Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 21.04.2021, RV/5100049/2017

Großes Pendlerpauschale - Zumutbarkeit öffentlicher Verkehrsmittel bei Gesamtzeit unter 2,5 Stunden

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes ***1*** (jetzt Finanzamt Österreich) vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2010 zu Recht erkannt:

  • Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.
    Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.
    Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

  • Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

1. Im Rahmen der Arbeitnehmerveranlagung 2010 erklärte die Beschwerdeführerin (in der Folge kurz BF) Spenden iHv. 700 Euro und den Kirchenbeitrag iHv. 399,70 Euro als Sonderausgaben.
An Werbungskosten für Arbeitsmittel erklärte die BF folgende Beträge:


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Druckerpatrone
15,95
Telefon
24,90
Handyhülle
14,90
Notebookrucksack
24,99
Batterien
3,58
Organstrafverfügung- Falschparken
23,00
Druckerpatrone
22,66
Batterie für Taschenrechner
21,96
Firmenhandy
204,20
Internet 15,50 monatlich
186,48
Notebook, Drucker 60%
204,00
Summe Arbeitsmittel
746,62

Bei der Lohnverrechnung wurde durch den Arbeitgeber bereits das große Pendlerpauschale iHv. 3.372 Euro berücksichtigt.

2. Mit Einkommensteuerbescheid 2010 vom anerkannte die belangte Behörde anstatt des erklärten großen Pendlerpauschale nur das kleine Pendlerpauschale iHv. 1.857 Euro mit Verweis auf die Begründung des Einkommensteuerbescheides 2009.
Die anderen erklärten Beträge wurden anerkannt, wobei beim Kirchenbeitrag der Höchstbetrag von 200 Euro berücksichtigt wurde.

3. Mit Eingabe vom erhob die BF Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2010 vom und beantragte die Berücksichtigung des großen Pendlerpauschales. Zur Begründung wurde auf die Berufung gegen den Einkommensteuerbescheid 2006 verwiesen und auf die Tatsache, dass es hinsichtlich des Dienstortes keine Änderungen gegeben habe.

4. Mit Ergänzungsersuchen vom forderte die belangte Behörde Belege zu den als Werbungskosten geltend gemachten Arbeitsmitteln und den als Sonderausgaben geltend gemachten Personenversicherungen, Spenden und Kirchenbeitrag an.

5. Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Parkstrafe mit Verweis auf § 20 Abs. 1 Z 5 lit. b EStG 1988 für nicht abzugsfähig erklärt. Die Telefon- und Internetkosten wurden mangels Vorlage von Belegen nicht anerkannt.

Bezüglich des Pendlerpauschale führte die belangte Behörde Folgendes aus:
"Da die Wegzeit für die einfache Wegstrecke mit dem Massenbeförderungsmittel mehr als 90 Minuten aber nicht mehr als 2,5 Stunden beträgt, ist die Benützung des Massenbeförderungsmittels zumutbar, da die Wegzeit für die einfache Wegstrecke mit dem Massenbeförderungsmittel nicht dreimal so lange dauert wie die Fahrzeit mit dem KFZ (vgl. 2006/15/0001, RV/0223-G/09, UFS04.04.2011, RV/0076-F/11). Es steht daher lediglich das kleine Pendlerpauschale zu."

