Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 21.04.2021, RV/5101155/2020

Familienbeihilfe für subsidiär Schutzberechtigte während Karenzurlaub

Beachte

Revision (Amtsrevision) beim VwGH anhängig zur Zahl Ro 2021/16/0008. Mit Erk. v. als unbegründet abgewiesen.


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Rechtssätze
Folgerechtssätze
RV/5101155/2020-RS1
wie RV/7105499/2014-RS1
Wurde das Arbeitsverhältnis nicht wirksam beendet, ist die Arbeitnehmerin während der Zeit ihres Beschäftigungsverbots nach dem Mutterschutzgesetz und während des Karenzurlaubs aus Anlass der Mutterschaft als weiterhin erwerbstätig i.S.d. § 3 Abs. 4 FLAG 1967 anzusehen.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Braunau Ried Schärding vom zu VNR ***1***, mit dem der Antrag vom auf Gewährung von Familienbeihilfe für das Kind ***K*** (VNR ***2***) für den Zeitraum ab April 2020 abgewiesen wurde, zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird - ersatzlos - aufgehoben.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Die Beschwerdeführerin beantragte am die Gewährung der Familienbeihilfe für ihr am **.12.2019 geborenes Kind ab dessen Geburt, somit ab Dezember 2019.

Zu diesem Antrag erging am eine Mitteilung über den Bezug der Familienbeihilfe im Sinne des § 12 FLAG 1967, wonach für den Zeitraum Jänner bis März 2020 Familienbeihilfe gewährt werde. Es sei festgestellt worden, dass die Beschwerdeführerin für weitere Zeiträume keinen Anspruch auf Familienbeihilfe mehr habe. Die Auszahlung der Familienbeihilfe werde daher mit April 2020 eingestellt. Die Beschwerdeführerin könne Familienbeihilfe erneut beantragen, wenn in späterer Folge der Anspruch auf Familienbeihilfe wieder entstehen sollte.

Daraufhin beantragte die Beschwerdeführerin mit Formblatt Beih100 am die Gewährung der Familienbeihilfe ab "März 2020" (gemeint wohl: ab April 2020, da für März 2020 Familienbeihilfe ohnehin bereits gewährt worden war). Der erste Antrag (vom ) sei "falsch bearbeitet" worden, da die Beschwerdeführerin ein aufrechtes Beschäftigungsverhältnis bei der Stadtgemeinde ***R*** habe. Ihr sei aufgrund des ersten Antrages nur Familienbeihilfe von Jänner bis März gewährt worden. Die Beschwerdeführerin brauche die Familienbeihilfe auch für ihren Antrag auf Kinderbetreuungsgeld. Sie sei zur Zeit ohne finanzielle Mittel.

Ergänzend zu diesem Antragsformular wurde von ***3***, einer Freundin der Beschwerdeführerin, eine "Beeinspruchung und Sachverhaltsdarstellung" an das Finanzamt übermittelt. Darin wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass sich die Beschwerdeführerin in einem aufrechten Beschäftigungsverhältnis mit der Stadtgemeinde ***R*** befinde. Mit dem Arbeitgeber sei eine Mutterschaftskarenzurlaubsvereinbarung bis abgeschlossen worden. Seit sei die Beschwerdeführerin vollzeitbeschäftigt (40 Wochenstunden). Entsprechende Bestätigungen des Stadtamtes ***R*** wurden angeschlossen.

In einem Vorhalt vom wurde die Beschwerdeführerin um Bekanntgabe ersucht, ob sie für sich und das Kind seit Leistungen aus der Grundversorgung beziehe (Geldleistungen, alle Formen von Sachleistungen, Krankenversicherungsleistung).

Dazu teilte die Beschwerdeführerin am mit, dass sie weder seit und auch nicht davor Geld-, Sach- oder Krankenversicherungsleistungen aus der Grundversorgung beziehe oder bezogen habe. Die bereits vorgelegten Bestätigungen des Arbeitgebers wurden neuerlich übermittelt.

Am erging eine neuerliche Mitteilung im Sinne des § 12 FLAG 1967. Demnach werde nunmehr Familienbeihilfe für den Zeitraum Dezember 2019 (Geburtsmonat des Kindes) bis März 2020 gewährt.

