Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 21.05.2021, RV/2100895/2020

Frage der Anrechnung von einbehaltener "Lohnsteuer" (hier: bei ersatzlosem Storno des Lohnzettels)

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache der ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Walter Jagersberger, Johannesgasse 5, 2700 Wiener Neustadt, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Judenburg Liezen vom betreffend Einkommensteuer 2014 bis 2017 zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

In den angefochtenen Bescheiden setzte das Finanzamt (ua.) nichtselbständige Einkünfte mit folgenden Beträgen an:

2014: € -11.471,91
2015: € -10.544,72
2016: € -11.086,39
Diese negativen Einkünfte resultieren jeweils (allein) aus Werbungskosten, die die Beschwerdeführerin (Bf.) in ebendieser Höhe geltend gemacht hat.

Für das Jahr 2017 wurden dem Finanzamt Lohnzettel der A-Klinikum GmbH (für den Zeitraum 1.5.-30.9.) sowie der A-Privatklinikum GmbH (Zeitraum 1.10.-31.12.) übermittelt. Im Einkommensteuerbescheid 2017 wurden die nichtselbständigen Einkünfte insgesamt wie folgt angesetzt:

A-Klinikum € 11.463,20
A-Privatklinikum € 6.876,46
Werbungskosten € -10.547,64
Nichtselbständige Einkünfte € 7.792,02

Bei der Abgabenfestsetzung wurde in den Jahren 2014 bis 2016 (jeweils) keine Lohnsteuer angerechnet. Im Bescheid für 2017 erfolgte eine Anrechnung der in den oa. Lohnzetteln (von der A-Klinikum GmbH und der A-Privatklinikum GmbH) insgesamt einbehaltenen Lohnsteuer iHv. € 3.157,-.

Mit der vorliegenden Beschwerde wird ersucht, die in den Streitjahren "entrichtete Lohnsteuer (2014: € 12.683,-, 2015: € 13.052,-, 2016: € 11.714,-, 2017: € 8.110,-) der Einkommensteuerschuld anzurechnen bzw. (…) gutzuschreiben." In den Bescheiden würden zwar Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit mit negativen Beträgen angeführt, die entrichtete Lohnsteuer werde aber nicht auf die Steuerschuld angerechnet.

Die abweisenden Beschwerdevorentscheidungen begründet das Finanzamt wie folgt:

"Die Beschwerdeführerin war von bis bei der T* GmbH [in der Folge: T-GmbH] "beschäftigt". Wirtschaftlicher Eigentümer der GmbH war ihr (inzwischen ehemaliger) Gatte J.

Im Rahmen einer Außenprüfung bei der GmbH wurde festgestellt, dass die Beschwerdeführerin tatsächlich keine (bzw. maximal vernachlässigbare) Arbeitsleistungen erbracht hat und der Lohnaufwand nicht als Betriebsausgabe anerkannt. Die geleisteten Zahlungen wurden als verdeckte Ausschüttung an den Anteilsinhaber der Kapitalertragsteuer unterworfen.

Im Einklang mit dieser Feststellung bei der GmbH wurden bei der Beschwerdeführerin die Lohnzettel der T- GmbH storniert und Bescheide ohne Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erlassen, eine Anrechnung der Lohnsteuer aus dem "Schein-Dienstverhältnis" wurde nicht vorgenommen. Beantragte Aus- und Fortbildungskosten wurden in voller Höhe anerkannt.

Dagegen richtet sich die Beschwerde vom . In der Beschwerde wird ausgeführt, dass zwar die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit mit negativen Beträgen angeführt, aber die entrichtete Lohnsteuer nicht auf die Einkommensteuerschuld angerechnet worden sei.

Das Vorliegen eines Dienstverhältnisses mit der T-GmbH wurde nicht behauptet.

Rechtliche Beurteilung:

§ 39 EStG 1988 enthält Bestimmungen zur Veranlagung bei natürlichen Personen. Danach wird die Einkommensteuer nach Ablauf des Kalenderjahres (Veranlagungszeitraumes) nach dem Einkommen veranlagt, das der Steuerpflichtige in diesem Veranlagungszeitraum bezogen hat. (…).

Im Rahmen der Veranlagung werden auf die Einkommensteuer u.a. die durch Steuerabzug einbehaltenen Beträge, soweit sie auf veranlagte Einkünfte entfallen, angerechnet (§ 46 Abs. 1 Z 3 EStG 1988), wobei es auch zu Gutschriften kommen kann (§ 46 Abs. 2 EStG 1988).

