Keine Wiedereinsetzung des Verfahrens bei mangelnder Kontrolle einer Hilfsperson
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***1*** in der Beschwerdesache ***Bf1*** über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Österreich vom betreffend Wiedereinsetzung der Verfahren betreffend Einkommensteuer 2013 bis 2015 (Arbeitnehmerveranlagung) zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang
Im gegenständlichen Beschwerdeverfahren hat das Finanzamt mit Bescheiden vom 16. und im wiederaufgenommenen Verfahren Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2013 bis 2015 gemäß § 303 Abs. 1 BAO (neu) erlassen, welche dem Beschwerdeführer (Bf) am 16. bzw. über FinanzOnline in die DataBox zugestellt wurden.
"Am brachte der Beschwerdeführer im Schriftweg folgende Eingabe beim Finanzamt ein:
Wiedereinsetzungsantrag gem. § 308 BAO iVm § 71AVG,
Beschwerde, Antrag auf Aussetzung der Einhebung
"Mit drei Bescheiden des Finanzamtes Salzburg-Land, datiert auf den 16. und , zugestellt via Finanzonline, wurde die Einkommensteuer für die Jahre 2013, 2014 und 2015 aufgrund einer Wiederaufnahme des Verfahrens neu festgesetzt. Aufgrund des Umstandes, dass ich keinen Computer besitze, keinen Internetzugang habe und auch nicht über die Hinterlegung eines Bescheides auf Finanzonline informiert wurde, konnte ich leider nicht fristgemäß Beschwerde gegen die Bescheide erheben. Daher stelle ich in offener Frist die
Anträge
1. das Finanzamt Salzburg-Land möge mir die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bewilligen,
2. die obengenannten Bescheide aufheben,
3. die Einhebung des strittigen Betrages von 7.655,49 € auf meinem Abgabenkonto aussetzen.
Begründung des Wiedereinsetzungsantrages:
Die gegenständlichen Bescheide sind datiert mit 16. und . Ich habe durch eine Zahlungsaufforderung vom erstmals Kenntnis über den Rückstand am Abgabenkonto erlangt. Die Bescheide wurden auf Anfrage meiner Tochter aufgrund des Erhalts der Zahlungsaufforderung am per Post zugestellt. Aufgrund eines unvorhergesehenen und unabwendbaren Ereignisses konnte ich die Frist zu Erhebung einer Beschwerde gegen oben genannte Bescheide nicht einhalten.
Ich bin 86 Jahre alt, besitze weder Computer noch Internetzugang und konnte von der versuchten Zustellung via Finanzonline keine Kenntnis erlangen. Mein Zugang zu Finanzonline wurde mir vor einigen Jahren von einem Bekannten eingerichtet, um die Arbeitnehmerveranlagung durchzuführen. Ich selbst habe nie meinen Zugang benutzt, bin dazu auch nicht fähig und wusste nichts über die Funktionen von Finanzonline, außer, dass die Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung dadurch erleichtert würde. Insbesondere war es mir nicht bewusst, dass ich dadurch einer elektronischen Zustellung zustimmen würde. Nach Rückfrage bei meinem Bekannten ist auch keine E-Mail-Adresse hinterlegt, die es möglich gemacht hätte, Informationen über die Verfahren zu erlangen. Das formelle Bestehen der Finanzonline-Abgabestelle ändert nichts an der Tatsache, dass es mir unmöglich ist, einen Computer zu benützen, elektronische Zustellungen zu empfangen oder selbst Anträge via Finanzonline zu stellen. Nach gängiger Rsp ist für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand notwendig, dass ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis vorliegt. Leichte Fahrlässigkeit schadet dem Wiedereinsetzungsbegehren nicht.
