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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 13.04.2021, RV/7100752/2021

Keine Wiederaufnahme auf Antrag, da keine neue Tatsache aus der Sicht des Antragstellers hervorgekommen

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die RichterinR in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Abweisung des Antrages auf Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Einkommensteuer 2015 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Der Beschwerdeführer (Bf.) bezog im Jahr 2015 Einkünfte aus selbständiger Arbeit, sowie Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung.

Am erließ das Finanzamt den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2015, setzte die Einkünfte aus selbständiger Arbeit und aus Vermietung und Verpachtung an, berücksichtigte Sonderausgaben und setzte die Einkommensteuer mit € 61.596,- fest.

Dieser Einkommensteuerbescheid vom für das Jahr 2015 erwuchs in Rechtskraft.

Am stellte der Bf. einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 BAO betreffend den Einkommensteuerbescheid 2015 vom .

Zur Begründung des Antrages führte der Bf. aus, dass er am für seinen Sohn X. einen Betrag von € 388.968,89 an die Schweizer Kusnacht Practice (Rehabilitationsklinik) gezahlt habe. Da er für seinen Sohn unterhaltspflichtig sei, könne dieser Betrag als außergwöhnliche Belastung abgesetzt werden. Bei der Erstellung der Steuererklärungen für 2017 im November 2018 sei festgestellt worden, dass die außergewöhnliche Belastung 2015 nicht steuerlich geltend gemacht worden sei. Es werde daher der Antrag gestellt, den Einkommensteuerbescheid 2015 aufzuheben und die außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen.

Als Beilage wurde der Überweisungsbeleg vom über einen Betrag von € 388.968,89 vom Konto des Bf. an die Rehabilitationsklinik übermittelt.

Am erließ das Finanzamt einen Bescheid, mit welchem der Antrag des Bf. auf Wiederaufnahme des mit Einkommensteuerbescheid vom abgeschlossenen Verfahrens betreffend Einkommensteuer 2015, abgewiesen wurde.

Zur Begründung führte das Finanzamt aus, dass das Hervorkommen neuer Tatsachen aus der Sicht des Antragstellers zu beurteilen sei und die Tatsache, dass der BF. für seinen Sohn einen Betrag von € 388.968,89 am an die Schweizer Rehabilitationsklinik bezahlt habe, für den Bf. keine neue Tatsache dargestellt habe.

Der Bf. erhob fristgerecht Beschwerde gegen den Abweisungsbescheid vom wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes desselben.

Der Bf. erklärte, dass unstrittig nicht angesetzte außergewöhnliche Belastungen Tatsachen im Sinn des § 303 BAO darstellen. Ein etwaiges selbst grobes Verschulden der Partei an der behördlichen Unkenntnis entscheidungsrelevanter Umstände (Nichtgeltendmachung von außergewöhnlichen Belastungen in der Abgabenerklärung) schließe nicht die sich zu Gunsten der Partei auswirkende Wiederaufnahme des Verfahrens aus.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei das Neuhervorkommen von Tatsachen oder Beweismitteln nur aus der Sicht des jeweiligen Verfahrens derart zu beurteilen, dass es darauf ankommt, ob der Abgabenbehörde im wiederaufzunehmenden Verfahren der Sachverhalt so vollständig bekannt gewesen sei, dass sie schon in diesem Verfahren bei richtiger rechtlicher Subsumtion zu der nunmehr im wieder aufgenommenen Verfahren erlassenden Entscheidung hätte gelangen können. Das "Neuhervorkommen von Tatsachen und Beweismitteln" beziehe sich damit auf den Wissenstand (insbesondere auf Grund der Abgabenerklärungen und der Beilagen) des jeweiligen Veranlagungsjahres. Entscheidend sei, ob der abgabenfestsetzenden Stelle alle rechtserheblich Sachverhaltselemente bekannt gewesen seien (VwGH 2007/15/0045).

Das Finanzamt erließ am eine abweisende Beschwerdevorentscheidung und wiederholte in der Begründung, dass die Tatsache der Zahlung eines Betrages von € 388.968,89 am für den Bf. keine neue Tatsache dargestellt habe. Die Voraussetzung der fehlenden Kenntnis des Abgabepflichtigen vom Wiederaufnahmegrund sei nicht gegeben.

Der Bf. stellte den Antrag auf Vorlage seiner Beschwerde an das Bundesfinanzgericht und wiederholte seine Ansicht, dass das Hervorkommen neuer Tatsachen nicht aus der Sicht des Antragstellers zu beurteilen sei. Auch das BFG habe in seinem Erkenntnis RV/7100341/2011 vom die Ansicht vertreten, dass der Kenntnisstand der Abgabenbehörde, sowohl bei der amtswegigen als auch bei der antragsgebundenen Wiederaufnahme entscheidungsrelevant sei (Ritz, § 303 BAO Tz 45).

Nach Ansicht von Ritz sei eine Wiederaufnahme nur ausgeschlossen, wenn der Abgabenbehörde im wiederaufgenommenen Verfahren der Sachverhalt so vollständig bekannt gewesen sei, dass sie bereits in diesem Verfahren bei richtiger rechtlicher Beurteilung zu der Entscheidung gelangen hätte können, die nunmehr im wiederaufgenommenen Verfahren erlassen werden solle. Durch die Vereinheitlichung der Wiederaufnahmevoraussetzungen sei die Judikatur, wonach für die Antragswiederaufnahme die Wiederaufnahmegründe für die Partei neu hervorkommen müssen, überholt.

