Bescheidbeschwerde – Senat – Erkenntnis, BFG vom 25.02.2021, RV/4100083/2018

Freiwillige Meldung gem. Art 20 Quellensteuerabkommen Österreich-Schweiz (BGBl III 192/2012)

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/4100083/2018-RS1
Im Falle einer freiwilligen Meldung gem. Art 20 Quellensteuerabkommen Österreich-Schweiz (BGBl III 192/2012) ist der Tarifsteuersatz (§ 27a Abs 2 Z 7, § 33 Abs 1 EStG 1988) anzuwenden.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Vorsitzenden Mag. ***1*** und die weiteren Senatsmitglieder Dr. RI, Fr. FRI1 und Mag. FRI2 über die Beschwerde vom des Herrn ***Bf1***, plz1 OH, vertreten durch die Confida OH Wirtschaftstreuhand GmbH, plz1 OH und durch die LeitnerLeitner GmbH, 5020 Salzburg,

gegen den Bescheid des Finanzamtes F A vom betreffend Einkommensteuer 2014

nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gegen dieses Erkenntnis gemäß Art 133 Abs 4 B-VG ist zulässig (§ 25 a Abs 1 VwGG).

Entscheidungsgründe

Ablauf des Verfahrens:

Der Beschwerdeführer (Bf) bezog im Streitjahr 2014 Einkünfte (381.525 €) aus nicht verbrieften Derivaten von einer Schweizer Bank. Gemäß Art 20 des Quellensteuerabkommens zwischen der Republik Österreich und der schweizerischen Eidgenossenschaft (BGBL III 192/2012) meldete die Schweizer Bank auf Grund einer ausdrücklichen Ermächtigung des Bf der österreichischen Behörde die Erträge auf diesem Schweizer Bankkonto (Beschwerde, S. 3, 6 und 7; Vorbringen des Bf NiS mündliche Verhandlung S. 4 und 7; Vorbringen der steuerlichen Vertreterin NiS S. 4 und 5).

Das Finanzamt unterwarf diese Erträge im bekämpften Bescheid der normalen Tarifsteuer gem. § 33 Abs 1 EStG 1988. Entgegen dem Begehren des Bf unterwarf das Finanzamt diese Erträge nicht dem besonderen Steuersatz (25% im Jahr 2014) gem. § 27a Abs 1 EStG 1988 (Einkommensteuerbescheid 2014 vom ; BP-Bericht vom , TZ 3, 4).

Es ist zwischen den Parteien strittig, ob für diese Erträge, die der Bf von der Schweizer Bank erhalten hat, der besondere Steuersatz von 25% gem. § 27a Abs 1 EStG anzuwenden ist, oder ob diese Erträge gem. § 33 Abs 1 EStG 1988 zu besteuern sind.

Nach Ansicht der Bf verstoße die Besteuerung zum Tarifsteuersatz der Kapitalverkehrsfreiheit (S. 3-8 der Beschwerde) und der Bundesverfassung (S. 8-10 der Beschwerde).

Nach Auffassung der BP (so die Bf in ihrer Beschwerde, S. 3 mit dem Hinweis auf TZ 3 BP-Bericht), entfalte der Abzug der Abgeltungssteuer für nicht verbriefte Derivate - mangels KESt-Abzuges durch eine inländische auszahlende Stelle iSd § 95 Abs 2 Z 2 lit b EStG- hiefür keine abgeltende Wirkung.

Der pauschale Ausschluss der über die Schweizer Bank ausbezahlten Einkünfte aus Derivaten vom besonderen Steuersatz gem. § 27a Abs 1 EStG widerspreche dem Grundsatz der Kapitalverkehrsfreiheit (Art 63 AEUV).

Das Kapital sei an eine Schweizer Bank zum Zwecke der Veranlagung überwiesen worden und diese habe die Auszahlung der Kapitalerträge an den in Österreich ansässigen Bf vorgenommen. Es liege somit ein Kapitalverkehr mit Berührung zu einem Drittstaat vor (Beschwerde, S. 4).

