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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 28.04.2021, RV/1100251/2020

1) Berücksichtigung von ausländischen Krankenversicherungsbeiträgen als Werbungskosten bzw. Sonderausgaben 2) Berücksichtigung von behinderungsbedingten außergewöhnlichen Belastungen (Freibetrag gemäß § 35 EStG 1988 sowie Verpflegungsmehraufwand nach § 2 Abs. 1 der Verordnung über außergewöhnliche Belastungen)

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Peter Steurer in der Beschwerdesache ***Bf***, ***Bf-Adr***, vertreten durch Dr. ***G***, gegen den Bescheid des Finanzamtes Bregenz (nunmehr: Finanzamt Österreich) vom , betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2019 zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.

Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

1. Die Beschwerdeführerin bezieht eine Rente von der Deutschen Rentenversicherung Bund und eine Invalidenrente aus der Schweiz. In der Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2019 machte sie Krankenversicherungsbeiträge in Höhe von 7.208,10 € als Werbungskosten geltend. Weiters gab sie einen Grad der Behinderung von 78% an.

2. Im Einkommensteuerbescheid 2019 behandelte das Finanzamt die Schweizer Invalidenrente als in Österreich steuerpflichtig und berücksichtigte die deutsche Rente im Wege des Progressionsvorbehaltes. Hinsichtlich der Krankenversicherungsbeiträge wurde darauf hingewiesen, dass diese ebenso wie bei Beziehern einer inländischen Rente mit maximal 5,1% der Bemessungsgrundlage als Werbungskosten berücksichtigt werden könnten. Behinderungsbedingte außergewöhnliche Belastungen wurden mit der Begründung, dass ein Nachweis über eine Behinderung nicht vorliege, nicht in Abzug gebracht.

3. Gegen den Einkommensteuerbescheid 2019 erhob die Beschwerdeführerin mit der Begründung, die Krankenversicherungsbeiträge seien nicht wie erklärt berücksichtigt worden, Beschwerde.

4. Mit Beschwerdevorentscheidung wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab, da eine über das Ausmaß von 5,1% der Bemessungsgrundlage hinausgehende Berücksichtigung der Krankenversicherungsbeiträge als Werbungskosten dem Gleichbehandlungsgrundsatz widersprechen würde.

5. Mit als Vorlageantrag zu wertender elektronisch übermittelter Eingabe vom brachte die Beschwerdeführerin vor, dass ihre Behinderung nicht berücksichtigt worden sei. Zum Nachweis ihrer Behinderung legte sie eine Verfügung der Sozialversicherungsanstalt des Kantons St. Gallen über den infolge des festgestellten Invaliditätsgrades von 78% bestehenden Anspruch auf eine Schweizer Invalidenrente sowie einen Rentenbescheid von der Deutschen Rentenversicherung Bund über die Zuerkennung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung vor.

6. Am übermittelte das Finanzamt ein vom Rechtsvertreter mit Schreiben vom vorgelegtes Sachverständigengutachten des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen (Sozialministeriumservice) samt Begleitschreiben und wies darauf hin, dass die entsprechenden Behindertenfreibeträge somit zustünden.

7. Auf Vorhalt des Bundesfinanzgerichtes teilte der Rechtsvertreter unter Anschluss entsprechender Beilagen ua. mit, dass bereits im Jahr 2015 eine gültige Versicherung nach dem Krankenversicherungsgesetz (KVG) bei der X AG bestanden habe und im Jahr 2016 ein Krankenversicherungsvertrag bei der Y Schweizerische Kranken- und Unfallversicherung AG abgeschlossen worden sei. Weiters wurde eine Ablichtung des im Februar 2019 ausgestellten Behindertenpasses vorgelegt.

8. Das Finanzamt teilte dazu am mit, dass im Hinblick auf die vorgelegten Unterlagen keine Bedenken gegen eine Berücksichtigung der an die X AG geleisteten Krankenversicherungsbeiträge als Sonderausgaben bestünden.

II. Sachverhalt

1. Krankenversicherungsbeiträge

Die Beschwerdeführerin hat im Streitjahr Versicherungsbeiträge für eine bereits vor dem abgeschlossene Krankenversicherung bei der schweizerischen X AG sowie eine im Jahr 2016 bei der Y Schweizerische Kranken- und Unfallversicherung AG abgeschlossene Krankenversicherung geleistet. Das Finanzamt berücksichtigte die Versicherungsbeiträge im Höchstausmaß von 5,1% der Bemessungsgrundlage als Werbungskosten.

