Zollschuld für Zigaretten
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den RichterR in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Zollamtes Wien vom betreffend Eingangsabgaben zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen. Die Schuldnerstellung des Bf. gründet sich auf den gesamten Absatz 3 des Art. 202 ZK.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Mit Bescheid des Zollamtes Wien vom , GZ. 100/90.551/356/2000-AFA/Hd, wurde dem Beschwerdeführer (Bf.) gemäß Art. 202 Abs 1 Buchstabe a und Abs 3 dritter Anstrich des Zollkodex (ZK) in Verbindung mit § 2 Abs 1 Zollrechts-Durchführungsgesetz (ZollR-DG), jeweils in der damals geltenden Fassung, die Einfuhrzollschuld und eine Abgabenerhöhung für 6,144.000 Stück Zigaretten der Marke "Superkings" in Höhe von insgesamt € 865.283,77 mit der Begründung mittgeteilt, er habe in der Zeit zwischen 23. und die nach Österreich (EU) geschmuggelten Zigaretten umgepackt und auf einen LKW zum Weitertransport nach Großbritannien verladen, obwohl er wusste oder billigerweise hätte wissen müssen, dass diese Zigaretten vorschriftswidrig in das Zollgebiet der EU verbracht worden waren. Dieser Bescheid wurde am nachweislich der inländischen Zustellungsbevollmächtigten zugestellt.
Die, dagegen erhobenen Berufung (nunmehr Beschwerde) wurde mit Beschwerdevorentscheidung vom , GZ. 100000/90.305/05/2007-AFA/We, als unbegründet abgewiesen. Begründend wurde im Wesentlichen auf die zehnjährige Verjährungsfrist des § 74 Abs 2 ZollR-DG und den Schuldspruch im Urteil des Landesgerichtes Wiener Neustadt vom , GZ. 50 Hv 27/18z-59, verwiesen. Die Beschwerdevorentscheidung wurde dem Bf. mit einer Übersetzung in die ungarische Sprache nachweislich am zugestellt.
Dagegen richtet sich nun die als Vorlageantrag zu wertende Berufung des Bf. vom , in welcher der Bf. vorgibt, mit dem Zigarettenschmuggel nichts zu tun gehabt zu haben.
Mit in Rechtskraft erwachsenem Urteil des Landesgerichtes Wiener Neustadt als Schöffengericht vom , GZ. 50 Hv 27/18z-59, ist der Bf. hinsichtlich der vom gegenständlichen Abgabenverfahren umfassten 6,144.000 Stück (30.720 Stangen) Zigaretten der Marke Superkings des Finanzvergehens der Abgabenhehlerei nach § 37 Abs 1 lit b Finanzstrafgesetz (FinStrG) für schuldig befunden worden. Das Strafgericht hat dabei als erwiesen angenommen, dass der Bf. gemeinsam mit anderen Personen (davon 2 namentlich bekannt) die verfahrensgegenständlichen Zigaretten in einer in Österreich gelegenen Lagerhalle zum Weitertransport nach Großbritannien in einen LKW verladen hat.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen
Gemäß § 116 Bundesabgabenordnung (BAO) sind die Abgabenbehörden, sofern die Abgabenvorschriften nicht anderes bestimmen, berechtigt, im Ermittlungsverfahren auftauchende Vorfragen, die als Hauptfragen von anderen Verwaltungsbehörden oder von den Gerichten zu entscheiden wären, nach der über die maßgebenden Verhältnisse gewonnenen eigenen Anschauung zu beurteilen (§§ 21 uns 22) und diese Beurteilung ihrem Bescheid zu Grunde zu legen. Gemäß Abs. 2 dieser Bestimmung sind Entscheidungen der Gerichte, durch die privatrechtliche Vorfragen als Hauptfragen entschieden wurden, von der Abgabenbehörde im Sinn des Abs. 1 zu beurteilen. Eine Bindung besteht nur insoweit, als in dem gerichtlichen Verfahren, in dem die Entscheidung ergangen ist, bei der Ermittlung des Sachverhaltes von Amts wegen vorzugehen war. Nach § 2a BAO gelten die Bestimmungen der BAO auch im Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht.