Ein (eine Fristeinhaltung hinderndes) Ereignis ist nicht nur ein Vorgang in der Außenwelt, sondern auch ein psychischer Vorgang wie Vergessen, Verschreiben, sich Irren (zB ). Ein Ereignis ist unvorhergesehen, wenn die Partei es tatsächlich nicht einberechnet hat und mit zumutbarer Aufmerksamkeit nicht erwarten konnte (zB 98/15/0028; 2000/16/0055; 2004/16/0096). Minderer Grad des Versehens ist leichter Fahrlässigkeit im Sinn des § 1332 ABGB gleichzusetzen (zB 2001/15/0032, 0039; 2004/16/0204). Leichte Fahrlässigkeit liegt vor, wenn ein Fehler unterläuft, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht (zB 9&17/0112; B 2290/96, G 176/96).
Aufgrund meiner mangelnden Computerkenntnisse, meines Irrtums bei der Zustimmung meinen Bekannten Finanzonline für mich zu benutzen und meines mangelnden Zugangs zu Computer/Internet liegt ein solches Ereignis vor. Angesichts meines hohen Alters, damit verbundenen Schwierigkeiten mit neuen Technologien und meines Gesundheitszustandes, über den das Finanzamt durch meine Tochter bereits informiert wurde (Mail vom ), war mir ein höherer Sorgfaltsmaßstab auch nicht zuträglich. Daher hinderte mich ein unvorhersehbares Ereignis an der Fristeinhaltung. Meinem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist daher zu entsprechen.
Begründung der Beschwerde:
Den angefochtenen Bescheiden liegt eine Änderung der Lohnzetteldaten vom 2. Lohnzettel durch das BMLV zugrunde, die zu einer Wiederaufnahme geführt hat. Da es sich bei Dienstwohnungen um eine Sachleistung gemäß Beamten-Dienstrechtsgesetz und nicht um einen Regelungsinhalt des EStG handelt, wurden die Bescheide unrichtig erlassen. Hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der Lohnzettel ist derzeit eine Überprüfung durch das BMLV anhängig. Eine endgültige Klärung hinsichtlich der Qualifikation des Regelungsinhalts des 2. Lohnzettels ist vor Abschluss des Verfahrens nicht möglich.
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Mit Bescheid vom wurde der Antrag vom , eingebracht am , auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 308 BAO betreffend die Einkommensteuerverfahren 2013 bis 2015 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt:
Zu den Voraussetzungen der Wiedereinsetzung zählt, dass die Partei durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war. Unvorhergesehen ist ein Ereignis, das die Partei nicht einberechnet hat und dessen Eintritt sie auch unter Bedachtnahme auf die ihr persönlich zumutbare Aufmerksamkeit und Vorsicht nicht erwarten konnte (vgl. Ritz, BA04, § 308 Tz 9; m.w.N.). Unabwendbar ist ein Ereignis dann, wenn es die Partei mit den einem Durchschnittsmenschen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten und Mitteln nicht verhindern konnte, auch wenn sie dessen Eintritt voraussah (vgl. Ritz, BA04, § 308 Tz 10; m.w.N.).
Als weitere Voraussetzung darf auf Seiten der Partei bzw. ihres Vertreters kein Verschulden an der Versäumung der Frist vorliegen, welches über einen minderen Grad des Versehens hinausgeht.
Gemäß § 98 Abs. 2 BAO gelten elektronisch zugestellte Dokumente als zugestellt, sobald sie in den elektronischen Verfügungsbereich des Empfängers gelangt sind. Im Zweifel hat die Behörde die Tatsache und den Zeitpunkt des Einlangens vom Amts wegen festzustellen. Die Zustellung gilt als nicht bewirkt, wenn sich ergibt, dass der Empfänger wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung mit dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag wirksam.
Gemäß § 5b Abs. 2 der FinanzOnline-Verordnung 2006 (FOnV 2006), BGBl. II 2006/97 idF. BGBl.II 2018/82, kann jeder Teilnehmer in FinanzOnline eine elektronische Adresse angeben, an welche er über eine elektronische Zustellung zu informieren ist. Die Wirksamkeit der Zustellung der Erledigung selbst wird durch die Nichtangabe, durch die Angabe einer nicht dem Teilnehmer zuzurechnenden oder durch die Angabe einer unrichtigen oder ungültigen elektronischen Adresse nicht gehindert.
