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Säumnisbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 28.04.2021, RS/5100007/2021

Zurückweisung einer zu früh eingebrachten Säumnisbeschwerde

Rechtssätze


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Folgerechtssätze
RS/5100007/2021-RS1
wie RS/5100003/2021-RS1
Eine Verletzung der Entscheidungspflicht des Finanzamtes Österreich kann am noch nicht vorliegen, da für das Finanzamt Österreich die Frist für die Entscheidung erst am zu laufen begonnen hat (vgl. ).

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, wegen behaupteter Verletzung der Entscheidungspflicht betreffend den am beim Finanzamt ***1*** eingebrachten Antrag vom zu VNR ***2*** auf Gewährung der Familienbeihilfe für das Kind ***K*** ab September 2019 beschlossen:

Die Säumnisbeschwerde wird gemäß § 284 Abs. 7 lit. b BAO iVm § 260 Abs. 1 lit. a BAO als nicht zulässig zurückgewiesen.

Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Begründung

Sachverhalt

Den Eintragungen in der Beihilfendatenbank und den dort abgelegten Dokumenten ist zu entnehmen, dass der in Österreich erwerbstätigen Beschwerdeführerin (rumänische Staatsbürgerin) laut Mitteilung vom für ihren damals in Rumänien lebenden Sohn Ausgleichszahlungen für den Zeitraum November 2017 bis Juni 2020 gewährt wurden.

Mit einem am unterfertigten und am beim Finanzamt ***1*** eingebrachten Formblatt Beih100 wurde für diesen Sohn die Gewährung der Familienbeihilfe ab beantragt, da das Kind nunmehr in Österreich lebe. Dazu war bereits am eine Meldebestätigung beim Finanzamt eingereicht worden, derzufolge das Kind seit in Österreich mit Hauptwohnsitz gemeldet ist.

In einem am beim Finanzamt eingelangten Überprüfungsbogen gab die Beschwerdeführerin an, dass ihr Sohn ständig bei ihr wohne. Ferner wurden eine Anmeldebescheinigung für ihren Sohn gemäß NAG (§ 52 Abs. 1 Z 2 NAG) sowie Bestätigungen über besuchte Deutschkurse vorgelegt.

Am ging beim Bundesfinanzgericht die gegenständliche Säumnisbeschwerde vom ein. Darin wurde auf den bisher unerledigten, im "September 2020" beim Finanzamt ***1*** eingebrachten Antrag auf Gewährung von Familienbeihilfe für den Sohn der Beschwerdeführerin hingewiesen. Über diesen Antrag habe das Finanzamt bis "heute ()" nicht entschieden. Gemäß § 284 Abs. 1 BAO könne wegen Verletzung der Entscheidungspflicht die Partei Beschwerde (Säumnisbeschwerde) beim Verwaltungsgericht erheben, wenn ihr Bescheide der Abgabenbehörden nicht innerhalb von sechs Monaten nach Einlangen der Anbringen oder nach dem Eintritt zur Verpflichtung zu ihrer amtswegigen Erlassung bekanntgegeben (§ 97) werden. Hiezu sei jede Partei befugt, der gegenüber der Bescheid zu ergehen hat. Gemäß Abs. 4 leg. cit. wären Säumnisbeschwerden mit Erkenntnis abzuweisen, wenn die Verspätung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Abgabenbehörde zurückzuführen sei. Es wäre kein Grund ersichtlich, weshalb noch keine Entscheidung ergangen sei. Die Beschwerdeführerin habe am Verfahren mitgewirkt. Es seien auch keine Ermittlungen, die über die 6-Monats-Frist hinausgehen, erforderlich. Somit liege überwiegendes Verschulden der Behörde vor.

Rechtslage

Gemäß § 284 Abs. 1 BAO kann die Partei wegen Verletzung der Entscheidungspflicht Beschwerde (Säumnisbeschwerde) beim Verwaltungsgericht erheben, wenn ihr Bescheide der Abgabenbehörden nicht innerhalb von sechs Monaten nach Einlangen der Anbringen oder nach dem Eintritt zur Verpflichtung zu ihrer amtswegigen Erlassung bekanntgegeben (§ 97) werden. Hiezu ist jede Partei befugt, der gegenüber der Bescheid zu ergehen hat.

Gemäß § 284 Abs. 7 sind sinngemäß anzuwenden:

a) § 256 Abs. 1 und 3 (Zurücknahme der Beschwerde),

b) § 260 Abs. 1 lit. a (Unzulässigkeit), …

Gemäß § 260 Abs. 1 lit. a BAO ist eine Bescheidbeschwerde mit Beschwerdevorentscheidung (§ 262) oder mit Beschluss (§ 278) zurückzuweisen, wenn sie nicht zulässig ist.

Mit wurde im Bereich der Finanzämter eine Organisationsreform durchgeführt. An die Stelle des zum zuständig gewesenen Finanzamtes ***1*** trat das Finanzamt Österreich.