Ferner wurde mit Bescheid vom der Antrag vom für den Zeitraum ab April 2020 abgewiesen. Personen, denen der Status von subsidiär Schutzberechtigten nach dem Asylgesetz 2005 zuerkannt wurde, werde nur dann Familienbeihilfe gewährt, wenn sie oder ein anderes Familienmitglied keinen Anspruch auf eine Leistung aus der Grundversorgung haben und unselbständig oder selbständig erwerbstätig sind. Anspruch auf Familienbeihilfe bestehe auch für jene Kinder, denen der Status des subsidiär Schutzberechtigten nach dem Asylgesetz 2005 zuerkannt wurde. Die Zeiten des Mutterschutzes (Zeiten des Bezuges von Wochengeld) würden als Zeiten einer Erwerbstätigkeit im Sinne des § 3 Abs.4 FLAG 1967 gelten. Der Karenzurlaub aus Anlass der Mutterschaft (bis zum zweiten Geburtstag des Kindes), stelle keine Erwerbstätigkeit im Sinne des § 3 Abs. 4 FLAG dar. Somit bestehe ab April 2020 kein Anspruch auf Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag.

Dagegen richtet sich die Beschwerde vom , die im Wesentlichen damit begründet wurde, dass sich die Beschwerdeführerin seit in einem Vollzeitarbeitsverhältnis befinde. Aufgrund der Geburt ihres Kindes am **.12.2019 sei sie im Mutterschutz gewesen und habe Wochengeld bezogen. Mit ihrem Arbeitgeber habe sie eine Elternkarenz bis zum ersten Geburtstag ihres Kindes (**.12.2020) vereinbart. Während einer Elternkarenz bestehe ein Kündigungsschutz. Nachdem sie ihr Arbeitsverhältnis nicht gekündigt habe, sei ihr Arbeitsverhältnis zur Stadtgemeinde ***R*** aufrecht, sie sei somit unselbständig erwerbstätig im Sinne des § 3 Abs. 4 FLAG. Die gegenteilige Rechtsansicht des Finanzamtes sei vollkommen unrichtig. Dies würde bedeuten, dass subsidiär schutzberechtigte Frauen für ihre Kinder nur dann Familienbeihilfe (und Kinderbetreuungsgeld) beziehen dürften, wenn sie während der Karenzzeit arbeiten. Subsidiär schutzberechtigte Frauen hätten demnach keine Wahlfreiheit bezüglich der Vereinbarkeit und der Art der Kinderbetreuung. Damit würden alleinstehende, nach der subsidiären Schutzform des Asylgesetzes aufenthaltsberechtigte Frauen und Kinder gröblichst benachteiligt, weil alle anderen nach dem AsylG oder dem NAG aufenthaltsberechtigte Frauen bzw. auch verheiratete subsidiär Schutzberechtigte, bei denen ein Partner arbeitet, die Familienbeihilfe (und in weiterer Folge auch Kinderbetreuungsgeld) beziehen könnten, wenn sie ihre Betreuungspflichten gegenüber dem Kind selbst wahrnehmen, d.h. die Wahlfreiheit zu Gunsten der gedeihlichen sozialen Entwicklung des Kindes nutzen. Hinzu komme, dass die Beschwerdeführerin aktuell nicht die Möglichkeit habe, unmittelbar einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, da sie eine alleinstehende bzw. alleinerziehende Mutter sei, keine "weitere Familie" in Österreich habe und es in ihrer Wohnumgebung kein Kinderbetreuungsangebot für Babys gebe. Schon alleine aufgrund ihrer Obsorgepflichten müsse sie daher zur Zeit ihr Kind selbst betreuen. Dass der Gesetzgeber unter eigener unselbständiger Erwerbstätigkeit bloß eine tatsächliche Arbeitsleistung verstehen wollte, lasse sich aus dem Gesetzeswortlaut nicht entnehmen. Zu dieser Bestimmung habe der VwGH bereits judiziert, dass durch die Unterbrechung der tatsächlichen Arbeitsleistung allein ein Beschäftigungsverhältnis selbst bei Nichtzahlung eines Entgelts nicht unterbrochen werde, solange der auf Leistung gerichtete übereinstimmende Wille beider Teile vorhanden sei (vgl. ; ; ). Als Zeiten einer Erwerbstätigkeit seien auch Zeiten eines Karenzurlaubs nach dem Mutterschutzgesetz innerhalb eines Arbeitsverhältnisses zu berücksichtigen, weil insoweit das Arbeitsverhältnis rechtlich aufrecht bleibe und nur die Arbeitspflicht und die Entgeltzahlungspflicht ruhen würden (vgl. etwa ; ; ; ). Beim Karenzurlaub aus Anlass der Mutterschaft bleibe das Arbeitsverhältnis aufrecht, es seien nur die Hauptpflichten aus dem Arbeitsverhältnis, nämlich die Erbringung der Arbeitsleistung und die Entgeltzahlung, bei Aufrechterhaltung der Nebenpflichten, suspendiert (vgl. etwa m.w.N., siehe auch mwN). Der angefochtene Bescheid möge daher aufgehoben und dahin abgeändert werden, dass ihr Familienbeihilfe "ab Antragszeitpunkt" gewährt werde.