6. Mit Eingabe vom , eingelangt bei der belangten Behörde am , beantragte die BF die Vorlage der Beschwerde beim Bundesfinanzgericht und eine mündliche Verhandlung.
Sie verwies auf die Begründung der Beschwerde und führte ergänzend aus, dass die zumutbare Wegzeit von 2,5 Stunden überschritten werde. In der Beschwerdevorentscheidung für das Jahr 2006 sei das große Pendlerpauschale anerkannt worden, wobei sich das Verkehrsangebot seitdem nicht wesentlich geändert habe. Auch aus den Abfragen des Pendlerrechners ergebe sich das große Pendlerpauschale. Aus den beigelegten Arbeitszeitaufzeichnungen gehe hervor, dass zu zwei Drittel der Arbeitstage das Arbeitsende um 18:30 Uhr oder später sei. Die Benutzung eines öffentlichen Verkehrsmittels sei der BF an diesen Tagen nicht möglich gewesen.
Bezüglich des als Sonderausgabe erklärten Kirchenbeitrags legte die BF eine Bestätigung der Kirchenbeitragsstelle bei.
Bezüglich einer als Werbungskosten begehrten Organstrafverfügung brachte die BF vor, dass Strafen erst seit dem Abgabenänderungsgesetz 2011 mit Wirkung ab steuerlich nicht mehr absetzbar seien.
Bezüglich der beruflich veranlassten Telefonate wurden Handyrechnungen iHv. 204,20 Euro beigelegt.
Bezüglich der beruflich veranlassten Internetkosten wurden Rechnungen iHv. 186,45 Euro beigelegt, auf denen kein Rechnungsempfänger ersichtlich ist.

7. Mit Vorlagebericht vom legte die belangte Behörde die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zu Entscheidung vor und nahm wie folgt Stellung:
"Nachdem die PendlerVO erst ab der Veranlagung 2014 in Kraft getreten ist, sind die Ausdrucke des Pendlerrechners für die Veranlagung 2010 nicht maßgeblich. Ebensowenig ist aus der (unrichtigen) BVE für das Jahr 2006 zu gewinnen.
Da die Beschwerdeführerin die Möglichkeit einer gleitenden Arbeitszeit hat, berechnet sich die Wegstrecke nach der optimal möglichen Anpassung von Arbeitsbeginn und -ende an die Ankunfts- bzw. Abfahrtszeit des Verkehrsmittels. Die Benützung von öffentlichen Verkehrsmitteln ist zumutbar (vgl. VwGH 2006/15/001), da die Wegstrecke von 91 km in 109 Minuten zu bewältigen ist (siehe "Berechnung Wegzeit FA").
Kirchenbeitrag: Aufgrund der nunmehr vorgelegten Bestätigung kann dieser berücksichtigt werden.
Telefon- und Internet: Von den vorgelegten Telefonrechnungen ist nach allgemeiner Verwaltungspraxis und aufgrund der vielfältigen Verwendungsmöglichkeiten eines Mobiltelefons ein Privatanteil von 40 % abzuziehen, sodass Kosten iHv EUR 122,51 anerkannt werden.
Abgesehen davon, dass lediglich 5 Rechnungen über Internet/Kombi Paket vorgelegt wurden, ist kein Rechnungsempfänger ersichtlich, weshalb diese Aufwendungen nicht anerkannt werden."

8. Mit E-Mail vom übermittelte die BF dem Bundesfinanzgericht Belege zu den Internet- und Telefonkosten. Bezüglich des Pendlerpauschale erklärte die BF, dass eine optimale Anpassung von Arbeitsbeginn und -ende an die Ankunfts- bzw. Abfahrtszeit des Verkehrsmittels aufgrund der ihr übertragenen Tätigkeiten nicht möglich sei und verwies auf die bereits dem Finanzamt übermittelten Arbeitszeitaufzeichnungen. Daraus gehe auch hervor, dass das Arbeitsende zu zwei Dritteln ab 18:30 Uhr liege. Die Benutzung eines öffentlichen Verkehrsmittels sei deswegen an den überwiegenden Tagen nicht möglich.
Zur Gesamtfahrtzeit übermittelte die BF folgende Tabelle:


