Bescheidbeschwerde – Senat – Erkenntnis, BFG vom 24.03.2021, RV/7105678/2019

Rechtswidrigkeit/Offensichtlichkeit nach § 293b BAO

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/7105678/2019-RS1
Durch die Übernahme einer – somit richtigen – anrechenbaren Lohnsteuer von 0,00 € in den Einkommensteuerbescheid ist folglich keine Unrichtigkeit und in weiterer Folge keine Rechtswidrigkeit des Bescheides zu erkennen. § 293b BAO ist daher nicht anwendbar.
RV/7105678/2019-RS2
Die selbst in der Beschwerde angeführten Prüfschritte () übersteigen die vom Gesetzgeber normierten Anforderungen an die Offensichtlichkeit einer Unrichtigkeit erheblich.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Vorsitzende Richterin MMag. Elisabeth Brunner, den Richter Mag. Gerhard Konrad sowie die fachkundigen Laienrichterinnen Mag. Gertraud Lunzer und Mag. Petra-Maria Ibounig als Senat in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Mag. Wolfgang Schranz, Zum Herrschaftskeller 3, 7093 Jois, über die Beschwerde vom gegen den abweisenden Bescheid des Finanzamtes Wien 1/23 - nunmehr ***FA*** - vom aufgrund eines Antrages auf Berichtigung gemäß § 293b BAO des Bescheides betreffend Einkommensteuer 2013, vom , Steuernummer ***BF1StNr1*** nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am zu Recht erkannt:

  • Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
    Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

  • Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Das Verfahren stellt sich wie folgt dar:

Der Beschwerdeführer erhielt von der Versorgungseinrichtung der Rechtsanwaltskammer eine Teilabfindung seines Pensionsanspruches in 2013 ausbezahlt.

Mit Bescheid vom setzte das Finanzamt die Einkommensteuer für das Jahr 2013 fest. Dabei wurden unter anderem Bezüge der Rechtsanwaltskammer ***Ort*** / Versorgungseinrichtung auf Basis eines vorgelegten Lohnzettels iHv € 48.709,80 in Ansatz gebracht und nach Tarif versteuert. Der Bescheid erwuchs in Rechtskraft.

Dem aktuellen Beschwerdeverfahren war bereits ein weiteres in den Jahren 2018 und 2019 vorgelagert, welches nachfolgend zusammengefasst wiedergegeben wird:

Am beantragte der Beschwerdeführer die Wiederaufnahme des Einkommensteuerverfahrens 2013. Begründet wurde das Anbringen damit, dass das Vorliegen einer (mit dem begünstigten Steuersatz von 6% zu versteuernden) Pensionsabfindung für das Finanzamt eine neu hervorgekommene Tatsache im Sinne des § 303 Abs 1 BAO darstelle. Dabei berief sich der Beschwerdeführer auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom (Ro 2015/13/0020), nach welchem die von einem Rechtsanwalt bezogene Teilabfindung einer Zusatzpension nicht dem progressiven Einkommensteuertarif unterliegt, sondern mit dem festen Steuersatz des § 67 Abs 4 Teilstrich 1 EStG 1988 zu besteuern ist.

Eine Beschwerde, die sich gegen die seitens des Finanzamts erfolgte Abweisung des Antrages richtete, wurde mit Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom (RV/7100067/2019) als unbegründet abgewiesen. Es liegen keine neuen Tatsachen vor, da dem Beschwerdeführer bekannt war, dass es sich bei dem im Lohnzettel in der KZ 210 enthaltenen Betrag von € 47.739,50 um einen Teilpensionsabfindungsbetrag handelt. Eine Revision wurde dagegen nicht eingebracht.

Das aktuelle Verfahren in der Rechtssache stellt sich folgendermaßen dar:

Der Beschwerdeführer stellte durch seinen steuerlichen Vertreter den Antraggemäß § 293b BAO vom , den Einkommensteuerbescheid 2013 vom dahingehend zu berichtigen, dass die Pensionsabfindung gemäß § 67 Abs 4 EStG mit dem festen Steuersatz von 6 % versteuert wird.

