Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 27.04.2021, RV/7400180/2019

Haftung Kommunalsteuer - keine ausreichende Kenntnis vom Abgabenanspruch

Beachte

Revision (Amtsrevision) beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2021/13/0119. Einstellung des Verfahrens mit Beschluss vom wegen Klaglosstellung. Fortgesetztes Verfahren mit Erkenntnis zur Zahl RV/7400136/2021 erledigt.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag.Dr. Wolfgang Pagitsch in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Magistrats der Stadt Wien, Magistratssabteilung 6,Rechnungs- und Abgabenwesen, Dezernat Abgaben und Recht, Referat Landes- und Gemeindeabgaben vom , MA 6/ARL-10252/18 E, betreffend Haftung wegen Kommunalsteuer samt Säumniszuschlägen für den Zeitraum Jänner 2016 bis August 2017 zu Recht erkannt:

  • Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos aufgehoben.

Entscheidungsgründe

Bisheriger Verfahrensgang

Nach einem Haftungsvorhalteverfahren wurde der Beschwerdeführer mit Haftungsbescheid des Magistrats der Stadt Wien (= belangte Behörde) vom für den Rückstand an Kommunalsteuer samt Nebenansprüchen der ***PS***, ***PS-Adr*** (= Primärschuldnerin) iHv € 4.488,89 für den Zeitraum Jänner 2016 bis August 2017 haftbar gemacht.

Begründet wurde dieser Haftungsbescheid im Wesentlichen damit, dass mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom ***Datum1*** zur Zahl ***1*** über das Vermögen der Primärschuldnerin ein Konkursverfahren eröffnet worden sei und daher die bereits vom Gesetzgeber als typischer Fall der erschwerten Einbringung angeführte Voraussetzung für die Haftung erfüllt sei.

Zudem werde dem Einwand des Beschwerdeführers in seiner Vorhaltebeantwortung vom , er sei aufgrund seiner Einkommens- und Vermögensverhältnisse nicht in der Lage, den Rückstand zu begleichen, entgegnet, dass Abgabenschuldner aufgrund § 53 AbgEO iVm § 219a EO in seiner Existenz geschützt seien. Weiters sei der Beschwerdeführer seit ***Datum2*** im Firmenbuch als Geschäftsführer der oben genannten Gesellschaft eingetragen und habe weder die Bezahlung veranlasst, noch irgendwelche Schritte zur Abdeckung des Rückstandes unternommen. Er habe somit die ihm als Geschäftsführer auferlegten Pflichten verletzt.

Der Rückstand setze sich laut Abgabenkonto wie folgt zusammen:


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Rückstand
Zeitraum
Betrag in €
Kommunalsteuer laut GPLA-Prüfung
1-12/2016
806,48
Säumniszuschlag
hiezu
16,13
Kommunalsteuer laut GPLA-Prüfung
1-8/2017
3.594,39
Säumniszuschlag
hiezu
71,89
Summe
4.488,89

In der dagegen eingebrachten Beschwerde vom teilte der Beschwerdeführer im Wesentlichen mit, dass die Geltendmachung der Haftung nicht den Ermessensrichtlinien entspräche, da die Gesellschaft nie einen Gewinn erwirtschaftet und er deshalb im September 2017 einen Konkursantrag gestellt habe. Zudem sei er nicht in der Lage seine Existenz zu sichern, da er nur eine Leistung vom Arbeitsmarktservice beziehe und es ihm deshalb unmöglich sei, die Abgabenschuld zu begleichen.

Mit Beschwerdevorentscheidung der belangten Behörde vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und im Wesentlichen wie folgt begründet:

Es stehe fest, dass die Abgabenforderungen bei der Gesellschaft erschwert einbringlich seien und der Beschwerdeführer zu dem im § 80 Abs. 1 BAO angeführten Personenkreis gehöre.

Zudem liege keine persönliche Unbilligkeit vor, da der Beschwerdeführer als Abgabenschuldner gem. § 53 AbgEO iVm § 291a EO in seiner Existenz geschützt sei. Eine sachliche Unbilligkeit liege ebenfalls nicht vor, da die nachteiligen Folgen, nämlich die Haftung als Geschäftsführer bei Nichtentrichtung der Abgaben, alle anderen Wirtschaftstreibenden in ähnlicher Lage genauso treffen würde.