Bereits aus dem Gesetzeswortlaut ergibt sich, dass nur jene Steuerabzugsbeträge anzurechnen sind, die auf Einkünfte entfallen, die für die Ermittlung der Einkommensteuerschuld herangezogen wurden. Die fraglichen Einkünfte müssen somit (mit)veranlagt werden. Eine Anrechnung erfolgt zudem nur dann, wenn die Abzugsteuer eine Vorentrichtung der Einkommensteuer darstellt. (…)

Im gegenständlichen Fall bedeutet dies, dass eine Rückzahlung der in Frage stehenden Lohnsteuerbeträge an die Beschwerdeführerin bzw. eine Anrechnung im Rahmen einer bei ihr (allenfalls auf Antrag) vorzunehmenden Veranlagung bereits deshalb nicht in Betracht kommt, weil die Beschwerdeführerin aus ertragsteuerrechtlicher Sicht nicht Zurechnungssubjekt der verdeckt ausgeschütteten Beträge ist. Sie trifft für die (gedanklich) von ihrem Exgatten an sie weitergeleiteten Vorteile keine Abgabenpflicht; eine Mitveranlagung der Beträge bei ihr findet nicht statt."

In ihrem Vorlageantrag führt die Bf. aus: "Gegen die Nichtanerkennung des Dienstverhältnisses mit der damaligen Arbeitgeberin läuft derzeit noch ein Ermittlungsverfahren seitens des Finanzamtes Judenburg Liezen.

Es wird beantragt, entweder die in diesen Jahren bestehenden Dienstverhältnisse auch steuerlich anzuerkennen und die in der Zwischenzeit bescheidmäßig festgesetzten Werbungskosten zu berücksichtigen oder die in diesen Jahren entrichteten Lohnsteuern gutzuschreiben."

Im Vorlagebericht an das BFG beantragt das Finanzamt unter Hinweis auf unter Einem vorgelegte Niederschriften mit der Bf., dem (inzwischen ehemaligen Gatten der Bf. (J) sowie einer früheren Angestellten der T- GmbH die Abweisung der Beschwerde. Die im Gefolge der bei der GmbH durchgeführten Außenprüfung ergangenen Bescheide seien von der GmbH zunächst angefochten, die Rechtsmittel jedoch zwischenzeitig wieder zurückgenommen worden.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Strittig ist die (Nicht-)Anrechnung von Lohnsteuerbeträgen, die aus (ersatzlos) stornierten Lohnzetteln resultieren.

In der Zeit von bis war die Bf. bei der T-GmbH als Dienstnehmerin gemeldet. Die GmbH stand wirtschaftlich im Eigentum des (früheren) Ehegatten der Bf., der auch Geschäftsführer dieser GmbH war.

Im Zuge einer Außenprüfung bei der GmbH wurde festgestellt, dass die Bf. keine (bzw. maximal vernachlässigbare) Arbeitsleistungen erbracht habe. Folglich wurde der auf die Bf. entfallende Lohnaufwand bei der GmbH nicht als Betriebsausgabe anerkannt und wurden die entsprechenden Lohnzettel der T-GmbH storniert.

Seitens der GmbH wurde zunächst ua. gegen die steuerliche Nichtanerkennung des Dienstverhältnisses der Bf. Beschwerde erhoben. Die Beschwerde wurde in der Folge jedoch zurückgenommen, die KöSt-Verfahren 2014 bis 2017 der GmbH sind rechtskräftig abgeschlossen (bezüglich 2014 bis 2016 je mit BVE vom , bezüglich 2017 mit Bescheid vom ).

Am 12. bzw. reichte die Bf. ihre die Streitjahre betreffenden Abgabenerklärungen ein. In den beschwerdegegenständlichen Bescheiden blieben die aus der (vermeintlichen) Beschäftigung bei der T-GmbH resultierenden "Einkünfte" außer Ansatz. Berücksichtigt wurden in den Jahren 2014 bis 2016 lediglich Umschulungskosten als (vorweggenommene) Werbungskosten und 2017 nichtselbständige Einkünfte aus Tätigkeiten bei zwei anderen Dienstgebern (abzüglich geltend gemachter Aus- und Weiterbildungskosten).

Die Bf. begehrt nun die Anrechnung jener Lohnsteuerbeträge, die in den zwischenzeitig zur Gänze stornierten Lohnzetteln der T-GmbH ausgewiesen war.

Gemäß § 46 Abs. 1 Z 3 EStG 1988 werden durch Steuerabzug einbehaltene Beträge auf die Einkommensteuerschuld angerechnet, soweit sie auf veranlagte Einkünfte entfallen.

Die Anrechnung setzt voraus, dass eine entsprechende Abgabenschuld entstanden ist (). Lohnsteuerbeträge, die von "Einkünften" entrichtet sind, die bei der Veranlagung außer Ansatz bleiben, sind nicht anzurechnen (Jakom/Peyerl EStG, 2020, § 46 Tz 4f., mwN). Die Anrechnung hat nur Steuerbeträge zu umfassen, welche auf Einkünfte entfallen, mit denen ein Pflichtiger in der betreffenden Veranlagung erfasst wird (s. zB , mwN).

Die Anrechnung einer - mangels steuerlich relevanter (Lohn-)Zahlungen - vom Dienstnehmer nicht geschuldeten Lohnsteuer, die von ihm auch wirtschaftlich nicht getragen werden musste, ist durch § 46 Abs. 1 EStG nicht gedeckt ().