Begründet wurde der Antrag damit, dass aufgrund der oben erwähnten verwaltungsgerichtlichen Judikatur feststehe, dass "diese tarifmäßige Versteuerung eine aus der Einkommensteuererklärung 2013 übernommene offensichtliche Unrichtigkeit im Sinn des § 293b BAO darstellt".

Ergänzend wurde ausgeführt:

"Die Rechtsanwaltskammer ***Ort*** hat über diese Pensionsabfindung einen Lohnzettel ausgestellt, in welchem sie diese Bezüge als "nach dem Tarif versteuerte sonstige Einkünfte (§ 67 Abs 2, 6, 10)" behandelt hat. Sie hat allerdings keine (tarifmäßige) Lohnsteuer einbehalten, sondern diese Pensionsablöse brutto für netto an unseren Mandanten ausgezahlt. Damit hat die Rechtsanwaltskammer aber diese Pensionsablöse unter eine unrichtige Gesetzesbestimmung eingereiht und darüberhinaus auch ihre Verpflichtung zum Einbehalt der (tarifmäßigen) Lohnsteuer verletzt.

Das Finanzamt hat nun aber diesen unrichtigen Lohnzettel aus der Einkommensteuererklärung 2013 in den Einkommensteuerbescheid vom übernommen, obwohl es diese Unrichtigkeit hätte erkennen müssen. Diese Unrichtigkeit der in der Abgabenerklärung vertretenen Rechtsauffassung wäre für die Behörde klar erkennbar gewesen, wenn sie die Abgabenerklärung diesbezüglich geprüft hätte. Nach der Judikatur (zB 2010/15/0202) kommt es auf die Erkennbarkeit der Unrichtigkeit durch die Abgabenbehörde an (Ritz BAO 6, Rz 2 zu § 293 b). Dem Finanzamt hätte die offensichtliche Unrichtigkeit auffallen müssen, die darin bestanden hat, dass zwar im Lohnzettel tarifmäßig zu versteuernde Einkünfte angeführt waren, aber eine diesbezüglich einzubehaltende tarifmäßige Lohnsteuer fehlte. Hätte das Finanzamt die im Lohnzettel gern § 67 (2, 6, 10) ausgewiesenen Bezüge bzw den Nichteinbehalt von Lohnsteuer hinterfragt, wäre es auf die Pensionsablöse gestoßen und hätte den unrichtigen Ausweis mit der Folge der unrichtigen Besteuerung erkennen müssen.

Bestünde behördlicherseits bereits bei entsprechender Prüfung von vorn herein die Gewissheit, dass die in der Abgabenerklärung vertretene Rechtsansicht unrichtig ist, so liegt aus der Sicht der Abgabenbehörde eine offensichtliche Unrichtigkeit vor (/150010). § 293 b BAO setzt voraus, dass die Abgabenbehörde den Inhalt einer Abgabenerklärung übernimmt, wobei diesem Inhalt eine offensichtliche Unrichtigkeit zugrunde liegt. Das wird dann zu bejahen sein, wenn die Abgabenbehörde bei ordnungsgemäßer Prüfung der Abgabenerklärung die Unrichtigkeit hätte erkennen müssen, ohne ein weiteres Ermittlungsverfahren durchzuführen.

Die Unrichtigkeit kann sowohl in einer unzutreffenden Rechtsauffassung als auch in einer in sich widersprüchlichen oder eindeutig gegen menschliches Erfahrungsgut sprechenden Sachverhaltsdarstellung zum Ausdruck kommen ( 2003/15/0110 sowie , 97/13/0230). Ein Lohnzettel, in dem zwar voll steuerpflichtige Bezüge, aber kein Einbehalt von Lohnsteuer ausgewiesen ist, ist eine solche in sich widersprüchliche Sachverhaltsdarstellung."

Die belangte Behörde wies den Antrag mit Bescheid vom mit der Begründung ab, dass der von der Rechtsanwaltskammer übermittelte Lohnzettel übernommen wurde, eine Unrichtigkeit ohne Durchführung eines Ermittlungsverfahrens nicht erkennbar war und aufgrund des VwGH-Erkenntnisses aus 2017 zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung () keine Unrichtigkeit vorgelegen sei.

