Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 27.04.2021, RV/3100533/2020

Aliquotierung von Sozialversicherungsbeiträgen

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***1***, ***2***, vertreten durch ***3***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Landeck Reutte vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2018 zu Recht erkannt:

I.) Der Beschwerde wird teilweise Folge gegeben. Der angefochtene Bescheid wird abgeändert. Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind der Beschwerdevorentscheidung vom zu entnehmen, die insoweit integrierender Bestandteil dieses Erkenntnisses ist.

II.) Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I.) Verfahrensgang und Sachverhalt:

1.) Der Beschwerdeführer (Bf) erzielte im Jahr 2018 als ***4*** Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit. Als ***4*** ist er gemäß § 5 Abs. 1 Z. 8 ASVG von Vollversicherung ausgenommen.

Die Richtlinien der ***5*** vom idF (PVR) sehen vor, dass alle Standesmitglieder verpflichtet sind, einen Krankenversicherungsschutz abzuschließen und aufrechtzuerhalten, der Anspruch auf Leistungen gewährt, die jenen des Gewerblichen Sozialversicherungsgesetzes gleichartig oder zumindest annähernd gleichwertig sind, und zwar entweder
1.1.1. aus einer verpflichtend abgeschlossenen Selbstversicherung gemäß § 16 ASVG oder
1.1.2. aus einer verpflichtend abgeschlossenen Selbstversicherung gemäß § 14 GSVG oder
1.1.3 gegenüber der von der Österreichischen Ärztekammer geschaffenen Einrichtung eines Gruppen-Krankenversicherungsvertrages nach dieser Richtlinie (ÖNK-GVK).

Die gesetzliche berufliche Vertretung des Bf hat von der Möglichkeit des Opting-Out (§ 5 GSVG) Gebrauch gemacht und mit der ***8*** Versicherungen AG einen Gruppen-Krankenversicherungsvertrag abgeschlossen. Der Bf ist dieser Gruppenkrankenversicherung beigetreten und bei der genannten Versicherungsanstalt unter der Polizzen-Nr. ***6*** seit ***7*** krankenversichert.

Für das Jahr 2018 wurden Prämie von insgesamt € 4.081,08 geleistet; diese gliedern sich wie folgt:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
GSVG-Ersatz
€ 289,32/pro Monat
€ 3.471,84/Jahr
Privatarzt
€ 42,57/pro Monat
€ 510,84/Jahr
Sonderklasse
8,20 €/Monat
€ 98,40/Jahr

2.) Anlässlich der Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2018 beantragte der Bf nachstehende Ausgaben als Werbungskosten zu berücksichtigen: ***8***-Versicherung € 3.471,84, ***9*** € 114,33 und Kilometergeld € 732,90.

3.) Im Einkommensteuerbescheid (Arbeitnehmerveranlagung) 2018 fanden die beantragten Werbungskosten keine Berücksichtigung. Begründend wurde ausgeführt, die Veranlagung sei laut Vorhalteverfahren erfolgt.

4.) In der gegen den genannten Bescheid fristgerecht erhobenen Beschwerde vom wurde ausgeführt, mit der von der Abgabenbehörde angeführten Begründung könne der Werbungskostenabzug nicht versagt werden. Es werde daher beantragt, Werbungskosten von insgesamt € 4.319,07 in Ansatz zu bringen.

5.) Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde der Beschwerde teilweise Folge gegeben; der angefochtene Bescheid wurde abgeändert. An Werbungskosten wurde ein Betrag von € 847,23 (114,33 € + 732,90 €) berücksichtigt. Die ebenfalls als Werbungskosten geltend gemachten Sozialversicherungsbeiträge (€ 3.47 1,84) wurden aliquot auf die laufenden und die sonstigen Bezüge aufgeteilt. Die diesbezüglichen Berichtigungen erfolgten auf den Lohnzetteln.

6.) Mit Eingabe vom wurde fristgerecht die Entscheidung über die Beschwerde durch das Verwaltungsgericht beantragt. Ergänzend wurde noch vorgebracht, die Prämie von € 3.471,84 sei auf Basis des § 5 GSVG vorgeschrieben worden sein. Derartige Beträge seien nach § 16 Abs. 1 Z. 4 lit. a EStG 1988 voll abzugsfähig. Verwiesen werde auf die RZ 1251 ff der Einkommensteuerrichtlinien.

II.) Rechtslage und Erwägungen:

1.) Gemäß § 16 Abs. 1 Z 4 a EStG 1988 sind Beiträge des Versicherten zur Pflichtversicherung in der gesetzlichen Sozialversicherung als Werbungskosten abzugsfähig.