Der Zeitpunkt, an dem Daten in den elektronischen Verfügungsbereich des Empfängers gelangt sind, ist bei Finanz-Online der Zeitpunkt der Einbringung der Daten in die Databox (vgl.Ellinger/Iro/Kramer/Sutter/Urtz, BAO, 3. Auflage, § 98 Anm. 8). Die Databox ist eine solche, zu der der Empfänger Zugang hat (vgl. 2009/13/0105). Auf das tatsächliche Einsehen der Databox durch den Finanz-Online-Teilnehmer, beispielsweise durch Öffnen, Lesen oder Ausdrucken eines Bescheides kommt es nicht an. (vgl.u.a. RV/0002-F/13).
Sie sind seit angemeldeter Teilnehmer von FinanzOnline. Auch wenn ein Bekannter für Sie den Zugang eingerichtet haben mag, so war es trotzdem Ihre Zustimmung zur Teilnahme an FinanzOnline. Die Anmeldedaten wurden mit Ihren Reisepassdaten verifiziert. Die Anmeldung zu FinanzOnline wurde auch nicht durch einen gem. § 2 Abs. 2 FOnV 2006 teilnahmeberechtigten Parteienvertreter erledigt. Es liegt somit in Ihrem Interesse und Ihrer Vorsicht, Anträge an die Abgabenbehörde über FinanzOnline einzubringen und Schriftstücke der Abgabenbehörde zu empfangen.
Ob Sie dabei persönlich über einen Computer verfügen oder FinanzOnline von einem anderen Computerzugang benützen, ist für die Beurteilung der Frage, ob ein Ereignis unabwendbar ist, genauso irrelevant, wie Ihre Behauptung, nicht einmal über ausreichende Computerkenntnisse zu verfügen.
Ihre Arbeitnehmerveranlagungen wurden seit dem Jahr 2007 jährlich über FinanzOnline eingereicht. Es muss Ihnen im Laufe von mehr als zehn Jahre bewusst geworden sein, dass Bescheide seitens der Abgabenbehörde in den elektronischen Verfügungsbereich gelangen und durch Ihre Zustimmung zur elektronischen Zusendung nicht am Postweg übersendet werden."
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Dagegen wurde mit Schreiben vom fristgerecht Beschwerde erhoben. Der Bf habe persönlich niemals selbst auf FinanzOnline zugegriffen, da er dazu nicht fähig wäre. Vielmehr seien die Handlungen durch einen Bekannten durchgeführt worden. Der Bf sei sich der Tragweite der Anmeldung zu FinanzOnline, Zustellung etc., nicht bewusst gewesen. Der im Bescheid erwähnte Vorsichtsmaßstab wäre ihm in seiner persönlichen Situation daher nicht zuzumuten. Zudem wäre auf einige Vorbringen im Antrag auf Wiederaufnahme im Abweisungsbescheid nicht einmal eingegangen worden.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde seitens des Finanzamtes als unbegründet abgewiesen.
Dagegen wurde fristgerecht Vorlageantrag eingebracht und die Aufhebung des Abweisungsbescheides betreffend die beantragte Wiedereinsetzung des Verfahrens beantragt, um die Rechtsmittelfrist für Beschwerden gegen die Einkommensteuerbescheide nützen zu können. Dem Vorlageantrag wurde ein E-Mail eines Herrn ***2*** vom beigelegt, adressiert an die Tochter des Bf, übertitelt mit "Finanzamtstragödie Bf" und folgendem Inhalt:
"Von ca. 2000 bis 2015 war ich, ***2***, der Familie Bf bei der Arbeitnehmerveranlagung behilflich, da diese keinen eigenen Computer hatte. Ich habe für sie einen Zugang bei FinanzOnline beantragt, mit ihnen gemeinsam die Veranlagung durchgeführt und auch die Bescheide ausgedruckt.
Da ich 2015 in Pension gegangen bin, hat die Familie Bf keinen FinanzOnline Zugang. Daher hat niemand mehr die Bescheide gesehen bzw. gelesen."