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist die Abgabenbehörde an die im Spruch des die Partei betreffenden rechtskräftigen Strafurteils (erster Instanz) festgestelltenTatsachen bzw. an die tatsächlichen Feststellungen, auf denen dieser Spruch beruht, gebunden (z.B. , , Ro 2014/15/0023).
Die Bindungswirkung von Strafurteilen besteht demnach nicht nur hinsichtlich des Urteilsspruches an sich, sondern auch hinsichtlich der Ergebnisse des strafgerichtlichen Ermittlungsverfahrens. Die Rechtsordnung misst der Beweiskraft von Beweismitteln, die zu einer strafgerichtlichen Verurteilung führen, anders als im Abgabenverfahren, wo die größte Wahrscheinlichkeit genügt, besondere Bedeutung bei, nämlich die volle Überzeugung der Strafbehörde. Es ist daher davon auszugehen, dass in den Fällen, in denen eine Straftat mit rechtskräftigem Urteil festgestellt wurde, keine begründeten Zweifel mehr am Tatgeschehen offen geblieben sind.
Nach dem Strafurteil des Landesgerichtes Wiener Neustadt als Schöffengericht steht fest, dass der Bf. zwischen 23. und in Vösendorf vorsätzlich die Täter des Schmuggels (davon 3 namentlich bekannt) der vom Abgabenbescheid umfassten 6,144.000 Stück Zigaretten der Marke Superkings nach der Tat gemeinsam mit anderen Personen (davon 2 namentlich bekannt) dabei unterstützt hat die Zigaretten zu verheimlichen oder zu verhandeln, indem er sie zum Zwecke des Weitertransportes nach Großbritannien verpackt sowie in einen LKW verladen und damit das Finanzvergehen der Abgabenhehlerei begangen hat.
Damit hat der Bf. auch den im bekämpften Abgabenbescheid bzw. in der Beschwerdevorentscheidung näher dargestellten abgabenrechtlichen Tatbestand erfüllt. Die Geltendmachung der Zollschuld und Abgabenerhöhung erfolgte daher zu Recht.
Wenn mehrere Möglichkeiten zutreffen können nach welcher Alternative des Art. 202 Abs 3 ZK die Schuldnerstellung begründet ist, bedarf es keiner näheren Differenzierung, soweit sämtliche Möglichkeiten zutreffen können (Witte, Zollkodex Art. 202 Rz. 23).
Nach § 6 Abs 1 BAO sind Personen, die nach den Abgabenvorschriften dieselbe abgabenrechtliche Leistung schulden, Gesamtschuldner. Der Bf. ist daher im Rahmen eines Auswahlermessens zur Leistung der Gesamtschuld heranzuziehen. Ermessensentscheidungen sind gemäß § 20 BAO nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Dabei ist nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes dem öffentlichen Interesse an der Einbringung der Abgaben ein derart hoher Stellenwert einzuräumen, dass von einer nur anteiligen Geltendmachung des Abgabenanspruches Abstand zu nehmen war. Bei einem Abgabenanspruch in Höhe von € 865.283,77 ist davon auszugehen, dass eine anteilige Geltendmachung zwischen den zumindest 6 namentlich bekannten, tatbeteiligten und im Ausland ansässigen Personen, zu einem eklatanten Abgabenausfall führen würde. Die Geltendmachung der gesamten Abgabenschuld - im Rahmen des Gesamtschuldverhältnisses - bei den bekannten Tatbeteiligten war daher geboten.
Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision unzulässig, da das Erkenntnis nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung nicht einheitlich beantwortet wird.
Klagenfurt am Wörthersee, am
Zusatzinformationen
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Materie | Zoll |
betroffene Normen | Art. 202 ZK, VO 2913/92, ABl. Nr. L 302 vom S. 1 § 116 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Schlagworte | Strafurteil Bindungswirkung |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2021:RV.7200036.2019 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at