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Minuten
Anfahrtszeit von der Wohnung (***Wohnort***) bis zur Einstiegsstelle des öffentlichen Verkehrsmittels (***Ort1***)
18
Puffer - zB Berufsverkehr, Witterungsverhältnisse (Regen, Schnee, Glätte, Eis)
15
erschwerte Parkplatzsuche am Bahnhof (überfüllt) incl. Zugang zu Bahnsteig und Wartezeit auf Zug
15
Fahrtdauer des öffentlichen Verkehrsmittels (***Ort1*** - ***Ort2*** Hbf) *)
66
Wegzeit vom Hbf zum Busterminal incl. Wartzeit Umstieg Bus
14
Fahrzeit Bus (Hbf - ***Adresse1***)
8
Wegzeit von der Ausstiegsstelle zum Arbeitsplatz - 2. OG - Stempeluhr (Fußweg)
16
Summe Fahrtdauer
152

9. Am verzichtete die BF auf die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Die BF pendelte im Jahr 2010 an mehr als 11 Tagen pro Monat und somit im Lohnzahlungszeitraum überwiegend über eine Strecke von über 60 km.

Diese Strecke führte vom Wohnort, ***Gemeinde1***, ***Wohnort*** 34 zur Arbeitsstätte, ***Ort2***, ***Adresse1*** ***HNr** und zurück.

Bei Kombination von öffentlichen Verkehrsmitteln und Individualverkehrsmitteln (Park & Ride) ergibt sich für den Arbeitsweg lt. den Abfragen im Pendlerrechner eine Wegzeit von ca. 91 Minuten:


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Zeit
km
Fahrzeit/
Gehzeit
Fahrtstrecke PKWVon: ***Wohnort*** 34, ***Gemeinde1***
Nach: P+R ***Ort1***, ***Ort1***
06:29 bis 06:46
12,8
17 min
Umstiegspunkt
06:46 bis 06:50
0,3
4 min
REX 1777 RegionalExpressVon: ***Ort1*** Bahnhof
Nach: ***Ort2***/***Z*** Hauptbahnhof
06:50 bis 07:48
76
58 min
Umstiegspunkt
07:48 bis 07:51
0,2
3 min
Wartezeit
07:51 bis 07:52
1 min
Autobus 17Von: ***Ort2***/***Z*** Hauptbahnhof
Nach: ***Ort2***/***Z*** ***Straße1***
07:52 bis 07:57
1,4
5 min
GehwegVon: ***Ort2***/***Z*** ***Straße1***
Nach: ***Adresse1*** ***HNr**, ***Ort2***
07:57 bis 08:00
0,2
3 min
Öffentliche Verbindung
90,9
91 min

Die Fahrzeit mit dem Pkw beträgt für den gesamten Arbeitsweg lt. Routenplaner (www.herold.at) ca. 69 Minuten.

Laut Fahrplan der ÖBB verkehrt von ***Ort2*** nach ***Ort1*** zumindest stündlich bis 20:52 Uhr ein Zug.
Im Rahmen eines gleitenden Arbeitszeitmodells liegt die übliche Arbeitszeit der BF laut den vorgelegten Aufzeichnungen im Wesentlichen zwischen 6:30 und 19:00.

Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus den vom Finanzamt und der BF vorgelegten Akten und Unterlagen, sowie den Abfragen in Routenplanern und mittels Pendlerrechner.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Abänderung)

3.1.1. Pendlerpauschale:

Rechtslage:

Gemäß § 16 Abs. 1 Z 6 EStG 1988 in den für den Streitzeitraum maßgeblichen Fassungen vor der Novelle BGBl. I Nr. 53/2013 gehörten zu den Werbungskosten Ausgaben des Steuerpflichtigen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Für die Berücksichtigung dieser Aufwendungen gilt:

a) Diese Ausgaben sind bei einer einfachen Fahrtstrecke zwischen Wohnung und Arbeitsstätte bis 20 km grundsätzlich durch den Verkehrsabsetzbetrag (§ 33 Abs. 5) abgegolten.