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Gemäß § 243 Bundesabgabenordnung (BAO) sind gegen Bescheide, die Abgabenbehörden erlassen, Beschwerden (Bescheidbeschwerden) an die Verwaltungsgerichte zulässig, soweit in Abgabenvorschriften nicht anderes bestimmt ist.
Nach § 245 erster Satz BAO beträgt die Beschwerdefrist einen Monat.
§ 97 Abs 1 BAO bestimmt, dass Erledigungen dadurch wirksam werden, dass sie demjenigen bekannt gegeben werden, für den sie ihrem Inhalt nach bestimmt sind.
Die Bekanntgabe erfolgt bei schriftlichen Erledigungen durch Zustellung;
§ 98. (1) Soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, sind Zustellungen nach dem Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982, vorzunehmen; das gilt nicht für den 3.Abschnitt des ZustG (Elektronische Zustellung).
(2) Elektronisch zugestellte Dokumente gelten als zugestellt, sobald sie in den elektronischen Verfügungsbereich des Empfängers gelangt sind. Im Zweifel hat die Behörde die Tatsache und den Zeitpunkt des Einlangens von Amts wegen festzustellen. Die Zustellung gilt als nicht bewirkt, wenn sich ergibt, dass der Empfänger wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung mit dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag wirksam.
FinanzOnline-Verordnung 2006, FOnV 2006
Elektronische Zustellung
§ 5b. (1) Die Abgabenbehörden haben nach Maßgabe ihrer technischen Möglichkeiten Zustellungen an Empfänger, die Teilnehmer von FinanzOnline sind, elektronisch vorzunehmen.
(2) Jeder Teilnehmer, der an der elektronischen Form der Zustellung über FinanzOnline teilnimmt, hat in FinanzOnline eine E-Mailadresse anzugeben, wenn er über die elektronische Zustellung informiert werden möchte. Die Wirksamkeit der Zustellung der Erledigung selbst wird durch die Nichtangabe, durch die Angabe einer nicht dem Teilnehmer zuzurechnenden oder durch die Angabe einer unrichtigen oder ungültigen E-Mailadresse nicht gehindert.
Nach § 5b Abs 3 erster FOnV 2006 in der oben genannten Fassung kann ein Teilnehmer in FinanzOnline auf die elektronische Form der Zustellung verzichten. Zu diesem Zweck ist ihm bei seinem ersten nach dem erfolgenden Einstieg in das System unmittelbar nach erfolgreichem Login die Verzichtsmöglichkeit aktiv anzubieten. Die Möglichkeit zum Verzicht ist auch nach diesem Zeitpunkt jederzeit zu gewährleisten.
§ 98 Abs 2 BAO normiert, dass elektronische Dokumente als zugestellt gelten, sobald sie in den elektronischen Verfügungsbereich des Empfängers gelangt sind. Im Zweifel hat die Behörde die Tatsache und den Zeitpunkt des Einlangens von Amts wegen festzustellen. Die Zustellung gilt als nicht bewirkt, wenn sich ergibt, dass der Empfänger wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung mit dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag wirksam.
Ist ein Dokument zugestellt, löst gemäß § 6 Zustellgesetz (ZustG) die neuerliche Zustellung des gleichen Dokumentes keine Rechtswirkungen aus.
Unbestritten ist gegenständlich, dass die Zustellung der Wiederaufnahme- und Einkommensteuerbescheide 2013 bis 2015 am 16. und elektronisch durch Einlegen in die DataBox des Bf rechtmäßig und rechtswirksam erfolgt ist.
Die genannten Bescheide sind an diesem Tag in den elektronischen Verfügungsbereich des Beschwerdeführers gelangt, es wurden auch keinerlei relevante Gründe vorgebracht, die gegen die Wirksamkeit der Zustellung sprechen würden. Ob und wann die Dokumente abgerufen wurden, ist für die Wirksamkeit der Zustellung - wie oben bereits ausgeführt - unerheblich.
