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Bescheidbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 31.05.2021, RV/7103075/2016

Einstellung des Beschwerdeverfahrens

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***R*** in der Beschwerdesache ***Bf***, ***Bf-Adr***, betreffend Beschwerden vom gegen 36 Bescheide des Finanzamtes für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel vom mit den unter der Steuernummer ***1*** erfolgten Festsetzungen der Glückspielabgabe für die einzelnen Monate von 1/2012 bis einschließlich 12/2014, beschlossen:

Die Beschwerden werden als gegenstandslos geworden erklärt. Das Beschwerdeverfahren wird eingestellt.

Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Begründung

Die Beschwerdeführerin, eine tschechische Gesellschaft in der Rechtsform einer s.r.o., deren Geschäftszweck ua. auch den Betrieb von Spielautomaten enthielt, war nach eigenen Angaben bis als Buchmacherin tätig und bot den Abschluss von Wetten über in der Vergangenheit stattgefundene Hunderennen im eigenen Namen und auf eigene Rechnung an.

Mit erfolgte eine schriftliche Anmeldung der selbstberechneten Gebühr nach § 33 TP 17 Abs. 1 Z 1 GebG für den Monat April 2012. Weitere Anmeldungen für die folgenden Monate bis Februar 2015 erfolgten über Finanz-Online elektronisch.

2015 fand eine Außenprüfung durch das Finanzamt nach § 150 BAO für die Zeiträume bis statt. Vor Prüfungsbeginn wurde am von der Beschwerdeführerin eine Offenlegung über die abgeschlossenen Wetten übergeben, der auch ein Rechtsgutachten der Rechtsanwaltskanzlei ***2*** vom zur Frage, ob Hunderennen im Rahmen der Software "Real Race" der Firma Bet-Powerplay GmbH Glücksspiele im Sinne des § 1 Abs. 1 GSpG sind, angefügt war. Die Beschwerdeführerin vertrat dabei die Ansicht, dass es sich abgabenrechtlich um Wetten handeln würde und damit Wettgebühren, deren entsprechende Selbstberechnung monatlich vorgenommen worden sei, anfallen würden.

Das Finanzamt vertrat die Rechtsauffassung, dass der Abschluss von Wetten auf aufgezeichnete Rennen mit einer Teilnahme vom Inland aus dem Glücksspielgesetz und nicht dem Gebührengesetz unterliege, und erließ am nach Abschluss der Prüfung 36 Bescheide nach § 201 BAO und setzte jeweils eine Glücksspielabgabe nach § 57 Abs. 3 GSpG für die Zeiträume 1/2012 bis 12/2014 in Höhe der bekanntgegebenen Wetteinsätze fest.

Die Beschwerdeführerin stellte sodann zwei Ansuchen auf Verlängerung der Beschwerdefrist, die jeweils bewilligt wurden. Am wurde Beschwerde gegen die Bescheide eingebracht, worin im Wesentlichen die Subsumption des Sachverhaltes unter den Tatbestand des Glücksspiels angefochten wurde. Für den Fall, dass das Gericht zur Rechtsauffassung gelange, dass keine Wette, sondern ein Glücksspiel vorliege, wurden Verstöße gegen verfassungs- und europarechtliche Grundsätze beanstandet.

In der Beschwerde wurden Anträge auf Unterlassung einer Beschwerdevorentscheidung und auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung und Entscheidung durch den gesamten Senat gestellt. Gleichzeitig wurde die Aussetzung der Glücksspielabgaben samt Nebengebühren beantragt. Als zustellbevollmächtigte Vertreterin der Beschwerdeführerin fungierte ***Kanzlei***.

Nach einer Anfrage der Richterin wurde seitens dieser Kanzlei bekanntgegeben, dass sie die Beschwerdeführerin seit dem nicht mehr vertritt.

Daraufhin nahm die Richterin unter der Firmenbuchnummer (Identifikačni čislo = IČO) ***3*** Einsicht in das Firmenbuch der Tschechischen Republik (https://or.justice.cz). Daraus ergab sich ua., dass die Beschwerdeführerin am im Firmenbuch registriert wurde, ihren Sitz seit von ***A*** nach ***B*** verlegt hatte und sich seit in Liquidation befand (***Bf*** v likvidaci). Geschäftsführer und einziger Gesellschafter war zuletzt von bis ***4***. Im Auszug ist als Liquidatorin bis zum ***5*** angemerkt.