In Anbetracht der dargestellten Rechtslage war die Beschwerde vom Finanzamt zu Recht abzuweisen:

Die Beträge, deren Anrechnung die Bf. begehrt, stammen aus ursprünglich von der T-GmbH gemeldeten Lohnzetteln, die infolge rechtskräftig festgestellter Nichtanerkennung des zugrunde liegenden "Dienstverhältnisses" zur Gänze wieder storniert wurden.

Folglich wurden die aus diesem "Dienstverhältnis" resultierenden "nichtselbständigen Einkünfte" in den angefochtenen Bescheiden auch nicht erfasst. Damit ist aber auf Grund der Bestimmung des § 46 Abs. 1 EStG auch eine Anrechnung von "Lohnsteuerbeträgen", die auf diese vermeintlichen Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit entfallen, ausgeschlossen.

Wenn in der Beschwerde geltend gemacht wird, die Bescheide würden zwar Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit anführen, die entrichtete Lohnsteuer werde aber nicht angerechnet, so ist darauf zu verweisen, dass die in den bekämpften Bescheiden ausgewiesenen nichtselbständigen Einkünfte die von der T-GmbH an die Bf. geleisteten ("Gehalts")Zahlungen nicht beinhalten:

Die in den Jahren 2014 bis 2016 angesetzten negativen (nichtselbständigen) Einkünfte entsprechen der Höhe nach den von der Bf. geltend gemachten (vorweggenommenen) Werbungskosten; im Bescheid für 2017 werden die aus den übermittelten Lohnzetteln der A-Klinikum und der A-Privatklinikum resultierenden Einkünfte erfasst und davon die beantragten Werbungskosten in Abzug gebracht. Einkünfte aus einer nichtselbständigen Tätigkeit bei der T-GmbH sind in den angefochtenen Bescheiden definitiv nicht enthalten.

Da die in Rede stehenden "Einkünfte" (bzw. Zahlungen der T-GmbH an die Bf.) unstrittig nicht in die Veranlagung der Bf. (mit)einbezogen wurden, ist auch eine Anrechnung darauf entfallender "Lohnsteuer" nicht möglich.

Die Bf. bringt (im Vorlageantrag vom ) vor, gegen die Nichtanerkennung des Dienstverhältnisses mit der T-GmbH laufe noch ein "Ermittlungsverfahren beim Finanzamt". Wie oben dargelegt, sind die bezüglichen Körperschaftsteuerverfahren der T-GmbH jedoch bereits rechtskräftig abgeschlossen (betreffend 2014 bis 2016 je mit BVE vom bzw. betreffend 2017 mit Bescheid vom ). Im Ergebnis wurde das Dienstverhältnis der Bf. mit der GmbH aus in den do. Bescheiden näher dargestellten Gründen steuerlich nicht anerkannt. Die bezüglichen Lohnzettel wurden daher auch - ersatzlos - storniert.

Mit dem Wegfall der von der T-GmbH ausgestellten Lohnzettel sind nicht nur die darin ausgewiesenen Einkünfte bei der Bf. nicht (mehr) zu erfassen. Ebenso wenig können die darin ausgewiesenen Lohnsteuerbeträge im Zuge der Veranlagung der Bf. berücksichtigt werden. Durch das Storno der Lohnzettel liegt - korrespondierend mit dem Wegfall der bezüglichen "Einkünfte" - auch keine allenfalls anrechenbare "Lohnsteuer" (mehr) vor.

Die Bf. ersucht (im Vorlageantrag) ganz allgemein gehalten, das Dienstverhältnis mit der T-GmbH steuerlich anzuerkennen, begnügt sich in ihrem Vorbringen aber mit dem bloßen Verweis auf das - zwischenzeitig rechtskräftig abgeschlossene - Verfahren bei der GmbH, in welchem das Dienstverhältnis letztendlich steuerlich nicht anerkannt wurde und die entsprechenden Lohnaufwendungen bei der GmbH nicht als Betriebsausgaben zum Abzug zugelassen wurden. Die Bf. legt selbst nicht einmal ansatzweise dar, dass und auf Grund welcher konkreten Umstände entgegen der Ansicht des Finanzamtes ein steuerlich relevantes Dienstverhältnis vorgelegen wäre.

Allfällige Zahlungen von Seiten der GmbH stellen sohin bei der Bf. keine steuerbaren Einnahmen dar. Wird aber für die betreffenden "Einkünfte" Einkommensteuer nicht geschuldet, handelt es sich bei allenfalls dafür einbehaltenen Beträgen auch nicht um Abzugssteuern, die einer Anrechnung nach § 46 Abs. 1 EStG zugänglich wären (zB ).

Nur soweit Lohnsteuerbeträge auf veranlagte Einkünfte entfallen, ist deren Anrechnung möglich (s. nochmals obige Rechtsausführungen).

Der Beschwerde konnte daher keine Folge gegeben werden.

Zur Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Das Bundesfinanzgericht konnte sich im vorliegenden Fall sowohl auf den eindeutigen Wortlaut des § 46 Abs. 1 Z 3 EStG als auch auf die in der Begründung zitierte Judikatur stützen, wonach explizit nur Beträge auf die Einkommensteuerschuld anzurechnen sind, soweit diese auf veranlagte Einkünfte entfallen.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.2100895.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at