Der Bf ist entsprechend der Bestimmungen des § 5bFOnV 2006 in der maßgeblichen Fassung seit angemeldeter Teilnehmer von FinanzOnline. Eine Verzichtserklärung auf die elektronische Zustellung ist nicht existent. Dass der Bf über die Tatsache der Zustellung in die Databox nicht per E-Mail informiert wurde, liegt daran, dass es verabsäumt wurde, eine E-Mail-Adresse für Zwecke der Verständigung über die Zustellung einer Erledigung anzugeben. Eine Information per Mail stellt jedoch ohnehin keine Voraussetzung für das Wirksamwerden einer elektronischen Zustellung dar (vgl. Ritz, BAO6, § 98 BAO, Tz 4).
Die Beschwerdefrist begann sohin mit Bescheidzustellung in die Databox am 16. bzw. zu laufen und endete einen Monat später am , welcher Umstand im Übrigen auch seitens des Bf unbestritten ist.
Die nochmalige Übermittlung der Bescheide löste keine Rechtswirkungen mehr aus.
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Gegen die Versäumung einer Frist (§§ 108 bis 110) oder einer mündlichen Verhandlung ist gemäß § 308 Abs. 1 BAO auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
Voraussetzungen für die Bewilligung der Wiedereinsetzung sind daher
-die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung,
-ein hierdurch entstandener Rechtsnachteil,
-ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis,
-kein grobes Verschulden,
-ein rechtzeitiger Antrag auf Wiedereinsetzung (Ritz, BAO-Kommentar, 5. Aufl., § 308, Tz 2).
Dass durch die Versäumung der Beschwerdefrist ein Rechtnachteil für den Bf entstanden sein kann, wird weder vom Finanzamt noch vom Bundesfinanzgericht bestritten. Ebenso wird die Rechtzeitigkeit des Wiedereinsetzungsantrages nicht in Zweifel gezogen.
Der Bf behauptet, durch ein unabwendbares und unvorhersehbares Ereignis gehindert worden zu sein die Beschwerdefrist zu wahren, wodurch ihm ein Rechtsnachteil entstanden sei. Er selbst hätte den Zugang nie benutzt und wäre dazu auch nicht fähig. Der Zugang zu FinanzOnline sei ihm von einem Bekannten eingerichtet worden.
Der Bf habe lediglich um den Umstand gewusst, dass die Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung dadurch für ihn erleichtert würde.
Der Bf gesteht weiters ein, nichts über die Funktionen von Finanzonline in Erfahrung gebracht und sich auch nicht um die Frage der Bescheidzustellung gekümmert zu haben. Nach eigenen Angaben habe er erst im Zuge des Beschwerdeverfahrens durch Rücksprache mit seinem Bekannten in Erfahrung gebracht, dass eine E-Mail-Adresse nicht hinterlegt worden sei.
Unabwendbar ist nach der Rechtsprechung des VwGH ein Ereignis dann, wenn sein Eintritt objektiv von einem Durchschnittsmenschen nicht verhindert werden kann; unvorhersehbar ist es hingegen, wenn der Steuerpflichtige es tatsächlich nicht mit einberechnet hat und sein Eintritt auch unter Bedachtnahme auf die zumutbare Aufmerksamkeit und Voraussicht nicht erwarten konnte (vgl. Slg Nr. 9024/A), wobei hierbei ein unterlaufenes Versehen minderen Grades nicht schadet.
Der Begriff des minderen Grades des Versehens wird nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes als leichte Fahrlässigkeit verstanden. Der Wiedereinsetzungswerber bzw. Vertreter darf also nicht auffallend sorglos gehandelt haben, somit die im Verkehr mit Gerichten und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und von ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer Acht gelassen haben.
Wer einen Wiedereinsetzungsantrag auf das Verschulden einer Hilfsperson stützt, hat schon im Wiedereinsetzungsantrag darzulegen, aus welchen Gründen ihn selbst kein die Wiedereinsetzung ausschließendes Verschulden trifft. Das erfordert ein substantiiertes Vorbringen darüber, dass und in welcher Weise der Wiedereinsetzungswerber die erforderliche Kontrolle ausgeübt hat (vgl. dazu auch und 2-07-2010, 2010/17/0049). Wie intensiv eine Hilfskraft überwacht werden muss, bestimmt sich nach der Ausbildung und Verlässlichkeit. (vgl. Frauenberger, ÖJZ 1992, 113 (117)). Von Verlässlichkeit kann bei einer Hilfskraft erst ausgegangen werden, wenn sie sich längere Zeit hindurch bewährt hat.