Gem. Anhang 1 zur Kapitalverkehrsrichtlinie (RL 88/361/EWG) umfasse der Kapitalverkehr nicht nur Kassageschäfte, sondern alle zur Verfügung stehenden Geschäftsformen (Termingeschäfte, Optionsgeschäfte, Tauschgeschäfte, usw). Die gegenständlichen Optionsgeschäfte fielen unter den Begriff des Kapitalverkehrs (Beschwerde, S. 4).

Art 63 AEUV verbiete Maßnahmen, die geeignet seien, Gebietsfremde von Investitionen in einem Mitgliedstaat und Maßnahmen, die geeignet seien, die in einem Mitgliedstaat Ansässigen von Investitionen in anderen Staaten abzuhalten (EuGH Rs-C-326/12 van Caster; Beschwerde, S. 5).

Eine Besteuerung ausländischer Kapitalerträge mit dem progressiven Tarif bei gleichzeitiger Möglichkeit der Anwendung des besonderen Steuersatzes gem. § 27a Abs 1 EStG auf im Inland erzielte Kapitalerträge sei ein Verstoß gegen die Kapitalertragsteuerfreiheit (Beschwerde, S. 5; Rs C-315/02 Lenz).

Es gebe dafür keine Rechtfertigungsgründe:

Die gegenständliche benachteiligende Regelung habe nicht den Zweck, Verhaltensweisen zu verhindern, die geeignet seien, das Besteuerungsrecht der Rep. Österreich auf in einem Drittland, einem Mitgliedstaat oder im Inland erzielte Einkünfte zu gefährden.

Im Hinblick auf die freiwillige Meldung gem. Art 20 Quellensteuerabkommen Österreich-Schweiz bestünde kein Risiko einer Nichtbesteuerung (Beschwerde, S. 6).

Der absolute Ausschluss von im Ausland abgewickelten, veranlagungspflichtigen Derivatgeschäften vom besonderen Steuersatz gem. § 27a Abs 1 EStG sei nicht verhältnismäßig (Beschwerde, S. 6).

Es sei auch nicht richtig, anzunehmen, dass nur inländische Stellen in der Lage wären, eine richtige Besteuerung zu gewährleisten. In diesem Zusammenhang werde auf die Möglichkeit der Amtshilfe hingewiesen; zudem könnten auch die Steuerpflichtigen ausreichende Beweise vorlegen. Ferner seien die strittigen Einkünfte ohnedies im Rahmen der freiwilligen Meldung gemeldet worden, sodass die korrekte Besteuerung nachprüfbar sei (Beschwerde S. 7).

Die Unionsrechtswidrigkeit ergebe sich aus der Anwendung des höheren Steuersatzes anstelle des besonderen Steuersatzes gem. § 27a Abs 1 EStG (Beschwerde S. 7).

Auch ein allenfalls höherer Verwaltungsaufwand rechtfertige keine Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit (S. 7).

Man könnte auch nicht ins Treffen führen, das das KESt-Abzugsverfahren durch den sofortigen Steuerabzug Liquiditätsnachteile mit sich brächte, und dass der niedrigere Steuersatz zum Ausgleich dieser Nachteile gewährt werde: Es müsse ohnedies der Steuerpflichtige Vorauszahlungen auf die Einkommensteuer leisten. Das KESt-Abzugsverfahren bewirke daher keinen tatsächlichen Liquiditätsnachteil (S. 8).

Da dem Unionsrecht lt. RSp des EuGH Anwendungsvorrang zukomme und die die Kapitalverkehrsfreiheit verletzende nationale Norm vom Unionsrecht verdrängt werde, seien die vorliegenden Einkünfte mit dem besonderen Steuersatz gem. § 27a Abs 1 EStG zu besteuern (Beschwerde, S. 9).

