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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 22.04.2021, RV/7300021/2021

Abweisung eines Antrages auf Wiedereinsetzung in eine willentlich nicht genutzte Frist zur Beschwerdeanmeldung

Beachte

Revision beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2021/16/0057. Mit Erk. v. wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufgehoben. Fortgesetztes Verfahren mit Erkenntnis zur Zahl RV/7300037/2021 erledigt.


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Rechtssätze
Stammrechtssätze
RV/7300021/2021-RS1
Selbst eine nach Entscheidungsverkündung und erfolgter Rechtsbelehrung abgegebene allgemeine Erklärung des Inhaltes, "Rechtsmittel erheben zu wollen", stellt eine nicht näher spezifizierte Absichtserklärung dar, die die Frist zur Anmeldung des Rechtsmittels offenlässt, wie etwa ebenso die Erklärung, "auf Rechtsmittel nicht zu verzichten" oder "sich Bedenkzeit vorzubehalten". Tatsächlich wurde daher keine Frist versäumt, sondern vom Beschuldigten bewusst nicht genützt (vgl. ; 13 Os2/08f).
RV/7300021/2021-RS3
Laut Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann in dem Antrag, „allenfalls“ eine Verhandlung (gem § 39 VwGG) durchzuführen, ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung (iSd § 39 Abs 1 Z 1 VwGG) nicht erblickt werden ().
Folgerechtssätze
RV/7300021/2021-RS2
wie RV/3300007/2013-RS2
Eine vom Spruchsenatsvorsitzenden nach Verkündung des Erkenntnisses unterlassene Belehrung über die im Falle einer geplanten Beschwerde erforderliche Anmeldung derselben nach § 134 Satz 4 FinStrG hat nicht zur Folge, dass - analog wie im Falle einer unterlassenen Rechtsmittelbelehrung in der schriftlichen Ausfertigung nach § 140 Abs. 2 FinStrG die Beschwerdefrist - die Anmeldefrist in gleicher Weise nicht in Lauf gesetzt werden würde; eine planwidrige Rechtslücke liegt nicht vor.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den RichterRi in der Finanzstrafsache gegen Herrn ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch KG, Wien, wegen des Finanzvergehens der grob fahrlässigen Abgabenverkürzung gemäß § 34 Abs. 1 des Finanzstrafgesetzes (FinStrG) über die Beschwerde des Beschuldigten vom gegen den Bescheid des Amtes für Betrugsbekämpfung als Finanzstrafbehörde vom , Geschäftszahl FV, über die Abweisung eines Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 167 FinStrG vom zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Im Rahmen der Beschwerde vom gegen den Zurückweisungsbescheid vom wurde vom Beschwerdeführer in eventu gemäß § 167 FinStrG ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Anmeldung der Beschwerde gegen das Straferkenntnis vom eingebracht und wie folgt begründet:

"Wie aus dem oben zu I.) ausgeführten Sachverhalt hervorgeht, ist der Beschwerdeführer bzw. dessen Rechtsvertretung davon ausgegangen, dass angesichts der nach der Erkenntnisverkündung ausdrücklich abgegebenen Erklärung, auf Rechtsmittel nicht verzichten zu wollen, sowie auch angesichts der Tatsache, dass weder nach Abgabe dieser Erklärung, noch sonst im Zuge der Erkenntnisverkündung eine Belehrung gemäß § 134 Satz 4 FinStrG erfolgte, eine Rechtsmittelanmeldung gemäß § 150 Abs 4 FinStrG bereits erfolgt ist, und daher eine (weitere) Anmeldung der Beschwerde nicht erforderlich ist. Für den Fall, dass sich diese Annahme nach rechtskräftiger Feststellung der zuständigen Verwaltungsgerichte als Irrtum herausstellen sollte, wäre der Beschwerdeführer durch ein nicht vorwerfbares unvorhergesehenes Ereignis an der Einhaltung der Frist zur Anmeldung der Beschwerde gegen das Straferkenntnis vom gehindert gewesen. Dieses Hindernis würde erst aufhören, wenn dieser Irrtum durch die zuständigen Verwaltungsgerichte rechtskräftig festgestellt würde. Der Antrag ist daher rechtzeitig gemäß § 167 Abs 2 FinStrG."