Weiters sei es ohne Belang, ob die Primärschuldnerin einen Gewinn gemacht habe. Die schuldhafte Pflichtverletzung erfolgte durch Missachtung der gesetzlichen Aufzeichnungs- und Aufbewahrungsvorschriften, die letztlich auch zur Schätzung der Bemessungsgrundlagen führten. Es sei zwar Personal bei der Wiener Gebietskrankenkasse an- und abgemeldet worden, die Kommunalsteuer dazu aber nicht entrichtet worden. Der Beschwerdeführer habe in seiner Beschwerde aber keinen Nachweis erbracht, dass ihm die Erfüllung der Pflichten unmöglich gewesen wäre.

Im Vorlageantrag vom wurde unter Verweisung auf die Ausführungen in der Beschwerde die Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht beantragt und dieser samt Verwaltungsakt am zur Entscheidung vorgelegt.

Mit Schreiben vom teilte die belangte Behörde dem Bundesfinanzgericht auf Anfrage mit, dass hinsichtlich der Haftungsbeträge keine Abgabenbescheide betreffend Kommunalsteuer und Säumniszuschläge erlassen worden seien. Hinsichtlich der Frage, ob dem Haftungspflichtigen über den haftungspflichtigen Abgabenanspruch Kenntnis verschafft wurde, insbesondere über Grund und Höhe, antwortete die belangte Behörde, dass der Beschwerdeführer in der Beschwerdevorentscheidung darüber in Kenntnis gesetzt worden sei, dass die schuldhafte Pflichtverletzung aufgrund der Missachtung der gesetzlichen Vorschriften zur Führung von Aufzeichnungen und Büchern sowie der fehlenden Aufbewahrung von Buchhaltungsunterlagen zum Betrieb der Gesellschaft, die letztendlich zur Schätzung der Bemessungsgrundlagen durch das Finanzamt geführt hätten, erfolgt sei. Somit wäre der Geschäftsführer auf die Schätzung der Bemessungsgrundlagen hingewiesen worden, inhaltlich wäre die Schätzung weder dem Grunde nach noch der Höhe nach in Frage gestellt worden. Die Schätzung sei aufgrund der vorliegenden elektronischen Lohnzettel und Krankenkassenanmeldungen erfolgt, als Hinzurechnung sei ausschließlich der nicht der Kommunalsteuer unterzogene Geschäftsführerbezug berücksichtigt worden. Zudem gäbe es im Vorlageantrag zur Schätzung und der Höhe des Haftungsbetrages vom Beschwerdeführer keinerlei Einwendungen und werde auf die Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes über die Beschwerde der Ehegattin, GZ RV/7400181/2019, verwiesen.

Weiters legte die belangte Behörde eine Aufgliederung der Haftungsbeträge unter Berücksichtigung der monatlich bekannten Hinzuschätzung der nicht der Kommunalsteuer unterzogenen Geschäftsführerbezüge für Juli 2016 bis September 2017 und einer Aliquotierung der im Jahr 2017 laut Anmeldungen bei der WGKK und der elektronischen Lohnzettel geschätzten Kommunalsteuer vor. Aus dieser monatlichen Aufstellung geht hervor, dass sich der Haftungsbetrag Kommunalsteuer 1-12/2016 iHv € 806,48 auf die Monate Juli bis Dezember 2016 und der Haftungsbetrag Kommunalsteuer 1-8/2017 iHv € 3.594,39 auf die Monate Mai bis Juli 2017 beziehe. Im Detail sieht die Aufstellung wie folgt aus:

[...]

Schließlich sei der im Prüfungsbericht erwähnte Notariatsakt nicht vorhanden und gäbe es keinerlei Informationen über den aktuellen Stand der wirtschaftlichen und persönlichen Situation des Haftungspflichtigen.

Aus einer am durchgeführten Sozialversicherungsdatenabfrage durch das Bundesfinanzgericht geht hervor, dass der Beschwerdeführer seit beinahe durchgehend als arbeitssuchend gemeldet ist und Notstandshilfe bezieht.