Der Bf regte einen Antrag auf Vorabentscheidung an (Beschwerde, S. 9). In diesem Zusammenhang regte der Bf regte die folgende Frage an:

"Steht Art 63 AEUV einer Regelung entgegen, wie sie § 27a Abs 2 Z 7 EStG vorsieht, nach welcher dem Steuerpflichtigen bei nicht verbrieften Derivaten, die über eine österreichische auszahlende Stelle abgewickelt werden, eine Besteuerung mit dem besonderen Steuersatz iSd § 27a Abs 1 EStG von 25% gesetztlich ermöglicht wird, während hingegen Einkünfte aus nicht verbrieften Derivaten, die über eine in der Schweiz ansässige auszahlende Stelle abgewickelt werden und veranlagungspflichtig sind, stets mit dem progressiven Einkommensteuerssatz versteuert werden?"

Im Zusammenhang mit der von ihm gesehenen Verletzung des Gleichheitssatzes (Art 7 B-VG) brachte der Bf vor (Beschwerde S. 8 und 9):

Einkünfte aus der Veräußerung von GmbH-Anteilen (§ 27 Abs 3 EStG) würden trotz mangelnder Depotfähigkeit (Mangel des Verbriefungskriteriums) dem besonderen Steuersatz unterliegen (Beschwerde S. 8).

Zudem führe die Differenzierung zwischen verbrieften und nicht verbrieften Derivaten zu unsachlichen Ergebnissen, weil wirtschaftlich idente Vorgänge uneinheitlich besteuert werden würden. Werde z.B. eine verbriefte Long-Call-Option durch eine unverbriefte gegenläufige Option glattgestellt, stünden Einkünfte aus Derivaten aus einer verbrieften und einer unverbrieften Option gegenüber. In diesem Fall könnten gegenläufige positive und negative Einkünfte aus dieser Transaktion nicht ausgeglichen werden, weil unterschiedliche Steuersätze zur Anwendung kämen (§ 27 Abs 8 Z 3 EStG 1988; Beschwerde S. 8 und 9).

Anleger, die die über eine Schweizer Bank aus nicht verbrieften Derivaten erzielten Einkünfte in ihrer Steuererklärung deklarierten, unterlägen dem progressiven Steuersatz (§ 27a Abs 2 Z 7 EStG 1988); Anleger, bei denen dieselben Einkünfte der anonymen Abgeltungssteuer unterworfen worden seien, würden mit dem Steuersatz von 25% besteuert (Art 17 Quellensteuerabkommen Österreich-Schweiz): Eine sachliche Rechtfertigung für diese Ungleichbehandlung sei nicht ersichtlich (Beschwerde, S. 9).

In der mündlichen Verhandlung vom brachte die steuerliche Vertreterin insbesondere vor:

Wenn der Anleger die Bank ermächtige, alle Informationen, alle Erträge, alle Veranlagungsgeschäfte offenzulegen - wirksamer könne man das Steueraufkommen nicht sichern.

Es habe ein Abgeltungssteuerabkommen (Quellensteuerabkommen Österreich-Schweiz, BGBl III, 192/2012) gegeben. Laut diesem Abkommen habe der Anleger die Wahl, ob er die Abgeltungssteuer wolle. Alternativ könne der Anleger zur freiwilligen Meldung optieren. Das habe der Bf gemacht.

Für diejenigen, die eine anonyme Besteuerung vorgezogen hätten: Das Abkommen habe auch für nicht verbriefte Derivate die Abgeltungssteuer vorgesehen [S. 4 der Niederschrift über die mündliche Verhandlung (NiS)].

Da im Steuerabkommen vereinbart worden sei, dass bei anonymer Einbehaltung und Abfuhr der besondere Steuersatz Anwendung fände, habe es eine Änderung des ESTG geben müssen. Es hätte nämlich nur dann zu einer Abgeltungssteuer lt. Abkommen kommen können, wenn auch im Inland Endbesteuerung gegeben gewesen wäre. Daher habe der Gesetzgeber in § 27 Abs 2 Z 7 ESTG 1988 eine Gegenausnahme für den inländischen Fall, dass eine österreichische Bank freiwillig KESt abführe, geschaffen. Der Gesetzgeber habe diese Änderung direkt mit dem Quellensteuerabkommen begründet. Die gesetzliche Änderung sei deshalb erfolgt, damit man dem Anleger in der Schweiz eine Endbesteuerungswirkung ermöglichen habe können (NiS S. 4).