Mit Bescheid des Amtes für Betrugsbekämpfung als Finanzstrafbehörde vom , Geschäftszahl FV, wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 167 FinStrG abgewiesen mit folgenden Begründung:

"Am erging die mündliche Verkündung des Erkenntnisses in der Strafsache des Beschuldigten zu oben genannter Aktenzahl. Am wurde vom Beschuldigten Beschwerde gegen das Straferkenntnis eingebracht, welches jedoch, wegen fehlender Beschwerdeanmeldung innerhalb der Frist gemäß § 150 Abs. 4 FinStrG, von der Finanzstrafbehörde gemäß § 156 Abs. 1 FinStrG mit Bescheid vom zurückgewiesen wurde.

Mit Eingabe vom wurde gegen diesen Zurückweisungsbescheid vom Beschuldigten eine Beschwerde eingebracht und mit Erledigung des Bundesfinanzgerichtes am abgewiesen.

Zeitgleich mit der Beschwerde gegen den Zurückweisungsbescheid der Finanzstrafbehörde vom wurde, für den Fall einer Abweisung dieser Beschwerde, ein Wiedereinsetzungsantrag "in eventu" eingebracht.

Als Begründung für den Antrag wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer bzw, dessen Rechtsvertretung davon ausgegangen seien, dass angesichts der nach der Erkenntnisverkündung ausdrücklich abgegebenen Erklärung, auf Rechtsmittel nicht verzichten zu wollen, sowie auch angesichts der Tatsache, dass weder nach Abgabe dieser Erklärung, noch sonst im Zuge der Erkenntnisverkündung eine Belehrung gemäß § 134 Satz 4 FinStrG erfolgte, eine Rechtsmittelanmeldung gemäß § 150 Abs. 4 FinStrG bereits erfolgt und daher eine (weitere) Anmeldung der Beschwerde nicht erforderlich sei.

Weiters wurde argumentiert, im (Anm. bereits eingetretenen) Falle, dass sich diese Annahme nach rechtskräftiger Feststellung der zuständigen Verwaltungsgerichte als Irrtum heraussteilen sollte, wäre der Beschwerdeführer durch ein nicht abwendbares und unvorhergesehenes Ereignis an der Einhaltung der Frist zur Anmeldung der Beschwerde gegen das Straferkenntnis vom gehindert gewesen.

Hierzu erwidert die Finanzstrafbehörde:
§ 167 Abs. 1 FinStrG lautet wie folgt:
Gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung ist auf Antrag des Beschuldigten oder der Nebenbeteiligten eines anhängigen oder abgeschlossenen Finanzstrafverfahrens die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn der Antragsteller durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet und glaubhaft macht, daß er durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen. Daß dem Beschuldigten oder dem Nebenbeteiligten ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt
.

Nach Auffassung des VfGH ist ein Rechtsirrtum kein Ereignis, das eine Wiedereinsetzung zu rechtfertigen vermag (s E1320/2020 ua). Nach Auffassung des VwGH kann mangelnde Rechtskenntnis oder ein Rechtsirrtum sehr wohl ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis darstellen, welches eine Bewilligung der Wiedereinsetzung rechtfertigen kann, wenn die Partei an der Unkenntnis der Rechtslage bzw am Rechtsirrtum kein über den minderen Grad des Versehens hinausgehendes Verschulden trifft (sua; VwGH, Ra 2019/19/0199 zu § 46 Abs 1 VwGG). (Köck/Kalcher/Judmaier/Schmitt, Finanzstrafgesetz Band 2 5, § 167, Rz. 5)