Nach einem Fristverlängerungsersuchen brachte der steuerliche Vertreter die Beschwerde vom ein. Er beantragte die Bescheidaufhebung, die Erlassung eines neuen Einkommensteuerbescheides 2013, keine Beschwerdevorentscheidung zu erlassen und die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht vorzulegen sowie die Entscheidung durch den gesamten Senat und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

In der Sache wurde das Anbringen damit begründet, dass kein Ermittlungsverfahren notwendig gewesen wäre, "sondern der Behörde dieser Widerspruch bei ordnungsmäßiger Prüfung der Einkommensteuererklärung 2013 hätte auffallen müssen". "Wenn daher im ursprünglichen Lohnzettel überhaupt keine einbehaltene Lohnsteuer ausgewiesen war, dann handelt es sich hierbei mE um eine offensichtliche Unrichtigkeit im Tatsachenbereich, welche vom Finanzamt ungeprüft in den Einkommensteuerbescheid 2013 übernommen worden ist."

Zusätzlich wurde darauf hingewiesen, dass der VwGH mit dem Erkenntnis , Ro 2015/13/0020 keine neue Rechtslage geschaffen habe, sondern die bisherige Rechtsansicht bestätigt habe (, ) und damit bereits ab dem Jahr 2002 Pensionsablösen der Rechtsanwälte steuerlich begünstigt waren.

Die Beschwerde wurde mit Vorlagebericht vom mit dem Antrag auf Abweisung dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt.

In der mündlichen Verhandlung vom erneuerten die Behördenvertreterin sowie der steuerliche Vertreter des Beschwerdeführers ihr bisheriges, aktenkundiges Vorbringen.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Aufgrund der Anträge vom war gemäß § 274 Abs Z 1 lit a BAO eine mündliche Verhandlung durchzuführen und obliegt die Entscheidung gemäß § 272 Abs 2 Z 1 lit a BAO dem Senat.

Da die Beschwerde zulässig ist, rechtzeitig eingebracht wurde und keine Erledigung in Beschlussform gemäß § 278 BAO zu ergehen hat, entscheidet das Bundesfinanzgericht gemäß § 279 BAO in der Sache selbst.

Sachverhalt

Der Beschwerdeführer beantragte am die Gewährung einer Altersrente mit Teilabfindung aus der Versorgungseinrichtung der Rechtsanwaltskammer ***Ort***. Diesem Antrag gab der Ausschuss der Rechtsanwaltskammer ***Ort*** mit Beschluss vom (GZ: ***GZ***) mit Wirkung per statt. Demnach wurde diesem eine Teilabfindung seines Pensionsanspruches in Höhe von 47.739,50 € (nach Abzug von Verwaltungskosten, vor Steuern) zuerkannt. Der Betrag wurde dem Beschwerdeführer im Jahr 2013 ausbezahlt.

Mit Bescheid vom setzte das Finanzamt die Einkommensteuer für das Jahr 2013 fest. Dabei wurden als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit neben den Bezügen von der Sozialversicherungsanstalt der Bauern Bezüge der Rechtsanwaltskammer ***Ort*** / Versorgungseinrichtung in Höhe von 48.709,80 € in Ansatz gebracht und nach Tarif versteuert. Der Beschwerdeführer hatte diesbezüglich in seiner Einkommensteuererklärung angegeben, von zwei inländischen gehalts- oder pensionsauszahlenden Stellen Einkünfte bezogen zu haben. Eine Lohnsteuer wurde nicht angerechnet.

Die Rechtsanwaltskammer übermittelte dem Finanzamt einen Lohnzettel für den Zeitraum 1. August bis mit folgenden Beträgen:


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Position
Kennzahl
Betrag
Bruttobezüge gemäß § 25 (ohne § 26 und ohne Familienbeihilfe)
210
48.866,30
Bezüge gemäß § 67 Abs. 1 und 2 (innerhalb des Jahressechstels) vor Abzug der Sozialversicherungsbeiträge (SV-Beiträge)
220
156,50
Steuerpflichtige Bezüge
245
48.709,80
Anrechenbare Lohnsteuer
260
Nach dem Tarif versteuerte sonstige Bezüge (§ 67 Abs 2, 6, 10)
47.770,80

Der Bescheid blieb unbekämpft und erwuchs in Rechtskraft.