Das Finanzamt wies diese Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom ab, da ein Karenzurlaub nach dem MSchG keine Erwerwerbstätigkeit im Sinne des § 3 Abs. 4 FLAG darstelle.

Dagegen richtet sich der Vorlageantrag vom , in dem auf das bisherige Vorbringen verwiesen wurde.

Am legte das Finanzamt die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Der Beschwerdeführerin ist Bürgerin des Staates Eritrea und hat am einen Antrag auf internationalen Schutz eingebracht. Am wurde ihr der Status eines subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 AsylG zuerkannt und gleichzeitig eine befristete Aufenthaltsbewilligung erteilt, die laut aktenkundigem Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl bis verlängert wurde.

Dem am **.12.2019 geborenen Sohn der Beschwerdeführerin wurde ebenfalls der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und eine Aufenthaltsbewilligung bis erteilt.

Die Beschwerdeführerin hat in Österreich bereits verschiedene Erwerbstätigkeiten ausgeübt und war zunächst ab bei der Stadtgemeinde ***R*** mit 20 Wochenstunden teilzeitbeschäftigt. Beschäftigt wurde sie als Reinigungsfrau, als Dienstort wurde im Dienstvertrag "Freibad und Sonderreinigung" angeführt. Diese Teilzeitbeschäftigung wurde ab in eine Vollzeitbeschäftigung mit 40 Wochenstunden geändert (20 Wochenstunden in der NMS1 und 20 Wochenstunden Sonderreinigung).

In den vom Dachverband der Österreichischen Sozialversicherung im AJ-WEB gespeicherten Versicherungsdaten werden Versicherungszeiten der Beschwerdeführerin aufgrund der Beschäftigung bei der Stadtgemeinde ***R*** bis und sodann ab bis laufend ausgewiesen.

Laut vorgelegter Bestätigung hat die Beschwerdeführerin mit der Stadtgemeinde ***R*** eine Mutterschaftskarenzurlaubsvereinbarung bis abgeschlossen.

In einer Mitteilung gemäß § 12 FLAG 1967 vom wurde der Beschwerdeführerin vom Finanzamt bekannt gegeben, dass nicht nur von Dezember 2019 bis März 2020, sondern auch wieder ab Dezember 2020 (Ende des Karenzurlaubes) bis August 2021 (vorläufiges Ende der befristeten Aufenthaltsbewilligung) Anspruch auf Familienbeihilfe für ihren Sohn bestehe.

Beweiswürdigung

Der Sachverhalt ist unstrittig und ergibt sich aus dem Vorbringen der Beschwerdeführerin und den zitierten Aktenteilen. Zu klären ist im vorliegenden Fall die Rechtsfrage, ob für die Zeit des Karenzurlaubes aus Anlass der Mutterschaft ein Beihilfenanspruch der Beschwerdeführerin für ihren Sohn besteht.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I.