2. Außergewöhnliche Belastungen

Der Beschwerdeführerin wurde im Februar 2019 ein unbefristeter, ab gültiger Behindertenpass ausgestellt, in welchem der Grad der Behinderung mit 50% angegeben ist. Der Feststellung des Grades der Behinderung liegt ein medizinisches Sachverständigengutachten des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen (Sozialministeriumservice) vom zugrunde. In diesem wurde aufgrund der unter der führenden Positionsnummer () bezeichneten Funktionseinschränkungen ["Zustand nach Subarachnoidalblutung bei Aneurysma der A. cerebri media rechts 2012, Zustand nach vasospastischem Media- und Anterior-Infarkt rechts 2012 nach Clipping, Zustand nach Hemicraniektomie und Shuntanlage bei Hydrozephalus (diskretes persistierendes motorisches Hemisyndrom links, Defizite in Konzentration, Merkfähigkeit und Aufmerksamkeit, sicheres und hilfsmittelfreies Gangbild)"] ein Grad der Behinderung von 40% festgestellt. Weiters wurde wegen einer chronischen Niereninsuffizienz (Pos.-Nr. ) ein Grad der Behinderung von 30% und aufgrund des Zustandes nach einem Grand-Mal-Anfall 2016 (Pos.-Nr. ) sowie einer arteriellen Hypertonie (Pos.-Nr. ) jeweils ein Grad der Behinderung von 20% attestiert. Die Einstufung mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 50% erfolgte aufgrund der festgestellten ungünstigen wechselseitigen Beeinflussung der angeführten Leiden. Hinsichtlich der Nierenkrankheit wurde das Vorliegen einer Gesundheitsschädigung mit dem Erfordernis einer Krankendiätverpflegung bestätigt.

III. Rechtliche Beurteilung

1. Krankenversicherungsbeiträge

Gemäß § 16 Abs. 1 Z 4 lit. e erster Satz zweiter Halbsatz EStG 1988 gehören zu den Werbungskosten auch "Beiträge zu einer inländischen gesetzlichen Krankenversicherung sowie Beiträge zu einer Krankenversicherung auf Grund einer in- oder ausländischen gesetzlichen Versicherungspflicht". Abzugsfähig sind Krankenversicherungsbeiträge nach § 16 Abs. 1 Z 4 lit. e zweiter Satz EStG 1988 aber nur insoweit, als sie "der Höhe nach insgesamt Pflichtbeiträgen in der gesetzlichen Sozialversicherung entsprechen".

Die in § 16 Abs. 1 Z 4 lit. e EStG 1988 normierte Begrenzung des Abzuges mit der Höhe der Pflichtbeiträge in der gesetzlichen Sozialversicherung bezieht sich auf die Höchstbeiträge in der gesetzlichen österreichischen Sozialversicherung und nicht etwa auf im Rahmen einer ausländischen Versicherungspflicht zu leistende (höhere) Beiträge (vgl. ).

Die mit der Höhe des für Pensionsbezieher geltenden (Pflicht-)Beitragssatzes (5,10%) begrenzte Berücksichtigung der strittigen Krankenversicherungsbeiträge erweist sich sohin als rechtmäßig (vgl. auch , und ).

Gemäß § 18 Abs. 1 Z 2 EStG 1988 sind ua. Beiträge und Versicherungsprämien zu einer freiwilligen Krankenversicherung, wenn der der Zahlung zugrundeliegende Vertrag vor dem abgeschlossen worden ist, bei der Ermittlung des Einkommens als Sonderausgaben abzuziehen, soweit sie nicht Betriebsausgaben oder Werbungskosten sind.

Nach § 18 Abs. 3 Z 2 EStG 1988 besteht für Ausgaben im Sinne des Abs. 1 Z 2 bis 4 mit Ausnahme der Beiträge für eine freiwillige Weiterversicherung einschließlich des Nachkaufs von Versicherungszeiten in der gesetzlichen Pensionsversicherung und vergleichbarer Beiträge an Versorgungs- und Unterstützungseinrichtungen der Kammern der selbständig Erwerbstätigen ein einheitlicher Höchstbetrag von 2.920 Euro jährlich. Dieser Betrag erhöht sich in den in § 18 Abs. 3 Z 2 EStG 1988 genannten Fällen um 2.920 Euro. Sind diese Ausgaben insgesamt niedriger als der jeweils maßgebende Höchstbetrag, so ist ein Viertel der Ausgaben, mindestens aber der Pauschbetrag nach Abs. 2, als Sonderausgaben abzusetzen; sind sie gleich hoch oder höher als der jeweils maßgebende Höchstbetrag, so ist ein Viertel des Höchstbetrags als Sonderausgaben abzusetzen (Sonderausgabenviertel).

Die aufgrund des bereits vor dem abgeschlossenen Versicherungsvertrages an die X AG geleisteten und nicht als Werbungskosten berücksichtigten Krankenversicherungsbeiträge (2.207,48 €) waren daher mit einem Betrag von 551,87 € als Sonderausgaben zu berücksichtigen (vgl. auch , und ). Der Versicherungsvertrag mit der Y Schweizerische Kranken- und Unfallversicherung AG wurde erst im Jahr 2016 abgeschlossen und kam eine Berücksichtigung des die in Abzug gebrachten Werbungskosten übersteigenden Betrages als Sonderausgaben daher nicht in Betracht.

2. Außergewöhnliche Belastungen

Gemäß § 34 Abs. 1 EStG 1988 sind bei der Ermittlung des Einkommens eines unbeschränkt Steuerpflichtigen nach Abzug der Sonderausgaben außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muss außergewöhnlich sein, sie muss zwangsläufig erwachsen und sie muss die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen.