Inwieweit diese Voraussetzungen vorliegen sollten, ist den Beschwerdeausführungen des Bf nicht zu entnehmen.
Der Bf ist seit angemeldeter Teilnehmer von FON. Die Anmeldedaten wurden mit den Reisepassdaten des Bf verifiziert. Seit der Veranlagung 2007 werden alljährlich die Erklärungen zur Arbeitnehmerveranlagung im elektronischen Weg über FinanzOnline eingereicht.
Fakt ist zudem, dass die Zustellung der Einkommensteuerbescheide an den Bf seit der Veranlagung 2012 alljährlich auf elektronischem Weg in die Data Box erfolgte. Dass im Postweg folglich keine Bescheidzustellung mehr erfolgt ist, kann auch dem Bf bei Anwendung der zumutbaren Aufmerksamkeit nicht entgangen sein.
Der Bf hat sich nach eigenen Angaben von Anbeginn, also seit 2008 und somit über einen Zeitraum von mehr als zehn Jahren, offensichtlich blind auf einen namentlich genannten Bekannten und zumindest eine weitere nicht benannte Person (jedenfalls für elektronische Eingaben ab 2015) verlassen. Dass deren Tätigkeiten vom Bf regelmäßig hinterfragt (kontrolliert), oder konkret vereinbart worden wäre, wie Bescheidabfragen und deren Weiterleitung an den Bf zu erfolgen hätten, wurde vom Bf nicht einmal behauptet.
Führt das Fehlverhalten anderer Personen zu einer Fristversäumung, so ist zu prüfen, ob die Partei selbst dadurch ein schuldhaftes Verhalten gesetzt hat, dass sie eine Ihr auferlegte Sorgfaltspflicht außer Acht gelassen hat ().
Bestehende Vorkehrungen des Bf zur Sicherung der Kenntnisnahme der ihm im Laufe der Jahre zugehenden Bescheide, zur Wahrung von Fristen bzw. die Hintanhaltung von Terminverletzungen, wurden von diesem nicht argumentiert.
Damit konnte auch kein bloßes minderes Versehen weder einer Hilfsperson (welcher) noch des Bf selbst nachgewiesen werden.
Wenn der Bf in der Folge keine Kenntnis der Bescheidzustellungen im Mai 2019 hatte, liegt es somit im Verantwortungsbereich des Bf, mag dieser auch durch fortschreitendes Alter und schlechtem Gesundheitszustand beeinträchtigt sein. Eine Erkrankung könnte nur dann, wie behauptet, einen Wiedereinsetzungsgrund darstellen, wenn diese zur Dispositionsunfähigkeit führt, plötzlich auftritt, und der Erkrankte nicht mehr im Stande wäre, die nach der Sachlage gebotenen Maßnahmen selbst zu treffen oder treffen zu lassen; dauernde Erkrankung allein würde im Hinblick auf eine Vorsorgepflicht in aller Regel die Wiedereinsetzung nicht rechtfertigen (, 0019, ÖStZB 1983, 47; , 90/13/0004, ÖStZB 1994, 476; , 95/20/0659, ZfVB 1997/6/2177). Eine einen Wiedereinsetzungsgrund bildende Dispositionsunfähigkeit muss so plötzlich und so schwer auftreten, dass der Erkrankte nicht mehr in der Lage ist, die nach der Sachlage gebotenen Maßnahmen zu treffen (, 0495, ZfVB 1997/4/1250).