§ 3 FLAG 1967 bestimmt in der seit geltenden Fassung des BGBl I 35/20014:

(1) Personen, die nicht österreichische Staatsbürger sind, haben nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie sich nach §§ 8 und 9 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005, oder nach § 54 des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 87/2012, rechtmäßig in Österreich aufhalten.

(2) Anspruch auf Familienbeihilfe besteht für Kinder, die nicht österreichische Staatsbürger sind, sofern sie sich nach §§ 8 und 9 NAG oder nach § 54 AsylG 2005 rechtmäßig in Österreich aufhalten.

(3) Abweichend von Abs. 1 haben Personen, denen Asyl nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100, gewährt wurde, Anspruch auf Familienbeihilfe. Anspruch besteht auch für Kinder, denen nach dem Asylgesetz 2005 Asyl gewährt wurde.

(4) Abweichend von Abs. 1 haben Personen, denen der Status des subsidiär Schutzberechtigten nach dem Asylgesetz 2005 zuerkannt wurde, Anspruch auf Familienbeihilfe, sofern sie keine Leistungen aus der Grundversorgung erhalten und unselbständig oder selbständig erwerbstätig sind. Anspruch besteht auch für Kinder, denen der Status des subsidiär Schutzberechtigten nach dem Asylgesetz 2005 zuerkannt wurde.

(5) In den Fällen des Abs. 2, Abs. 3 letzter Satz und Abs. 4 letzter Satz wird für nachgeborene Kinder die Familienbeihilfe rückwirkend gewährt. Gleiches gilt für Adoptiv- und Pflegekinder, rückwirkend bis zur Begründung des Mittelpunktes der Lebensinteressen im Bundesgebiet (§ 2 Abs. 8) durch den Elternteil und das Kind. Als nachgeborene Kinder gelten jene Kinder, die nach dem Zeitpunkt der Erteilung des Aufenthaltstitels oder der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder subsidiär Schutzberechtigten an den zusammenführenden Fremden geboren werden.

Die Beschwerdeführerin und das anspruchsvermittelnde Kind sind subsidiär Schutzberechtigte im Sinne des § 3 Abs. 4 FLAG 1967. Im verfahrensgegenständlichen Zeitraum wurden von der Beschwerdeführerin keine Leistungen aus der Grundversorgung bezogen. Strittig ist, ob die Zeit des Karenzurlaubes aus Anlass der Mutterschaft als Zeit einer unselbständigen Erwerbstätigkeit im Sinne des § 3 Abs. 4 FLAG 1967 anzusehen ist.

Als Zeiten einer Erwerbstätigkeit sind auch die Achtwochenfrist vor der voraussichtlichen Entbindung gemäß § 3 MSchG ("Mutterschutz") und die Acht- bzw. Zwölfwochenfrist nach der Entbindung gemäß § 5 MSchG ("Beschäftigungsverbot") ebenso wie Zeiten eines Karenzurlaubes nach dem MSchG innerhalb eines Dienstverhältnisses zu berücksichtigen, weil insoweit das Arbeitsverhältnis rechtlich aufrecht bleibt und nur die Arbeitspflicht ruht (Wanke in Lenneis/Wanke, FLAG, § 3 Tz 279 mit Hinweis auf ).

In dieser Entscheidung vom hat das Bundesfinanzgericht zur Begründung seiner Rechtsansicht auf die Entscheidung des verwiesen. Darin brachte der Oberste Gerichtshof zum Ausdruck, dass der Karenzurlaub aus Anlass der Mutterschaft den Zweck verfolgt, dass sich die Arbeitnehmerin weiterhin der Pflege und Betreuung des Kindes widmen kann. Beim Karenzurlaub werden die Hauptpflichten aus dem Arbeitsverhältnis, nämlich die Erbringung der Arbeitsleistung und die Entgeltzahlung, bei Aufrechterhaltung der Nebenpflichten, soweit sie nicht mit dem Urlaub zusammenhängen, suspendiert. Ein solches Arbeitsverhältnis, bei dem die Arbeitspflicht gegen Karenz der Bezüge entfällt, werde in der Literatur auch als ruhendes Arbeitsverhältnis bezeichnet.