Nach § 34 Abs. 6 EStG 1988 können ua. Aufwendungen im Sinne des § 35, die an Stelle der Pauschbeträge geltend gemacht werden (§ 35 Abs. 5) sowie Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung, wenn die Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 EStG 1988 vorliegen, soweit sie die Summe der pflegebedingten Geldleistungen (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindengeld oder Blindenzulage) übersteigen, ohne Berücksichtigung des Selbstbehaltes abgezogen werden. Nach dem letzten Satz dieser Bestimmung kann der Bundesminister für Finanzen mit Verordnung festlegen, in welchen Fällen und in welcher Höhe Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung ohne Anrechnung auf einen Freibetrag nach § 35 Abs. 3 EStG 1988 und ohne Anrechnung auf eine pflegebedingte Geldleistung zu berücksichtigen sind.

Hat der Steuerpflichtige außergewöhnliche Belastungen ua. durch eine eigene körperliche oder geistige Behinderung und erhält er keine pflegebedingte Geldleistung (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindengeld oder Blindenzulage), so steht ihm nach § 35 Abs. 1 EStG 1988 ein Freibetrag zu. Gemäß § 35 Abs. 3 EStG 1988 in der am in Kraft getretenen Fassung BGBl. I Nr. 103/2019 beträgt dieser Freibetrag bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 45% bis 54% jährlich 401,00 €. Anstelle des Freibetrages können nach § 35 Abs. 5 EStG 1988 auch die tatsächlichen Kosten aus dem Titel der Behinderung geltend gemacht werden.

Gemäß § 1 Abs. 1 der aufgrund der §§ 34 und 35 EStG 1988 ergangenen Verordnung des Bun-desministers für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen, BGBl. Nr. 303/1996 idF BGBl. II Nr. 430/2010, sind die in den §§ 2 bis 4 dieser Verordnung genannten Mehraufwendungen als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen, wenn der Steuerpflichtige Aufwendungen ua. durch eine eigene körperliche oder geistige Behinderung hat.

Eine Behinderung liegt nach § 1 Abs. 2 der Verordnung vor, wenn das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) mindestens 25% beträgt.

Nach § 1 Abs. 3 der Verordnung sind die Mehraufwendungen gemäß den §§ 2 bis 4 der Verord-nung nicht um eine pflegebedingte Geldleistung (Pflegegeld, Pflegezulage oder Blindenzulage) oder um einen Freibetrag nach § 35 Abs. 3 EStG 1988 zu kürzen.

Nach § 2 Abs. 1 der Verordnung sind als Mehraufwendungen wegen Krankendiätverpflegung ohne Nachweis der tatsächlichen Kosten bei einer Gallen-, Leber- oder Nierenkrankheit 51,00 € pro Kalendermonat zu berücksichtigen.

Im Falle einer Behinderung ist somit, sofern nicht die tatsächlichen Kosten geltend gemacht werden, ein vom Grad der Behinderung abhängiger Freibetrag zu berücksichtigen. Weiters können neben dem Freibetrag nach § 35 Abs. 3 EStG 1988 und ohne Anrechnung auf pflege-bedingte Geldleistungen ua. die in § 2 der Verordnung über außergewöhnliche Belastungen angeführten pauschalen Mehraufwendungen wegen einer Krankendiätverpflegung bei einer der dort genannten Krankheiten berücksichtigt werden.

Der Gesamtgrad der Behinderung der Beschwerdeführerin ist im Behindertenpass mit 50% ausgewiesen, der durch eine Nierenerkrankung bedingte Grad der Behinderung wurde im Gutachten des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen mit 30% festgestellt. Aus der Behinderung resultierende tatsächliche Kosten hat die Beschwerdeführerin nicht geltend gemacht und war daher der gemäß § 35 Abs. 3 EStG 1988 bei einem zwischen 45% und 54% liegenden Grad der Behinderung zustehende Freibetrag von 401,00 € zu berücksichtigen. Als Mehraufwendungen für eine Krankendiätverpflegung bei einer Nierenkrankheit waren nach § 2 Abs. 1 der Verordnung über außergewöhnliche Belastungen 51,00 € monatlich, ds. 612,00 € jährlich, in Abzug zu bringen.

Gesamthaft gesehen war der Beschwerde somit teilweise Folge zu geben.

IV. Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die im Beschwerdefall strittigen Fragen wurden auf Grundlage von nicht über den Einzelfall hinaus bedeutsamen Sachverhaltsfeststellungen beurteilt. Die mit den Höchstbeiträgen in der gesetzlichen österreichischen Sozialversicherung begrenzte Abzugsfähigkeit der strittigen Krankenversicherungsbeiträge als Werbungskosten ist durch die angeführte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geklärt. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Artikel 133 Abs. 4 B-VG wird durch das vorliegende Erkenntnis somit nicht berührt und ist eine (ordentliche) daher nicht zulässig.

Feldkirch, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.1100251.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at