Grobe Fahrlässigkeit ist gegeben, wenn auf der Unrechtsebene eine ungewöhnliche und auffallende Sorgfaltswidrigkeit bei einem auf der Schuldebene gelegenen Gesinnungsunweit von zumindest durchschnittlichem Gewicht vorliegt. Diesbezüglich ist bei jedem Sachverhalt auf Grundlage der konkreten Umstände eine Einzelbetrachtung ex ante aus der Sicht eines objektiven Dritten aus dem Verkehrskreis und in der Lage des Täters vorzunehmen (Lässig in WK2 FinStrG, § 8 Z 4; Fellner, ÖStZ 2012, 232; Hinterhofer/Wirth, ÖJZ 2016, 774, 770). (Köck/Kalcher/Judmaier/Schmitt, Finanzstrafgesetz, Band 1 5, § 8, Ri. 35)

Im vorliegenden Sachverhalt wurde der Beschuldigte von einem Rechtsanwalt mit gültiger Berechtigung vertreten. Ein Rechtsanwalt, der in Finanzstrafverfahren vertritt, hat das dazugehörige Verfahrensrecht zu kennen, wenn er seinen Mandanten in einem Finanzstrafverfahren zu vertreten hat.

Entsprechend ist die Notwendigkeit der expliziten Beschwerdeanmeldung gemäß § 150 Abs. 4 FinStrG etwas, was grundlegendes Wissen im Finanzstrafverfahrensrecht darstellt. Es liegt mit der Versäumnis der Anmeldung der Beschwerde eine auffallende Sorgfaltswidrigkeit seitens des Rechtsvertreters vor, die mit Gewissheit nicht minderen Grades ist.

Es ist weiters im Detail auf den bereits ergangenen Beschluss des BFG zur Unzulässigkeit der Beschwerde, RV/7300070/2020, vom hinzuweisen, in dem das BFG eindeutig Stellung dazu nimmt, ob es sich bei der Unterlassung der Beschwerdeanmeldung um ein Versehen minderen Grades handelt:

Nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH sind Parteienerklärungen nach ihrem objektiven Erklärungswert auszulegen. Es kommt somit darauf an, wie die Erklärung unter Berücksichtigung der konkreten gesetzlichen Regelung, des Verfahrenszwecks und der der Behörde bzw. dem Verwaltungsgericht vorliegenden Aktenlage objektiv verstanden werden muss. Bei undeutlichem Inhalt eines Anbringens ist die Absicht der Partei zu erforschen. Im Zweifel ist dem Anbringen einer Partei, das sie zur Wahrung ihrer Rechte stellt, nicht ein solcher Inhalt beizumessen, der ihr die Rechtsverteidigungsmöglichkeit nimmt (Hinweis ; , Ra 2014/13/0003; , Ra 2015/15/0041; ).

Nach Verkündung des Erkenntnisses und Belehrung über die Rechtsmittelmöglichkeit kann von einem Verteidiger verlangt werden, dass zwischen der Alternative, auf ein Rechtsmittel zu verzichten (mit der Konsequenz, dass die Finanzstrafbehörde die Möglichkeit der Erlassung eines vereinfachten Erkenntnisses gehabt hätte) oder der Alternative, ein Rechtsmittel bzw. eine Beschwerde anmelden zu wollen, ein Unterschied besteht."