Es sei darauf hinzuwiesen, dass mit dem FVwGG 2012 die beantragte und amtswegig Wiederaufnahme gleichlautend geregelt worden seien und es auf ein Verschulden der Partei an der mangelnden Geltendmachung im wiederaufnehmenden Verfahren ebensowenig ankommen wie auf ein Verschulden der Behörde.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Strittig ist im vorliegenden Fall ob dem Antrag des Bf. vom auf Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Einkommensteuer 2015 Folge zu geben ist.

Das Bundesfinanzgericht geht im gegenständlichen Fall von folgendem entscheidungswesentlichen Sachverhalt aus:

Der Bf. bezog im Streitjahr 2015 Einkünfte aus selbständiger Arbeit und Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung.

Im vom Finanzamt erlassenen Einkommensteuerbescheid 2015 vom wurden die Einkünfte angesetzt, Sonderausgaben berücksichtigt und die Einkommensteuer 2015 mit € 61.596,- festgesetzt.

Der Einkommensteuerbescheid 2015 vom erwuchs in Rechtskraft.

Am stellte der BF. den Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Einkommensteuer 2015 und erklärte darin, er habe am einen Betrag von € 388.968,89 an eine Rehabilitationsklinik als Krankheitskosten für seinen Sohn X. überwiesen und ersuchte um Berücksichtigung dieses Betrages als außergewöhnliche Belastung. Dem Antrag war die Kopie des Überweisungsbeleges vom beigelegt.

Das Finanzamt wurde durch Übermittlung der Beilage zum Wiederaufnahmeantrag erstmals im Verfahren in Kenntnis von der Tatsache der Zahlung des Geldbetrages am durch den Bf. gesetzt.

Rechtliche Grundlagen und Würdigung:

§ 303 BAO in der geltenden Fassung des FVwGG 2012, BGBL 2013/14 lautet:

"§ 303. (1) Ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren kann auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen wiederaufgenommen werden, wenn

a) der Bescheid durch eine gerichtlich strafbare Tat herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist, oder

b) Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind,oder

c) der Bescheid von Vorfragen (§ 116) abhängig war und nachträglich über die Vorfrage von der Verwaltungsbehörde bzw. dem Gericht in wesentlichen Punkten anders entschieden worden ist,

und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

(2) Der Wiederaufnahmsantrag hat zu enthalten:

a) die Bezeichnung des Verfahrens, dessen Wiederaufnahme beantragt wird;

b) die Bezeichnung der Umstände (Abs. 1), auf die der Antrag gestützt wird.

(3) Der Bundesminister für Finanzen wird ermächtigt, durch Verordnung die für die Ermessensübung bedeutsamen Umstände zu bestimmen."

Im vorliegenden Fall ist davon auszugehen, dass dem Bf. die Überweisung des Geldbetrages von seinem Konto am bereits vor Einreichung der Steuererklärung 2015 und vor Abschluß des Einkommensteuerverfahrens 2015 mit Bescheid vom bekannt gewesen ist. Vom Bf. wird diese Kenntnis auch im Verfahren nicht verneint.

Rechtlich ist zur Frage, ob die Abweisung des Wiederaufnahmeantrages im gegenständlichen Fall zu Recht erfolgt ist, auszuführen:

Nach der neueren Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (; ; ) hat ein Antrag auf Wiederaufnahme - bei Geltendmachung neu hervorgekommener Tatsachen - insbesondere die Behauptung zu enthalten, dass Tatsachen oder Beweismittel "neuhervorgekommen sind". Aus dem insoweit klaren Wortlaut des § 303 Abs. 1 lit. b iVm § 303 Abs. 2 lit. b BAO ist somit abzuleiten, dass bei einem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens das Neuhervorkommen von Tatsachen aus der Sicht des Antragstellers (hier: des Bf.) zu beurteilen ist (so auch Setina, Wiederaufnahme auf Antrag bei Säumnis des Abgabepflichtigen?, BFGjournal Nr. 2/2020,S 88 ff, wonach das Wiederaufnahmeverfahren nicht den Zweck hat, Versäumnisse des Antragstellers zu sanieren).

Die vom Bf. in seiner Beschwerde angeführten eine gegenteilige Rechtsmeinung beinhaltenden Erkenntnisse des BFG RV/7100341/2011 vom und VwGH 2007/15/0045 vom sind durch die oben angeführte einheitliche neuere Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes als überholt anzusehen.

Der Verwaltungsgerichtshof führt in seinem Rechtssatz zu Ra 2014/15/0058 vom aus, dass aus dem klaren Wortlaut des § 303 Abs. 1 lit b. iVm Abs 2 lit. b BAO abzuleiten ist, dass bei einem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens das Neuhervorkommen von Tatsachen aus der Sicht des Antragstellers zu beurteilen ist. Gleiches gelte spiegelbildlich für die Wiederaufnahme von Amts wegen, bei der die für die Behörde neu hervorgekommenen Tatsachen im Wiederaufnahmebescheid anzuführen sind.

Da die Überweisung des Geldbetrages am für den Bf. keine neu hervorgekommene Tatsache darstellt, liegt die tatbestandsmäßige Voraussetzung des § 303 Abs. 1 lit B BAO für die vom Bf. beantragte Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Einkommensteuer 2015 nicht vor, der Antrag des Bf. wurde vom Finanzamt zu Recht abgewiesen.

Die Beschwerde des Bf. war daher spruchgemäß abzuweisen.

Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im gegenständlichen Fall ergibt sich die Rechtsfolge der Abweisung der Beschwerde aus der im Erkenntnis zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofes, weshalb keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegt. Die ordentliche Revision war nicht zuzulassen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 303 Abs. 1 lit. b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
VwGH, Ra 2014/15/0058
VwGH, Ro 2016/15/0036
VwGH, Ro 2015/13/0011
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.7100752.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at