Am wurde die Gesellschaft im Firmenbuch gelöscht.

Mit Schreiben vom wurden die Ermittlungsergebnisse dem Finanzamt vom Gericht bekanntgegeben und wurde das Finanzamt ersucht, zur Prüfung der Rechts- und Handlungsfähigkeit der Partei eventuelle weitere Informationen bekannt zu geben. Das Finanzamt stellte in seiner Antwort vom fest, dass nach der durchgeführten Prüfung keine weiteren Prüfungshandlungen erfolgt seien und keine weiteren Informationen vorliegen würden.

Mit einem weiteren Schreiben vom an das Finanzamt stellte das Gericht daraufhin die Sach- und Rechtslage bzgl. der Rechtsfähigkeit der Beschwerdeführerin dar und führte aus, dass eine Einstellung des Verfahrens angedacht werde. In der Antwort vom schloss sich das Finanzamt den Ausführungen des BFG vollinhaltlich an und gab an, dass auf dem Abgabenkonto der Beschwerdeführerin ein Guthaben in Höhe von 86.863,08 Euro bestehe, das sich durch die Aussetzung der Einhebung in der Höhe von 177.445,31 Euro ergeben habe und nach einer Gegenstandsloserklärung "aufgebraucht" werde. Nach Einsicht der Richterin in das Kontoblatt ist festzustellen, dass die Einhebung der festgesetzten Glücksspielabgaben nach § 212a BAO zur Gänze ausgesetzt ist.

Rechtlich ergibt sich hieraus Folgendes:

Die Společnost s ručenim omezeným oder abgekürzt s.r.o. ist die Rechtsform der haftungsbeschränkten Gesellschaft in der Tschechischen Republik und entspricht der Gesellschaft mit beschränkter Haftung des österreichischen Rechts.

Rechtsfähigkeit ist die Fähigkeit, Träger von Rechten und Pflichten zu sein (). Juristische Personen sind - wie natürliche Personen - voll rechtsfähig. In Bezug auf Verfahrenshandlungen begründet die Rechtsfähigkeit die Parteifähigkeit, somit die abstrakte Fähigkeit, Träger von prozessualen Rechten und Pflichten zu sein.

Eine mangelnde Parteifähigkeit ist in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu beachten (; ).

An nicht Parteifähige adressierte Bescheide sind nichtig (sind "Nichtbescheide"), wie zB wenn als Adressat eine rechtlich nicht existierende GmbH benannt ist (vgl. zB ; ; ).

Für die Rechts- und Handlungsfähigkeit gelten nach § 79 BAO die Bestimmungen des bürgerlichen Rechtes, wobei bei Sachverhalten mit Auslandsbezug auch die Kollisionsnormen des Internationalen Privatrechts heranzuziehen sind (vgl. Ritz, BAO6, § 79 Rz 5). So sind § 10 und § 12 IPRG beachtlich. Nach § 12 IPRG ist die Rechts- und Handlungsfähigkeit einer Person nach deren Personalstatut zu beurteilen. Das Personalstatut einer juristischen Person ist nach § 10 IPRG wiederum das Recht des Staats, in dem der Rechtsträger den tatsächlichen Sitz seiner Hauptverwaltung hat ().

Für eine in einem Mitgliedstaat des Europäischen Wirtschaftsraums nach dessen Vorschriften wirksam errichtete Gesellschaft ist - abweichend von § 10 IPRG - das Recht des Gründungsstaats maßgebend (vgl. m.w.N.).

Die tschechische ***Bf*** wurde im Handelsregister des Amtsgerichtes ***B*** (obchodniho rejstřiku, vedeného Městským soudem v Praze) am registriert und am nach einer gesetzlich gemäß § 172 Abs. 1 lit. d des Bürgerlichen Gesetzbuches (obcănský zákonik 89/2012 Sb.) iVm § 105 des Gesetzes über öffentliche Register von juristischen und natürlichen Personen (zákon o veřejných rejstřících právnických a fyzických osob 304/2013 Sb.) vorgeschriebenen Auflösung (Liquidation) der Gesellschaft gelöscht. Dies ergibt sich aus einer am durchgeführten Registerabfrage und nach Einsicht der Richterin in folgende Dokumente (sbirka listin):

• Gerichtliche Einleitung der Liquidation und Ernennung der Liquidatorin vom , ***GZ*** (usneseni)

• Abschlussbericht der Liquidatorin über den Liquidationsverlauf vom (konečná zpráva o průběhu likvidace), der eine "Nullliquidationssubstanz" festhielt.