Üblich ist es, dass Verhandlungsleiter dem Informationsbedürfnis der nicht rechtskundigen und unvertretenen Verhandlungsteilnehmer (Beschuldigter, Geschäftsführer eines belangten Verbandes) im Zeitpunkt nach Verkündung des Erkenntnisses bzw. der Eröffnung, dass die Bekanntgabe des Erkenntnisses der schriftlichen Ausfertigung Vorbehalten werde, durch eine Belehrung über ihre Rechte im weiteren Verfahren (beispielsweise, dass sie auf die Erhebung einer Beschwerde verzichten konnten, eine Beschwerde anmelden konnten oder dafür noch eine einwöchige Bedenkzeit hatten bzw. andernfalls die ausgesprochene Geldstrafe bzw. Verbandsgeldbuße nach einem Monat fällig werden würde oder auf ein Rechtsmittel verzichten können) anleiten. Einer derartigen Hilfestellung bedarf es im Verfahren gegenüber den berufsmäßigen Parteienvertretern und den Amtsbeauftragten in der Regel eher nicht, weif davon auszugehen ist, dass diesen ihre diesbezüglichen Rechte und Pflichten bekannt sind."

Im vorliegenden Fall liegt keine der Auslegung zugängliche Parteienerklärung vor, da hier eindeutig "kein Rechtsmittelverzicht" zu Protokoll gegeben wurde. Eine Anmeldung einer Beschwerde schaut jedenfalls anders aus. Dazu kommt, dass der Beschwerdeführer samt Verteidigerbeider Verkündung anwesend war und von einem Parteienvertreter nicht nur die Kenntnis der Verfahrensbestimmungen verlangt werden kann, sondern auch, dass er, wenn er eine Beschwerde anmelden hätte wollen, dies auch in einer eindeutigen Art und Weise vorgebracht und auch in der von ihm unterfertigten Niederschrift kontrolliert hätte, ob seine Anmeldung einer Beschwerde protokolliert wurde, und er gegebenenfalls das Protokoll korrigiert hätte. Da dies nicht der Fall war kann nur davon ausgegangen werden, dass "nur" nicht auf ein Rechtsmittel verzichtet wurde und der Beschwerdeführer und sein Verteidiger zur allfälligen Einbringung einer Anmeldung allenfalls noch eine weitere Bedenkzeit nehmen wollten, zumal es nach dem Ende der mündlichen Verhandlung gemäß § 150 Abs. 4 FinStrG noch möglich gewesen wäre, gegen das mündlich verkündete Erkenntnis innerhalb einer Woche bei der Finanzstrafbehörde schriftlich eine Beschwerde anzumelden. Allein daraus ist nachvollziehbar, dass für die Finanzstrafbehörde nach den logischen Denkgesetzen mit der protokollierten Aussage "nicht auf ein Rechtsmittel verzichten zu wollen" sich der Beschwerdeführer und sein Verteidiger erst innerhalb der gesetzlichen Frist von einer Woche zur Möglichkeit der Anmeldung einer Beschwerde beraten und dann möglicherweise äußern wollten.

Es ergibt sich im Gesamtbild des Sachverhaltes, dass die gesetzlichen Bedingungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 167 FinStrG nicht vorliegen.

Sofern mit der Unterlassung der Beschwerdeanmeldung aufgrund von Rechtsunkenntnis ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis vorliegen mag, das die Einhaltung der Beschwerdefrist hindert, so kann dem Vertreter des Beschuldigten das hierzu in Verbindung stehende Versäumnis zur Last gelegt werden, das über den minderen Grad des Versehens hinausgeht.

Dementsprechend war der Antrag abzuweisen."

Mit Eingabe vom wurde gegen diesen Bescheid Beschwerde eingebracht und wie folgt ausgeführt:

"1 Sachverhalt:

Mit mündlich verkündetem Straferkenntnis wurde ein Einspruch des Beschwerdeführers gegen eine Strafverfügung des Finanzamt Wien 9/8/19 Klosterneuburg als Finanzstrafbehörde nach Durchführung eines Beweisverfahrens und einer mündlichen Verhandlung mit dem Beschwerdeführer am abgewiesen. In dieser Verhandlung erklärte der Beschwerdeführer nach der Verkündung, auf Rechtsmittel nicht verzichten zu wollen (Niederschrift über die mündliche Verhandlung gemäß § 135 FinStrG vom , Seite 8). Eine Belehrung über das Erfordernis der Anmeldung einer Beschwerde gemäß § 134 Satz 4 FinStrG erfolgte (daher?) nicht (vgl. Niederschrift vom ).