b) Beträgt die einfache Fahrtstrecke zwischen Wohnung und Arbeitsstätte, die der Arbeitnehmer im Lohnzahlungszeitraum überwiegend zurücklegt, mehr als 20 km und ist die Benützung eines Massenbeförderungsmittels zumutbar, dann werden zusätzlich als Pauschbeträge berücksichtigt:

Bei einer Fahrtstrecke von

20 km bis 40 km […] Euro jährlich

40 km bis 60 km […] Euro jährlich

über 60 km […] Euro jährlich

c) Ist dem Arbeitnehmer im Lohnzahlungszeitraum überwiegend die Benützung eines Massenbeförderungsmittels zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zumindest hinsichtlich der halben Fahrtstrecke nicht zumutbar, dann werden anstelle der Pauschbeträge nach lit. b folgende Pauschbeträge berücksichtigt:

Bei einer einfachen Fahrtstrecke von

2 km bis 20 km […] Euro jährlich

20 km bis 40 km […] Euro jährlich

40 km bis 60 km […] Euro jährlich

über 60 km […] Euro jährlich

Mit dem Verkehrsabsetzbetrag und den Pauschbeträgen nach lit. b und c sind alle Ausgaben für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte abgegolten. Für die Inanspruchnahme der Pauschbeträge hat der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber auf einem amtlichen Vordruck eine Erklärung über das Vorliegen der Voraussetzungen der lit. b und c abzugeben. Der Arbeitgeber hat die Erklärung des Arbeitnehmers zum Lohnkonto (§ 76) zu nehmen. Änderungen der Verhältnisse für die Berücksichtigung dieser Pauschbeträge muß der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber innerhalb eines Monates melden. Die Pauschbeträge sind auch für Feiertage sowie für Lohnzahlungszeiträume zu berücksichtigen, in denen sich der Arbeitnehmer im Krankenstand oder auf Urlaub (Karenzurlaub) befindet. Wird der Arbeitnehmer im Lohnzahlungszeitraum überwiegend im Werkverkehr (§ 26 Z 5) befördert, dann stehen ihm die Pauschbeträge nach lit. b und c nicht zu. Erwachsen ihm für die Beförderung im Werkverkehr Kosten, dann sind diese bis zur Höhe der sich aus lit. b und c ergebenden Beträge als Werbungskosten zu berücksichtigen.

Rechtliche Beurteilung Pendlerpauschale:

Strittig ist, ob die Benutzung eines Massenverkehrsmittels im Jahr 2010 überwiegend unzumutbar war und somit der BF das große Pendlerpauschale gemäß § 16 Abs. 1 Z 6 lit. c EStG 1988 in der Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 53/2013 zusteht.

Der Gesetzgeber regelte vor der Novelle BGBl. I Nr. 53/2013 nicht, unter welchen Voraussetzungen die Benützung eines Massenbeförderungsmittels nicht zumutbar ist.

Die amtlichen Erläuterungen zu § 16 Abs. 1 Z. 6 EStG 1988 (621 BlgNR XVII. GP, 75) führen diesbezüglich aus:
"Unzumutbar sind im Vergleich zu einem Kfz jedenfalls mehr als dreimal so lange Fahrzeiten (unter Einschluss von Wartezeiten während der Fahrt bzw. bis zum Arbeitsbeginn) mit den Massebeförderungsmitteln als mit dem eigenen KFZ; im Nahbereich von 25 km ist die Benützung des Massenbeförderungsmittels entsprechend den Erfahrungswerten über die durchschnittliche Fahrtdauer aber auch dann zumutbar, wenn die Gesamtfahrzeit für die einfache Fahrtstrecke nicht mehr als 90 Minuten beträgt. Kann auf mehr als der halben Strecke ein Massenbeförderungsmittel benützt werden, dann ist die für die Zumutbarkeit maßgebliche Fahrtdauer aus der Gesamtfahrzeit (Kfz und Massenbeförderungsmittel) zu errechnen."