Gemäß § 16 Abs. 1 Z 4 lit. e EStG 1988 sind Werbungskosten auch Pflichtbeiträge zu Versorgungs- und Unterstützungseinrichtungen der Kammern der selbständig Erwerbstätigen, soweit diese Einrichtungen der Kranken-, Unfall-, Alters-, Invaliditäts- und Hinterbliebenenversorgung dienen; weiters Beiträge zu einer inländischen gesetzlichen Krankenversicherung sowie Beiträge zu einer Krankenversicherung auf Grund einer in- oder ausländischen gesetzlichen Versicherungspflicht. Beiträge zu Einrichtungen, die der Krankenversorgung dienen, Beiträge zu inländischen gesetzlichen Krankenversicherungen sowie Beiträge zu einer Krankenversicherung auf Grund einer in- oder ausländischen gesetzlichen Versicherungspflicht sind nur insoweit abzugsfähig, als sie der Höhe nach insgesamt Pflichtbeiträgen in der gesetzlichen Sozialversicherung entsprechen.

Schafft eine Kammer der selbständig Erwerbstätigen im Hinblick auf § 5 GSVG sowie auf der Grundlage gesetzlicher Regelungen durch eigene Bestimmungen ihrer jeweiligen Berufsordnung oder Satzung Kammereinrichtungen und schließt diese Kammereinrichtungen Gruppenkrankenversicherungen mit Versicherungsunternehmen, so handelt es sich dabei um eine Versorgungseinrichtung einer Kammer der selbständig Erwerbstätigen, die der Krankenversorgung dient. Die Gruppenkrankenversicherung ist damit eine Einrichtung iSd § 4 Abs. 4 Z 1 lit. b EStG 1988 bzw des § 16 Abs. 1 Z 4 lit. e EStG 1988. Dies bedeutet, dass Beiträge (Prämien) zu einer solchen Gruppenkrankenversicherung insoweit Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten sind als es sich hierbei um Pflichtbeiträge handelt und die Beiträge der Höhe nach jenen in der gesetzlichen Sozialversicherung entsprechen. Voraussetzung hierfür ist, dass die jeweilige Kammer (im Beschwerdefall die Notariatskammer) von einem sogenannten "Opting-Out" nach § 5 GSVG Gebrauch gemacht hat.

2.) Gemäß § 67 Abs. 12 EStG 1988 sind die auf Bezüge, die mit einem festen Steuersatz zu versteuern sind, entfallenden Beiträge im Sinne des § 62 Z 3, 4 und 5 vor Anwendung des festen Steuersatzes in Abzug zu bringen.

3.) Nach § 62 Z 4 EStG 1988 sind vom Arbeitgeber einbehaltene Beiträge im Sinne § 16 Abs. 1 Z 4, soweit sie nicht auf Bezüge entfallen, die mit einem festen Steuersatz zu versteuern sind, vor Anwendung des Lohnsteuertarifs vom Arbeitslohn abzuziehen.

3.1.) Das zitierte Regelungsgefüge wurde vom Verwaltungsgerichthof in einem Fall, in dem seitens eines Grenzgängers der Standpunkt vertreten worden ist, § 67 Abs. 12 EStG sei nur beim Lohnsteuerabzug, nicht aber bei der Veranlagung anzuwenden, wie folgt ausgelegt ():

"Es ist zwar zutreffend, dass § 67 Abs. 11 EStG 1988 die Anwendung des erst durch das StrukturAnpG 1996 hinzugefügten Abs. 12 nicht ausdrücklich normiert. Aus der Gesetzessystematik ergibt sich aber, dass diese Bestimmung auch im Fall der Veranlagung von Arbeitnehmern (die im Übrigen nicht nur im Fall von Grenzgängern stattfindet) Anwendung zu finden hat. § 67 Abs. 12 EStG 1988 ordnet zum Zweck einer systematisch richtigen Zuordnung (vgl. die Erl z RV des StruktAnpG1996, 72 BlgNR 20. GP) den Abzug der dort näher genannten Beiträge "im Sinne des" § 62 Z 3, 4 und 5 EStG 1988 vor Anwendung des festen Steuersatzes an. Damit wird aber bloß ein Berechnungsmodus für die mit einem festen Steuersatz nach § 67 EStG 1988 zu versteuernden Bezüge festgelegt, sodass davon auszugehen ist, dass etwa mit dem Verweis in § 67 Abs. 11 EStG 1988 u.a. auf die Abs. 1 und 2 leg. cit. auch die Berechnungsregel des Abs. 12 leg.cit. mitumfasst ist. Zu Recht hat die belangte Behörde in diesem Zusammenhang zudem auf den Wortlaut des § 67 Abs. 2 EStG 1988 (idF des StruktanpG 1996) hingewiesen, der die in Abs. 12 genannten Beiträge auch explizit im Rahmen der näheren Berechnung der mit dem festen Steuersatz zu versteuernden sonstigen Bezüge (im Rahmen der so genannten Sechstelüberschreitung) anspricht.