In der Folge wurde dem Beschwerdeführer am vom Finanzamt Wien 9/8/19 Klosterneuburg als Finanzstrafbehörde die schriftliche Ausfertigung des Straferkenntnisses zugestellt, gegen welche der Beschwerdeführer am Beschwerde an das Bundesfinanzgericht erhob.

Mit Bescheid vom wurde diese Beschwerde mit der Begründung zurückgewiesen, das Rechtsmittel sei entgegen § 150 Abs 4 FinStrG nicht innerhalb einer Woche ab Erkenntnisverkündung angemeldet worden.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Beschwerde an das Bundesfinanzgericht. Zugleich erhob er einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist und holte die Rechtsmittelanmeldung nach.

Die Beschwerde wurde mit Bescheid vom als unbegründet abgewiesen.

Mit dem gegenständlich angefochtenen Bescheid wurde weiters der Antrag auf Wiedereinsetzung abgewiesen. Begründet wird diese Entscheidung damit, ein Rechtsirrtum eines Rechtsvertreters stelle keine leichte Fahrlässigkeit iSd. § 167 Abs 1 FinStrG dar.

2) Beschwerdepunkt:

Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde das subjektiv öffentliche Recht des Beschwerdeführers verletzt, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen das Straferkenntnis vom gemäß § 167 FinStrG bewilligt zu bekommen.

3) Begründung:

Der Bescheid ist inhaltlich rechtswidrig. Tatsächlich liegt kein Rechtsirrtum des Beschwerdeführers oder seines Rechtsvertreters vor:

Der Beschwerdeführer erklärte nach der Erkenntnisverkündung ausdrücklich, auf Rechtsmittel nicht verzichten zu wollen. Diese Erklärung kann nicht anders als die Anmeldung eines Rechtsmittels verstanden werden, da sie sonst überflüssig wäre.

Gemäß § 134 FinStrG hat der Verhandlungsleiter nach mündlicher Verkündung des Erkenntnisses Belehrung über das Erfordernis der Anmeldung einer Beschwerde zu erteilen. Diese Belehrung wurde nicht erteilt.

Es war daher kein Rechtsirrtum des Beschwerdeführers, sondern ein Rechtsirrtum der Verhandlungsleiterin, der dazu geführt hat, dass ein Rechtsmittel nicht rechtzeitig angemeldet wurde:

Der Beschwerdeführer bzw. sein Rechtsvertreter sind aufgrund der unterlassenen Rechtsmittelbelehrung der Verhandlungsleiterin davon ausgegangen, dass ihre Erklärung, auf Rechtsmittel nicht zu verzichten, als Anmeldung des Rechtsmittels verstanden wurde. Es handelt sich daher um einen Fehler in der Kommunikation zwischen der Verhandlungsleiterin und dem Beschwerdeführer bzw. dessen Rechtsvertreter, der durch eine rechtswidrige Vorgehensweise (unterlassene Rechtsmittelbelehrung) der Behörde verursacht wurde, und nicht um einen Rechtsirrtum des Beschwerdeführers oder dessen Rechtsvertreters. Der Beschwerdeführer bzw. dessen Rechtsvertretung ist davon ausgegangen, dass angesichts der nach der Erkenntnisverkündung ausdrücklich abgegebenen Erklärung, auf Rechtsmittel nicht verzichten zu wollen, sowie auch angesichts der Tatsache, dass weder nach Abgabe dieser Erklärung, noch sonst im Zuge der Erkenntnisverkündung eine Belehrung gemäß § 134 Satz 4 FinStrG erfolgte, eine Rechtsmittelanmeldung gemäß § 150 Abs 4 FinStrG bereits erfolgt ist, und daher eine (weitere) Anmeldung der Beschwerde nicht erforderlich ist. Der Beschwerdeführer ist daher durch ein nicht vorwerfbares unvorhergesehenes Ereignis an der Einhaltung der Frist zur Anmeldung der Beschwerde gegen das Straferkenntnis vom gehindert gewesen.