In dieselbe Richtung weisen auch die vom Bundesfinanzgericht im Erkenntnis vom zitierten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes:

Im Erkenntnis , wurde darauf hingewiesen, dass bei Beurteilung der anrechenbaren Beschäftigungszeiten zur Erlangung einer Arbeitserlaubnis nach dem AuslBG nicht nur solche Zeiten zu berücksichtigen sind, in denen der Ausländer tatsächlich der Arbeit beim Arbeitgeber nachgeht, sondern dass auch Karenzurlaubszeiten nach dem Mutterschutzgesetz innerhalb eines Dienstverhältnisses als anrechenbare Beschäftigungszeiten anzusehen sind.

Im Erkenntnis , stellte der Verwaltungsgerichtshof unter Hinweis auf seine bisherige Rechtsprechung neuerlich fest, dass durch die bloße Karenzierung eines Arbeitsverhältnisses, an das die Arbeitslosenversicherungspflicht anknüpfte, die Anspruchsvoraussetzung der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses nicht erfüllt werde.

In der Entscheidung , verwies der Verwaltungsgerichtshof auf sein Erkenntnis vom und betonte wiederum, dass es sich bei den Karenzurlaubszeiten um Zeiten innerhalb eines Dienstverhältnisses handle.

Schließlich wiederholte der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis , seine bisherige Rechtsansicht, dass im Zusammenhang mit der Beurteilung von anrechenbaren Beschäftigungszeiten zur Erlangung einer Arbeitserlaubnis nach dem AuslBG nicht nur solche Zeiten berücksichtigt werden, in denen der Ausländer "tatsächlich der Arbeit beim Arbeitgeber nachgeht", sondern dass auch Zeiten eines Karenzurlaubs nach dem Mutterschutzgesetz innerhalb eines Dienstverhältnisses bei der Beurteilung der zeitlichen Voraussetzungen zur Erlangung einer Arbeitserlaubnis nach dem AuslBG als anrechenbare Beschäftigungszeit anzusehen sind, weil es sich hiebei um Zeiten "innerhalb eines Dienstverhältnisses" handelt und auch "Unterbrechungen der faktischen Arbeitsleistung wegen Urlaubs, Krankheit, Betriebsstörung uä" einzubeziehen wären, weil insoweit das Arbeitsverhältnis rechtlich aufrecht bleibe und nur die Arbeitspflicht ruhe.

Insgesamt gesehen stellt daher die Zeit, in der sich die Beschwerdeführerin aufgrund der Vereinbarung mit ihrer Dienstgeberin (Stadtgemeinde ***R***) in Karenzurlaub wegen Mutterschaft befand, die Zeit eines aufrechten Arbeitsverhältnisses dar, bei dem die Arbeitspflicht gegen Karenz der Bezüge entfällt (ruhendes Arbeitsverhältnis).

Zu klären bleibt, ob das für die Anwendbarkeit des § 3 Abs. 4 FLAG 1967 genügt, oder der Gesetzgeber in diesem Zusammenhang unter einer selbständigen oder unselbständigen Erwerbstätigkeit nur eine solche verstehen wollte, die auch tatsächlich ausgeübt wird. Diese Ansicht wird im Ergebnis von der Abt. VI/1 in der Sektion Familie und Jugend im Bundeskanzleramt auf der FLAG-Plattform vertreten. Mit der FLAG-Plattform werden Fach-Informationen für die Vollziehung von Angelegenheiten des FLAG 1967 zur Verfügung gestellt, die für das Finanzamt Österreich als zu beachtende Richtlinien gelten, um eine bundesweit möglichst einheitliche Vollziehung herbeizuführen. Demnach stelle Karenzurlaub nach dem MschG keine Erwerbstätigkeit im Sinne des § 3 Abs. 4 FLAG 1967 dar. In einer Einzelfallentscheidung des Bundesfinanzgerichtes () werde diese Rechtsansicht zwar nicht geteilt, es gäbe zu dieser Rechtsfrage bis dato jedoch keine höchstgerichtliche Judikatur.