Wenn der Bf die anonyme Abgeltung ermöglicht hätte, hätte er für seinen Gewinn von 381.000 € nur 25% Steuer bezahlt. Aber nachdem er in die freiwillige Meldung gegangen sei, werde er mit dem Tarifsteuersatz besteuert. Dies sei lt. Gesetz die richtige Lösung. Aber dies widerspreche der Kapitalverkehrsfreiheit und dem Gleichheitssatz . Wenn er anonym geblieben wäre, hätte er nur 25% Steuer bezahlen müssen, aber im Rahmen der Offenlegung seien es 50% gewesen (NiS S. 5).

Art 17 Quellensteuerabkommen (BGBl III 192/2012) gelte nur für den Fall der Abgeltungssteuer. Liege eine freiwillige Meldung i.S. des Art 20 des Quellensteuerabkommens vor, sei man draußen aus dem Abkommen. Diesfalls gelte nur noch nationales Recht, aber natürlich auch Unionsrecht als Primärrecht (NiS S. 5 und 6).

Der Bf brachte in der Verhandlung vor: Die österreichische Steuer werde abgegolten, wenn das österreichische ESTG eine Abgeltungswirkung vorsehe. Lt. Steuerabkommen sei zwischen der Möglichkeit der Abgeltungsbesteuerung und der Möglichkeit der Offenlegung zu unterscheiden. Er habe für 2014 die Möglichkeit der Offenlegung gewählt (NiS S. 4).

Bei einer anonymen Versteuerung wäre die Steuer mit 25% abgegolten gewesen. Er habe offengelegt, alle Informationen zur Verfügung gestellt und er fühle sich durch die Anwendung des Tarifsteuersatzes ungleich behandelt.

Das Finanzamt brachte vor, dass bei nicht verbrieften Derivaten, auch wenn durch eine ausländische Bank die Steuer einbehalten und abgeführt worden sei, der Tarifsteuersatz anzuwenden sei (NiS S. 5).

Soweit die mündliche Verhandlung vom .

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Der Bf hatte im Jahr 2014 seinen Hauptwohnsitz in Österreich (§ 1 Abs 2 ESTG 1988; Meldeauskunft ). Er ist daher für diese Erträge aus unverbrieften Derivaten in Österreich unbeschränkt steuerpflichtig. Das DBA Schweiz weist das Besteuerungsrecht für diese Erträge Österreich zu (Art 13 und 21 des DBA Schweiz BGBl 65/1975).

Gemäß dem Quellensteuerabkommen Österreich-Schweiz (BGBl III 192/2012) wäre die Schweizer Bank grundsätzlich verpflichtet gewesen, eine 25%-ige Steuer für diese Erträge einzubehalten und innerhalb von 2 Monaten nach Ablauf des Jahres 2014 an das Schweizer Finanzministerium abzuführen. Das Schweizer Finanzministerium hätte diese Steuer sodann innerhalb von 3 Monaten nach Ablauf des Jahres 2014 dem österreichischen Finanzministerium (BMF, vgl Art 2 lit d i.V.m. Art 27 Quellensteuerabkommen) weiterleiten müssen. Dabei hätte es sich um einen anonymen Steuerabzug gehandelt (Art 17,22,25,26 und 27 BGBl III 192/2012; ErlRV 1960 der Beilagen NR XXIV.GP 28).

Wäre es zu dieser Einbehaltung und Abfuhr der 25 %-igen Steuer durch die Schweizer Bank (auszahlende Stelle) gekommen, wäre damit die österreichische Einkommensteuer in voller Höhe abgegolten gewesen [§ 27a Abs 1; § 27a Abs 2 Z 7; § 97 Abs 1 EStG 1988 i.V.m. Art 17 Quellensteuerabkommen Österreich - Schweiz (BGBL III 192/2012) i.V.m. ErlRV 1960 der Beilagen NR XXIV.GP 28; Marsoner in Jakom 2013 und 2020, ESTG, § 27a TZ 18].