Nach der Verwaltungspraxis sowie nach UFS-Entscheidungen zur Rechtslage vor der Novelle BGBl. I Nr. 53/2013 liegt Unzumutbarkeit in folgenden Fällen vor:

(1) Unzumutbarkeit wegen tatsächlicher Unmöglichkeit, wenn zumindest auf dem halben Arbeitsweg ein Massenverkehrsmittel überhaupt nicht oder nicht zur erforderlichen Zeit (Nachtarbeit) verkehrt (s auch -F/09);

(2) Unzumutbarkeit wegen einer dauernden starken Gehbehinderung;

(3) Eintragung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlichen Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung oder Blindheit im Behindertenpass;

(4) der Arbeitnehmer leidet unter einer Erkrankung, die auch ein längerfristig deutlich erhöhtes Infektionsrisiko nach sich zieht;

(5) Unzumutbarkeit wegen langer Anfahrtszeit.

Das Erkenntnis RV/0054-I/04, verweist auf die Gesetzesmaterialien, nach denen eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlichen Verkehrsmittel wegen langer Anfahrtszeit dann vorliegt, wenn die Fahrt zur Arbeitsstätte und retour mit öffentlichen Verkehrsmitteln mehr als drei Mal so lange dauert wie mit dem privaten Pkw. Daraus ließe sich ableiten, dass sich die Zeitstaffel an den Gesetzesmaterialien orientiere und diese Zeitstaffel den unbestimmten Begriff der "Unzumutbarkeit" für die Allgemeinheit praktikabel festlege, ohne dass in jedem Einzelfall genaue Vergleiche von Fahrzeiten angestellt werden müssten.

Die Lohnsteuerrichtlinien (Rz.255), sind dieser Ansicht teilweise gefolgt; die Benützung des Massenbeförderungsmittels war bis zur Novelle BGBl. I Nr. 53/2013 jedenfalls zumutbar, wenn die Wegzeit für die einfache Wegstrecke nicht mehr als 90 Minuten beträgt, und jedenfalls unzumutbar, wenn die Wegzeit mehr als 2,5 Stunden beträgt. Für Zeiten dazwischen ist die Benützung des Massenbeförderungsmittels zumutbar, wenn die Wegzeit mit dem Massenbeförderungsmittel höchstens dreimal so lange dauert wie die Fahrzeit mit dem Kfz.

Bei der Berechnung der Wegzeit ist die Möglichkeit der kombinierten Verwendung von öffentlichen und privaten Verkehrsmitteln einzubeziehen (). Dies selbst dann, wenn dem BF kein Kfz zur Verfügung steht ().

Aus § 16 Abs. 1 Z. 6 lit. a und b EStG 1988 ergibt sich, dass der Gesetzgeber des EStG 1988 grundsätzlich für Fahrten des Dienstnehmers zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nicht den Individualverkehr und die Benützung eines Kfz, sondern die Benützung eines Massenbeförderungsmittels steuerlich berücksichtigt wissen will. Nur wenn die Benützung eines Massenbeförderungsmittels nicht möglich oder nicht zumutbar ist, können im Wege der Pauschbeträge nach § 16 Abs. 1 Z. 6 lit. c EStG 1988 Kosten des Individualverkehrs geltend gemacht werden (vgl. ).

Angesichts der unstrittigen Streckenverhältnisse ist im Beschwerdefall die Benützung von Massenbeförderungsmitteln auf dem überwiegenden Teil der einfachen Fahrtstrecke möglich, beträgt doch die Strecke zwischen der Wohnung der BF und dem Bahnhof ***Ort1*** (Park & Ride-Abstellplatz) lediglich 12,8 km. Die Benützung privater Verkehrsmittel im ersten Streckenteil führt dazu, dass die Gesamtfahrzeit zur Erreichung der Arbeitsstätte rund 91 Minuten beträgt.