Der Rechtsstreit hinsichtlich des mit Bescheid abgewiesenen Antrages gemäß § 293b BAO vom bildet die Grundlage dieser Beschwerdesache.

Beweiswürdigung

Der Sachverhalt ergibt sich aus dem Akt und dem Abgabeninformationssystem der Finanzverwaltung und ist unstrittig.

Rechtliche Beurteilung (Spruchpunkt I.)

Strittig ist, ob der Einkommensteuerbescheid 2013 rechtswidrig ist, und diese Rechtswidrigkeit auf der Übernahme offensichtlicher Unrichtigkeiten aus Abgabenerklärungen beruht.

§ 293b BAO idF BGBl I Nr 97/2002 lautet:

"Die Abgabenbehörde kann auf Antrag einer Partei (§ 78) oder von Amts wegen einen Bescheid insoweit berichtigen, als seine Rechtswidrigkeit auf der Übernahme offensichtlicher Unrichtigkeiten aus Abgabenerklärungen beruht."

Dem Bericht des Finanzausschusses zum Abgabenänderungsgesetz 1989, mit welchem die Bestimmung § 293b BAO begründet wurde (AB 1162 BlgNR 17. GP, 15-16) ist zu entnehmen, dass diese zur Beseitigung offensichtlicher Unrichtigkeiten, die ohne weitere Erhebungen erkennbar sind, geschaffen wurde. Keinesfalls soll es zulässig sein, Bescheide wegen Umständen, die erst nach diesbezüglichen Erhebungen feststellbar wären, gestützt auf die neu zu schaffende Regelung zu berichtigen. Diese neue Bestimmung soll der Gleichmäßigkeit der Besteuerung dienen und dem Prinzip der Rechtsrichtigkeit gegenüber jenem der Rechtsbeständigkeit den Vorrang einräumen, was insbesondere bei der Ermessensübung zu berücksichtigen ist (). Als Unrichtigkeiten sind solche im Bereich der rechtlichen Würdigung durch die Partei als auch aktenwidrige Sachverhaltsannahmen und Divergenzen zwischen den Angaben im Erklärungsvordruck und den Beilagen anzusehen.

Dem Verwaltungsgerichtshof folgend setzt § 293b BAO voraus, dass die Abgabenbehörde bei ordnungsgemäßer Prüfung der Abgabenerklärung die Unrichtigkeit hätte erkennen müssen, ohne ein weiteres Ermittlungsverfahren durchzuführen (). Die Unrichtigkeit kann sowohl in einer unzutreffenden Rechtsauffassung als auch in einer in sich widersprüchlichen oder eindeutig gegen menschliches Erfahrungsgut sprechenden Sachverhaltsdarstellung zum Ausdruck kommen ().

Die Unrichtigkeiten müssen aus den Abgabenerklärungen (einschließlich Beilagen) selbst oder aus diesen in Verbindung mit der übrigen Aktenlage erkennbar sein (Ellinger/Sutter/Urtz, BAO3, § 293b Anm 9 (Stand , rdb.at) mit Verweis auf ).

Stoll setzt hinsichtlich der Qualifizierung als offensichtliche Unrichtigkeit voraus, dass sie ohne nähere Untersuchungen im Rechtsbereich und ohne Ermittlungen im Tatsachenbereich deutlich erkennbar ist (Stoll, BAO-Kommentar, 1994, S 2831).

Maßgeblicher Zeitpunkt zur Beurteilung der Unrichtigkeit ist jener der Erlassung des zu berichtigenden Bescheides ().

Der steuerliche Vertreter behauptet zunächst im Antrag vom , dass die tarifmäßige Versteuerung eine aus der Einkommensteuererklärung 2013 übernommene offensichtliche Unrichtigkeit im Sinn des § 293b BAO darstellt, um in weiterer Folge (im folgenden Text des Antrages bzw. in der Beschwerde) jedoch die Ansicht zu vertreten, dass diese darin bestand, "dass zwar im Lohnzettel tarifmäßig zu versteuernde Einkünfte angeführt waren, aber eine diesbezüglich einzubehaltende tarifmäßige Lohnsteuer fehlte".