Die Möglichkeit des Steuerabzuges von 25% bei Einkünften aus nicht verbrieften Derivaten i.S. des § 27a Abs 2 Z 7 EStG 1988 wurde insbesondere wegen des Quellensteuerabkommens Österreich-Schweiz BGBl III 192/2012 geschaffen. Der durch Schweizer Banken vorzunehmende anonyme Steuerabzug gem. Art 17 Quellensteuerabkommen Österreich-Schweiz hatte in Bezug auf das Streitjahr wie der Steuerabzug in Österreich gem. § 27a Abs 2 Z 7 EStG 1988 Abgeltungswirkung (ErlRV 1960 der Beilagen NR XXIV.GP 28).

Allerdings hat sich der Bf für einen anderen Weg entschieden:

Er erteilte der Schweizer Bank die Ermächtigung, der zuständigen österreichischen Behörde (Art 2 lit d, Art 20 Quellensteuerabkommen) die Erträge des Bf aus unverbrieften Derivaten auf diesem Bankkonto zu melden (freiwillige Meldung, vgl. S. 3, 6 und 7 der Beschwerde ; Vorbringen des Bf NiS mündliche Verhandlung S. 4 und 7; Vorbringen der steuerlichen Vertreterin NiS S. 4 und 5; Berichterstatter NiS S. 2).

Daher nahm die Schweizer Bank anstelle der anonymen Einbehaltung und Abfuhr der 25%-igen Steuer eine Meldung der strittigen Erträge des Bf aus unverbrieften Derivaten gem. Art 20 Quellensteuerabkommen Österreich-Schweiz vor. Diese Meldung enthob die Schweizer Bank der Verpflichtung zur Einbehaltung und Abfuhr der 25%igen Steuer (Art 20 Quellensteuerabkommen Österreich-Schweiz). Diese Meldung hatte jedoch nicht dieselben Rechtsfolgen wie die Einbehaltung und Abfuhr der Steuer (Art 20 Quellensteuerabkommen Österreich-Schweiz). Mangels Einbehaltung und Abfuhr der 25%igen Steuer durch die Schweizer Bank (auszahlende Stelle) trat die Rechtsfolge der Abgeltungswirkung gem. Art 17 Z 3 Quellensteuerabkommmen Österreich-Schweiz i.V.m. § 97 EStG 1988 nicht ein.

Daher unterliegen die strittigen Erträge aus unverbrieften Derivaten der österreichischen Tarifsteuer (§ 33 Abs 1 EStG 1988).

Was die unionsrechtlichen und verfassungsrechtlichen Bedenken des Bf betrifft, sei darauf hingewiesen, dass es der Bf selbst in der Hand hatte, der Schweizer Bank keine Ermächtigung zu einer freiwilligen Meldung gem. Art 20 Quellensteuerabkommen Österreich-Schweiz zu erteilen. Diesfalls hätte es zwingend (Art 17 Quellensteuerabkommen) zu einer Einbehaltung und Abfuhr der 25%-igen Steuer durch die Schweizer Bank kommen müssen. Damit wäre die Einkommensteuer des Bf aus diesen strittigen Einkünften in voller Höhe mit der Einbehaltung und Abfuhr der 25%-igen Steuer abgegolten gewesen (Art 17 Z 3 Quellensteuerabkommen Österreich-Schweiz; ErlRV 1960 der Beilagen NR XXIV.GP 28). Gleichgültig also, ob sich der Bf für eine Investition in nicht verbriefte Derivate in Österreich oder in der Schweiz entschieden hätte, die Einkommensteuerbelastung wäre immer dieselbe gewesen.