Die diesbezüglich maßgeblichen Bestimmungen der Bundesabgabenordnung lauten:

§ 323b (1) Das Finanzamt Österreich und das Finanzamt für Großbetriebe treten für ihren jeweiligen Zuständigkeitsbereich am an die Stelle des jeweils am zuständig gewesenen Finanzamtes. Das Zollamt Österreich tritt am an die Stelle der am zuständig gewesenen Zollämter.

(2) Die am bei einem Finanzamt oder Zollamt anhängigen Verfahren werden von der jeweils am zuständigen Abgabenbehörde in dem zu diesem Zeitpunkt befindlichen Verfahrensstand fortgeführt.

Erwägungen

Eine Säumnis des Finanzamtes ***1*** im Sinne des § 284 Abs. 1 BAO konnte im Zeitpunkt der Einbringung der verfahrensgegenständlichen Säumnisbeschwerde nicht mehr vorliegen, da es zu diesem Zeitpunkt rechtlich nicht mehr existent war, sondern am an seine Stelle das Finanzamt Österreich getreten ist. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass das am beim Finanzamt ***1*** anhängig gewesene Verfahren betreffend Gewährung der Familienbeihilfe für den Sohn der Beschwerdeführerin vom Finanzamt Österreich in dem zum befindlichen Verfahrensstand fortzuführen ist.

Insofern mit der gegenständlichen Säumnisbeschwerde eine Säumnis des Finanzamtes ***1*** geltend gemacht werden sollte, ist sie schon deswegen zurückzuweisen, weil nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Bezeichnung einer Behörde, welche die Entscheidungspflicht nicht trifft, deren Verletzung mit der Säumnisbeschwerde geltend gemacht wird, zur Zurückweisung der Säumnisbeschwerde führt ( mwN).

Eine Säumigkeit des Finanzamtes Österreich im Sinne des § 284 Abs. 1 BAO kann im Zeitpunkt der Einbringung der verfahrensgegenständlichen Säumnisbeschwerde noch nicht vorliegen, da die Entscheidungspflicht des Finanzamtes Österreich aus folgenden Erwägungen nicht vor dem entstanden sein kann:

Durch Art. 151 Abs. 51 Z 8 B-VG war u.a. der unabhängige Finanzsenat mit aufgelöst worden. Die Zuständigkeit zur Weiterführung der mit Ablauf des bei den aufgelösten Behörden anhängigen Verfahren ging auf die Verwaltungsgerichte über. Dazu vertrat der Verwaltungsgerichtshof in der bereits erwähnten Entscheidung vom die Ansicht, dass für das Bundesfinanzgericht die sechsmonatige Entscheidungsfrist im Sinne des § 38 Abs. 1 VwGG erst mit zu laufen begonnen hat. Nichts anderes kann für die Entscheidungspflicht des Finanzamtes Österreich im Sinne des § 284 BAO gelten (vgl. ; ).

Dazu kommt, dass mit dem Finanz-Organisationsreformgesetz nicht eine bloße Zusammenfassung der bisher bestehenden Finanzämter unter einem neuen gemeinsamen Namen erfolgt ist, sondern damit umfassende Änderungen in der Organisation verbunden waren und sind. So erfolgt im Bereich der Arbeitnehmerveranlagung eine bundesweite Arbeitsverteilung- die Bearbeitung der Fälle erfolgt dabei nicht nach Wohnortzuständigkeiten, sondern nach chronologischen Gesichtspunkten. Für den Bereich der Familienbeihilfe gilt gleiches. Zusätzlich werden die Aufgaben der Familienbeihilfe bei grenzüberschreitenden Sachverhalten bei bestimmten Dienststellen gebündelt (Schweinberger/Trauner, taxlex 2020, 332, Punkt D.2.). Es ist daher auch unter diesem Gesichtspunkt sachgerecht, wenn die Frist im Sinne des § 284 Abs. 1 BAO für das Finanzamt Österreich erst ab zu laufen beginnt.

Da somit die Säumnisbeschwerde zu früh (vor Ablauf der erst am endenden sechsmonatigen Frist des § 284 Abs. 1 BAO) gestellt wurde, war sie zurückzuweisen (Ritz, BAO, 6. Auflage, § 284 Tz 12 mit Hinweis u.a. auf und einschlägige Entscheidungen des UFS sowie dies BFG; vgl. auch ).

Sollte bis keine Entscheidung über den Antrag der Beschwerdeführerin durch das Finanzamt Österreich erfolgen, kann ab eine - in zeitlicher Hinsicht dann zulässige - neuerliche Säumnisbeschwerde beim Bundesfinanzgericht eingebracht werden.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Da im gegenständlichen Verfahren die entscheidungsrelevanten Rechtsfragen bereits ausreichend durch die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geklärt sind, und die Entscheidung von dieser Rechtsprechung nicht abweicht, ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 284 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 260 Abs. 1 lit. a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise




ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RS.5100007.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at