Der angefochtene Bescheid ist auch rechtswidrig infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, da die Begründung der Entscheidung, der Beschwerdeführer habe bei der Unterlassung der Rechtsmittelanmeldung grob fahrlässig gehandelt, nicht ausreichend begründet wurde: Die Unterlassung der Rechtsmittelbelehrung gemäß § 134 Satz 4 FinStrG durch die Verhandlungsleiterin als eigentlicher Auslöser der Unterlassung der Rechtsmittelanmeldung wurde nicht bzw. nicht ausreichend gewürdigt. Die Entscheidungsbegründung ist daher mangelhaft geblieben.

Aus diesen Gründen stellt der Beschwerdeführer an das Bundesfinanzgericht als zuständige Finanzstrafbehörde zweiter Instanz den Antrag, den angefochtenen Bescheid allenfalls nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung als inhaltlich rechtswidrig aufzuheben, die Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Frist zur Anmeldung der Beschwerde gegen das Straferkenntnis des Finanzamts Wien 9/8/19 Klosterneuburg als Finanzstrafbehörde vom gegen den Bescheid der Behörde 1. Instanz zu bewilligen und die Vorlage der Beschwerde an das zuständige Bundesfinanzgericht aufzutragen."

Über die Beschwerde wurde erwogen:

§ 167 Abs. 1 FinStrG: Gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung ist auf Antrag des Beschuldigten oder der Nebenbeteiligten eines anhängigen oder abgeschlossenen Finanzstrafverfahrens die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn der Antragsteller durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet und glaubhaft macht, daß er durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen. Daß dem Beschuldigten oder dem Nebenbeteiligten ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

§ 167 Abs. 2 FinStrG: Der Antrag auf Wiedereinsetzung muss binnen Monatsfrist nach Aufhören des Hindernisses bei der Finanzstrafbehörde oder beim Bundesfinanzgericht gestellt werden, je nachdem, ob die Frist bei der Finanzstrafbehörde oder beim Bundesfinanzgericht wahrzunehmen war oder dort die Verhandlung stattfinden sollte. Diese sind auch jeweils zur Entscheidung über den Antrag berufen. Das Bundesfinanzgericht entscheidet mit Beschluss. War die Frist beim Spruchsenat wahrzunehmen oder sollte die Verhandlung vor dem Spruchsenat stattfinden, entscheidet der Vorsitzende des Spruchsenates über den Wiedereinsetzungsantrag.

Der Umstand, dass laut Aktenlage auch die entsprechende Rechtsbelehrung des Beschuldigten gemäß § 134 letzter Satz FinStrG im Anschluss an die mündliche Verhandlung vor der Einzelbeamtin unterblieben sein soll, führt nicht zur rechtlich nicht mehr gegebenen nachträglichen Aktivlegitimierung des Beschuldigten zur Erhebung einer in dieser Konstellation tatsächlich nicht mehr vorgesehenen Beschwerde (siehe z.B. ).

Selbst eine unterbliebene mündliche Belehrung durch die Verhandlungsleiterin über die im Falle einer geplanten Beschwerde erforderliche Anmeldung derselben nach § 134 Satz 4 FinStrG hat nicht zur Folge, dass - analog wie im Falle einer unterlassenen Rechtsmittelbelehrung in der schriftlichen Ausfertigung nach § 140 Abs. 2 FinStrG (vgl. ) die Beschwerdefrist - die Anmeldefrist in gleicher Weise nicht in Lauf gesetzt werden würde; eine planwidrige Rechtslücke liegt nicht vor (vgl. ).