Die Steuer ist nicht deshalb höher, weil der Bf sich zu einer Investition in der Schweiz und nicht in Österreich entschieden hat, sondern deshalb, weil es zu keiner Einbehaltung und Abfuhr der Steuer durch die Schweizer Bank i.S. des Art 17 Quellensteuerabkommen Österreich-Schweiz gekommen ist. Zur selben Rechtsfolge wäre es gekommen, wenn die auszahlende Stelle eine österreichische Bank gewesen wäre und diese keine Einbehaltung und Abfuhr der Steuer durchgeführt hätte (§ 27a Abs 2 Z 7 EStG 1988). Hätte die Schweizer Bank eine Einbehaltung und Abfuhr der Steuer durchgeführt, wäre es zur Anwendung des besonderen Steuersatzes von 25% gekommen (siehe oben, vgl. Art 17 Quellensteuerabkommen und ErlRV 1960 der Beilagen NR XXIV.GP 28 zu § 27a Abs 2 Z 2 EStG 1988). Dieselbe Rechtsfolge hätte sich ergeben, wenn eine österreichische Bank eine Einbehaltung und Abfuhr der Steuer (25%) durchgeführt hätte (§ 27a Abs 2 Z 7 EStG 1988). Ein Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit (Art 63 AEUV, Beschwerde S. 3 - 8) kann daher nicht vorliegen.

Die Steuer ist zwar deshalb höher, weil die Einkünfte aus unverbrieften Derivaten und nicht aus verbrieften Derivaten stammen. Der Bf hätte es aber in der Hand gehabt, dieselbe Besteuerung wie bei verbrieften Derivaten (Steuersatz 25% gem. § 27a Abs 1 EStG 1988) zu erreichen, indem er der Schweizer Bank die Ermächtigung, gem . Art 20 Quellensteuerabkommen eine freiwillige Meldung zu erstatten, nicht erteilt hätte. Hätte er diese Ermächtigung nicht erteilt, hätte die Schweizer Bank eine Einbehaltung und Abfuhr der 25%-igen Steuer mit voller Steuerabgeltungswirkung i.S. des § 97 Abs 1 EStG durchführen müssen (Art 17 Quellensteuerabkommen Österreich-Schweiz). Der Bf wurde daher in keiner Weise diskriminiert, indem er sich für unverbriefte und nicht für verbriefte Derivate entschieden hat. Ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz (Art 7 B-VG) ist daher nicht ersichtlich.

Was die unterschiedlichen steuerlichen Rechtsfolgen einer Einbehaltung und Abfuhr der 25%-igen Steuer gem. Art 17 Quellensteuerabkommen Österreich - Schweiz und einer freiwilligen Meldung gem. Art 20 Quellensteuerabkommen betrifft:

Wenn eine Einbehaltung und Abfuhr durchgeführt wurde, kam es im Streitzeitraum zu einer 25%-igen Abgeltungssteuer (Art 17 Quellensteuerabkommen , ErlRV 1960 der Beilagen NR XXIV.GP 28) mit Steuerabgeltungwirkung i.S. des § 97 EStG 1988 ohne Möglichkeit, Werbungskosten geltend zu machen (§ 20 Abs 2 EStG 1988).

Wenn im Streitzeitraum eine freiwillige Meldung gem. Art 20 Quellensteuerabkommen durchgeführt wurde, kam es zu einer Besteuerung gem. § 33 Abs 1 EStG. Wenn sich der Steuerpflichtige in einer niedrigen Progressionsstufe befand, konnte er dadurch allenfalls in Verbindung mit einem Werbungskostenabzug (vgl. § 20 Abs 2 ESTG 1988) eine geringere Steuerbelastung erreichen, als dies bei Anwendung von Art 17 Quellensteuerabkommen möglich gewesen wäre.

Durch Art 20 Quellensteuerabkommen und durch Art 17 Quellensteuerabkommen haben die Partner des Staatsvertrages BGBL III 192/2012 den Steuerpflichtigen die Möglichkeit gegeben, ihre Steuerbelastung zu minimieren, indem sie sich den Steuersatz aussuchen konnten. Eine unsachliche Differenzierung kann darin nicht gesehen werden.