Eine Rechtswidrigkeit eines Bescheides kann nur hinsichtlich aus Abgabenerklärungen übernommener offensichtlicher Unrichtigkeiten beruhen. Diesfalls stellt sich die Frage, was aus Abgabenerklärungen tatsächlich in den Einkommensteuerbescheid 2013 eingeflossen ist.

In der Einkommensteuererklärung 2013 gab der Beschwerdeführer an, von zwei inländischen gehalts- oder pensionsauszahlenden Stellen Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit bezogen zu haben. Aufgrund der vorliegenden Lohnzettel von der Rechtsanwaltskammer ***Ort*** und der Sozialversicherungsanstalt der Bauern war dies zu keinem Zeitpunkt als unrichtig anzusehen.

Aus dem von der Rechtsanwaltskammer übermittelten Lohnzettel wurde in den Bescheid übernommen, dass aufgrund des fehlenden Eintrags in der Kennzahl 260 keine Lohnsteuer anzurechnen ist und Einkünfte von 48.709,80 € aufgrund der Anführung unter der Kennzahl 245 als zum Tarif steuerpflichtige Bezüge anzusehen sind. Dass sonstige Bezüge in Höhe von 47.770,80 € gemäß § 67 Abs 2, 6, 10 EStG 1988 laut Lohnsteuertarif versteuert wurden, ist in den Bescheid nicht eingeflossen bzw. hatte keine Auswirkung auf den Spruch des Bescheides.

Dass keine (tarifmäßige) Lohnsteuer einbehalten und damit als anrechenbar eingetragen wurde, ist in Anbetracht der Angabe im Lohnzettel, dass sonstige Bezüge in Höhe von 47.770,80 € nach dem Tarif versteuert wurden (§ 67 Abs 2, 6, 10 EStG 1988), widersprüchlich. Grundsätzlich kann ein in einem Lohnzettel hervortretender Widerspruch eine offensichtliche Unrichtigkeit im Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides darstellen.

Im Antrag vom wurde vom steuerlichen Vertreter bestätigt ("Sie [Rechtsanwaltskammer ***Ort***] hat … diese Pensionsablöse brutto für netto an unseren Mandanten ausgezahlt"), dass keine Lohnsteuer seitens der Rechtsanwaltskammer einbehalten wurde. In Berücksichtigung dieser glaubhaften Anmerkung und der damit übereinstimmenden fehlenden Angabe einer anrechenbaren Lohnsteuer im vorliegenden Lohnzettel, ist davon auszugehen, dass von der Rechtsanwaltskammer keine Lohnsteuer einbehalten wurde. Durch die Übernahme einer - somit richtigen - anrechenbaren Lohnsteuer von 0,00 € in den Einkommensteuerbescheid ist folglich keine Unrichtigkeit und in weiterer Folge keine Rechtswidrigkeit des Bescheides zu erkennen. § 293b BAO ist daher nicht anwendbar.

Hinsichtlich der zweiten aus dem Lohnzettel übernommenen Daten (Besteuerung von 48.709,80 € zum Tarif) war für die Abgabenbehörde aus dem Verwaltungsakt sowie der Einkommensteuererklärung und dem Lohnzettel nicht unmittelbar erkennbar, dass es sich um Einkünfte aus einer Pensionsabfindung handelte.

Der steuerliche Vertreter bringt vor, dass bei entsprechendem Hinterfragen durch die Abgabenbehörde, diese auf die Pensionsablöse gestoßen wäre und die unrichtige Besteuerung erkennen hätte müssen.

Aus § 293b BAO kann keinesfalls abgeleitet werden, dass keine Verfahrensvorschriften verletzt werden, wenn das Finanzamt ohne Prüfung der Tat- und Rechtsfrage Bescheide erlässt ().

Die amtswegige Ermittlungspflicht der belangten Behörde nach § 115 Abs 1 BAO hat dort ihre Grenzen, wo unbedenkliche Mitteilungen übermittelt werden, hinsichtlich derer keine konkrete Veranlassung zur Prüfung besteht (). Vielmehr hätte der Beschwerdeführer selbst für die Offenlegung der tatsächlichen Verhältnisse sorgen können.