Aus der beigeschafften Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes zu GZ RV/7400181/2019 ist zu entnehmen, dass der Beschwerde teilweise stattgegeben wurde und die Ehegatten vier Kinder haben.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Festgestellter Sachverhalt

Das Bundesfinanzgericht stellt auf Basis des oben geschilderten Verwaltungsgeschehens und der aktenkundigen Unterlagen folgenden entscheidungsrelevanten Sachverhalt fest:

Die Primärschuldnerin wurde am ***Datum3*** von der Ehegattin des Beschwerdeführers errichtet. Diese war bis ***Datum4*** Alleingesellschafterin, danach der Beschwerdeführer. Die Ehegattin hatte vom ***Datum5*** bis ***Datum4*** die Geschäftsführung inne. Der Beschwerdeführer war in diesem Zeitraum bevollmächtigter Geschäftsführer (AS 5). Zudem fungierte er vom ***Datum6*** bis ***Datum7*** und ab ***Datum2*** als handelsrechtlicher Geschäftsführer. Mit Beschluss vom ***Datum1*** wurde über die Firma der Konkurs eröffnet und die Gesellschaft am selben Tag aufgelöst (AS 3).

Der Beschwerdeführer wurde lt. Haftungsbescheid der belangten Behörde vom für den Rückstand an Kommunalsteuer samt Nebenansprüchen der Primärschuldnerin iHv € 4.488,89 für den Zeitraum Jänner 2016 bis August 2017 haftbar gemacht (AS 27f).

Lt. Ist-Kontoauszug vom wurden oa. Abgabenforderungen seitens der Primärschuldnerin nicht entrichtet. Der Ist-Kontoauszug weist einen Rückstand betreffend Kommunalsteuer 2016 iHv € 810,25 und Säumniszuschläge iHv € 16,13 sowie betreffend Kommunalsteuer 2017 iHv € 7.030,45 und Säumniszuschläge iHv € 140,61 auf (AS 13).

Die im Haftungsbescheid ausgewiesenen Beträge resultieren aus einer GPLA-Prüfung (Gemeinsame Prüfung lohnabhängiger Abgaben) bei der Primärschuldnerin, welche nach Konkurseröffnung durchgeführt wurde. Dabei musste eine Schätzung gem. § 184 BAO vorgenommen werden, da lt. Masseverwalterin der Beschwerdeführer die Lohnverrechnung weggeworfen habe (AS 20ff). Insgesamt kam es dadurch zu einer Abgabennachforderung an Kommunalsteuer für 2016 iHv € 900,- und 1-9/2017 iHv € 15.462,28 (AS 4). Die Primärschuldnerin wurde dabei von der Masseverwalterin vertreten, sie war bei der Schlussbesprechung anwesend und wurde auch ihr der Prüfungsbericht zugestellt (AS 22). Eine bescheidmäßige Abgabenfestsetzung der haftungsgegenständlichen Beträge an Kommunalsteuer und Säumniszuschläge erfolgte nicht. Es steht nicht fest, ob der Beschwerdeführer im Zuge der GPLA-Prüfung von den Feststellungen der Prüfung Kenntnis erlangt hat. Im Zuge des Haftungsverfahrens wurde ihm jedenfalls keine dahingehenden Schriftstücke übermittelt.

Hinsichtlich der Zusammensetzung der Haftungsbeträge verweist der Haftungsbescheid auf den Rückstand lt. Abgabenkonto und führt die Haftungsbeträge nach Abgabenart und zeitraumbezogen (1-12/2016 und 1-8/2017) an, wobei bei der Kommunalsteuer der Zusatz "lt. GPLA-Prüfung" angeführt ist. Eine monatliche Aufgliederung der Haftungsbeträge erfolgte nicht, ebenso wenig wurde dem Beschwerdeführer der zugrundeliegende Ist-Kontoauszug (Rückstandsausweis) vom übermittelt (AS 27ff).

Aus einer am übermittelten detaillierten Aufstellung der belangten Behörde geht hervor, dass sich der Haftungsbetrag Kommunalsteuer 1-12/2016 iHv € 806,48 auf die Monate Juli bis Dezember 2016 (Juli € 60,25; August € 150,00; September € 150,00; Oktober € 150,00; November € 150,00; Dezember € 150,00, ergibt € 810,25, aber tatsächlich nur € 806,48 haftbar gemacht) und der Haftungsbetrag Kommunalsteuer 1-8/2017 iHv € 3.594,39 auf die Monate Mai bis Juli 2017 (Mai € 158,32; Juni € 1.718,03; Juli € 1.718,03) bezieht. Diese Aufstellung wurde dem Beschwerdeführer im Zuge des Haftungsverfahren ebenfalls nicht übermittelt.

Zudem steht fest, dass der Beschwerdeführer seit beinahe durchgehend als arbeitssuchend gemeldet ist, Notstandshilfe bezieht und 4 Kinder hat.