Die belangte Behörde hat schon ausführlich auf die ho. Entscheidung vom , RV/7300070/2020, verwiesen, wonach laut ständiger Rechtsprechung des VwGH Parteienerklärungen nach ihrem objektiven Erklärungswert auszulegen sind. Es kommt somit darauf an, wie die Erklärung unter Berücksichtigung der konkreten gesetzlichen Regelung, des Verfahrenszwecks und der der Behörde bzw. dem Verwaltungsgericht vorliegenden Aktenlage objektiv verstanden werden muss. Bei undeutlichem Inhalt eines Anbringens ist die Absicht der Partei zu erforschen. Im Zweifel ist dem Anbringen einer Partei, das sie zur Wahrung ihrer Rechte stellt, nicht ein solcher Inhalt beizumessen, der ihr die Rechtsverteidigungsmöglichkeit nimmt (Hinweis ; , Ra 2014/13/0003; , Ra 2015/15/0041; ).

Nach Verkündung des Erkenntnisses und Belehrung über die Rechtsmittelmöglichkeit kann von einem Verteidiger verlangt werden, dass zwischen der Alternative, auf ein Rechtsmittel zu verzichten (mit der Konsequenz, dass die Finanzstrafbehörde die Möglichkeit der Erlassung eines vereinfachten Erkenntnisses gehabt hätte) oder der Alternative, ein Rechtsmittel bzw. eine Beschwerde anmelden zu wollen, ein Unterschied besteht.

Rechtsmittelerklärungen des Beschuldigten, eines Nebenbeteiligten und des Amtsbeauftragten dürfen nicht nur sinngemäß, sondern müssen wörtlich festgehalten werden [Kalcher in Köck/Kalcher/Judmaier/Schmitt, Finanzstrafgesetz, Band 2, 5. Aufl. (2021), § 134, I. Kommentar zu § 134 (Rz 3)]. Das protokollierte Parteienvorbringen, auf Rechtsmittel nicht verzichten zu wollen, ist - entgegen der Darstellung in der Beschwerde - eindeutig: es wird auf ein Rechtsmittel nicht verzichtet.

Die Anwendung des Grundsatzes, dass es in der Beurteilung von Parteienvorbringen nicht auf Bezeichnungen und zufällige verbale Formen ankommt, sondern auf den Inhalt, das erkennbare oder zu erschließende Ziel eines Parteischrittes (Hinweis ; , 89/17/0174), setzt voraus, dass eine der Auslegung zugängliche Parteienerklärung überhaupt vorliegt, und dass der Wille der Partei aus ihrem Vorbringen mit Eindeutigkeit erschlossen werden kann ().

Üblich ist es, dass Verhandlungsleiter dem Informationsbedürfnis der nicht rechtskundigen und unvertretenen Verhandlungsteilnehmer (Beschuldigter, Geschäftsführer eines belangten Verbandes) im Zeitpunkt nach Verkündung des Erkenntnisses bzw. der Eröffnung, dass die Bekanntgabe des Erkenntnisses der schriftlichen Ausfertigung vorbehalten werde, durch eine Belehrung über ihre Rechte im weiteren Verfahren (beispielsweise, dass sie auf die Erhebung einer Beschwerde verzichten konnten, eine Beschwerde anmelden konnten oder dafür noch eine einwöchige Bedenkzeit hatten bzw. andernfalls die ausgesprochene Geldstrafe bzw. Verbandsgeldbuße nach einem Monat fällig werden würde oder auf ein Rechtsmittel verzichten können) anleiten. Einer derartigen Hilfestellung bedarf es im Verfahren gegenüber den berufsmäßigen Parteienvertretern und den Amtsbeauftragten in der Regel eher nicht, weil davon auszugehen ist, dass diesen ihre diesbezüglichen Rechte und Pflichten bekannt sind.