Gesetze und Staatsverträge entsprechen dem Sachlichkeitsgebot, wenn sie typischerweise eine sachgerechte Besteuerung ermöglichen (vgl. VfSlg 3595, 5318, 10.455, 13.659, 16.048, 18.883, 19.635, ; Mayer / Kucsko-Stadlmayer/ Stöger, Bundesverfassungsrecht, 11. Auflage, S. 695). Die Partner des Quellensteuerabkommens und der Gesetzgeber, der § 27a Abs 2 Z 7 EStG 1988 normiert hat, waren vom Standpunkt des Gleichheitssatzes (Art 7 B-VG) her deshalb nicht verpflichtet, Vorsorge für den nur äußerst selten zu erwartenden Fall zu treffen, dass ein Steuerpflichtiger irrtümlich bei der Wahl zwischen der anonymen Einbehaltung und Abfuhr (Art 17 Quellensteuerabkommen) und der freiwilligen Meldung (Art 20 Quellensteuerabkommen) zu seinen Ungunsten entscheidet.

Ob das hier gegebene Wahlrecht zwischen dem Weg der anonymen Einbehaltung und Abfuhr (Art 17 Quellensteuerabkommen) und der freiwilligen Meldung (Art 20 des Abkommens) der optimale Weg war, den Steuerpflichtigen die Wahl des Steuersatzes zu überlassen, spielt aus der Sicht des Gleichheitssatzes keine Rolle. Der VfGH hätte nicht das Recht, bei der Beurteilung eines Gesetzes über die Zweckmäßigkeit oder über den optimalen Weg der Zielerreichung zu urteilen (VfSlg, 4711, 6541, 6697, 9655, 11.369, 13.543, 13.576, 15.031; Mayer / Kucsko-Stadlmayer/ Stöger, Bundesverfassungsrecht, 11. Auflage, S. 694).

Was die mangelnde Verlustausgleichsfähigkeit zwischen Einkünften aus verbrieften und unverbrieften Derivaten betrifft (§ 27 Abs 8 Z 3 EStG 1988): Auch in diesem Zusammenhang erscheint wesentlich, dass sich der Steuerpflichtige den Steuersatz aussuchen konnte (Art 17 und 20 Quellensteuerabkommen). Er hätte daher eine im gegenständlichen Fall ohnedies nicht gegebene mangelnde Verlustausgleichsfähigkeit i.S. des § 27 Abs 8 Z 3 EStG 1988 von vornherein verhindern können.

Zudem ist diese Rechtsnorm (§ 27 Abs 8 Z 3 EStG 1988) im gegenständlichen Fall nicht präjudiziell (§ 62 Abs 2 VfGG). Im gegenständlichen Fall geht es nur um die Anwendung des richtigen Steuersatzes (§ 27a Abs 2 Z 7 EStG 1988, § 27a Abs 1 EStG 1988, Art 17 und Art 20 Quellensteuerabkommen Österreich Schweiz, ErlRV 1960 BlgNR XXIV. GP, 28).

Ferner beruht die grundsätzliche Differenzierung des Gesetzgebers zwischen verbrieften und nicht verbrieften Derivaten auf der RSp des VfGH (G18/11, Pkt 2.4.4.).

Das BFG hegt aus diesen Gründen auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Rechtslage (Art 17 und 20 Quellensteuerabkommen, § 27a Abs 2 Z 2 EStG 1988).

Zulässigkeit der Revision:

Der Bf erzielte im Jahr 2014 Einkünfte aus unverbrieften Derivaten, die ihm von einer Schweizer Bank ausbezahlt worden waren. Die Bank teilte diese Einkünfte des Bf im Einvernehmen mit dem Bf der österreichischen Finanzverwaltung gem. Art 20 Quellensteuerabkommen Österreich-Schweiz (BGBL III 192/2012) mit. Deshalb kam es zu keiner Einbehaltung und Abfuhr der Steuer aus diesen Derivaten gem. Art 17 Quellensteuerabkommen. Es ist strittig, ob bei unionsrechtskonformer Auslegung und verfassungskonformer Auslegung des § 27a Abs 2 Z 7 EStG 1988 in so einem Fall der besondere Steuersatz gem. § 27a Abs 1 EStG 1988 anzuwenden ist.

Zu dieser Frage gibt es noch keine RSp des VwGH (vgl. Ro 2019/15/0184). Es liegt daher insoweit eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung i.S. des Art 133 Abs 4 BAO vor.

Klagenfurt am Wörthersee, am

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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.4100083.2018

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at