Beweiswürdigung

Die Sachverhaltsfeststellungen beruhen auf die im Akt befindlichen Unterlagen und wurden bereits im Verfahrensgang die wesentlichen Beweismittel mit Verweis auf die Aktenseite (AS) angeführt. Insbesondere ergeben sich die Feststellungen hinsichtlich der Geschäftsführer-tätigkeit und der Konkurseröffnung aus dem Firmenbuch zu ***FNNr***. Dass der Beschwerdeführer bevollmächtigter Geschäftsführer war, ergibt sich aus einer Feststellung der GPLA-Prüfung, welche sich auf den Notariatsakt vom bezieht. Diese wird nicht in Zweifel gezogen und gibt es dahingehend auch keine Einwendungen des Beschwerdeführers.

Der Abgabenrückstand der Primärschuldnerin zum Zeitpunkt der Haftungsinanspruchnahme ergibt sich aus dem "Ist Kontoauszug" vom der belangten Behörde, die detaillierte monatliche Aufstellung der Haftungsbeträge aus dem Antwortschreiben der belangten Behörde vom . Diese sind schlüssig und nachvollziehbar und decken sich mit den Ergebnissen der GPLA-Prüfung.

Hingegen enthält der Haftungsbescheid keine konkreten und ausreichenden Informationen über den zugrundeliegenden Abgabenanspruch, eben so wenig die Beschwerde-vorentscheidung. Aus den Schriftstücken sind weder der nähere Grund und die Bemessungsgrundlagen noch die genaue Zusammensetzung der Beträge und die Zeiträume ersichtlich.

Das keine Abgabenbescheide erlassen wurden und dem Beschwerdeführer keine gesonderten Schriftstücke hinsichtlich des zugrundeliegenden Abgabenanspruches übermittelt wurden, ergibt sich ebenfalls aus dem Antwortschreiben vom der belangten Behörde.

Rechtsgrundlagen

§ 6a KommStG 1993 lautet:

§ 6a. (1) Die in den §§ 80 ff der Bundesabgabenordnung bezeichneten Vertreter haften neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffende Kommunalsteuer insoweit, als diese Abgabe infolge schuldhafter Verletzung der ihnen auferlegten abgabenrechtlichen oder sonstigen Pflichten nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden kann, insbesondere im Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens. § 9 Abs. 2 Bundesabgabenordnung gilt sinngemäß.

(2) Soweit Personen auf die Erfüllung der Pflichten der Abgabepflichtigen und der in §§ 80 ff Bundesabgabenordnung bezeichneten Vertreter tatsächlich Einfluss nehmen, haben sie diesen Einfluss dahingehend auszuüben, dass diese Pflichten erfüllt werden.

(3) Die in Abs. 2 bezeichneten Personen haften für die Kommunalsteuer insoweit, als diese Abgabe infolge ihrer Einflussnahme nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden kann, insbesondere im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens.

§ 80 Abs. 1 BAO lautet:

§ 80. (1) Die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen haben alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, daß die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

§ 224 Abs. 1 BAO lautet:

§ 224. (1) Die in Abgabenvorschriften geregelten persönlichen Haftungen werden durch Erlassung von Haftungsbescheiden geltend gemacht. In diesen ist der Haftungspflichtige unter Hinweis auf die gesetzliche Vorschrift, die seine Haftungspflicht begründet, aufzufordern, die Abgabenschuld, für die er haftet, binnen einer Frist von einem Monat zu entrichten.

§ 248 BAO lautet:

§ 248. Der nach Abgabenvorschriften Haftungspflichtige kann unbeschadet der Einbringung einer Bescheidbeschwerde gegen seine Heranziehung zur Haftung (Haftungsbescheid, § 224 Abs. 1) innerhalb der für die Einbringung der Bescheidbeschwerde gegen den Haftungsbescheid offenstehenden Frist auch gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch Bescheidbeschwerde einbringen. Beantragt der Haftungspflichtige die Mitteilung des ihm noch nicht zur Kenntnis gebrachten Abgabenanspruches, so gilt § 245 Abs. 2, 4 und 5 sinngemäß.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)

Voraussetzung für die Geltendmachung einer Haftung sind eine Abgabenforderung gegen den Vertretenen, die erschwerte Einbringung der betreffenden Abgaben im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Haftenden, seine Stellung als Vertreter, eine Pflichtverletzung des Vertreters, dessen Verschulden an der Pflichtverletzung und die Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für erschwerte Einbringung.