§ 67 Abs 4 EStG 1988 idF BGBl I Nr 22/2012 lautet:

"Die Lohnsteuer von Abfertigungen der Witwer- oder Witwenpensionen, die auf Grund bundes- oder landesgesetzlicher Vorschriften aus dem Grunde der Wiederverehelichung geleistet werden, wird so berechnet, daß die auf die letzte laufende Witwer- oder Witwenpension entfallende tarifmäßige Lohnsteuer mit der gleichen Zahl vervielfacht wird, die dem bei der Berechnung des Abfertigungsbetrages angewendeten Mehrfachen entspricht. Ist die Lohnsteuer bei Anwendung des Steuersatzes von 6% niedriger, so erfolgt die Besteuerung der Abfertigung der Witwer- oder Witwenpension mit 6%. Diese Bestimmungen sind auch anzuwenden

- auf die Ablösung von Pensionen des unmittelbar Anspruchsberechtigten auf Grund bundes- oder landesgesetzlicher Vorschriften oder auf Grund von Satzungen der Versorgungs- und Unterstützungseinrichtungen der Kammern der selbständig Erwerbstätigen sowie

- auf Abfindungen im Sinne des § 269 ASVG und vergleichbare Abfindungen im Rahmen der gesetzlichen Pensionsversicherung oder auf Grund von Satzungen der Versorgungs- und Unterstützungseinrichtungen der Kammern der selbständig Erwerbstätigen."

Ginge man nichtsdestotrotz - wie vom Beschwerdeführer behauptet - hinsichtlich der Art der Einkünfte von einer Prüfpflicht des Finanzamts aus, so bliebe dennoch eine vom Verwaltungsgerichtshof vorgesehene Prüfung der Satzung der Rechtsanwaltskammer in Bezug auf § 67 Abs 4 EStG 1988 einem Ermittlungsverfahren vorbehalten ().

Die einzelnen Voraussetzungen (ermessenunabhängiger Rechtsanspruch, konkreter und abfertigbarer Pensionszusatzanspruch, nicht bloß ähnliche wirtschaftliche Auswirkung zu jener einer Pensionsabfindung) sind diesem Erkenntnis sowie auch der gegenständlichen Beschwerde zu entnehmen. Sie zeigen, dass eine rechtliche Beurteilung nur nach Durchführung von näheren Erhebungen und der Würdigung dieser Ergebnisse möglich ist.

Ob eine offensichtliche Unrichtigkeit im Hinblick auf die übernommene Rechtsauffassung vorliegt, ist anhand des Gesetzes und vor allem auch der dazu entwickelten Rechtsprechung zu beurteilen. Bestünde behördlicherseits bei entsprechender Prüfung von vornherein die Gewissheit, dass die in der Abgabenerklärung vertretene Rechtsansicht unrichtig ist, so liegt aus der Sicht der Abgabenbehörde eine offensichtliche Unrichtigkeit vor ().

Dass die Pensionsablöse der Rechtsanwaltskammer alle diese Voraussetzungen erfüllt, war aus der Sicht der belangten Behörde nicht offensichtlich. Die selbst in der Beschwerde angeführten Prüfschritte () übersteigen die vom Gesetzgeber normierten Anforderungen an die Offensichtlichkeit einer Unrichtigkeit erheblich.

Da eine Unrichtigkeit der erklärten Rechtsansicht aus dem Verwaltungsakt nicht eindeutig erkennbar ist, ist auch in dieser Hinsicht die Anwendbarkeit von § 293b BAO nicht gegeben.

Da zusammenfassend kein Anwendungsfall des § 293b BAO gegeben ist, erübrigt sich in Bezug auf die Berichtigung des Bescheides eine Ermessensübung, insbesondere im Hinblick auf den Vorrang der Rechtsrichtigkeit und der Gleichmäßigkeit der Besteuerung.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Unzulässigkeit einer Revision (Spruchpunkt II.)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Das erkennende Gericht folgt in seinem Erkenntnis der in Punkt 3. angeführten einheitlichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung liegt folglich nicht vor.

Wien, am

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