Nach § 118 des tschechischen Bürgerlichen Gesetzbuches 89/2012 Sb. hat eine juristische Person Rechtsfähigkeit von ihrer Entstehung bis zu ihrem Erlöschen. Nach § 185 leg. cit. erlischt ein im öffentlichen Register eingetragene juristische Person am Tag der Löschung im öffentlichen Register.

Damit ist die Rechtsfähigkeit der Beschwerdeführerin mit als beendet anzusehen. Die Gesellschaft ist nicht mehr Subjekt abgabenrechtlicher Rechte und Pflichten und können ihr gegenüber keine rechtswirksamen Erledigungen mehr erlassen werden. An nicht (mehr) existente Gesellschaften gerichtete Bescheide gehen ins Leere (vgl. die oben angeführte VwGH Judikatur und auch ; bzgl. einer slowakischen s.r.o.).

Der Verwaltungsgerichtshof hat auch entschieden, dass beim Erlöschen der Rechtssubjektivität einer GmbH das Beschwerdeverfahren einzustellen bzw. als gegenstandslos geworden zu erklären ist ().

Nach dem österreichischen Recht hat die Auflösung und Löschung einer im Firmenbuch eingetragenen juristischen Person bloß deklaratorischen Charakter () und beendet die Rechtsfähigkeit nicht, solange Vermögen vorhanden ist (). Der Verwaltungsgerichtshof hat den Fortbestand der Rechtssubjektivität einer wegen Vermögenslosigkeit von Amts wegen gelöschten GmbH bejaht, "solange noch ein Abwicklungsbedarf besteht, was dann der Fall ist, wenn Abgabenverbindlichkeiten einer solchen Gesellschaft bescheidmäßig festzusetzen sind (vgl. ), wobei ausdrücklich festgehalten wurde, dass sich diese Aussage nicht auf die Erledigung eines Berufungsverfahrens bezieht. Der Verlust der Rechts- und Parteifähigkeit der Gesellschaft tritt in solchen Fällen somit nur dann ein, wenn beide Voraussetzungen (Vermögenslosigkeit; Löschung der Gesellschaft im Firmenbuch) kumulativ verwirklicht sind, wobei die Voraussetzung der Vermögenslosigkeit einer bereits amtswegig gelöschten GmbH im Firmenbuch bis zum Beweis des Gegenteils vermutet wird ().

Im gegenständlichen Fall ist allerdings bei der Beurteilung der Frage, ob die Gesellschaft (noch) rechtsfähig ist, nicht das österreichische Recht maßgeblich, sondern - wie oben ausgeführt - das tschechische. Dadurch, dass die Beschwerdeführerin nach diesem für sie maßgeblichen Recht mit Eintragung der Löschung ins Handelsregister am nicht mehr rechts- und prozessfähig ist, kann sie keine Prozesshandlungen mehr setzen und können ihr gegenüber keine rechtswirksamen Erledigungen mehr erlassen werden.

Eine Zustellung muss daher im Hinblick auf das Erlöschen der Parteifähigkeit unterbleiben und besteht in einem solchen Fall auch für die Bestellung eines Kurators gemäß § 82 Abs. 1 BAO kein Anlass. Eine Kuratorenbestellung setzt ein handlungsunfähiges, aber noch existentes Rechtssubjekt voraus, woran es im gegenständlichen Fall mangelt. Der Beschluss ergeht daher nur an die Amtspartei.

Kann das Verfahren nach Wegfall der Rechtspersönlichkeit nicht fortgeführt werden, ist dieses in sinngemäßer Anwendung des § 33 Abs. 1 VwGG mit Gegenstandsloserklärung der Beschwerde einzustellen (vgl. ).

In analoger Anwendung des § 272 Abs. 4 BAO und des § 274 Abs. 5 BAO ergibt sich im Fall einer Gegenstandsloserklärung die Zuständigkeit der Berichterstatterin und der Entfall der beantragten mündlichen Verhandlung.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da das Bundesfinanzgericht der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes folgt, wurde eine Revision nicht zugelassen.

Es war spruchgemäß zu entscheiden.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 79 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise

ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.7103075.2016

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at