Nach der ständigen Judikatur des VwGH sind zur Haftung nach § 9 Abs. 1 BAO die in § 80 BAO angesprochenen Vertreter einer GmbH heranzuziehen. Nicht zum Geschäftsführer bestellte oder dazu bevollmächtigte so genannte "faktische Geschäftsführer" werden durch das bloße Ausüben von Geschäftsführungstätigkeiten allein noch nicht zu Vertretern im Sinne des § 80 BAO (). Maßgeblich für die Vertreterhaftung ist allein die gesellschaftsrechtliche Stellung als Geschäftsführer der GmbH. Der "faktische" Geschäftsführer kann daher weder zusätzlich noch an Stelle des bestellten Geschäftsführers zur Haftung herangezogen werden.

Unstrittig ist, dass der Beschwerdeführer vom ***Datum6*** bis ***Datum7*** und ab ***Datum2*** Geschäftsführer der ***PS*** war. Für diesen Zeitraum ist er allein schon aufgrund seiner gesellschaftlichen Stellung als Geschäftsführer Vertreter iSd § 80 BAO und kann daher zur Haftung herangezogen werden.

Für den Zeitraum vom bis war der Beschwerdeführer gem. Notariatsakt vom lediglich bevollmächtigter Geschäftsführer, somit kein Vertreter iSd § 80 BAO. Handelsrechtliche Geschäftsführerin war in dieser Zeit seine Ehegattin.

Allerdings haften gem. § 6a Abs 3 KommStG auch Personen für die Kommunalsteuer, welche auf die Erfüllung der Pflichten der Abgabepflichtigen und der in §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter tatsächlich Einfluss nehmen. Wie aus den Feststellungen der GPLA-Prüfung hervorgeht, wurde für den Beschwerdeführer ein monatlicher Geschäftsführerbezug von € 5.000,- brutto geschätzt und hat nach Auskunft der Masseverwalterin der Beschwerdeführer die Lohnverrechnung weggeworfen. Zudem besteht gerade der Zweck einer Bevollmächtigung darin, die Aufgaben des Vertretenen (hier: die Geschäftsführung) zu übernehmen. Nach allgemeiner Lebenserfahrung ist dies ohne Einflussnahme auf den vertretenen Geschäftsführer nicht möglich. Darüber hinaus geht das Bundesfinanzgericht davon aus, dass die Ehegattin nur vorgeschoben wurde und somit der Beschwerdeführer als bevollmächtigter Geschäftsführer im oa. Zeitraum auch die de-fakto Geschäftsführung innehatte. Vom Beschwerdeführer wurde zudem auch gar nicht eingewendet, dass er im haftungsgegenständlichen Zeitraum nicht Vertreter der***PS***H war bzw. keinen Einfluss auf die Geschäftsführung hatte.

Im Ergebnis kann der Beschwerdeführer auch für den Zeitraum, in welchen er bevollmächtigter Geschäftsführer war, zur Haftung herangezogen werden.

Hinsichtlich der aushaftenden Abgabenforderung der Primärschuldnerin wird ausgeführt, dass diese Gesellschaft mit ***Datum1*** im Zuge der Eröffnung des Konkurses aufgelöst wurde. Die mit Ist Kontoauszug vom ausgewiesenen Beträge und zwar betreffend Kommunalsteuer "Zeitraum 2016" iHv € 810,25 und dazugehörige Säumniszuschläge iHv € 16,13 sowie betreffend Kommunalsteuer "Zeitraum 2017" iHv € 7.030,45 und dazugehörige Säumniszuschläge iHv € 140,61 waren daher bei der Primärschuldnerin zum Zeitpunkt der Haftungsinanspruchnahme uneinbringlich.

Die Haftung nach § 6a KommStG ist eine Gefährdungshaftung und ist die bereits vom Gesetzgeber als typischer Fall der erschwerten Einbringung der Abgabenschuldigkeiten angeführte Voraussetzung für die Haftung durch die Eröffnung des Konkursverfahrens jedenfalls erfüllt.

