, weil sie andernfalls kaum mit einer Berücksichtigung bei der Auftragsvergabe rechnen können. In einem solchen Wirtschaftsbereich werden daher an die notwendige Kontrolle der Rechnungsadresse größere Anforderungen zu stellen sein ().

Das Vorbringen der Bf., dass sie keine Kenntnis von den Ermittlungsergebnissen der Abgabenbehörde bezüglich der Fa. ***GmbH*** haben konnte, trifft zwar zu, vermag aber ihre Gutgläubigkeit nicht zu begründen und rechtfertigt keineswegs das bloße Sammeln von formellen Nachweisen.

Der Rechtsauffassung der Bf. ist dahingehend zuzustimmen, dass ein Vorsteuerabzug nicht versagt werden kann, wenn nicht aufgrund objektiver Umstände feststeht, dass der Steuerpflichtige wusste oder wissen hätte müssen, dass der zur Begründung des Abzugsrechts geltend gemachte Umsatz in eine Steuerhinterziehung einbezogen war. Im Fall eines Mehrwertsteuerbetrugs in der Leistungskette steht daher der objektiv entstandene Anspruch nur dem gutgläubigen Abnehmer zu.

Gerade solche objektiven Umstände liegen im zu beurteilenden Beschwerdefall zweifellos vor:

Wie die Abgabenbehörde zutreffend aufgezeigt hat, bestand seitens der Bf. kein Kontakt zur ***GmbH*** GmbH und wurde von der Bf. auch gar nicht versucht, Kontakt zum Geschäftspartner aufzunehmen, wodurch die unternehmerischen Sorgfaltspflichten verletzt worden sind. Dies umso mehr, als die Bf. nicht in ständiger Geschäftsbeziehung zur Fa.***GmbH*** gestanden ist, sondern erstmalig der GmbH einen Auftrag erteilt hat. Hätte die Bf. die ihr zumutbare Sorgfalt angewendet und versucht, mit der Geschäftsleitung in Verbindung zu treten, hätte ihr auffallen müssen, dass der im Firmenbuch eingetragene Geschäftsführer, ***H***, im Zeitpunkt der Auftragsvergabe nicht mehr für die ***GmbH*** GmbH tätig war und dass es sich bei der Fa. ***GmbH*** um ein nicht mehr real wirtschaftendes Unternehmen handelte. Die Bf. hätte auch erkennen müssen, dass die einzige Kontaktperson zur Fa. ***GmbH*** laut Firmenbuch keine Funktion im Rahmen dieser Gesellschaft ausgeübt hat und demnach keineswegs vertretungsbefugt war.

Darüber hinaus weisen weder das "Angebot Musterwohnung" vom noch die Eingangsrechnungen der Fa. ***GmbH*** eine Unterschrift auf. Hätte ***M*** in seiner Funktion als Geschäftsführer der Bf. wie ein ordentlicher Kaufmann gehandelt, hätte ihm dies auffallen müssen und er hätte spätestens zu diesem Zeitpunkt den Kontakt zu seinem Geschäftspartner suchen bzw. Überprüfungen dahingehend vornehmen müssen, ob die Fa. ***GmbH*** tatsächlich (noch) eine Geschäftstätigkeit ausübte. Er hätte sich demnach zusätzlich zu den abgefragten formellen Nachweisen genauer über das leistungserbringende Unternehmen erkundigen müssen. Ein Aufsuchen des Geschäftslokals an der angegebenen Firmenadresse hätte zudem ergeben, dass es sich dabei um ein mit Gerümpel vollgeräumtes Kellerlokal handelt.

Schließt der Unternehmer bei Vorliegen untypischer Verhältnisse das Geschäft ohne weitere Nachforschungen ab und zeigen die weitergehenden Ermittlungen der Abgabenbehörde, dass ein Fall von Steuerbetrug vorliegt, ist ein Gutglaubensschutz regelmäßig ausgeschlossen (vgl dazu Tumpel/Prechtl, SWK 2006, S 872; Laudacher, SWK 2009, S 671).

In Gesamtbetrachtung der aufgezeigten Umstände gelangte das BFG zur Auffassung, dass die Bf. bei Einhaltung der gebotenen Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes wissen hätte müssen, dass die in Rechnung gestellte Umsatzsteuer in einen Mehrwertsteuerbetrug einbezogen war.

Vor dem Hintergrund der eingangs zitierten Rechtsprechung des EuGH und des VwGH stand der Bf. kein Vorsteuerabzug aus den strittigen Rechnungen zu, da sie nach der oben dargelegten objektiven Sachlage die Voraussetzungen für einen Vertrauensschutz nicht erfüllte.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Es handelt sich um keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, da das Bundesfinanzgericht in rechtlicher Hinsicht der in der Entscheidung dargestellten Judikatur folgt und die Tatfragen der Revision nicht zugänglich sind.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 11 Abs. 1 Z 3 lit. a UStG 1972, Umsatzsteuergesetz 1972, BGBl. Nr. 223/1972
§ 12 Abs. 1 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994
§ 12 Abs. 14 UStG 1972, Umsatzsteuergesetz 1972, BGBl. Nr. 223/1972
§ 167 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 253 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.7105612.2018

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at