In Bezug auf die von der belangten Behörde vorgenommene aliqoute Aufteilung der vom Beschwerdeführer geleisteten Sozialversicherungsbeiträge auf die im Rahmen der Veranlagung ermittelten laufenden und sonstigen Bezüge als Grenzgänger zeigt die Beschwerde damit keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf."

3.2.) Auch im Erkenntnis vom , Ra 2019/13/0093, hat das Höchstgericht festgehalten:

"§ 67 Abs. 12 EStG 1988 kommt die Bedeutung zu festzulegen, ob bestimmte Werbungskosten für Zwecke der Lohnsteuerbemessung (bzw. der Einkommensteuerbemessung) den laufenden oder den sonstigen Bezügen zuzuordnen sind und ob sie damit die nach dem Tarif zu versteuernden oder die mit festen Steuersätzen zu versteuernden Einnahmen mindern (vgl. , VwSlg 7612 F/2001). Auch im Fall der Veranlagung soll eine systematisch richtige Zuordnung erfolgen (vgl. , VwSlg 7865 F/2003). Dabei sollen Beiträge, soweit sie auf die sonstigen Bezüge entfallen, systematisch richtig von diesen Bezügen in Abzug gebracht werden. Wie aus den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (Hinweis 72 BlgNR 20. GP 269) hervorgeht, sollen aber Beiträge, die auf sonstige Bezüge entfallen, die wie ein laufender Bezug zu versteuern sind (Sechstelüberschreitung), anteilig beim laufenden Bezug berücksichtigt werden. Dies ergibt sich auch aus dem Wortlaut des § 67 Abs. 12 EStG 1988, der eine Regelung für "Bezüge, die mit festen Steuersätzen zu versteuern sind," vorsieht, was für sonstige Bezüge, soweit sie die Sechstelgrenze überschreiten, nicht zutrifft.

Eine direkte Zuordnung des einzigen (einheitlichen) Sozialversicherungs-Beitrags zu einem der beiden (steuerlichen) Bezüge (laufend oder sonstige) ist im Gesetz nicht vorgesehen. Auch besteht keine Regel dahin, dass dieser einheitliche Beitrag vorrangig dem laufenden Bezug oder vorrangig dem sonstigen Bezug zuzuordnen wäre (und nur ein allfälliger Rest dem anderen Bezug). Der Beitrag ist demnach anteilig (entsprechend dem Verhältnis der Höhen der beiden Bezüge) zuzuordnen."

Nichts anderes kann im Beschwerdefall gelten. Die (aliquote) Aufteilung des Betrages von € 3.471,84 auf laufende und sonstige Bezüge durch die Abgabenbehörde erfolgte zu Recht.

3.3.) Insoweit im Vorlageantrag vom auf die Einkommensteuerrichtlinien (Rz 1251 ff) hingewiesen wird, ist festzuhalten, dass diese mangels Kundmachung im Bundesgesetzblatt keine für das Bundesfinanzgericht beachtliche Rechtsquelle darstellen. Darüber hinaus ist den zitierten Richtlinien nicht zu entnehmen, dass Beiträge zur Gruppenkrankenversicherung als Versorgungseinrichtung in voller Höhe nach § 16 Abs. 1 Z. 4 lit. a EStG 1988 absetzbar sind.

4.) Bei den geleisteten Prämienzahlungen von € 609,24 (Privatarzt und Sonderklasse) zur Gruppenkrankenversicherung handelt es sich hingegen um Sonderausgaben (vgl. Bestätigung ***8***-Versicherung Jänner 2019). Der Bf hat neben Ausgaben für Wohnraumschaffung (€ 2.516,49) auch Aufwendungen für Personenversicherung (€ 403,51) als Sonderausgaben geltend gemacht hat. Dies bedeutet, dass der für Topf-Sonderausgaben bestehende einheitliche Höchstbetrag von jährlich € 2.920 vom Bf ausgeschöpft worden ist. Die von der Abgabenbehörde im Vorlagebericht vom beantragte Änderung hat somit keine steuerliche Auswirkung. Die geltend gemachten Kilometergelder (€ 732,90) und die Ausgaben für die Haftpflichtversicherung (€ 114,33) waren als Werbungskosten zu berücksichtigen.

III.) Zulässigkeit einer Revision:

Die Revision ist nicht zulässig, weil die strittige Rechtsfrage (aliquote Aufteilung der Krankenversicherungsbeiträge auf laufende sonstige Bezüge) durch die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs bereits geklärt ist.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.3100533.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at