Die Haftungsbeträge resultieren aus einer GPLA-Prüfung, welche nach Konkurseröffnung durchgeführt wurde. Erweist sich die Selbstberechnung der Kommunalsteuer des Unternehmers als nicht richtig oder wird die selbstberechnete Kommunalsteuer nicht oder nicht vollständig entrichtet, hat die Gemeinde nach § 11 Abs. 3 KommStG 1993 einen Kommunalsteuerbescheid zu erlassen. Im gegenständlichen Fall wurden nach Auskunft der belangten Behörde vom weder Kommunalsteuerbescheide noch Säumniszuschlagsbescheide erlassen. Dies wird wohl damit zusammenhängen, dass die Primärschuldnerin aufgrund des Konkursverfahrens bereits aufgelöst war.

Nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH muss diesbezüglich sichergestellt sein, dass dem in Anspruch genommenen Haftungspflichtigen, wenn schon nicht vom Bescheid über den Abgabenanspruch, so doch von den Voraussetzungen, Inhalten und Gründen, die ein Bescheid über den Abgabenanspruch hätte, Kenntnis verschafft wird. Mitteilungen über den Haftungsgegenstand (Anspruch, Art, Höhe, Grund) müssen in dem Maß gemacht werden, dass der Haftende zumindest den Kenntnisstand gewinnen kann, den er einnehmen könnte, wäre ihm der Abgabenbescheid zugeleitet worden. Es muss dem Haftungspflichtigen von der Behörde über den haftungsgegenständlichen Abgabenanspruch Kenntnis in einer Weise verschafft werden, dass die Prüfung der Richtigkeit der Abgabenfestsetzung möglich ist und die Positionen der Rechtsverteidigung des herangezogenen Haftenden gegen den Anspruch nicht schwächer sind als diejenigen, die der Abgabepflichtige gegen den Abgabenbescheid einzunehmen in der Lage ist (; , 2000/16/0227).

Werden dem Beschwerdeführer die Grundlagen des Abgabenanspruches unvollständig zur Kenntnis gebracht, ist dadurch eine Behinderung seiner Verteidigungsrechte auch im Beschwerdeverfahren gegen den Haftungsbescheid zu sehen (). Wird dies unterlassen, liegt ein Mangel des Verfahrens vor, der im Verfahren über die Beschwerde gegen den Haftungsbescheid nicht sanierbar ist ().

Nach der Aktenlage wurde die Haftung für Kommunalsteuer 1-12/2016 iHv € 806,48 und für Kommunalsteuer 1-8/2017 iHv € 3.594,39 in einem Gesamtbetrag geltend gemacht, ohne eine monatliche Aufgliederung der in Haftung gezogenen Abgaben zu übermitteln. Wird die Kommunalsteuer lediglich in einem Jahresbetrag ohne monatliche Aufgliederung der in Haftung gezogenen Abgaben bekannt gegeben, bewirkt dies eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides ().

Nach der Rechtsprechung des VwGH muss der Beschwerdeführer, wenn ein solcher Abgabenbescheid nicht erlassen wurde, den er später nach § 248 BAO hätte bekämpfen können, die Höhe des Abgabenanspruches im Haftungsverfahren anfechten können. Dem Beschwerdeführer ist darzulegen, auf Grund welchen Sachverhaltes die Kommunal-steuerschuld in der von der Selbstberechnung abweichenden Höhe entstanden ist ()

Dies ist im vorliegenden Fall nicht geschehen. Die GPLA-Prüfung fand als sogenannte "Konkursprüfung" nach Eröffnung des Konkurses statt. Die Primärschuldnerin wurde dabei von der Masseverwalterin vertreten, welche auch bei der Schlussbesprechung anwesend war. Der dahingehende Prüfungsbericht wurde seitens des Finanzamtes der Masseverwalterin zugesendet. Es gibt keine Hinweise, dass der Beschwerdeführer in die Prüfung eingebunden war und wäre er dazu auch gar nicht befugt gewesen.

Weiters geht aus der Aktenlage hervor, dass die belangte Behörde im gesamten Haftungsverfahren (Vorhalt, Haftungsbescheid, Beschwerdevorentscheidung) dem Beschwerdeführer über den Haftungsgegenstand (Anspruch, Art, Höhe, Grund) nicht ausreichend in Kenntnis gesetzt hat. So wurden ihm weder der GPLA-Prüfungsbericht, noch die Niederschrift über die Schlussbesprechung oder der Ist-Kontoauszug übermittelt. Details zur Berechnung dieser Beträge oder eine monatliche Übersicht derselben sind ihm ebenfalls nicht zugegangen. Zudem ist ihm auch die dem Bundesfinanzgericht am übermittelte Aufstellung im Zuge des Haftungsverfahren nicht übergeben worden.