Für Zeiten zwischen 90 und 150 Minuten ist die Benützung des Massenbeförderungsmittels zumutbar, wenn die Wegzeit mit dem Massenbeförderungsmittel höchstens dreimal so lange dauert wie die Fahrzeit mit dem Kfz.
Die Fahrtzeit mit dem Massenbeförderungsmittel beträgt -wie bereits festgestellt- 91 Minuten und dauert weniger als dreimal so lange wie die Fahrzeit mit dem Pkw, die lt. Routenplaner mit 69 Minuten angesetzt wird. Es liegt daher unter dieser Rücksicht keine Unzumutbarkeit vor.

Strittig ist schlussendlich, ob eine Unzumutbarkeit der Benützung von öffentlichen Verkehrsmitteln aufgrund einer Wegzeit von über 2,5 Stunden (150 Minuten) vorliegt.
Die von der BF ermittelte Fahrtzeit von 152 Minuten ergibt sich wie folgt:

Anfahrtszeit Wohnung bis Park & Ride ***Ort1***: 18 Minuten
Puffer - zB. Berufsverkehr, Witterungsverhältnisse (Regen, Schnee, Eis): 15 Minuten
erschwerte Parkplatzsuche am Bahnhof incl. Zugang zum Bahnsteig: 15 Minuten
Fahrtdauer Zug: 66 Minuten
Wegzeit vom Hauptbahnhof zum Busterminal und Umstieg: 14 Minuten
Fahrzeit Bus: 8 Minuten
Wegzeit von Ausstiegstelle zum Arbeitsplatz, 2. Obergeschoß: 16 Minuten
Summe Fahrdauer 152 Minuten

Im Gegensatz dazu wird im Pendlerrechner für den Umstieg am Bahnhof ***Ort1*** eine Gehzeit von 4 Minuten, für den Umstieg am Hauptbahnhof ***Ort2*** eine Zeit von 4 Minuten und für den Gehweg von der Busaustiegsstelle zum Arbeitsplatz eine Zeit von 3 Minuten angesetzt.

Die Berechnung der Wegzeiten hat anhand objektiver Verhältnisse zu erfolgen.
Die von der BF angesetzten Zeiten für Umstieg und Parkplatzsuche erscheinen dem Bundesfinanzgericht im Vergleich zu Routenplanern und dem Pendlerrechner zu hoch gegriffen.
Der von der BF herangezogene Puffer von 15 Minuten aufgrund ungünstiger Witterungsverhältnisse oder Berufsverkehr ist bei der pauschalen Beurteilung der Zumutbarkeit außer Betracht zu lassen ( und ).
Dem Vorbringen der BF, dass das Arbeitsende zu zwei Dritteln nach 18:30 Uhr liegt und ihr deshalb die Benutzung eines öffentlichen Verkehrsmittels unzumutbar sei, kann nicht gefolgt werden, da von ***Ort2*** nach ***Ort1*** zumindest stündlich bis 20:52 Uhr ein Zug verkehrt, dessen Fahrtzeit dem des Zuges von ***Ort1*** nach ***Ort2*** entspricht.

Eine Gesamtzeit von über 2,5 Stunden konnte von der BF nicht glaubhaft gemacht werden.

Die Voraussetzungen für das kleine wie auch das große Pendlerpauschale müssen in zeitlicher Hinsicht im Lohnzahlungszeitraum (s § 77 EStG) überwiegend vorliegen ().
Für den vollen Kalendermonat können auf Grund einer Durchschnittsbetrachtung 20 Arbeitstage angenommen werden, sodass ein Pendlerpauschale nur dann zusteht, wenn im Kalendermonat an mindestens 11 Tagen die Strecke Wohnung - Arbeitsstätte - Wohnung zurückgelegt wird. Diesen Rechtsstandpunkt hat auch der VwGH in seinen Erkenntnissen und , eingenommen.

Da ein Überwiegen der Unzumutbarkeit der Benützung eines Massenbeförderungsmittels im Kalendermonat nicht festgestellt werden kann, steht der BF kein großes Pendlerpauschale zu.