Auch im gerichtlichen (Finanz-)Strafverfahren sind Rechtsmittel anzumelden, wie den entsprechenden Bestimmungen der Strafprozessordnung zu entnehmen ist:

§ 284 Abs. 1 StPO: Die Nichtigkeitsbeschwerde ist binnen drei Tagen nach Verkündung des Urteiles beim Landesgericht anzumelden.

§ 294 Abs. 1 1. Satz StPO: Die Berufung ist innerhalb der im § 284 bezeichneten Frist beim Landesgericht anzumelden.

Dass es sich dabei um Basiswissen von Rechtsanwälten handelt, steht wohl außer Streit. Zudem ist der belangten Behörde insoweit zuzustimmen, dass von einem Parteienvertreter, der in Finanzstrafverfahren vertritt, auch die entsprechende Kenntnis des anzuwendenden Verfahrensrechts zu erwarten ist.

Der Oberste Gerichtshof hat sich zu der hier relevanten Frage, ob die Aussage, auf ein Rechtsmittel nicht verzichten zu wollen, eine entsprechende Anmeldung einer Beschwerde bzw. eines Rechtsmittels darstellt, wie folgt geäußert:

Selbst eine nach Urteilsverkündung und Rechtsmittelbelehrung abgegebene allgemeine Erklärung "Rechtsmittel erheben zu wollen" (wie sie der Verteidiger behauptet) stellt eine nicht näher spezifizierte Absichtserklärung dar, die die Frist zur Rechtsmittelanmeldung offenlässt, wie etwa ebenso die Erklärung, auf Rechtsmittel nicht zu verzichten oder sich Bedenkzeit vorzubehalten. Tatsächlich wurde daher keine Frist versäumt, sondern vom Angeklagten bewusst nicht genützt (vgl. ; 13 Os2/08f).

Trifft den Parteienvertreter ein maßgebliches Verschulden an der Versäumung der Frist, so ist dieses der Partei zuzurechnen (Hinweis Fellner, Finanzstrafgesetz, Rz 8, 16 und 17 zu § 167 bis § 168 FinStrG; ).

Im Sinne dieser Rechtsprechung kann bei einer Äußerung, auf ein Rechtsmittel nicht verzichten zu wollen, nicht von einer irrtümlichen Kommunikation gegenüber der Verhandlungsleiterin ausgegangen werden, da sowohl der Beschwerdeführer als auch sein Verteidiger die Möglichkeit hatten, die Niederschrift über die mündliche Verhandlung zu korrigieren und eine möglicherweise nicht protokollierte Anmeldung der Beschwerde aufnehmen zu lassen. Dem Protokoll ist keine Ergänzung zu ersehen.

Da dieses Verhalten über den minderen Grad des Versehens hinausgeht, liegen die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in die Versäumung der Anmeldefrist einer Beschwerde nicht vor.

Nichtdurchführung einer mündlichen Verhandlung:

In der Beschwerde wurde beantragt, den angefochtenen Bescheid "allenfalls" nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung als inhaltlich rechtswidrig aufzuheben.

Laut Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann in dem Antrag, "allenfalls" eine Verhandlung (gem § 39 VwGG) durchzuführen, ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung (iSd § 39 Abs 1 Z 1 VwGG) nicht erblickt werden ().

Daher konnte ohne Durchführung der "allenfalls" beantragten mündlichen Verhandlung entschieden werden.

Zur Unzulässigkeit der Revision

Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision nicht zulässig, da das Erkenntnis nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Eine solche ungelöste Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt nicht vor, wobei sich die Entscheidung jeweils auf höchstgerichtliche Judikatur stützt.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
Schlagworte
bewusstes Verstreichenlassen der Anmeldefrist
keine Verlängerung der Frist zur Beschwerdeanmeldung bei fehlender Belehrung
Inhalt einer Beschwerdeanmeldung
Antrag auf Wiedereinsetzung in die verstrichene Anmeldefrist
Verweise

13 Os2/08f








ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.7300021.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at