§ 3 FLAG 1967 wurde wiederholt geändert. Zur Rechtsentwicklung wird auf die eingehende Darstellung von Wanke in Lenneis/Wanke, FLAG, § 3 Tz 10 ff verwiesen. Diese Bestimmung lautete in der bis in Geltung gestandenen Fassung des BGBl I 142/2004 (Pensionsharmonisierungsgesetz):

(1) Personen, die nicht österreichische Staatsbürger sind, haben nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie im Bundesgebiet bei einem Dienstgeber beschäftigt sind und aus dieser Beschäftigung Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit oder zufolge einer solchen Beschäftigung Bezüge aus der gesetzlichen Krankenversicherung im Bundesgebiet beziehen; kein Anspruch besteht jedoch, wenn die Beschäftigung nicht länger als drei Monate dauert. Kein Anspruch besteht außerdem, wenn die Beschäftigung gegen bestehende Vorschriften über die Beschäftigung ausländischer Arbeitnehmer verstößt.

(2) Abs. 1 gilt nicht für Personen, die sich seit mindestens sechzig Kalendermonaten ständig im Bundesgebiet aufhalten, sowie für Staatenlose und für Flüchtlinge im Sinne des Art. 1 des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom , BGBl. Nr. 55/1955, und des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974.

(3) Ist der Elternteil, der den Haushalt überwiegend führt (§ 2a Abs. 1), nicht österreichischer Staatsbürger, genügt für dessen Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn der andere Elternteil österreichischer Staatsbürger ist oder die Voraussetzungen nach Abs. 1 oder 2 erfüllt.

Durch das BGBl. I Nr. 100/2005 (Fremdenrechtspaket 2005) erhielt § 3 FLAG folgende Fassung:

(1) Personen, die nicht österreichische Staatsbürger sind, haben nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie sich nach §§ 8 und 9 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005, rechtmäßig in Österreich aufhalten.

(2) Anspruch auf Familienbeihilfe besteht für Kinder, die nicht österreichische Staatsbürger sind, sofern sie sich nach §§ 8 und 9 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtmäßig in Österreich aufhalten.

(3) Abweichend von Abs. 1 haben Personen, denen Asyl nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100, gewährt wurde, Anspruch auf Familienbeihilfe. Anspruch besteht auch für Kinder, denen nach dem Asylgesetz 2005 Asyl gewährt wurde.

In den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage (952 der Beilagen XXII. GP) wird zunächst im Allgemeinen Teil der Erläuterungen zu Art. 12 (Änderungen des FLAG 1967) ausgeführt:

Im Zuge der Neukodifizierung des Fremdenrechts, insbesondere des Niederlassungs- und Aufenthaltsrechts, in Österreich erscheint es angezeigt, im Zuge einer Vereinheitlichung und Harmonisierung der Rechtsvorschriften auch den Anspruch auf die Familienbeihilfe von Personen, die nicht die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen, nunmehr an die rechtmäßige Niederlassung in Österreich zu knüpfen, da dadurch einerseits ein entsprechender Bezug zu Österreich gesichert ist und gleichzeitig die soziale Treffsicherheit erhöht wird.

Im Besonderen Teil der Erläuterungen wird zu Art. 12 Z 2 (Neufassung des § 3 Abs. 1 bis 3 FLAG) festgehalten:

(1) Personen, die nicht österreichische Staatsbürger sind, einschließlich Staatenloser, haben nunmehr dann Anspruch auf die Familienbeihilfe, wenn sie zur Niederlassung in Österreich berechtigt sind (§§ 8 und 9 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes).

(2) Ein Anspruch nicht österreichischer Staatsbürger für nicht österreichische Kinder soll zudem nur dann bestehen, wenn auch diese zur Niederlassung in Österreich berechtigt sind (§§ 8 und 9 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes).

(3) Die Gleichstellung mit Österreichern für Personen, denen Asyl nach dem Asylgesetz gewährt wurde, bleibt unverändert, wobei es in Bezug auf deren Kinder für einen Familienbeihilfenanspruch ausreicht, wenn sich die Kinder ebenfalls auf Grund von Asylgewährung rechtmäßig in Österreich aufhalten.