Da die BF im Jahr 2010 an mehr als 11 Tagen und somit im Lohnzahlungszeitraum überwiegend über eine Strecke von über 60 km pendelte, steht ihr das kleine Pendlerpauschale iHv. insgesamt 1.857 Euro zu.

3.1.2. weitere Werbungskosten und Sonderausgaben:

a. Es konnte anhand des Bankauszuges nachgewiesen werden, dass die BF für Druckerpatronen, für die eine berufliche Veranlassung angenommen werden kann, 15,95 Euro ausgegeben hat.

b. Die Ausgaben für den Notebookrucksack iHv. 24,99 Euro werden wie in der Beschwerdevorentscheidung nur iHv. 14,99 Euro als Werbungskosten anerkannt, da ein Privatanteil von 40% angenommen wird.

c. Von den Ausgaben für das Internet in der Wohnung der BF werden 186,48 Euro, das sind 60%, als beruflich veranlasst angenommen.

d. Die Telefonkosten werden iHv. 122,51 Euro (entsprechend der Stellungnahme im Vorlagebericht) als beruflich veranlasst anerkannt, da entsprechende Belege vorgelegt wurden und eine Kürzung um einen Privatanteil von 40% erfolgte.

e. Es konnte anhand des Bankauszuges nachgewiesen werden, dass die BF für Taschenrechnerbatterien 21,96 Euro ausgegeben hat und es wurde glaubhaft gemacht, dass diese Ausgabe beruflich veranlasst war.

f. Parkstrafe:
Die Kosten wegen der Organstrafverfügung aufgrund Falschparkens iHv. 23 Euro werden als Werbungskosten anerkannt, da ein Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit und nur geringes Verschulden glaubhaft gemacht wurde.
Gemäß der Rechtslage vor Rechtskraft des Abgabenänderungsgesetzes 2011 sind Geldstrafen nur in der Regel der privaten Lebenssphäre des Steuerpflichtigen zuzuzählen. Bei entsprechendem Zusammenhang mit der Einkunftsquelle können Geldstrafen, die vom Nachweis eines Verschuldens unabhängig sind oder auf ein nur geringes Verschulden zurückzuführen sind, abzugsfähig sein (, vorschriftswidriges Abstellen eines Kfz).

g. Aufgrund der vorgelegten Bestätigung der Kirchenbeitragsstelle kann der Kirchenbeitrag iHv. 149,70 Euro Euro (entsprechend der Stellungnahme im Vorlagebericht) als Sonderausgabe berücksichtigt werden.

h. Als Sonderausgaben abzugsfähige Spenden wurden in Höhe von 700 Euro nachgewiesen.
Die Spende für Licht ins Dunkel iHv. 500 Euro wurde bereits vom Finanzamt anerkannt. Eine Bestätigung der Spende iHv. 200 Euro an die Caritas Haussammlung wurde am vorgelegt. Beide Einrichtungen sind auf der Liste spendenbegünstigter Einrichtungen des BMF angeführt.

Zusammenfassung der anerkannten Werbungskosten und Sonderausgaben:


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Pendlerpauschale
1.857,00
Kirchenbeitrag
149,70
Spenden als Sonderausgaben
700,00
Arbeitsmittel
654,94

Anerkannte Werbungskosten "Arbeitsmittel":


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Druckerpatrone
15,95
Telefon
24,90
Handyhülle
14,90
Notebookrucksack
14,99
Batterien
3,58
Organstrafverfügung- Falschparken
23,00
Druckerpatrone
22,66
Batterie für Taschenrechner
21,96
Firmenhandy
122,52
Internet 15,50 monatlich, 60%
186,48
Notebook, Drucker 60%
204,00
Summe Arbeitsmittel
654,94

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Das Erkenntnis folgt der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Eine ordentliche Revision ist daher nicht zulässig.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.5100049.2017

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at