Das Alter und ein dadurch bedingter Gesundheitszustand alleine bilden keinen Wiedereinsetzungsgrund. Dies umso mehr, als die bereits im Jahr 2008 gewählte - und offensichtlich bis zum heutigen Tage aktuelle -Vorgangsweise der elektronischen Erklärungsabgabe und Einsichtnahme in die DataBox des Bf via FinanzOnline durch Dritte im Auftrag des Bf - ohne jegliche Kontrolle durch den Bf - nach Auffassung des Bundesfinanzgerichtes generell eine Gefahrenlage für die Versäumung von Beschwerdefristen bewirkt und kann diese daher weder als unvorhersehbar noch als unabwendbar angesehen werden kann.
Auch wenn es sich bei ***2*** grundsätzlich um einen gewissenhaften und zuverlässigen Freund handle, ist nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes das gänzliche Außerachtlassen der erforderlichen und zumutbaren Sorgfalt als ein den Grad des minderen Versehens überschreitendes Verschulden des Bf zu werten.
Darüber hinaus hat es der Bf gänzlich unterlassen auszuführen, wer, wenn nicht er selbst, seit 2015 die Abgabenerklärungen im elektronischen Weg eingereicht hat, wer die DataBox eingesehen hat, wer für Bescheidausdrucke und Fristenwahrung verantwortlich ist, zumal seit 2015 auch ***2*** über keinen Computer mehr verfügt habe.
Denn Tatsache ist, dass die Einreichung der Abgabenerklärung 2014 am , der Abgabenerklärung 2015 am , der Abgabenerklärung 2016 am , der Abgabenerklärung 2017 am und der Abgabenerklärung 2018 am mit den Zugangsdaten des Bf im elektronischen Weg erfolgte.
Laut Erkenntnis des /15/0042, stecken die Behauptungen des Wiedereinsetzungswerbers innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist den Rahmen für die Untersuchung der Frage ab, ob ein Wiedereinsetzungsgrund gegeben ist (; vgl. auch , mwN; vgl. auch Ritz, BAO6, § 308 Tz 20).
Das Vorliegen von Wiedereinsetzungsgründen ist nur in jenem Rahmen zu untersuchen, der durch die Behauptungen des Wiedereinsetzungswerbers abgesteckt wurde (vgl. Ritz, BAO5, § 308 Tz 20, mit Hinweisen zur Rechtsprechung).
Offensichtlich hat sich der Bf mehrerer Hilfspersonen bedient. Wer dies im Jahr 2019, also im Zeitpunkt der Zustellung der Wiederaufnahmsbescheide und Einkommensteuerbescheide 2013 bis 2015 gewesen ist, wurde vom Bf nicht offen gelegt. Dass die Tätigkeit der Hilfspersonen generell seiner Kontrolle unterliegen würden, wurde nicht argumentiert. Es wurde nicht einmal behauptet, dass es dem(n) Bekannten oblegen wäre, laufend über die Jahre hinweg allfällige Bescheideingänge zu überwachen und an den Bf weiter zu leiten.
Der Wiedereinsetzungsantrag enthält insofern kein substanziiertes Vorbringen, wie es nach der zitierten Rechtsprechung zur Darlegung eines mangelnden Verschuldens des Beschwerdevertreters erforderlich gewesen wäre.
Insgesamt war daher vor dem Hintergrund der zitierten Rechtsprechung des VwGH von einem die Wiedereinsetzung ausschließenden - den minderen Grad des Versehens überschreitenden - Verschulden auszugehen.
Die Abgabenbehörde hat daher dem Wiedereinsetzungsantrag zu Recht den Erfolg versagt.
Zulässigkeit der Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Beschluss vom , Ra/2019/15/0042, zum Ausdruck gebracht hat, unterliegt die Frage, ob ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis ohne grobes Verschulden der Partei zur Fristversäumung geführt hat oder ob ein Wiedereinsetzungsgrund ausreichend bescheinigt ist, grundsätzlich der einzelfallbezogenen Beurteilung des Verwaltungsgerichtes und stellt daher regelmäßig keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung dar (vgl. , mwN).
Die Revision war somit nicht zuzulassen.
Salzburg, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 308 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | , G 176/96 -F/13 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2021:RV.6100042.2021 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at