Aufgrund des Initiativantrages 62/A wurde mit BGBl I 168/2006 die Bestimmung des § 3 FLAG um folgende Absätze 4 und 5 ergänzt:

(4) Abweichend von Abs. 1 haben Personen, denen der Status des subsidiär Schutzberechtigten nach dem Asylgesetz 2005 zuerkannt wurde, Anspruch auf Familienbeihilfe, sofern sie keine Leistungen aus der Grundversorgung erhalten und unselbständig oder selbständig erwerbstätig sind. Anspruch besteht auch für Kinder, denen der Status des subsidiär Schutzberechtigten nach dem Asylgesetz 2005 zuerkannt wurde.

(5) In den Fällen des Abs. 2, Abs. 3 letzter Satz und Abs. 4 letzter Satz wird für nachgeborene Kinder die Familienbeihilfe rückwirkend gewährt. Gleiches gilt für Adoptiv- und Pflegekinder, rückwirkend bis zur Begründung des Mittelpunktes der Lebensinteressen im Bundesgebiet (§ 2 Abs. 8) durch den Elternteil und das Kind. Als nachgeborene Kinder gelten jene Kinder, die nach dem Zeitpunkt der Erteilung des Aufenthaltstitels oder der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder subsidiär Schutzberechtigten an den zusammenführenden Fremden geboren werden.

Im Initiativantrag wird zur neu eingefügten Bestimmung des § 3 Abs. 4 FLAG ausgeführt:

Weiters soll künftig auch für Personen, denen der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, ein Anspruch auf Familienbeihilfe und Kinderbetreuungsgeld eingeräumt werden, sofern diese auf Grund ihrer Hilfsbedürftigkeit nicht bereits Leistungen im Rahmen der Grundversorgung nach Maßgabe der Grundversorgungsvereinbarung nach Art.15a B-VG zwischen dem Bund und den Ländern erhalten und durch eigene Erwerbstätigkeit zu ihrem Lebensunterhalt beitragen. Bereits nach der Rechtslage vor dem 1. Jänner2006 war als Voraussetzung für den Bezug der Familienbeihilfe das Vorliegen einer mindestens drei Monate dauernden legalen unselbständigen Erwerbstätigkeit vorgesehen. Diese Voraussetzung soll nunmehr durch die selbstständige Erwerbstätigkeit erweitert werden.

Das Bundesfinanzgericht hat bereits in seiner Entscheidung vom die Ansicht vertreten, es lasse sich weder aus dem Gesetzestext noch aus diesen Materialien entnehmen, dass der Gesetzgeber unter einer eigenen Erwerbstätigkeit ausschließlich eine tatsächliche Arbeitsleistung verstehen wollte. Hätte der Gesetzgeber eine derartige Absicht gehabt, hätte er die Bestimmung des § 3 Abs. 4 FLAG wohl so formuliert, wie § 3 Abs. 1 FLAG idF des Pensionsharmonisierungsgesetzes auch formuliert war: dort wurde ausdrücklich darauf abgestellt, dass ein Beihilfenanspruch nur für Personen besteht, die bei einem Dienstgeber beschäftigt sind und aus dieser Beschäftigung Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit… beziehen.

Da eine solche (bei entsprechender Absicht naheliegende) Formulierung gerade nicht gewählt wurde, ist davon auszugehen, dass auch ein aufrechtes Arbeitsverhältnis, bei dem die Arbeitspflicht gegen Karenz der Bezüge entfällt, als unselbständige Erwerbstätigkeit im Sinne des § 3 Abs. 4 FLAG 1967 zu werten ist.