Der Hinweis im Haftungsbescheid "Kommunalsteuer lt. GPLA-Prüfung" reicht jedenfalls nicht aus, den Beschwerdeführer in die Lage zu versetzen, substantiierte Einwendungen gegen den Bestand der Abgabenforderungen vorzubringen, da daraus weder der Grund der Schätzung noch die Bemessungsgrundlagen und die tatsächliche Höhe der einzelnen monatlichen Kommunalsteuer ableitbar sind.

Wenn die belangte Behörde in ihrer Beantwortung vom ausführt, sie habe den Beschwerdeführer insofern über die haftungsgegenständlichen Abgabenansprüche in Kenntnis gesetzt hat, als sie in der Beschwerdevorentscheidung den Beschwerdeführer auf die Schätzung hingewiesen habe, so genügt dies mangels Darlegung konkreter Zahlen ebenso wenig. Auch das Argument der belangten Behörde der Beschwerdeführer habe die Schätzung weder dem Grunde nach noch der Höhe nach in Frage gestellt, geht ins Leere. Dies deshalb, da das Unterbleiben der Bekanntmachung des zugrundeliegenden Abgabenanspruches dem Grunde und der Höhe nach die Rechtswidrigkeit des Haftungsbescheides zur Folge hat () und dies somit von Amts wegen aufzugreifen ist.

Im Übrigen ist das Bundesfinanzgericht nicht an die Entscheidung zu GZ RV/7400181/2019 gebunden und liegt zudem ein anderer Sachverhalt vor.

Weiters wird angemerkt, dass im GPLA-Bericht, im Ist-Kontoauszug vom und im Haftungsbescheid die Beträge und Zeiträume divergieren und auch zunächst für das Bundesfinanzgericht nicht nachvollziehbar war, wie sich die Haftungsbeträge errechnen und auf welche Zeiträume sie sich tatsächlich beziehen.

So stellt bspw. die GPLA-Prüfung hinsichtlich der Kommunalsteuer im Jahr 2017 für 1-9/2017 eine Nachforderung iHv € 15.462,28 fest, der Ist Kontoauszug weist einen Rückstand an Kommunalsteuer iHv € 7.030,45 auf und im Haftungsbescheid wird der Beschwerdeführer für Kommunalsteuer lt. GPLA-Prüfung 1-8/2017 iHv nur € 3.594,39 in Anspruch genommen. Erst im Zuge der Beantwortung vom legte die belangte Behörde eine detaillierte monatliche Aufstellung hervor, aus der schlüssig und nachvollziehbar hervorgeht, dass sich der Haftungsbetrag von € 3.594,39 nur auf die Monate 5-7/2017 bezieht und auf das Monat 8/2017 trotz uneinbringlichen Rückstandes bei der Primärschuldnerin auf die Haftung verzichtet wurde. Ähnliches gilt für die Kommunalsteuer im Jahr 2016.

Auch dieses Beispiel zeigt, dass es dem Haftungspflichtigen unmöglich war, den tatsächlichen Abgabenanspruch dem Grunde und der Höhe nach allein aus dem Haftungsbescheid zu erkennen.

Zusammenfassend ist festzustellen, dass der Beschwerdeführer im gesamten Haftungsverfahren weder über die Ermittlung, Berechnung und Fälligkeit der Abgaben, für welche er zur Haftung herangezogen werden soll, ausreichend informiert worden ist, womit ihm die Prüfung der Richtigkeit der Abgabenfestsetzung nicht möglich war.

Da allein schon aus diesem Grund der Haftungsbescheid wegen Rechtswidrigkeit aufzuheben war, erübrigt es sich auf die weiteren Haftungsvoraussetzungen und dem Vorbringen des Beschwerdeführers (mögliche Uneinbringlichkeit) einzugehen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Das Bundesfinanzgericht orientierte sich bei der zu lösenden Rechtsfrage an den zitierten gesetzlichen Bestimmungen. Die rechtlichen Voraussetzungen zur Inanspruchnahme zur Haftung sind durch die höchstgerichtliche Rechtsprechung hinreichend geklärt. Es liegt hier keine zu klärende Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor, weshalb die Zulässigkeit einer Revision zu verneinen war.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Landesabgaben Wien
betroffene Normen
§ 6a KommStG 1993, Kommunalsteuergesetz 1993, BGBl. Nr. 819/1993
§ 80 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 224 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 248 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.7400180.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at