Dagegen könnte ins Treffen geführt werden, dass mit einem aufgrund der Karenzierung "ruhenden Arbeitsverhältnis" nicht zum Lebensunterhalt beigetragen werden kann. Das trifft zu. Gleiches gilt aber auch bei einer selbständigen Erwerbstätigkeit eines subsidiär Schutzberechtigten, aus der über einen längeren Zeitraum keine Einnahmen erzielt werden können (Forderungsausfälle, fehlender Auftragseingang etc.). Da Anspruchszeitraum für die Familienbeihilfe der Kalendermonat ist, müsste daher bei einer selbständigen Erwerbstätigkeit für jeden Monat geprüft bzw. vom Anspruchswerber nachgewiesen werden, dass er nicht nur selbständig erwerbstätig ist, sondern aus dieser Tätigkeit für den jeweiligen Anspruchszeitraum Einnahmen erzielt werden, die zum Lebensunterhalt beitragen. Gerade in Zeiten von Einnahmenausfällen, in denen der Bezug der Familienbeihilfe zur Herbeiführung eines Lastenausgleiches im Interesse der Familie (§ 1 FLAG 1967) umso wichtiger ist, käme es zum einem Entfall des Beihilfenanspruches. Eine derartige Absicht kann dem Gesetzgeber nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes nicht unterstellt werden.

In der Beschwerde wurde schließlich noch vorgebracht, dass alleinstehende, nach der subsidiären Schutzform des Asylgesetzes aufenthaltsberechtigte Frauen und Kinder gröblichst benachteiligt würden, weil alle anderen nach dem AsylG oder dem NAG aufenthaltsberechtigte Frauen bzw. auch verheiratete subsidiär Schutzberechtigte, bei denen ein Partner arbeitet, die Familienbeihilfe beziehen könnten. Daraus ist allerdings für die vorliegende Rechtsfrage nichts zu gewinnen, da die Natur der Rechte, die mit dem Status als Flüchtling und mit dem subsidiären Schutzstatus verbunden sind, tatsächlich unterschiedlich ist. Das Unionsrecht verlangt daher nicht die Gleichbehandlung von Flüchtlingen und subsidiär Schutzberechtigten (Wanke in Lenneis/Wanke, FLAG, § 3 Tz 239 mit Hinweis auf , M.M. und ).

Da somit aus den angeführten Gründen auch ein aufrechtes Arbeitsverhältnis, bei dem die Arbeitspflicht gegen Karenz der Bezüge entfällt, als unselbständige Erwerbstätigkeit im Sinne des § 3 Abs. 4 FLAG 1967 zu werten ist, erweist sich der angefochtene Abweisungsbescheid als rechtswidrig und war daher ersatzlos aufzuheben.

Informativ wird noch darauf hingewiesen, dass bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen das Finanzamt gemäß § 12 Abs. 1 FLAG eine Mitteilung auszustellen hat, dass ein Anspruch auf Bezug der Familienbeihilfe besteht. Dieser Mitteilung kommt jedoch kein Bescheidcharakter zu (Lenneis in Lenneis/Wanke, FLAG, § 12 Rz 5); eine bescheidmäßige Zuerkennung der Familienbeihilfe ist im FLAG nicht vorgesehen, weshalb eine solche auch im Rahmen einer Beschwerdeentscheidung nicht in Betracht kommt. Wird gegen einen den Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe abweisenden Bescheid Beschwerde erhoben und findet das Bundesfinanzgericht, dass dem Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe stattzugeben gewesen wäre, so hat die über diese Beschwerde ergehende meritorische Entscheidung dahingehend zu lauten, dass der bekämpfte, den Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe abweisende Bescheid ersatzlos aufgehoben wird. Auf Grund eines solchen Bescheides des Bundesfinanzgerichtes hat sodann die zu gewährende Familienbeihilfe, wie sie beantragt wurde, von der zuständigen Abgabenbehörde nach § 11 FLAG ausbezahlt zu werden und das Wohnsitzfinanzamt entsprechend § 12 FLAG eine Mitteilung auszustellen (Lenneis in Lenneis/Wanke, FLAG, § 13 Tz 2 mit Hinweis auf und ).

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision zulässig, da Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob subsidiär Schutzberechtigte während des Karenzurlaubes nach dem Mutterschutzgesetz als erwerbstätig im Sinne des § 3 Abs. 4 FLAG 1967 anzusehen sind, fehlt; die oben zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erging nicht zu § 3 Abs. 4 FLAG 1967, sondern zum AlVG 1977 und zum AuslBG.

Linz, am

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ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.5101155.2020

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